Mehr als nur Ein Problem
„Was hat das zu bedeuten? Es kommt mir fast so vor, als beschwört ihr solche Dinge herauf!" Fassungslos schüttelte Alan den Kopf. Der Polizeichef von Duskwood sah immer wieder ungläubig zwischen seine Notizen und uns hin und her.
„Alan, wir verstehen es auch nicht. Ich kann mir nicht erklären, in welchem Zusammenhang das alles steht. Eigentlich wissen wir überhaupt nichts. Vicki verschwindet und auf einmal soll ein Geist Gräber zerstören, das klingt wie ein schlechter Horrorfilm.
„Jake, dass wir überhaupt in dieser Konstellation zusammensitzen, grenzt an ein Wunder. Das ich euch helfe und mit euch in der Aurora Bar sitze, noch viel mehr. Aber diese Stadt schuldet euch etwas, ich schulde euch etwas, also ignoriere ich deine Anwesenheit einfach gepflegt. Aber bitte gesteh dir endlich ein, das sie nicht verschwunden, sondern Tod ist. Ich weiß, was du mit ansehen musstest, ist nicht einfach zu begreifen. Aber sie hätte nicht gewollt, dass du einem Hirngespinst hinterherjagst."
Genervt fuhr ich auf, dabei krachte der Stuhl zu Boden. Alle Anwesenden zuckten zusammen. Ich stütze mich mit den Händen auf den Tisch. „Wir haben einen leeren Sarg begraben. Aber das ist jetzt nicht das Thema. Ich will nicht über SIE reden, sondern darüber, dass die Gräber verwüstet wurden und dieser jemand uns offensichtlich etwas mitteilen möchte."
Alan nickte „Also erst mal zu den Fakten. Das meiste an den Gräbern ist tatsächlich Farbe, bis auf das Auge, da handelt es sich um ein Tierblutgemisch was da allerdings noch drin ist, kann ich zu dem Zeitpunkt noch nicht sagen. Die Federn sind echt. Du sagst, du kennst das Auge?"
„Ja, ich nutze es als Markenzeichen für Dinge eben."
„Dinge eben? Ernsthaft? Nun gut, ich frag nicht weiter nach. Also können wir davon ausgehen, das wer auch immer es war dich direkt ansprechen wollte?"
„Scheint so derjenige wollte allerdings auch, das es mit dem Zeichen des Raben in Verbindung gebracht wird so viel steht fest."
„Also jemand mit Insider wissen, dass Hannahs Entführung mit einer legende in Verbindung gebracht wurde, wissen eigentlich nur die hier anwesenden Personen. Habe ich recht?"
„Ja haben sie sonst noch spuren gefunden?" Mischte sich Jessy mit ein. Der Rest hörte einfach schweigend zu.
„Nein nichts, keine Fingerabdrücke oder den Gegenstand, der solch eine Zerstörung an Grabsteinen verursachen könnte, da war aber definitiv sehr viel Kraft am Werk. So viel steht fest. Ihr wart zu dem Zeitpunkt alle zusammen?"
„Wird das hier jetzt ein Verhör, oder was? Als ob wir so etwas tun würden!"
„Dan beruhig dich! Alan macht nur seine Arbeit. Sei froh, dass er es uns überhaupt erzählt!", motzte Lilly.
„Ach, was, Vicki hätte sich das drei Mal nicht gefallen lassen. Sie wäre längst losgezogen und hätte irgendetwas ausgegraben, dass uns weiterhilft."
„SIE IST ABER NICHT HIER!" Schrie Jessy. Dan sah betroffen zu Boden, als er ihre Tränen sah. „Ich bin hier raus!" Und ehe jemand etwas sagen konnte, hatte sie die Bar verlassen.
„Macht euch nichts draus, sie ist in letzter Zeit sehr empfindlich, seit Vicki nicht mehr mit ihr gesprochen hat." Brummte Phil hinter der Theke. „Ich sehe später nach ihr, wenn sie sich beruhigt hat."
„Könnt ihr mir mal sagen, warum ihr alle so grob seid? Das ist ja nicht zu fassen! Ich lauf ihr nach." Und schon war Cleo ebenfalls draußen.
Ausdruckslos sah ich ihnen hinterher. Mir viel schon seit Längerem auf, das die Gruppe auseinanderbrach, aber es wurde immer schlimmer.
„Wir sollten das hier verschieben, bis wir eine konkrete Spur haben. Sollte euch etwas Seltsames auffallen, ruft mich bitte sofort an. Ich denke, das sich der Täter wieder melden wird."
„Danke für die Informationen Alan. Wir hören uns." Damit verabschiedeten wir uns von dem Polizeichef, blieben aber selbst noch in der Bar.
„Was machen wir jetzt Jake?" Fragte Hannah besorgt.
„Ich weiß es nicht, ohne einen Anhaltspunkt bleibt uns wohl nur warten. Der Friedhof hat weder eine Überwachungsanlage noch die umliegende Gegend. Wen auch immer die Mitarbeiterin gesehen hat, konnte unbemerkt wieder verschwinden. Der Wald grenzt ja direkt an den Friedhof."
„Was haben die Täter nur alle mit dem Wald. Wenn das so weiter geht, zieh ich in die Wüste!", brummte Dan und trank sein Bier.
„Aber sag mal Hackerboy, wie kommt es eigentlich, dass du neuerdings nen Busenfreund bei der Polizei hast?"
Genervt seufzte ich, wie konnte Vicki nur so gut mit dieser nervigen Art umgehen? „Ich bin nicht sein Freund, Alan und ich haben eine Übereinkunft. Ich habe ihm geholfen, die Berichte des Falls lückenlos zu füllen, dafür tut er so, als wäre ich nicht ich. Er hat mit meinen Verfolgern nichts zu tun und er ist selbst schockiert über die ihr zutun an jenem Abend. Momentan scheinen sie zu glauben, dass ich ebenfalls tot sei und solange ich mich so bedeckt halte, bleibt das auch so."
Warum rechtfertigte ich mich eigentlich vor dem Kerl? Das schlimmste war jedoch, dass er recht hatte. Viktoria war in dieser Gruppe zum dreh und Angelpunkt geworden. Auch bei unseren Ermittlungen war sie stets die treibende Kraft gewesen. Ich hatte ihr lediglich die Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, während Sarah die sozialen Gespräche übernommen habe, muss, jene, die besonders viel Feingefühl benötigt hatten. Sie hätte sicher bereits irgendeine waghalsige Idee gehabt und damit ins Schwarze getroffen. Ihre Intuition hatte mich mehr als einmal überrascht.
Ich musste dringend an die frische Luft.
„Ich werde jetzt auch gehen und mir etwas überlegen. Ich melde mich." Rasch verabschiedete ich mich von meinen Schwestern und den anderen. Draußen atmete ich erst einmal durch und sah in den Himmel. Wie zur Herbstzeit üblich war auch der heutige Tag grau und trist und es wurde immer kälter. Hoffentlich regnete es nicht wieder. Ich zog meine Kapuze tief ins Gesicht und machte mich auf den Weg zum Friedhof. Jetzt, wo die Polizei weg war, konnte ich mich noch einmal in Ruhe umsehen.
Kurz bevor ich den Friedhof erreichte, klingelte mein Handy und meldete eine Nachricht von Alan.
„Ich wollte es dir nicht vor den Anderen sagen aber seit zwei Tagen schnüffelt hier jemand vom FBI rum. Er ist allein, aber ich denke, du solltest vorsichtig sein. Sein Name ist Martin Russo. Ich traue dem ihm nicht, aber sein Ausweis ist echt."
Verdammt, das hat mir gerade noch gefehlt. Dieser Typ gab wohl nie auf. In meinen ganzen 4 Jahren auf der Flucht war ich diesem Namen immer wieder begegnet. Er war der leitende Ermittler gegen mich. Doch er war definitiv nicht vom FBI, sondern von Homeland Security, was ihn noch gefährlicher machte. Gleichzeitig schränkte es ihn aber auch ein, denn es würde verdammt viel Aufmerksamkeit erregen, wenn er rauskommt, das Homeland in so einem Ort agiert. Das er allein war, sagte mir, dass er keinen konkreten Beweis hatte, dass ich da war. Normalerweise wäre ich spätestens jetzt verschwunden, doch ich konnte hier einfach nicht weg. Nicht ohne die Gewissheit, was hier vor sich ging. Nicht ohne sie gefunden zu haben.
„Danke für die Information, ich bin vorsichtig." Schrieb ich zurück und steckte mein Handy wieder weg. Vorsichtig sah ich mich auf dem Friedhof um. Gut, es schien niemand hier zu sein. Aufmerksam sah ich mich um. Die Grabsteine waren bereits abgetragen worden. Schade, ich hätte gerne mehr als ein Foto gehabt. Und auch sonst hatte die Polizei gründlich aufgeräumt, wohl um die Totenruhe zu waren. So blieb mir nur die Möglichkeit, dem kleinen Pfad, der durch die Bäume in den Wald führte, zu folgen. Unentschlossen sah ich in den Wald. Es war schon spät und die Dämmerung würde meine Sicht stark beeinträchtigen. Plötzlich überkam mich das Gefühl, nicht alleine zu sein, doch ich sah weit und breit niemanden. Dennoch wurde das Gefühl, hier zu verschwinden, immer größer. Ich schob es auf meine Jahre der Flucht und sah mich weiter um, als ein Geräusch aus dem Wald meine Aufmerksamkeit erregte. War das ein Summen? Vorsichtig ging ich auf die Bäume zu und die Melodie wurde immer lauter. Mit klopfendem Herzen betrat ich den Wald, aber das Summen verstummte. Ich lief noch einige Meter weiter hinein, doch nichts wies auf die Quelle hin und als ich mich gerade wieder umdrehen wollte, sah ich aus den Augenwinkeln etwas Weißes durch das Dickicht huschen. Ohne Vorsicht lief ich darauf zu, fand es aber nicht. Dort schon wieder! So lief ich immer weiter, bis mir die Puste aus ging. Was tat ich hier eigentlich?
Verdammt, reiß dich zusammen, jetzt fängst du auch schon an, Geister zu sehen, oder was? Fluchte ich und machte mich auf den Rückweg, ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich so weit hineingelaufen war. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich den Pfad wieder gefunden hatte und den Friedhof durch die Bäume sah.
Was ich aber sah, schnürte mir die Kehle zu. Mitten auf dem Friedhof stand Martin Rosslo und sah sich fluchend um. Nur in letzter Sekunde konnte ich mich vor seinem Blick verbergen. Wäre ich nicht Blindlinks in den Wald gerannt, hätte er mich gefunden! Fassungslos lehnte ich mich an einen Baum in sicherer Entfernung und wartete, das er wieder verschwand. Was auch immer ich gemeint habe zu sehen, hatte mich davor bewahrt, ihm in die Arme zu laufen.
Selbst als er endlich weg war, bleib ich noch eine ganze Weile dort und erschrak fast, als sich der eingehende Videoanruf meldete. Ich sollte dringend etwas für meine Nerven tun!
„Hi Hannah, was gibt es?"
„Jake sie dir das an, wir sind gerade bei Jessy, weil sie uns angerufen hat und ..."
Das Handy wackelte und Jessy selbst tauchte auf einmal im Bild auf.
„Jake, sag mir bitte, dass das ein schlechter Scherz ist!"
Ich verstand nur Bahnhof, als die Kamera erneut wackelte.
Zu sehen war jetzt Jesses Terrassentür und mir wurde schlagartig schlecht.
ACEDIA
Stand in blutiger Schrift quer über der Tür, dazu unzählige Handabdrücke, als hätte jemand das Blut an der Scheibe abgewischt bei dem Versuch, in die Wohnung zu gelangen.
„Jake, was bedeutet das?" Hannahs ängstliche Stimme holte mich aus dem Schock.
„Acedia ist die siebte Todsünde. Die Faulheit oder Trägheit." Antwortete ich so sachlich, ich konnte.
„Gebt mir ein paar Minuten und ich bin gleich bei euch. Wartet so lange mit dem Anruf bei Alan bitte." Rasch legte ich auf und kam auf die Beine.
Ein letztes Mal sah ich in den Wald, ohne zu wissen warum, bevor ich mich auf den Weg machte.
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Normalerweise mache ich keine Autorenkommentare aber ich muss mich an der Stelle einmal bedanken für die vielen votes direkt zu beginn.
Es freut mich riesig das euch die Geschichte gefällt. Und würde mich über Feedback eurerseits sehr freuen.
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