Die Schlacht der fünf Heere
Sie klammerte sich an Bain. Das kleine Pony war erstaunlich schnell, wenn es um sein Leben ging. Líli versuchte Bain irgendwie zu beruhigen. Aber der Junge war ziemlich aufgelöst. Verständlich, dachte Líli, schließlich waren seine Schwestern in der Stadt. Kurz dachte sie an ihre eigenen Brüder. Fíli und Kíli hatten sich zusammen mit Thorin und den anderen im Erebor verschanzt. Sie hoffte, dass Thorin auch noch den Anstand fand zu kämpfen. Schließlich war das hier der Krieg, den er angezettelt hatte, den er wollte. Líli sah hinüber zu der Schar aus Trollen und Orks, die nach Thal marschierten. Die Trolle machten auf einem Abhang halt und die Orks machten Katapulte auf den Rücken der großen Wesen feuerbereit. ,,Sie wollen Thal befeuern!", rief Líli, denn der Wind und das Kampfgeschehen um sie herum waren laut.
Bain stieß einen ziemlich unanständigen aber für diese Lage gerechtfertigten Spruch aus und trieb das Pony weiter an. Sie gallopierten über die Brücke in die Stadt. Die Orks schleuderten mit ihren Katapulten Steine in die Stadt, die die Türme und Mauern noch weiter zerstörten. Líli duckte sich ängstlich. Ein Troll schlug gerade eine Mauer mit seinem eigenen Kopf ein. Die Mauer brach ein und Orks strömten in die Stadt. Mittlerweile hatten Líli und Bain die Stadt erreicht. Sie sprangen beide ab und eilten zu Fuß durch die bombardierte Stadt weiter. ,,Sigrid!", schrie Bain verzweifelt, ,,Tilda? Wo seit ihr!?" Die Menschen, die in Thal geblieben waren, stürmten ihnen nun schreiend entgegen. Einigen gelang die Flucht aber wieder andere wurde getötet. Líli zog Dagorvali aus der Scheide. Die Klinge des Schwertes leuchtete natürlich blau. Sie musste kämpfen. Für Bain, für diese Stadt, für sich selbst. Sie musste helfen! Bain nahm einem der Gefallenen ein Schwert ab und zusammen liefen sie durch die Stadt.
Immer wieder schrien beide nach Bains Schwestern. ,,Da sind sie!", rief Líli erleichtert und deutete auf die beiden Mädchen, die gerade geschockt dabei zusahen, wie ein Troll über die Mauer stieg. Sie schrien beide auf und liefen davon. Bain und Líli eilten ihnen hinterher. ,,Tilda! Sigrid!", rief Bain und hielt sein neues Schwert schüztend vor sich. Die beiden drehten sich um und wirkten unfassbar erleichtert. Sie stürmten Líli und Bain entgegen und umarmten sie schnell. ,,Bain? Wo warst du nur?", fragte Sigrid mit Tränen in den Augen. ,,Später", erwiderte Bain nur schnell. ,,Was passiert hier?", schluchzte Tilda. Líli nahm sie in den Arm. ,,Schon gut, Kleine. Dein Vater wird gleich hier sein. Er hat sicher einen Plan", sagte das Zwergenmädchen leise. Plötzlich wurden sie von zwei Orks entdeckt. Sigrid und Tilda kreischten panisch und wandten sich um zur Flucht.
Bain sah unsicher zu Líli. Sie nickte nur und der Junge stürzte sich auf den ersten Ork. Er stach ihn ab und das Geschöpf fiel blutend in den Schnee. Doch der zweite Ork warf Bain nieder. ,,Bain!", entfuhr es Líli und sie rammte dem Ork ihre Klinge in den Rücken. Er röchelte und ließ von Bain ab, der aufsprang und dem Ork noch etwas unbeholfen die Kehle aufschlitzte. Die beiden rannten wieder zu Sigrid und Tilda. Auf einmal bemerkten sie im Kampfgemenge eine bekannte Gestalt. ,,Vater!", rief Tilda und deutete auf Bard, der gerade erbittert gegen einen breiten Ork kämpfte. Sigrid wank ihn zu sich und schrie: ,,Vater! Vater!" ,,Hier!", rief Bain. Bard sah erleichtert zu ihnen hinunter. Plötzlich kam ein Troll und wurde auf die Kinder aufmerksam. Tilda kreischte. Bain sprang vor sie und hielt dem Troll drohend sein Schwert hin. Doch das riesige Wesen blieb unbeeindruckt und stapfte weiter auf sie zu. Líli wandte sich hilfesuchend um. Bain und sie würden nicht alleine mit diesem Troll klarkommen. Sie riss die Augen auf, als sie sah, dass Bard auf einem Karren die schmale Gasse hinunterbretterte.
,,Duckt euch!", schrie der Bogenschütze und seine Kinder und Líli warfen sich schnell zu Boden. Die junge Zwergin merkte, wie Bard über sie rüber schoss. Er warf den Troll um und stach ihm das Schwert ins Herz. Sie sprangen wieder auf und Bard kam auf sie zugeeilt. Bain, Sigrid, Tilda und auch Líli (was sie sehr überraschte) wurden schnell von ihm gedrückt. ,,Da!", weinte Tilda leise und presste sich an ihn. Ihr Vater strich ihr beruhigend über den Hinterkopf. ,,Schon gut", meinte er, ,,schon gut. Ich habe mir solche Sorgen um euch alle gemacht". Líli schluckte, als ihr plötzlich wieder ein fiel, dass sie und Bain trotz Bards Verbot beim Berg gewesen waren. Aber darum müssten sie sich wohl später kümmern. Der ehemalige Kahnführer schob sie und seine Kinder etwas beiseite und sagte ernst: ,,Hört zu! Ich will, dass ihr alle Frauen und Kinder zusammenruft. Dann bringt ihr sie in die große Halle und verbarrikadiert das Tor. Hast du verstanden? Und komm auf gar keinen Fall wieder raus!"
Mit diesen Worten nahm er Bain das Schwert aus der Hand. ,,Ich werde kämpfen, Bard. Ich mag vielleicht eine Frau sein und in deinen Augen auch noch ein Kind aber ich muss kämpfen. Soll ich etwa tatenlos rumsitzen und zuhören, wie hier Menschen sterben!?", widersprach Líli ihm hitzig. Bard seufzte und entgegnete: ,,Ich bin nicht dein Vater, Líli. Aber da du nun in dieser Stadt lebst, befehle ich dir als Herr von Thal, dass du bei den anderen Kindern und Frauen bleibst". Sie wollte wieder protestieren aber hielt schließlich den Mund. Bard hatte sicher genug Probleme, auch ohne ihre Sturheit. Tilda fasste Bard weinerlich am Arm und schluchzte: ,,Wir wollen bei dir bleiben!" ,,Wollt ihr eurem Vater gefälligst gehorchen!", schnarrte Alfrid. Líli stöhnte leise auf. Nicht der auch noch. Der ehemalige Stellvertreter des Bürgermeisters wandte sich an Bard und sagte: ,,Überlasst das mir, Herr! Ihr habt ihn gehört, wir laufen zur großen Halle!"
Dann zerrte er Bards Töchter und auch Líli fort. ,,Fass mich nicht an!", zischte Líli ihn wütend an. Alfrid ließ sofort von ihr ab. Wahrscheinlich war ihm das Messer gut genug in Errinerung geblieben. ,,Nur ein Stück, Alfrid!", rief Bard ihm hinterher, ,,nur Frauen und Kinder! Ich brauche jeden Mann für den Kampf!" Er drückte Alfrid das Schwert an die Brust und fügte hinzu: ,,Kommt unbedingt zurück!" ,,Ich bringe sie in Sicherheit, Herr", heuchelte Alfrid, ,,dann führe ich mein Schwert für Euch!" Líli schnaubte nur verächtlich. Alfrid würde doch nie freiwillig kämpfen! Bard wandte sich noch kurz an seinen Sohn, dann stürzte er sich wieder in den Kampf. Bain eilte ihnen hinterher. Alfrid rief: ,,Abmarsch, Mütterchen!" Er schob einige alte Frauen vor sich her und warf Bain das Schwert in die Arme.
Der Junge begutachtete es erstaunt und blickte dann in das Kampfgetümmel. ,,Denk nicht mal dran!", meinte Sigrid und funkelte ihn zornig an, ,,du und Líli kommt mit in die große Halle!" Líli seufzte nur leise und hielt Tilda bei der Hand, die immer noch um ihren Vater schluchzte. ,,Alles wird gut, versprochen", wisperte Líli ihr zu. Bain stützte einen alten Mann und rief laut: ,,Lauft in die große Halle!" Alte, Kranke, Kinder, Frauen und Verletzte machten sich auf den Weg zum Palast. Líli bestaunte das alte, große Gebäude. Es war in dunklem Gelb getüncht und das Kuppeldach war glutrot. Der Thaler Palast, in dem Girion mit seiner Familie gelebt hatte, war mal sehr schön gewesen. Víli hatte in seinen Tagebüchern in höchsten Tönen von den vielen Säalen, Korridoren und dem außergewöhnlichen Garten geschwärmt. Aber von seiner Schönheit war nicht mehr viel zu sehen und so trotteten die Menschen hoffungslos auf die große Halle zu. ,,Aus dem Weg!", rief Alfrid, der sich durch die Menge an die Spitze drängte. Dabei schubste er rüde Leute zur Seite oder zu Boden. ,,Lasst die Krüppel zurück!"
Líli half Bain die Flügeltür der großen Halle zu versperren. Dann sah sich das junge Zwergenmädchen in der Halle um. Vor vielen Jahren war dies ein Festsaal gewesen, in dem Menschen in schönen Kleidern rauschende Feste gefeiert hatten. Sie seufzte traurig. Die übriggebliebenen Menschen hatten sich auf den Boden gesetzt. Die Frauen und Kinder weinten. Babys schrien und die Alten blickten traurig in die Leere. Noch nie hatten sie eine Schlacht erlebt! Alfrid war spurlos verschwunden. Anscheinend hielt er in allergrößter Not sein Wort. Wortlos ließ sich Líli neben Bain auf den staubigen Boden fallen. ,,Ich habe meinem Vater versprochen, dass ich hierbleibe und auf sie Acht gebe", sagte Bain schließlich zögerlich und sah in Richtung von Tilda und Sigrid. Seine Schwestern saßen bei einigen anderen Kindern und erzählten sich Geschichten aus Esgaroth. Es schien so lange her zu sein. Líli erwiderte: ,,Aber du willst kämpfen, nicht wahr?" Bain nickte und sah ihr direkt in die Augen. ,,Ich fühle mich so nutzlos", meinte er verzweifelt, ,,ich muss meinem Vater und den anderen Männern doch helfen!" Sie seufzte leise und rückte näher an ihn heran. Líli nahm Bain in den Arm und flüsterte: ,,Mir geht es genauso aber wir können nichts tun, so lange wir hier drinnen sitzen".
Es vergingen vielleicht ein, zwei Stunden. Immer wieder hörte Líli die qualvollen Schreie der Männer, die in Thal starben. Sie fragte sich, was mit Thorin und den Zwergen passiert war. Kämpften sie nun mit Dáins und Thranduils Heer oder versteckten sie sich immer noch im Erebor? Líli wusste es nicht und das machte sie fast wahnsinnig. Hilda Blanca schien es ähnlich zu gehen. Die Frau wanderte nervös durch die Halle und ließ sich schließlich neben Sigrid nieder. Tilda und Sigrid saßen mittlerweile wieder bei Líli und Bain. ,,Du", sagte Hilda und deutete auf Sigrid, ,,du magst diesen Jungen doch! Sein Name ist Per, der Sohn des Torhüters, richtig?" Etwas verwirrt nickte Sigrid. Líli runzelte die Stirn und lauschte dem Gespräch neugierig. Worauf wollte Hilda hinaus? ,,Er kämpft dort draußen", meinte Hilda, ,,all unsere Männer kämpfen dort draußen. Sie sterben für uns. Sie sterben für diese Stadt. Aber ich frage dich, willst du ihm nicht beistehen?" Sigrid sah schuldbewusst zu Boden. Hilda sprang wieder auf und schnappte sich einen Speer. ,,Wir stehen unseren Männern im Leben bei, also auch im Tod!", rief sie entschlossen.
,,Ich komme mit!", meinte eine Frau und immer mehr Frauen und Alte erhoben sich. ,,Bewaffnet euch!", rief Hilda Blanca ihnen zu, ,,der Rest passt auf die Kinder auf!" Bain und Líli sprangen beide auf. Sigrid war hin und her gerissen. Einerseits wollte das Mädchen auf ihren Vater hören, andererseits wollte sie zu Per. Schließlich entschied sie sich für Per und Tilda wollte unbedingt mitkommen. ,,Komm mit uns, Mütterchen", sagte eine alte Frau zu einer Frau mit krummem Rücken. ,,Nein, nein", entgegnete die krumme Frau mit seltsam hoher Stimme, ,,lasst mich in Frieden, altes Weib". ,,Du musst doch keine Angst haben", erwiderte die Alte sanft. ,,Ihr scheint noch jung genug zu sein", meinte Líli mit gerunzelter Stirn, ,,wollt ihr Eurem Mann nicht in der Schlacht helfen?" ,,Ich sagte..Lasst mich!", fuhr die Krumme sie wütend an. Hilda riss ihr eine Decke vom Kopf und entblößte Alfrid in Kleid und mit Häuptchen. Etwas unfreiwillig musste Líli schmunzeln. Dann wurde ihr bewusst, wie unverschämt das war. ,,Unglaublich!", stieß sie wütend hervor, ,,Bard zählt auf dich und du verkleidest dich als Frau! Schämst du dich gar nicht, Alfrid?" ,,Alfrid Leckspuckel", höhnte Hilda, ,,was seit Ihr nur für ein Feigling?" ,,Feigling?!", regte Alfrid sich auf, ,,nicht jeder Mann wäre mutig genug ein Korsett zu tragen!" ,,Ihr seid kein Mann. Ihr seid ein Wiesel!", spuckte Hilda ihm noch ins Gesicht. Dann stürmten die Frauen und Alten in die Schlacht.
Líli hielt sich an Bains Seite. Zusammen verteidigten sie Tilda und Sigrid, die mit ihnen gekommen waren. Das Zwergenmädchen zog entschlossen ihr Schwert und tötete viele Orks. Bain tat es ihr gleich und war erstaunlich geschickt im Kämpfen. Líli war sich bewusst, wie abwegig das alles hier war. Sie und Bain waren eigentlich noch Kinder und konnten wie die Mehrheit der Menschen aus Esgaroth nicht kämpfen. Aber trotzdem taten sie es gerade. Sie kämpften um eine ohnehin schon zerstörte Stadt gegen Truppen des dunklen Landes im Osten. Diese Orks waren Kämpfer, sie waren nur für den Krieg geboren wurden.
Mittlerweile hatten einige Orks die Stadt in Brand gelegt und einige Teile brannten lichterloh. Líli fühlte sich unangenehm an die Nacht in Seestadt errinert. Aber Smaug war tot. Nun waren es Orks, gegen die sie kämpfen mussten. Zusammen mit den Frauen und Alten kämpften die Männer unter Bards Befehl wieder mit neuem Elan. Sie hatten Hoffnung und auch in Lílis Herz keimte Hoffnung auf.
,,Versprich mir, dass wir immer zusammenbleiben!", sagte Bain plötzlich, mitten im Kampf. Líli wandte sich entgeistert zu ihm. ,,Bain! Das ist gerade echt ungünstig!" Sie standen Rücken an Rücken, die Schwerter weit von sich ausgestreckt. Von links und rechts kamen ein paar Orks. Es war vielleicht ein Dutzend. Aber Bain ließ sich von ihr nicht beirren: ,,Versprich es mir einfach! Ich liebe dich!" ,,Ich liebe dich auch. Versprochen!", sagte Lili leise und lächelte ihm leicht zu. Dann stieß sie einen Kampfschrei aus: ,,Khayamu!" (*1)
,,Für Thal!", rief Bain und sie stürmten auf die Orks zu. Líli rammte einem Ork ihr Schwert in die Brust und bohrte sich mit all ihrer Kraft durch den Körper des Wesens, bis die Klingenspitze Dagorvalis zwischen den Schulterblättern des Orks wiederauftauchte. Der Ork starb sofort. Zusammen mit Bain tötete sie die anderen Orks und stürmten weiter durch die Stadt. Die beiden halfen, wo sie konnten. Plötzlich stießen sie auf Sigrid und Tilda. Die beiden hatten sich in einer Gasse versteckt, in der es ziemlich ruhig war. Bard stand bei ihnen und umarmte seine Töchter. Er war schmutzig und hatte Tränen in den Augen. Aber Verletzungen konnte Líli bei ihm nicht entdecken.
,,Was macht ihr denn hier?", fragte Bard gerade entgeistert. ,,Ich sagte doch, dass wir kämpfen werden", erwiderte Líli, jedoch freundlich und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Bard zog sie und Bain in eine recht unerwartete Umarmung.
Plötzlich kam ihnen Alfrid entgegen gelaufen. Er trug noch immer Kleid und Haube. Líli bemerkte, dass er sich eine beachtliche Oberweite zugelegt hatte, die verdächtig klimperte. ,,Hatte ich ihm nicht gesagt, dass er kämpfen soll?", seufzte Bard leise. ,,Hattest du", entgegnete Líli ruhig, ,,aber Alfrid Leckspuckel ist von allen Valar verlassen".
Ein Troll bog um die Ecke und stampfte auf Alfrid zu. Bard erschoss den Troll. Alfrid ging zu Boden und verlor dabei einige Münzen, die er hektisch wieder auf sammelte. Líli besah ihn. Ihn schien nichts zu interessieren, als sein Gold. Es ekelte sie an! ,,Steht auf!", sagte Bard. ,,Schert Euch weg von mir! Ich gehorche Euch nicht mehr! Die Menschen haben Euch vertraut, auf Euch gehört. Der Umhang des Bürgermeisters war griffbereit und Ihr habt alles weggeworfen! Wofür?", entgegnete Alfrid, stand auf und rückte seinen Busen aus Münzen zurecht. Bard sah zu seinen Kindern. Alfrid schnaubte verächtlich und wollte gehen, aber der Bogenschütze hielt ihn auf. ,,Alfrid?" ,,Hm?", machte Alfrid missmutig und drehte sich zu Bard um. ,,Man sieht den Unterrock", bemerkte Bard. Líli schmunzelte kurz. Alfrid jedoch packte sein Kleid und rannte davon. Sie würden ihn nie wiedersehen.
Tilda und Sigrid versteckten sich wieder und Bard stürzte sich mit Líli und Bain wieder in den Kampf. Doch unglücklicher Weise wurde Líli von den beiden Menschen getrennt. Ziellos irrte sie nun durch zerstörte Gassen, auf dessen verschneiten Böden unzählige Leichen lagen. Plötzlich stürzte sich ein kleiner Ork auf sie. Líli schrie auf. Sie hatte nicht damit gerechnet. Der Ork fügte ihr eine Wunde am linken Arm zu. Líli zischte schmerzerfüllt auf. Die Wunde brannte und sie spürte wie ihr Hemd, die Strickjacke und Mantel von warmem Blut durchnässt wurden.
Doch der Ork war klein und schmächtig. Außerdem schien er schon verletzt zu sein und Líli ersparte ihm einen langsamen Tod, in dem sie ihm die Kehle durchschnitt. Tränen schossen ihr in die Augen. Die Wunde schmerzte. Sie presste die Hand auf die blutende Wunde und taumelte auf einen leeren Platz. Inmitten der toten Körper von Elben, Menschen, Orks und Trollen stand Gandalf der Graue. ,, Tharkûn!", entfuhr es Líli erleichtert. Sie hatte ihn seit Beginn der Schlacht am Erebor nicht mehr gesehen.
Der Zauberer wandte sich zu ihr um. ,, Líli! Ich bin froh, dass dir nichts ernstes passiert ist! Aber du blutest", erwiderte er und beugte sich zu der Zwergin runter. ,,Schon gut, sieht schlimmer aus, als es ist", meinte Líli beiläufig, obwohl die Wunde ziemlich schmerzte. ,,Wo ist Bilbo?" ,,Er ist auf dem Rabenberg. Unser kleiner Hobbit eilt Thorin und den anderen Zwergen zur Hilfe". ,,Was ist dort?", fragte Líli panisch, ,,was will Thorin dort?"
,,Er will beenden, was er damals in Azanulbizar begonnen hat", sagte Gandalf, ,,dein Onkel will Azog, den Schänder, töten. Legolas Grünblatt und seine rothaarige Gefährtin sind auch dort". Líli riss die Augen auf und stammelte: ,,Gandalf, ich muss sofort zu ihnen. Ich muss ihnen helfen. Schnell! Ich brauche ein Pony oder einen Widder!" Gandalf verstand und pfiff einmal. Nur einige Augenblicke später galoppierte das kleine graue Pony auf den Platz. Líli lächelte dem Zauberer kurz dankbar zu. Dann schwang sie sich auf den Rücken des Ponys. ,,Ich spüre, dass es bald vorbei ist", meinte Gandalf und nickte ihr zu, ,,sollen die Valar dir beistehen."
,,Sag Bards Sohn von mir, dass ich ihn geliebt habe, wenn ich nicht zurückkehre!", rief Líli und trieb das Pony hastig an. Das kluge Tier verstand sofort und stürmte los. ,,Das kannst du ihm selbst sagen", erwiderte Gandalf leise aber Líli sollte es nie hören.
So schnell wie es ging, ritt Líli zum Rabenberg. Das graue Pony konnte erstaunlich gut Fuß fassen auf dem vereisten Weg zur Spitze des Rabenbergs. Líli kam schnell voran. Schließlich erreichte sie die Spitze des Berges und sprang ab. Das junge Zwergenmädchen sah die Leiche des bleichen Orks auf einem zugefrorenen See liegen. Thorin hatte es also geschafft! Doch nicht weit davon entfernt lag eine Gestalt auf dem Boden. Neben ihr kniete eine weitere kleine Gestalt. ,,Thorin!", schrie Líli und das zerriss die bedrückende Stille, die auf dem Rabenberg lag.
Sie rannte zu ihm und ließ sich neben Bilbo auf den Boden fallen. Der kleine Hobbit kniete neben Thorin und hielt seine Hand. Ihr Onkel sah furchtbar aus. Er war bleich und hatte viele blutende Wunden. ,,Líli", stöhnte Thorin leise, ,,bist du es?" ,,Ja, ja...ja", hauchte Líli, ,,ich bin es, Onkel". Ihr traten Tränen in die Augen. ,,Es...es tut mir alles so leid", sagte Thorin schwach, ,,ich hab dich lieb und bereue alles zutiefst, was ich dir in den letzten Tagen angetan habe. Vergib mir, ...bitte!" ,,Nein...mir tut es leid...", schluchzte Líli, ,,ich hätte dich nicht alleine lassen dürfen. Aber...du musst mich nicht um Vergebung bitten! Glaub mir, ...wir kriegen das wieder hin. Wir flicken dich wieder zusammen. Óin schafft das, da bin ich mir sicher".
Schwach schüttelte ihr Onkel mit dem Kopf. ,,Ich habe nie an dir gezweifelt, Líli, meine Schwesterstochter", flüsterte er. ,,Nein, nein, nein!", flüsterte Líli zittrig, ,,du kannst jetzt nicht einfach sterben! Du wirst König unter dem Berge, glaub mir. Das verspreche ich!...Bei Mahal, ich bitte dich...bleib am Leben...du schaffst das!" Aber ihr Onkel stöhnte nur schmerzerfüllt. Ein schwaches Lächeln bildete sich auf seinen blutenden Lippen. Líli brach neben ihrem Onkel zusammen und heulte Rotz und Wasser. Auch Bilbo liefen die Tränen über das gutmütige Hobbitgesicht. ,,Nein..nein..nein, Thorin! Wag es ja nicht!", wisperte er schluchzend. Der Zwergenkönig tat noch einen kräftigen Atemzug. Dann wich langsam das Leben aus ihm.
,,Thorin...", flüsterte Bilbo und lehnte sich weinend an Thorins Kopf, ,,die Adler kommen...die Adler. Sie sind da. Thorin! Die Adler!" Líli sah hinauf und entdeckte tatsächlich durch den Tränenschimmer in ihren Augen die riesigen Tiere. Die Adler flogen über sie hinweg zum Schlachtfeld. Bilbo brach weinend ab und kniete heulend neben Thorin.
Líli stand auf und ging langsam von Thorins Leichnam weg. Sie konnte den Anblick nicht ertragen. Bilbo jedoch lehnte sich über Thorin und küsste ihn liebevoll und behutsam auf die Stirn.
Dabei bemerkte er etwas, etwas Wundervolles.
,,Líli!", rief der Hobbit lachend und weinend zu gleich, ,,er atmet! Thorin atmet! Er lebt!"
Guten Morgen! Das hier ist das längste Kapitel! (über 3300 Wörter) Ich hoffe, es hat euch gefallen.
Noch einen schönen Samstag!❤️
Pfoenix
(*1) Khuzdul: In den Sieg!
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