Sie wählte mich


„Wer auch immer das Video erstellt hat, wusste, was er tat ..." begann ich und blickte in die Runde, „ich habe mein Bestes versucht, es auseinanderzupflücken, aber was wir zu sehen bekommen haben, war die Aufnahme, einer Aufnahme, einer Aufnahme, einer Aufnahme ... im Prinzip wurde immer wieder eine Kopie gemacht, indem man die Funktion der Bildschirm Aufnahme nutze, wie sie heute jedes Handy hat. Das Einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann, ist das es keine Liveübertragung war, die Nummer, von der sie stammte, war ein Internetdienst, die man für Einmalanrufe anonym nutzen kann und dass es von Duskwood aus geschehen ist. Aber selbst dann hätten eigentlich Spuren des Erstellers bleiben müssen ... "

Dan schnaubte „Du hast uns also am frühen Morgen hier in die Aurora bestellt, um uns zu sagen, das nicht mal du Genie etwas herausfinden kannst? Das unser Knallkopf da draußen, der Vicki rumschleppt wie eine Schaufensterpuppe mehr auf den Kasten hat als du? Oh Hackyboy das sind ja ganz neue Töne!", er lachte freudlos und ich rieb mir genervt die Nasenwurzel. Lilly schlug ihn in die Seite und er beschwerte sich laut. „Hey, warum schlägst du mich?"

„Weil du ein unsensibler Klotz bist! Jetzt lass Jake halt Ausreden!" Brummte Lilly ihn halblaut an und die anderen nickten zustimmend.

Ich war Lilly für die Unterstützung dankbar, es war für mich schon schwer genug, überhaupt hier vor ihnen zu stehen und Dan machte es mir noch schwerer. Ich glaubte längst, dass er mir die Schuld an allem gab, weil er selbst etwas für Vicki empfand. Etwas, das mir ein Schmerzhaftes ziehen in mein sowieso schon zerrissenes Herz einbrachte. Es war kein Platz für solche Gefühle in solch einer Situation und doch konnte ich es nicht aufhalten.

„Wie dem auch sei ... Wer auch immer es ist, wusste, wonach ich suchen würde. Dessen bin ich mir fast sicher. Es kam mir vor, als würde er mich kennen und ich glaube weiter ..." kurz stockte ich. Sollte ich es wirklich aussprechen? Ich atmete durch, um meine Nerven zu beruhigen, die sowieso schon kurz vor dem Zusammenbruch standen. Doch erst wenn ich sie gefunden hatte, würde ich mir diese Schwäche erlauben ... „Ich glaube, es geht dem Täter hier um mich, auch wenn er euch mit reinzieht. Das er mein Zeichen kennt und auch verwendet, um meine Aufmerksamkeit von Anfang an sich zu sichern, ist dabei mein Hauptindiz ..."

„Ja klar, ist ja immer so, Hackyboy ist der Nabel der Welt und alle warten nur darauf, ihm ans Leder zu gehen."

Genug ist genug, „Dan, was ist dein Problem. Du möchtest das gerne übernehmen? Bitte schön, ich habe mir das sicher nicht ausgesucht!"

„Nein, und so ganz nebenbei sorgst du auch dafür, dass alle anderen um dich herum es sich auch nicht aussuchen können. Scheiß egal wer dabei noch drauf geht!" Er stand auf und wurde mit jedem Wort lauter. Bedrohlich funkelte er mich an, während er die Arme vor der Brust verschränkte.

Wenn er dachte, dass ich nachgab, irrte er sich. Ich sah ihm fest in die Augen und knallte die Hände auf den Tisch „Was ist dein Problem Dan? Wie wäre es, wenn du dich zur Abwechslung nicht hinter deinen dümmlichen Sprüchen versteckst, sondern klar kommunizierst, was du willst. Oder geht das mit deinen drei Gehirnzellen nicht?"

„Pass auf was du sagst, du scheiß Nerd! Deine Computer können dich vor meiner Faust nicht retten, genauso wenig, wie sie es bei Vicki konnten! Sie sind schuld das es überhaupt dazu gekommen ist! Du hast sie umgebracht!"

Was folgte, hatte niemand erwartet. Ich am allerwenigsten. Noch ehe ich einen Gedanken fassen konnte, war ich über den Tisch gesprungen und hatte Dan meine Faust ins Gesicht gerammt. Ich war zwar sportlich in Form aber gegen Dan wirkte dieser Schlag wie gegen ein weiches Kissen. Er war gerade mal einen Schritt nach hinten getaumelt, ehe er zwei nach vorne machte und ich den Schlag in meinem Gesicht spürte. Wie ein nasser Sack ging ich zu Boden. Zuerst schmeckte ich Blut, dann explodierte der Schmerz in meinem Gesicht. Meine Ohren klingelten und ich sah bunte Flecken in meinen geschlossenen Augen tanzen.

Ich hörte wildes Geschrei und rufe. Jemand kniete neben mir und stützte mich, während ich versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.

Es war Hannah, die mich stützte, während Lilly und Jessy Dan zur Schnecke machten. Thomas sah schweigend aus dem Fenster und Phil kam mit einem Handtuch und Eisack auf mich zu. Hannah nahm es ihm ab und tupfte in meinem Gesicht rum. Genervt nahm ich es ihr ab. „Jacke, bitte lass mich dir helfen."

„Nein! Ich ... er hat recht. Der Täter hat recht. Ich bin Superbia, der Hochmut. Das alles hier ist meine Schuld, weil ich der Meinung war, das alles schaffen zu können! Es wurden genug Menschen hineingezogen. Ab hier arbeite ich allein! Schickt mir eine Nachricht, falls der Täter noch einmal etwas macht. Ich überwache euch. Wenn ihr Angst habt, ruft Alan an." Ich wand mich um und ging zur Tür. Während ich sie aufzog, drehte ich mich allerdings noch einmal um und sah Dan durch mein verquollenes Auge an. „Ach Dan... trotz allem hatte Vicki mich gewählt. Ihr war Intelligenz wohl wichtiger als Muskelmaßen. Sie hat ich liebe dich geschrieben. Ich habe es sogar schriftlich, du Prolet!"

Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen ging ich hinaus und zog meine Kapuze tief ins Gesicht. Es hatte erstaunlich gutgetan ihm das reinzuwürgen.

Das Wetter in Duskwood wurde immer trister, je weiter der Herbst fortschritt. Ich war schon an sehr vielen Orten aber kaum einer war so nasskalt wie dieser. Selbst der Sommer kannte nur wenige schöne warme Tage.

Als Nächstes musste ich herausfinden, wo das Video aufgenommen wurde. Dazu würde ich mich in die Bibliothek begeben und historische markante Orte der Stadt raussuchen. Keine Ahnung, warum ich nicht meine Computer nutzte. Zumindest nicht alle. Meinen Laptop hatte ich überall mit dabei sowie einen tragbaren Router Marke-Eigenbau. Es war das erste Mal, das ich negativ darüber dachte, ein Hacker zu sein. Ich kam mir nutzlos vor. Einzelne Tränen liefen mir über die Wangen, als ich die Augen schloss. Vickis Gesicht tauchte vor meinen Augen auf, wie sie voller Wut und Trauer dort im Regen auf dem Friedhof gestanden dann, wie sie bei unserem letzten Gespräch so zufrieden gelächelt hatte. Diese beiden Bilder ließen sich einfach nicht in einen Zusammenhang bringen. Wie zwei Seiten einer Medaille. Sie existieren beide zusammen, aber sind doch unterschiedlicher als Tag und Nacht. Dann das Bild ihres verstorbenen Körpers ... etwas hatte da nicht gestimmt. Aber auch wenn ich mir das Video zigmal angesehen hatte, es will mir nicht auffallen. Gerne hätte ich die anderen danach gefragt, aber ich will ihnen nicht noch mehr zumuten. Alan wollte ich auch nicht fragen. Das Risiko, das ein gewisser FIB-Agent das mitbekam, war mir zu groß.

Gedankenversunken bog ich in die schmale Gasse Richtung Bibliothek. Ich vermied wie immer bewusst belebte Plätze. Gerade hier in so einem kleinen Ort viel ich zu sehr auf, auch wenn ich jetzt schon eine ganze Weile hier war. Ein seltsames Gefühl beschlich mich, konnte mich aber dank des Schmerzes in meinem Gesicht nicht wirklich darauf konzentrieren, also blieb ich stehen und sah mich vorsichtig um. Außer mir war hier niemand. Es war totenstill und ich zuckte zusammen, als ein Rabe krächzte. Er sah über mir auf einem Dach und starrte zu mir hinab. Ich muss wirklich mehr schlafen, ansonsten würde ich irgendwann noch anfangen, Geister zu sehen.

Gerade als ich meinen Weg fortsetzen wollte, erschrak ich bei einem viel seltsameren Geräusch und drehte mich hektisch um. Es klingelte... leise, aber es war eindeutig ein Glöckchen, das ich da hörte. Nur ganz zart trug der Wind, die Klänge zu mir und ich konnte nicht sagen, aus welcher Richtung es kam. Langsam wurde es lauter, nachdem es immer wieder eine kleine Pause einlegte. Dann hörte ich es direkt hinter mir. Ich drehte mich um, doch da war nichts. Hektisch machte ich einen Satz in die Richtung und schaute hinter eine Mauer. Da! Ein weißer Stofffetzen bog ums nächste Eck ab. Wie im Wald hatte ich nichts Besseres zu tun, als ihm nachzujagen. Doch auch an der Nächsten Ecke war nichts zu finden und ich verlor es aus den Augen.

Ich war mir nicht sicher, ob ich enttäuscht darüber war, wieder nicht herausgefunden zu haben. Denn es machte mir langsam Angst. Den die Person, ich war mir sicher, dass es sich um einen Menschen handelte und ich keinen Winchester brauchte, um das Problem für mich zu lösen. Schaffte es mir so nahezukommen und mich an der Nase herumzuführen, ohne dass ich es mitbekam.

Plötzlich knirschte es verdächtig unter meinem Schuh, als ich wieder gehen wollte. Verdutzt bückte ich mich und hob einen verdreckten Hotelschlüssel auf. Er sah alt aus und hatte ein verziertes Nummernblättchen aus Metall daran. NR. 13. Eine Unglückszahl, na wunderbar.

Doch länger konnte ich mich darauf nicht konzentrieren, denn ein lautes Fluchen schreckte mich auf. Im letzten Moment konnte ich in eine Einfahrt flüchten.

„Verfluchte scheiße! Ich habe ihn doch in die Gasse laufen sehen! Wo kann der Kerl nur hingelaufen sein. Es ist, als ob er einen sechsten Sinn dafür hat, festgenommen zu werden. Und das alles nur, weil diese blöde Schlampe springen musste! Ich hatte sie in der Hand und jetzt ..."

Geschockt hörte ich Rollo's Schimpftriaden zu. Was meinte er nur damit? Hatte er gerade Vicki gemeint?

Das er allerdings mitten im Satz abbrach, machte mich noch stutziger. Ein greller Schrei folgte und ich wäre vor Schreck fast aus meinem Versteck gesprungen. Was ich sah, ließ mich schadenfroh lachen. Der Rabe, der die gesamte Zeit auf dem Dach gesessen hatte, stürzte sich auf den Mann und hackte immer wieder auf seinem Kopf ein. Fast als hätte er persönlich etwas gegen ihn. Rollo blieb nichts weiter als die Flucht zu ergreifen und der Rabe setzte ich schlussendlich wieder auf seinen Platz und sah nun in meine Richtung. Er schrie mich wütend an und ich sah lieber zu das ich ebenfalls hier wegkam. Mit dem Tier wollte ich mich lieber nicht anlegen. Mit schnelle Schritte ging ich auf mein eigentliches Ziel zu, der Schlüssel allerdings wog dabei sehr schwer in meiner Hand. 

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