25. Franz-Joseph in Gedanken

Beim Einschlafen dachte ich über die soeben geschehenen Ereignisse und Fast-Ereignisse des vergangenen Abends nach. Mein Vorhaben, Elizabeth meine Gefühle zu gestehen, scheiterte kläglich, da sie nicht alleine auf dem Balkon war. Warum musste mein Bruder aber auch unbedingt in dem Moment mit Prinzessin Charlotte dort rummachen wollen? Danach hatte es zumindest ausgesehen. Ich gab Elizabeth mit einem Blick zu verstehen, dass wir später reden würden. Stattdessen bot ich ihr an, sie nach drinnen zu begleiten.
Als wir den Bankettsaal betraten, kam mir dieser wie ein geschäftiges Bienenhaus vor. Alle Gäste wuselten unorganisiert in einer Hast durcheinander. Der Hofmarschall versuchte sich vergeblich Gehör zu verschaffen, um zu verkünden, dass der Tanzabend aufgrund des Ohnmachtsanfalls von Prinzessin Karin sofort aufgelöst wurde. Kaum drinnen angelangt, steuerte Zoë auf uns zu, die schon ungeduldig nach Elizabeth Ausschau gehalten hatte. Die beiden gingen dann ziemlich schnell in ihr Zimmer und ich hatte keine Möglichkeit mehr, Elizabeth alleine zu sprechen. Ich werde schauen, ob ich morgen einen Moment finde. Ich wollte es ihr sagen. Und doch war ich wieder am Zweifeln. Ich wusste gerade nicht, wo mir der Kopf stand. Das, was zwischen mir und Elizabeth war, fühlte sich ganz anders an als das, was ich für Sophia empfand. Elizabeth hat Gefühle in mir wachgerüttelt, die mir bisher unbekannt waren, die nach mehr verlangten, aber die ich bei Sophia noch nie hatte. Trotzdem werde ich Sophia heiraten müssen, weil es das Gesetz so verlangte. Das war so was von unfair. Jeder bewunderte einen als Prinz, doch die Wirklichkeit war längst nicht so, wie man sich dachte. All die Regeln und Vorschriften. Ich fühlte mich überhaupt nicht frei und innerlich zerrissen. Was sollte ich bloss tun? Mit diesen Gedanken und Gefühlen im Kopf fiel ich in einen unruhigen Schlaf.

Ich schreckte hoch. Sophia stand in ihrem Morgenmantel in der Tür und schaute mir direkt in die Augen. «Sophia, was willst du hier, es ist mitten in der Nacht?» Sie näherte sich meinem Bett und lächelte kokett. «Dich mein Süsser natürlich.» Sie kam näher. Unter ihrem Morgenmantel trug sie nur ein dünnes, relativ weit ausgeschnittenes Seidennachthemd. Ich hatte Sophia noch nie so leicht bekleidet gesehen. Ich durfte sie streng nach Tradition gar nicht so sehen. Das war erst nach der Hochzeit erlaubt. Ich fühlte, wie sich Schweissperlen auf meiner Stirn bildeten und versuchte, ruhig zu atmen. «Aber wir sind doch noch gar nicht verheiratet.» Ich erhob abwehrend meine Hände. «Aber das sind wir doch, Franz-Joseph. Kannst du dich denn gar nicht mehr erinnern?» Sie hatte nun beinahe meine Bettkante erreicht. Geistesgegenwärtig betrachtete ich meinen rechten Ringfinger und erschrak. Der Verlobungsring war weg und an dessen Stelle sass ein monströser, diamantbesetzter Ring. Ich war tatsächlich mit Sophia verheiratet. Panik ergriff mich. «Geh raus, ich will dich jetzt nicht sehen!», rief ich energisch. Sophia schien von meinem Verhalten völlig unbeeindruckt, beugte sich stattdessen zu mir hinunter und setzte zu einem Kuss an. Ich versuchte mich von ihr abzudrehen und... «Autsch!» Ich sah mich um. Ich lag auf dem Boden meines Zimmers, keine Sophia weit und breit. Ich atmete immer noch schwer, als ich realisierte, dass die ganze Szene soeben nur ein Traum war. Ein Blick auf meinen rechten Ringfinger, wo ich den zierlichen Verlobungsring entdeckte, brachte Bestätigung. Nur ein Traum. Beruhigt stand ich auf und schlüpfte nochmals für ein paar weitere Stunden unter die Bettdecke.

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