Direkt in seinen Allerwertesten!

Es war mucksmäuschenstill in der Hobbithöhle, als Gandalf die Tür öffnete. Davor stand natürlich Thorin. Er sah aus wie vor ungefähr zwei Wochen, als er aufgebrochen war. ,,Gandalf", begann Thorin grimmig, ,,hattest du nicht gesagt, dieser Ort sei leicht zu finden? Ich hab' mich verirrt. Zweimal.Ohne das Zeichen an der Tür hätte ich es überhaupt nicht gefunden". Er legte seinen Mantel weg. ,,Gute Laune, wie immer", kommentierte Líli. Sie konnte es sich einfach nicht verkneifen. ,,Zweimal verlaufen? Du hattest eine Karte, Thorin". Ihr Onkel blickte sie schockiert an. ,,Was machst du hier?" ,,Wonach sieht es denn aus?", stellte Líli die Gegenfrage. ,,Wir reden später", erwiderte Thorin mit leicht wütendem Unterton.

Bilbo sah sich währendessen die Tür an. ,,Zeichen? Das ist kein Zeichen. Sie wurde erst vor einer Woche gestrichen!", sagte er. ,,Es gibt ein Zeichen", entgegnete Gandalf ruhig, ,,ich habe es selbst angebracht." Dann deutete er auf Bilbo. ,,Bilbo Beutlin, darf ich Euch den Anführer unserer Unternehmung vorstellen? Thorin Eichenschild."Lílis Onkel musterte den Hobbit aufmerksam. Schließlich meinte er: ,,So, das ist der Hobbit. Sagt, Herr Beutlin, seid Ihr im Kampf erfahren?" ,,Bitte, was?", fragte Bilbo verwirrt.

,,Axt oder Schwert?", erwiderte Thorin und begann den Hobbit zu umkreisen. Wenn Líli in Bilbos Haut gesteckt hätte, hätte sie sich nun bedroht und eingeschüchtert gefühlt. Der Zwerg überragte sie (und auch Bilbo) und hatte eine sehr autoritäre Ausstrahlung. ,,Ich werfe eine ganz elegante Rosskatanie, wenn Ihr es wissen wollt", entgegnete Bilbo keck und Líli musste grinsen, ,,aber ich weiß nicht, inwiefern das von Bedeutung sein sollte." Thorin lachte: ,,Dachte ich's mir! Eher ein Krämer als ein Meisterdieb". Die anderen Zwerge lachten dezent, nur Líli nicht. Normalerweise lachte sie über Thorins Witze, aber sie war gerade zerstritten mit ihm und außerdem konnte sie Bilbo gut leiden.

Gandalf und die Zwerge saßen wieder zusammen an dem Tisch, während Bilbo nachdenklich im Flur stand. Líli sah ihrem Onkel dabei zu, wie er eine Suppe aß. Es war schon lustig, wie sich die Stimmung so schlagartig änderte, wenn Thorin kam. Eben noch hatten sie und die anderen Zwerge gesungen, gelacht und Teller durch Beutelsend geworfen und jetzt saßen sie alle zahm und still an ihren Plätzen.

,,Was gibt es Neues vom Treffen in den Ered Luin? Sind alle gekommen?", fragte Balin und unterbrach somit die bedrückende Stille. Thorin sah von seiner Suppe auf und antwortete: ,,Ja. Abgesandte aller sieben Königreiche." Die Zwerge rund um den Tisch freuten sich. ,,Das klingt vielversprechend", meinte Líli zufrieden und lehnte sich erwartungsvoll nach hinten. Dwalin blieb nüchtern und brachte den aufkommenden Tumult unter seinen Freunden zum Schweigen.

,,Und was haben die Zwerge aus den Eisenbergen gesagt? Schließt Dáin sich uns an?", fragte er gespannt. Thorin seufzte: ,,Sie werden nicht kommen." Die Zwerge murrten wenig begeistert. ,,Sie sagen, diese Reise sei unsere Sache. Unsere allein". ,,Ihr geht auf eine Reise?", fragte Bilbo plötzlich. ,,Bilbo, mein lieber Freund", sagte Gandalf, ,,könnten wir wohl etwas mehr Licht haben?" ,,Hm", brummte Bilbo nur als Antwort und holte eine Kerze. Gandalf breitete eine Karte auf dem Tisch aus. ,,Weit im Osten, hinter Gebirgen und Flüssen, jenseits von Wäldern und Ödland, liegt ein einzelner entlegener Berg", sagte er. Bilbo beugte sich über die Karte und hielt dabei die Kerze gefährlich nah an Thorins Haare. ,,Der einsame Berg", las er vor. Ein verträumtes Lächeln schlich sich auf Lílis Gesicht: ,,Erebor, unser Zuhause". Bilbo sah kurz zu ihr auf.

,,Ja.", entgegnete Glóin, ,,Óin hat die Zeichen gedeutet und die Zeichen besagen, die Zeit ist reif". Sein Bruder Óin fügte hinzu: ,,Man hat Raben gesehen, die zu dem Berg zurückflogen". Gandalf zündete sich seine Pfeife an und vergaß dabei seinen Finger zu löschen. Líli sah ihn bewundernd an. Auch wenn man es Zwergen nicht ansah, beherrschten sie auch etwas Magie. Leider war sie selbst ziemlich unbegabt in diesem Gebiet und konnte bisher nur eine Sache.

,,Kehren die Vögel aus alter Zeit zurück zum Erebor, wird die Herrschaft der Bestie enden ", zitierte der Zauberer. ,,Welche Bestie?", fragte Bilbo verwundert, der gerade aus der Speisekammer zurückkam. ,,Oh, damit ist wohl Smaug der Schreckliche gemeint", erwiderte Líli. Bofur fügte hinzu: ,,Ehrwürdigstes und entsetzlichstes Verhängnis unseres Zeitalters. Fliegender Feuerspuker, Zähne wie Rasiermesser und Klauen wie Fleischerhaken. Mit einer Vorliebe für Edelmetall". ,,Danke, ich weiß, wie ein Drache aussieht", antwortete Bilbo und knetete nervös seine Finger.

Plötzlich sprang Ori, der zweitjüngste Zwerg der Company (Líli war etwas jünger als er und zählte sich schon wie selbstverständlich schon zu einem vollwertigen Mitglied), auf und rief: ,,Ich hab keine Angst. Ich bin bereit. Den lass' ich spüren, was eine Zwergenklinge ist, direkt in seinen Allerwertesten!" ,,Recht so, Ori", stimmte ihm Bofur zu. Doch Dori zog den jungen Zwerg wieder auf seinen Stuhl. ,,Setz' dich!"

Die Zwerge brachen in Unruhe aus. ,,Auch mit einer Armee im Rücken, wäre die Aufgabe schwer genug und wir sind nur dreizehn. Und weder dreizehn der Besten noch der Klügsten", sagte Balin sorgenvoll. Die Zwerge ereiferten sich. ,,Vierzehn, wir sind mit mir vierzehn", berichtigte Líli den alten Zwerg, doch keiner beachtete sie. ,,Hey, nennst du uns etwa dumm?", beschwerte Kíli sich beleidigt. Balin stritt dies ab. Fíli war es, der die Zwerge wieder zur Ruhe brachte und sagte: ,,Wir mögen nicht sehr viele sein, aber wir sind Kämpfer. Jeder von uns. Bis zum letzten Zwerg!"

,,Und vergesst nicht, dass wir einen Zauberer in unseren Reihen haben. Gandalf hat bestimmt schon Hunderte von Drachen getötet!", fügte Kíli hinzu. Dann wollten die Zwerge von Gandalf wissen, wie viele Drachen er schon getötet hatte. Doch dieser verschluckte sich nur am Rauch seiner Pfeife und hustete. Líli blickte amüsiert zu dem Zauberer. Die Zwerge stritten. Thorin sprang auf und rief laut: ,,Shazara!" (Ruhe)

,,Wenn wir die Zeichen erkannt haben, glaubt ihr nicht, dass auch andere sie sehen? Die Gerüchte verbreiten sich bereits. Der Drache Smaug ward schon seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Blicke richten sich gen Osten zu dem Berg, überlegend, das Risiko abwegend. Der unermessliche Reichtum unseres Volkes liegt vielleicht schutzlos da. Sehen wir nun zu, wie andere sich holen, was uns gehört oder ergreifen wir diese Chance und holen uns den Erebor zurück?" Die Company jubelte, ermutigt von der Rede ihres Anführers.

,,Ihr vergesst", warf Balin ein, ,,dass das Haupttor verschlossen ist. Es gibt keinen Weg in den Berg hinein". ,,Das, mein lieber Balin, stimmt nicht ganz", erwiderte Gandalf lächelnd und holte wie ein echter Zauberer einen Schlüssel hervor. Thorin sah den Schlüssel erstaunt an. ,,Wie bist du an ihn gekommen?"

,,Dein Vater hat ihn mir anvertraut. Thráin. Ich sollte ihn verfahren. Er gehört jetzt dir", antwortete Gandalf und reichte Thorin den Schlüssel. ,,Wenn es einen Schlüssel gibt, gibt es auch eine Tür", begriff Fíli. Gandalf deutete auf Schriftzeichen am Rande der Karte und sagte, dass diese einen geheimen Eingang zu den unteren Hallen beschrieben. ,,Es gibt also noch einen Eingang", entgegnete Kíli.

,,Wenn wir ihn finden", erwiderte Gandalf, ,,geschlossen sind Zwergentüren unsichtbar. Die Lösung ist irgendwo in dieser Karte verborgen, nur besitze ich nicht die Fähigkeit, sie zu finden. Aber...es gibt andere in Mittelerde, die das können. Die Tat, die ihr mir vorstelle, beruht auf Heimlichkeit und braucht ein gewisses Maß an Mut. Aber wenn wir vorsichtig und klug sind, glaube ich, dass wir es schaffen".

,,Und darum brauchen wir einen Meisterdieb", stellte Ori fest. Bilbo nickte. ,,Und zwar einen guten. Den Besten, möchte ich meinen". Líli verschränkte die Arme, sah den kleinen Hobbit herausfordernd an und fragte: ,,Seid ihr das?" ,,Bin ich was?", fragte Bilbo verwirrt.

Dann stritten die Zwerge wieder darüber, ob es klug wäre, den Hobbit mitzunehmen oder nicht. Gandalf stand schließlich auf. Er wirkte plötzlich noch größer und verfinsterte die Wände. Líli fuhr ein Schauer über den Rücken. Der Zauberer sorgte schließlich dafür, dass der Hobbit mitdurfte. Bilbo selbst protestierte, doch Thorin reichte ihm schon den Vertrag. Der kleine Hobbit studierte den Vertrag ausgiebig. ,,Begräbniskosten?" ,,Ihr müsst nicht alles lesen", versuchte Líli es. Doch Bilbo achtete nicht auf sie.

,,Platzwunden?...Ausweidung?...Verbrennungen?", las er vor und sah schockiert zu den Zwergen. ,,Naja, er schmelzt einem im Handumdrehen das Fleisch von den Knochen", meinte Bofur. Bilbo stöhnte und ließ den langen Vertrag sinken. ,,Alles klar, Kleiner?", fragte Balin sanft. ,,Hä?", erwiderte Bilbo, ,,ja. Mir ist nur etwas schummrig". Er atmete schnell aus und ein. ,,Stell dir einen geflügelten Schmelzofen vor", sagte Bofur. Er konnte es einfach nicht lassen. ,,Hör doch auf, Bofur", meinte Líli und blickte leicht besorgt zu dem Hobbit.

Bofur stand auf und sagte: ,,Ein grelles Licht, ein glühender Schmerz und puff, ist man nur noch Asche". ,,Hm", entgegnete Bilbo nur, dann sagte er: ,,Ne!" Und schon kippte der kleine Hobbit einfach um. ,,Sehr hilfreich, Bofur", kommentierte Gandalf.

Während Gandalf versuchte Bilbo doch noch zu überreden, stand Líli mit Thorin im Flur. ,,Morgen früh brechen wir auf", sagte Thorin, ,,aber du kommst nicht mit. Du, Líli, nimmst dir in diesem Gasthaus im Nachbarort ein Pony und reitest zurück in die Ered Luin." ,,Das ist nicht fair!", protestierte Líli. Sie fingen an zu streiten, doch Thorin blieb eisern. Wütend stapfte Líli dem kleinen Hobbit hinterher, als der müde zu seinem Schlafzimmer ging. ,,Sieht so aus, als hätten wir unseren Meisterdieb verloren", hörte Líli Balin sagen.

,,Bilbo?", fragte Líli, als der Hobbit gerade sein Schlafzimmer betreten wollte. Bilbo seufzte und sah zu ihr: ,,Was denn?" ,,Könntet Ihr mir vielleicht eines der Gästezimmer zeigen?", fragte Líli vorsichtig. ,,Aber natürlich", erwiderte Bilbo mit einem müden Lächeln. Er führte Líli zu einem Gästezimmer ,,Hier sind wir. Das Badezimmer ist neben an", meinte der Hobbit. Es war recht klein, aber schön eingerichtet. Und das Bett sah sehr gemütlich aus. ,,Danke", meinte Líli, während sie sich im Raum umsah. ,,Nur, damit Ihr es wisst", begann Bilbo, ,,ich werde morgen nicht mitkommen". Líli ließ sich auf das Bett fallen. Es war ein wenig zu klein für sie. ,,Ich auch nicht", antwortete sie frustiert. Bilbo sah erstaunt zu ihr: ,,Aber warum nicht?" ,,Mein Onkel will mich nicht dabeihaben". ,,Oh", entgegnete der Hobbit etwas unbeholfen, ,,na dann, ich gehe dann mal. Gute Nacht". ,,Gute Nacht, Meister Hobbit".

Líli stand im Badezimmer vor einem Spiegel. Sie betrachtete sich selbst. Ihre Haut war blass. Ihre Augen waren blau und ihr Haar war lang und dunkel. Einige Strähnen waren immer geflochten. Líli hatte keinen Bart, seit dem Wuchsbeginn hatte sie ihn sich immer abrasiert. Auch sonst sah sie nicht aus wie andere Zwergenfrauen. Diese waren stämmig, kräftig und kurvig. Mit tiefen Stimmen, breiten Hüften und großer Oberweite. Líli hingegen war zierlich, mit so gut wie keiner Hüfte und winzigen Brüsten. Gimli sagte immer, sie sähe aus wie ein etwas zu klein geratenes Menschenmädchen. Doch sie fand sich trotzdem schön. Auf ihre Art.

Líli zog Fílis alte Lederweste aus und knöpfte das weite Leinenhemd auf, welches vor vielen Jahren mal Kíli gehört hatte. Sie streifte sich die dunkle Hose aus grobem Stoff von den blassen Beinen. Dann zog sie sich ein langes weißes Nachthemd über den Kopf und ging zurück in das Gästezimmer.

Sie legte sich in das Bett, zog die Beine etwas an und schlief langsam ein. Im Wohnzimmer fingen Thorin und die Company an zu singen. Ihr Gesang war düster und tief, doch irgendwie wurde Líli von ihren Stimmen in den Schlaf gesungen.

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