TWENTY-FOUR - Bad news

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»There is no need to repeat yourself. I ignored you just fine the first time.«
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Kiara POV

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Ich wage mich wieder ins Wohnzimmer, für mich auch bekannt als die Höhle der Löwen, als ein wahrhaftig köstlicher Duft durch die Villa zieht.

Was übrigens auch ein Beweis dafür ist, dass man mich sehr wohl mit Essen locken kann.

So leise wie möglich, um ja nicht auf mich aufmerksam zu machen, schleiche ich also die Treppe runter, und folge dem Duft. Mateo ist nach seiner Antwort auf meine Frage aus meinem Zimmer verschwunden, und ich habe mich bis vorhin damit beschäftigt, meine neuen Kleider zu sortieren, einzuräumen, und mein Zimmer etwas umzustellen. Immerhin möchte ich mir meinen Alptraum wenigstens so erträglich wie möglich machen.

Jedoch hat mich etwas nicht losgelassen: Zed, oder Zac, oder wie auch immer Mateo ihn genannt hat. Ihn umgibt etwas, das ich bisher nur bei Mateo gesehen habe, und ich habe das starke Gefühl, dass genau die beiden sich nicht wirklich mögen. Dieser Typ lächelt zwar, doch ich kann die Täuschung, die sich in diesem Lächeln verbirgt, erkennen. Wie bei Mateo. Jedoch habe ich bei beiden Jungs keine Ahnung, was diese Täuschung bedeutet, und was sie verbergen.

Dass ich es vielleicht gar nicht so genau wissen möchte, geht mir schon länger durch den Kopf. Eigentlich seit ich vor Kurzem Mateo und Gian dabei entdeckt habe, wie sie diese Männer in der Gasse verprügelt haben.

Das Wohnzimmer scheint auf den ersten Blick leer zu sein, doch ich kann deutlich Mateos Stimme vernehmen, die hier ganz in der Nähe ist. Und er scheint aufgebracht zu sein. Als sich auch noch eine zweite Stimme daruntermischt, enthüllt sich diese als Gians, und ich stelle fest, dass die Brüder gerade ziemlich hitzig diskutieren – auf Italienisch. Ich kann die Idee, die gerade in meinem Kopf aufgepoppt ist, zu lauschen, direkt wieder sein lassen.

Stattdessen setze ich meinen Weg zur Küche fort, und bleibe in der Türe stehen, wo mich der Neuling nicht sehen kann. Der Junge mit dem italienischen Akzent steht am Herd, und rührt gerade in zwei Töpfen gleichzeitig, während aus einem Radio ein italienischer Sender dudelt, und ich dementsprechend auch dort kein einziges Wort verstehe. Eine Weile behalte ich meine Tarnung, und beobachte den Italiener genau, der sichtlich gut gelaunt unser Essen zubereitet.

Er ist an beiden Armen tätowiert, hat einen ziemlich ähnlichen Kleidungsstil wie Mateo, was bedeutet, dass er schwarze Kleider trägt und wohl nie etwas Anderes, und auf seinem Kopf machen sich dunkelblonde Haare, die in allen erdenklichen Himmelsrichtungen abstehen, breit. Noch dazu ist er wohl etwa doppelt so breit wie ich.

„Komm ruhig rein", erklingt plötzlich eine tiefe Stimme, und ich versteife mich an Ort und Stelle. Mit diesem Grinsen, das etwas verbirgt, dreht der Junge sich leicht zu mir, und hebt eine Augenbraue. Betreten senke ich den Blick leicht, und räuspere mich. „Tut mir leid, ich-" „Lass gut sein, du wolltest nur wissen, wer denn der Neue ist, richtig?" Ich nicke noch betretener, und ein dunkles Lachen erfüllt den Raum. „Jetzt versink mir bloss nicht im Erdboden. Und komm endlich rein, bevor du mir vor Scham noch umkippst."

Mit der Lippe zwischen den Zähnen und einem hochroten Kopf laufe ich schnell zu einem der vielen Barhocker, die hinter der Theke aufgestellt sind, und lasse mich darauf nieder, bevor meine Knie auf magische Art und Weise noch zu Wackelpudding werden, und den Geist aufgeben. Dann erscheint eine Hand in meinem Blickfeld. „Ich bin Zed, Mateo und Gians Cousin." Ich schaue zu Zed hoch, und schüttle seine Hand kurz.

„Kiara, aber das weisst du wohl schon", stelle ich mich dann ebenfalls vor, und lächle leicht. Entgegen seines ersten Eindrucks bei mir und der Aura, die Zed umgibt, scheint er immerhin viel netter zu sein, als Mateo. Dieser hätte mich jetzt sehr lange und laut ausgelacht, ehe er mich dann unfreundlich weggeschickt hätte. „Ja, das wusste ich schon. Freut mich aber trotzdem, das auch noch von dir zu erfahren."

Ich nicke nur, da ich nicht so genau weiss, was ich sagen soll, und Zed lässt meine Hand wieder los, als einer der Töpfe ein brodelndes Geräusch von sich gibt. Er rührt kurz darin, ehe er sich einen Löffel schnappt, ihn eintaucht, und mir dann unter die Nase hält. „Probieren", befiehlt er mehr oder weniger, und etwas überrumpelt nehme ich den Löffel an mich, und probiere. Typisch italienisch: Tomatensauce. Aber nicht nur irgendeine Tomatensauce – sie ist göttlich. Wahrhaftig göttlich.

„Die ist der Hammer", rutscht es mir begeistert raus, und Zed grinst. „Das will ich hoffen. Kannst du vielleicht die Jungs rufen gehen? Wir können gleich essen, und ich brauche die beiden, damit sie den Tisch decken können." Ich nicke, springe vom Hocker, und folge dann schnell den Stimmen der Brüder, die ich immer noch gut hören kann. Ich bleibe vor einer Türe stehen, die angelehnt ist, und frage mich, was sich dahinter wohl verbergen mag. Nach kurzem Zögern klopfe ich leise, und öffne dann die Türe.

Gian entdeckt mich zuerst, und seine ernste, genervte Miene wird etwas freundlicher. Dann dreht Mateo sich zu mir um, dessen Miene noch kühler zu sein scheint, als sonst. Seine giftgrünen Augen durchbohren mich förmlich, und ich kann ihm ansehen, dass er mich gerade verwünscht. Trotzdem raffe ich mich zusammen, und stelle mich aufrecht hin. „Zed hat gesagt, ich soll euch zum Essen rufen", versuche ich so emotionslos wie möglich zu sagen, und bin sichtlich zufrieden, als dies auch klappt.

Gian nickt, und Mateo sieht mich nur weiterhin böse an. „Dann sag Zed, dass sein Essen gerade stört. Du übrigens auch." Gian sieht seinen Bruder mahnend an, und ich schlucke eine bittere Bemerkung wieder krampfhaft runter, da ich keine Lust darauf habe, jetzt mit Mateo zu streiten. Ich habe Hunger, das wird nicht gut ausgehen. „Komm einfach", zische ich leise, und verschwinde wieder aus dem Raum, der auf mich wie eine Art Konferenzraum gewirkt hat. Ich weiss jedenfalls, dass Dad immer mal in solchen Räumen zusammen mit seinen Kollegen Fälle bespricht.

Mit einem lauten Seufzen betrete ich die Küche wieder, und lehne mich an die Wand. „Gian kommt, bei Mateo bin ich mir nicht sicher", berichte ich Zed dann, der entgegen meiner Erwartungen nur nickt, so als hätte er schon damit gerechnet. Er scheint seine Cousins gut zu kennen. „Der wird schon aufkreuzen. Hier, leg das schon mal auf den Tisch." Zed streckt mir ein Bündel Besteck entgegen, und ich verschwinde damit nickend in Richtung Esszimmer.

Dort erwartet mich Gian, der Teller aus der Vitrine genommen hat, und auf dem Tisch verteilt. Er sagt nichts, doch das macht mir nicht viel aus. Er ist wohl wie ich manchmal mit den Gedanken völlig woanders. Wie Zed schon angedeutet hat, betritt auch Mateo wenig später den Raum, und setzt sich wortlos auf einen Stuhl. Dann zieht er sein Handy hervor, und vertieft sich darin.

Zed betritt als letzter mit einem grossen Topf bewaffnet den Raum, und fängt an, vier große Portionen Spaghetti auf die Teller zu verteilen. Ich setze mich gegenüber von Gian hin, der neben seinem Bruder sitzt, und überlasse Zed somit den am wenigsten begehrten Platz gegenüber von Mateo. Ich glaube, neben Gian kann er am besten von uns mit Mateos Launen umgehen, denn bei mir zerren sie gerade an jedem einzelnen Nerv, den ich besitze. Bei einigen wusste ich nicht mal über deren Existenz Bescheid.

Eine Weile essen wir alle stillschweigend, was ziemlich unangenehm ist, aber aushaltbar. Dann entscheidet Zed sich dazu, den Fernseher, der selbstverständlich auch im Esszimmer vorhanden ist, einzuschalten, um die neuesten Nachrichten zu sehen. Die ersten Minuten wird nur über das Übliche berichtet, Politik hier, Politik da, derjenige hat das getan, und ein anderer jenes. Das, was man eigentlich täglich hört. Was mich viel mehr interessiert, sind die Verbrechen, die auf der ganzen Welt so geschehen. Ich möchte später eigentlich auch als irgendwas arbeiten, was mit Kriminalität zu tun hat. Anwältin spezialisiert auf Straftaten oder Polizistin oder sowas. Vielleicht auch Detektivin.

Zuerst wird davon berichtet, dass einige Geschäfte ausgeraubt wurden bei einer Demonstration, und anderswo hat ein Grosskonzern gebrannt. Dann jedoch kommt eine Meldung, die uns alle stutzig werden lässt. Eingeblendet wird eine Schule, die ich auf Grund des Schilds als die Central Park East Highschool ausmachen kann. Oder auch: Meine Schule. Auf den Fotos und Videos, die bei dem Nachrichtendienst eingegangen sind, erkennt man vor allem Krankenwagen und Polizeiautos, und ein Feuerwehrauto.

Meine Augen weiten sich unmerklich, und sofort kommen mir alle meine Freunde und meine Schwester in den Sinn, die alle in der Schule gewesen sein sollten heute. Der Grund für diesen Aufruhr ist eine Schießerei, die anscheinend auf dem Pausenhof stattgefunden hat. Und dabei wurde ein Mädchen verletzt. Wir alle haben aufgehört zu essen, und starren gebannt auf den Bildschirm.

Nun ja, fast alle. Mateo isst seelenruhig weiter, während seine Augen immer wieder mal zum Fernseher gleiten.

Ich spüre, wie mir schlecht wird, als das Bild des Mädchens eingeblendet wird. Ich kenne sie nicht sehr gut, sie ist zwar in meiner Klasse, aber viel sprechen tun wird nicht. Doch trotzdem bin ich erschrocken. „Die sieht ja aus wie ich", murmle ich langsam, und kann den Blick nicht von dem Bild losreißen. Jetzt ist auch Mateo ganz bei der Sache, und mustert das Bild. „Stimmt", sagt jetzt auch Zed, und Gian nickt. Mateo jedoch seufzt nur. „Leute, natürlich sieht sie aus wie Kiara", sagt er dann, und ich runzle die Stirn. „Wieso ist das so selbstverständlich?", frage ich leicht giftig, woraufhin Mateo eine Augenbraue hebt.

„Du willst mir wirklich sagen, dass ausgerechnet nachdem du verfolgt wurdest, aus bloßem Zufall in deiner Schule, um genauer zu sein auf deine Mitschülerin, die dir verblüffend ähnlichsieht, geschossen wird?"

Jetzt erstarre ich förmlich, ehe ich langsam den Kopf schüttle. „Nein", flüstere ich leise, und stehe desorientiert auf. „Nein!" Tränen schießen mir in die Augen, und ich fasse mir mit beiden Händen an den Kopf, „Nein, das stimmt nicht", presse ich erstickt hervor, und schaue die drei Jungs ungläubig an. Gian steht auf, und legt mir eine Hand auf die Schulter, doch ich schüttle sie automatisch sofort ab, während ich immer wieder den Kopf schüttle, und erstickte Laute von mir gebe. Jemand wurde verletzt. Jemand wurde meinetwegen verletzt.

Ich hätte es sein sollen, die jetzt schwer verwundet im Krankenhaus liegt, nicht dieses unschuldige Mädchen. Und das nur, weil sie aussieht wie ich.

Immense Schuldgefühle machen sich in mir breit, und der erste Schluchzer kommt über meine Lippen. Mein Brustkorb zieht sich schmerzhaft zusammen, und ich krümme mich mit ihm. Ich spüre meinen Körper nicht mehr, ich kann nicht sagen, ob ich zittere, oder ob ich sonst irgendwo Schmerzen habe. Ich spüre nur noch meinen Brustkorb, und in meinen Ohren macht sich ein lautes Rauschen breit, das keine anderen Geräusche zu mir durchdringen lässt. Meine Kehle schnürt sich zu, und hilfesuchend schaue ich mich um, kann aber nichts mehr wirklich fixieren.

Alles ist so weit weg, ich fühle mich, als würde ich mir selbst dabei zusehen, zusammenzubrechen. Ich bin nicht mehr in meinem Körper, spüre dessen Schmerz aber trotzdem. Die Schuldgefühle und der Luftmangel steigen mir zu Kopf, und ich glaube, zu schreien.

Dann verändert sich plötzlich das Bild vor meinen Augen, und alles dreht sich um neunzig Grad. Plötzlich bin ich dem Fliesenboden ganz nah, kann jede kleinste Wölbung auf ihm sehen. Zed und Mateo knien vor mir auf dem Boden, Gian kann ich nirgendwo entdecken. Die Jungs versuchen anscheinend, mit mir zu kommunizieren, während sie sich immer wieder hilfesuchend ansehen, denn ich kann nicht reagieren. Selbst wenn ich wollte – es geht nicht. Ich habe keine Kontrolle mehr über meinen eigenen Körper, zucke unkontrolliert, schnappe nach Luft, und spüre nur noch, wie ich langsam wegdrifte.

Jemand wurde wegen mir fast tödlich verletzt.

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Kiara tut mir leid :( Wie hättet ihr an ihrer Stelle reagiert?

Und worüber haben die Brüder wohl so heftig diskutiert?

- Xo, Zebisthoughts

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