32. Die Enthüllung Teil 1


«Konnten Sie sie benachrichtigen, Herr van Wittenberg?» Ich blickte ungeduldig auf die Zeitanzeige meines Briggs. «Ja. Aber du weißt, dass sie für ihre Pünktlichkeit noch nie bekannt war.» Er widmete sich wieder einem dicken, in Leder gebundenem Notizbuch, das er gestern aus seinem Archiv hervorgeholt hatte und das uns noch die letzten Hinweise zum Entschlüsseln des Zahlen- und Buchstabencode geliefert hatte.

Ich fühlte mich innerlich wie auf heissen Nägeln und wurde langsam ungeduldig. Vor etwa einer halben Stunde habe ich Elizabeth eine Nachricht auf ihr Briggs zukommen lassen. Sie solle nach dem Date mit meinem Bruder direkt zum Büro von Hauslehrer van Wittenberg kommen, damit wir sie so rasch wie möglich persönlich in die Neuigkeiten bezüglich ihrer Rückreise miteinweihen können. Seither ist nun schon fast eine Stunde vergangen und meine Nervosität steigerte sich von Minute zu Minute. Hauslehrer van Wittenberg und ich gingen nochmals die wichtigsten Fakten durch. Eine ungeklärte Sache blieb, die wir mit diesem Treffen möglicherweise klären konnten und weswegen wir noch einen Extragast eingeladen haben. Davon wusste Elizabeth bis jetzt jedoch noch nichts.

Es klopfte drei Mal an der Tür. Hauslehrer van Wittenberg schob seinen Stuhl zurück, erhob sich und begab sich Richtung Tür, um unseren ersten Gast in Empfang zu nehmen. Obwohl ich mit dem Rücken zur Tür sass, erkannte ich Elizabeths Stimme sofort, die sich, leicht außer Atem, tausendmal entschuldigte, dass sie nicht früher da sein konnte.
Wir haben extra im Vorhinein einen Tisch mit vier Stühlen bereitgestellt, an dem wir nun Platz nahmen. Elizabeth blickte uns beide erwartungsvoll an.

«Also, wie du vom letzten Gespräch bereits weißt, besteht eine Verbindung zwischen unseren beiden Welten hier im Schloss. Die Berechnungen zum Spiegel, der als Pforte dient, konnten Hauslehrer van Wittenberg und ich, als du dich von der Hirnerschütterung erholen musstest, rekonstruieren.»

«Ihr konntet also herausfinden, zu welchen speziellen Zeiten der Spiegel als Pforte zu meiner Welt begehbar ist?», fragte Elizabeth interessiert.

«Genau. Und zwar jeweils an den Tagen, die ein „o" enthalten: also Montag, Donnerstag und Sonntag um Punkt 16.00 Uhr und 24.00 Uhr für genau eine Minute.»

«Das tönt eigentlich ganz vielversprechend. Wisst ihr auch, wo sich der Spiegel befindet?» Elizabeths Augen begannen erwartungsvolle zu glitzern.

«Wir haben eine Vermutung», erwiderte Hauslehrer van Wittenberg auf Elizabeths Frage. «Doch wie du an der Anzahl der Stühle siehst, erwarten wir noch einen zweiten Gast. Wir denken, dass sie dir darüber noch besser Auskunft geben kann. Leider ist sie immer etwas verspätet, wenn es um Termine geht, aber wir hoffen, dass sie bald auftauchen wird.» Er schaute Elizabeth entschuldigend an.

«Habt ihr auch etwas darüber in Erfahrung gebracht, wie ich hergekommen bin? Der Spiegel war da ja nicht involviert. Es muss also noch einen zweiten Mechanismus geben, nicht?»

«Da hast du natürlich vollkommen Recht. Aber was das anbelangt, tappen auch wir weiterhin im Dunkeln. Tut mir Leid, Elizabeth.» 

Ich wusste, dass Hauslehrer van Wittenberg in seinem Notizbuch an einer Stelle sogenannte Zeitspalten beschrieb. Dummerweise wurde dieser Abschnitt grösstenteils unleserlich, weil einmal ein Tintenfass darüber ausgeleert wurde.

Es klopfte erneut an der Tür. Ohne abzuwarten, dass ihr jemand öffnete, betrat Maria-Karolina, die ältere Schwester meines Vaters, den Raum.

«Karo! Schön, dich hier zu sehen.» Hauslehrer van Wittenberg erhob sich schlagartig und hastete ihr beinahe entgegen. Man merkte ihnen sofort an, dass sie langjährige Wissenschaftskollegen waren. Eigentlich wäre Maria-Karolina damals die rechtmäßige Thronfolgerin gewesen. Doch da sie sich schon früh für die Wissenschaft, insbesondere die Medizin interessierte, verzichtete sie auf den Thron und sprach ihn ihrem jüngeren Bruder, meinem Vater, zu.
Meine Tante war viel unterwegs, forschte im Gebiet der Augenlasertechnik und war an den neusten Innovationen diesbezüglich beteiligt. Ansonsten verkroch sie sich stundenlang hinter ihrem Schreibtisch, man bekam sie selten zu Gesicht. 

Deshalb war es umso erfreulicher, konnte sie diesen Termin heute wahrnehmen. Denn, wie ich von Hauslehrer van Wittenberg wusste, war sie ebenfalls in den Vorfall vor 20 Jahren, in dem ein Paralleluniversum eine Rolle spielte, involviert gewesen und konnte uns noch unbekannte aber womöglich wichtige Infos für Elizabeth liefern.

«Tut mir Leid, aber ich musste unbedingt noch eine Arbeit zu Ende bringen. Aber jetzt bin ich ja hier. Wo brennts?» Sie setzte sich auf den noch freien Stuhl und blickte erwartungsvoll in die Runde. Als ihr Blick an Elizabeth haften blieb, schlug sie sich die Hand vor den Mund. «Elizabeth, was machst du denn hier?»

Ich mach es spannend, ich weiss. Vielleicht bin ich auch etwas gemein. Wenn alles gut geht, gibt es morgen Teil 2 ;) Schlaft gut! Bis dahin nehme ich alle Vermutungen entgegen, von wo sich Elizabeth und Maria-Karolina kennen :) Welche Infos wurden wohl vom Tintenfass in Hauslehrer van Wittenbergs Tagebuch unleserlich gemacht?

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