Schlaflose Nächte
Mitten in der Nacht wurde ich jedoch durch wach. Die Ereignisse der letzten Tage hatten selbst meine Träume fest im Griff, was meinen ohnehin schon miserablen Schlafrhythmus völlig zerstörte. An wieder einschlafen war auch nicht mehr zu denken, denn sofort begann das Gedankenkarussell sich wieder zu drehen. Traurig betrachtete ich das Flackern des Kaminfeuers an der Wand. Am gesündesten für mich selbst wäre es wohl einfach zu verschwinden. Unterzutauchen in die Welt, aus der ich kam, meine Gefühle und den damit verbundenen Kummer im Darknet ertränken. Allerdings war ich mir sicher, dass die Ungewissheit über das, was tatsächlich geschehen war und das nagende Gefühl der Unschuld nicht ohne weiteres verschwinden. Vermutlich würde ich alles sogar noch schlimmer machen, als ihr hier so lange auf die Pelle zu rücken, bis sie endlich mit mir sprach.
Um mich abzulenken, nahm ich mein Handy und antwortete Lilly, die sich bereits sorgen machte, wo ich war. Bis jetzt hatte ich es vor mich hergeschoben, denn ich hatte keine Ahnung, was ich ihr erzählen sollte. Jessica hatte mir ebenfalls geschrieben und mitgeteilt, dass sie den anderen gesagt, das ich mich nach unserer Wanderung durch den Wald für Recherchen zurückgezogen hatte. Vicki zuliebe solle ich auch dabeibleiben.
Sollte mir ehrlich gesagt recht sein, den letztendlich war niemand zu Schaden gekommen... oder? Das erinnerte mich wieder an meinen Traum. Jemand wurde eine Klippe hinuntergestoßen, doch ich konnte weder erkennen, wer fiel und wer am Ende da am Rande der Felsen stehen geblieben war. Ich hoffe, Vicki würde mir irgendwann verraten, wie sie mich vor Rosslo gerettet hatte.
„Hallo Lilly. Bitte mach dir keine Sorgen. Ich denke, es wird sich alles bald aufklären, gib mir noch etwas Zeit. Euch passiert nichts." Es fiel mir nicht schwer, sie anzulügen, obwohl es das sollte. Wie sagt man immer, der Zweck heiligt die Mittel. Andererseits sieht man, wo mich das hingeführt hatte.
Ein Rascheln aus dem Wohnzimmer, zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Leise stand ich auf und schlich um die Ecke. Zuerst sah ich gar nichts, doch dann nahm ich eine winzige Bewegung auf einem der Sessel wahr. Vorsichtig und leise umrundete ich ihn. Der Anblick, der sich mir bot, ließ mein Herz krampfen. Vicki kauerte schlafend auf einem und versuchte im Schlaf sich die Decke wieder zurecht zu zupfen. Auf ihrer ihren Armen sah man deutlich die Anzeichen dafür, dass sie fror. Sie musste schon die ganze Zeit hier geschlafen haben. Selbst jetzt sah man ihrem Gesicht Erschöpfung und Anspannung an. Mein Blick fiel auf das T-Shirt, das sie trug. Es war dasselbe wie am ersten Abend. Und ich war mir zu einhundert Prozent sicher, dass es eigentlich meins war. Sie musste es mir irgendwann entwendet haben. Da ich mir mittlerweile ziemlich sicher war das sie Für die Nachricht an meinem PC verantwortlich war, war es eine Gelegenheit gewesen, mir das zu entwenden. Und das war der Strohhalm, an dem ich momentan festhielt, denn so was macht man nicht, wenn man die Person hasste.
Ohne großartig darüber nach zudenke hob ich sie behutsam auf meine Arme und trug sie ins Bett, dabei ruhte ihr Kopf in meiner Halsbeuge und ihr warmer Atem bescherte mir Gänsehaut. Augen auf das Ziel, Jake! Ermahnte ich mich selbst, wen sie jetzt wach wird, erwürgt sie mich wahrscheinlich. Sanft legte ich sie ins Bett und sah zu, wie sie sich in die warme Decke einkuschelte. Wahrscheinlich würde ich es morgen teuer bezahlen, aber ich legte mich neben sie und zog sie in meine Arme. Nein, verziehen hatte ich ihr noch nicht, aber das Gefühl, sie zu beschützen, wuchs mit jedem Moment in ihrer Nähe. Tief sog ich ihren Duft in meine Nase und Wärme breitete sich in mir aus, gefolgt von ersehnter Müdigkeit. Mit dem Wunsch nach besseren Zeiten und einer gemeinsamen Zukunft schlief auch ich endlich wieder ein.
Erneut erwachte ich erst, weil ich das Gefühl hatte zu ersticken. Würgend und hustend öffnete ich die Augen, sah aber nur schwarz. Mühsam wischte ich mir die schwarzen langen Haare aus dem Gesicht und vor allem meinem Mund. Es war wie der Kampf mit Schlingpflanzen. Jedes Mal, wenn du denkst, du hast sie an einer Stelle entfernt, waren sie wieder da. Das blieb von der Besitzerin der Haarpracht leider nicht verborgen und erst grummelte sie genervt neben mir, um dann aufzuschrecken und meinen Blick auf ein sehr wütendes Gesicht freizugeben.
Flüchtend sprang ich aus dem Bett und hob abwehrend die Hände. „Vicki bitte, es ist nicht, wie es aussieht. Ich wollte nur nicht, dass du weiter auf dem Sessel schläfst und zur Ruhe kommst. Bitte!"
Geschmeidig stieg sie ohne ein Wort aus dem Bett und taxierte mich mit ihrem zorngefärbten Iriden, die jetzt nachtschwarz wirkten. Sie war definitiv einer dieser Menschen, die allein mit ihrem Blick Leute zum Einnässen bringen konnte. Doch statt mich anzuschreien oder sonst etwas zu sagen, wollte sie einfach an mir vorbeigehen. Und bei allem, was mir heilig war, es kostete mich all meinen Mut, ihr den Weg zu versperren. „Bitte rede endlich mit mir!"
Ihre winzigen Hände ballten sich zu Fäusten, ehe sie sich etwas entspannte und seufzte. „Ich habe dafür keine Zeit Jake. Geh zur Seite! Oder ich tu dir weh und glaub mir nur, weil du zwei Köpfe größer bist als ich kann das sehr wohl!" Daran hatte ich auch keinen Zweifel.
„Dann nimm sie dir. Nur einen Moment. Sag mir warum! Egal was es ist, ich werde zuhören, ohne zu urteilen. Bitte vertrau mir noch einmal!"
Schmerz spiegelte sich in Ihren Augen, als ich diese Bitte stellte, und ich setze nach, ehe sie etwas sagen konnte. „Ja, ich bin ein Idiot und ein Egoist. Du hast jedes Recht mich zu strafen und zu meiden. Aber dann erklär mich wenigstens, warum du mein T-Shirt trägst." Ich sprach ruhig und sanft jetzt die Stimme zu erheben wäre ein Fehler.
Und tatsächlich wirkte es und sie sah verlegen zur Seite. „Gut, komm mit, wir gehen spazieren. Du kannst mir helfen. Machst du was Dummes, setze ich dich im Wald aus!" Damit schob sie mich beiseite und verschwand nach oben. Es war eine Nichtigkeit, die mir jedoch nicht verborgen geblieben war. In dem Moment, wo sie mich mit der Schulter beiseiteschob, huschte ein kleines lächeln über ihre Lippen, wenn auch nur für eine Sekunde.
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verzeiht mir das das Kapitel heute so kurz ist, das nächste wird dafür aber umso länger ;)
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