23. Tanzabend Teil 1


Wie am Abend zuvor fanden sich alle im Bankettsaal ein. Diesmal waren nicht nur die Anwärterinnen eingeladen, nein auch Adlige und Höflinge aus dem engsten Kreis des Kaisers waren vor Ort. Als Zoë, Sophia und ich den Saal betraten, waren schon eine Menge Personen anwesend. Ich entdeckte an der einen Längsseite des Saals ein Buffet mit allerhand leckeren kleinen Häppchen und Getränken. In der Mitte würde die Tanzfläche sein, hatte mir Zoë erklärt. Die Apérotische, die gestern in der gesamten vorderen Hälfte verteilt gestanden hatten, waren heute in einer Reihe, jeweils mit etwa zwei Meter Abstand zum Nächsten an der gegenüberliegenden Seite des Buffets platziert.

Zoë hielt auf ein Grüppchen von Anwärterinnen zu, Sophia und ich folgten ihr. Karin sah heute blendend aus. Sie trug ein korallenfarbiges Ballkleid mit V-Ausschnitt, das Mieder nur so von Glitzersteinen übersäht. Neben ihr stand Bianca in einem nachtblauen Kleid, das ihre rechte Schulter entblösste. Es stand ihr ausgezeichnet. Die beiden waren in ein Gespräch mit einer der englischen Zwillinge vertieft, die sich heute gewagt in beige-türkis präsentierte. Wir gesellten uns zu ihnen und hörten interessiert zu, was es Neues zu erzählen gab.

Nach einer Weile entschuldigte sich Sophia für einen Moment. Als sie sich von uns entfernte, schaute ich ihr nach und bemerkte, dass sich Franz-Joseph wieder unter die Leute gemischt hatte. Vor dem Betreten des Bankettsaals hatte ich ihn am Treppenabsatz zusammen mit Sophia gesehen. Nachdem sie sich flüchtig geküsst hatten, war er auf einmal weg und ich hatte ihn seither nicht mehr erblickt. Sie lief geradewegs auf ihn zu.

In dem Moment bat der Hofmarschall um Aufmerksamkeit. Er kündigte den ersten Tanz an. Natürlich ein Walzer, wer hätte das gedacht! Immerhin war das der Tanz, den ich bis jetzt am besten beherrschte. Vielleicht doch kein so schlechter Start. Prinz Maximilian eröffnete den Tanz mit Prinzessin Scarlett, die ein breites Lächeln aufgesetzt hatte. Im Gegensatz zu ihrer griesgrämigen Schwester Lucy. Ich entdeckte sie unweit des Buffets, wie sie gerade ein Apérohäppchen, welches sie wahrscheinlich am liebsten in ihrer Hand erdrücken würde, auf ihren Teller legte. Aber diese Schwesternrivalität sollte mich nicht weiter kümmern.

Soeben hatte Zoë ein Höfling zum Tanz aufgefordert. Ein anderer kam auf mich zu und lächelte mich freundlich an. «Darf ich Sie bitten, Prinzessin Lorraine?» Ich erwiderte sein Lächeln. «Sehr gerne.»

Wir tanzten zwei Tänze zusammen. Danach wurde ein Polkatakt angeschlagen. Das Orchester war mit Leib und Seele dabei, mein Tanzpartner auch. Dieses Gesicht kam mir sowas von bekannt vor. «Ich wusste von Anfang an, dass ich die «Tritsch-Tratsch Polka» mit dir tanzen will.» Franz-Joseph grinste mir frech ins Gesicht und setzte meinen Überlegungen ein Ende. Zeit, empört etwas zu erwidern, hatte ich nicht. Ich musste mich aufs Äusserste darauf konzentrieren, keinen Fehler zu machen und auf den Takt zu tanzen. Doch je länger der Tanz anhielt, desto sicherer fühlte ich mich dabei. Das Unbehagen, welches ich beim Üben mit Franz-Joseph heute Morgen noch verspürte, war auf einmal verflogen. Ich dachte an heute Nachmittag, an das was in der Bibliothek zwischen uns vorgefallen war. Dass er mich beinahe geküsst hätte. Ich spürte eine Regung in mir, ein Verlangen, eine Stimme die mir zuflüsterte, ihn hier auf der Stelle zu küssen. Aber eine andere, stärkere Stimme sagte mir, dass das ein riesengrosser Fehler wäre, da ich in der Öffentlichkeit Prinzessin Lorraine spielen muss, die Prinz Maximilian anhimmelt.

Als die letzten Klänge der «Tritsch-Tratsch Polka» verklungen waren, verbeugte sich Franz-Joseph vor mir. «Dieser Tanz war mir eine Ehre, Prinzessin Lorraine.» Für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke, bevor er sich von mir abwandte und die nächste Dame zum Tanz bat.

Das Tanzen verlangte meine ganze Konzentration ab, doch das war mir egal. Ich wollte mein Bestes geben, überzeugen und ja nicht negativ auffallen.

Einen Moment lang dachte ich an meinen Vater. Als ich ihn zu den fohlenden Stuten begleitete, hörten wir oftmals klassische Musik. Um die Zeit zu vertreiben, machten wir ein Spiel daraus, wer als erstes den Titel des Stücks erraten konnte. Er wusste ihn immer schon nach den ersten paar Takten, was mit der Zeit ein wenig deprimierend war. Ich war nämlich auch nicht schlecht im Erraten, aber brauchte eben ein Ticken länger. Mein Vater hatte ein photographisches Gedächtnis, was die klassische Musik betraf. Ihm würde dieser Abend bestimmt gefallen und sei es nur der Musik wegen.

Nachdem ich zu den Klängen des «Wiener Walzers» und «An der schönen blauen Donau» getanzt hatte, gönnte ich mir eine kurze Pause. Eine kleine Stärkung vom Buffet hatte ich mir definitiv verdient. Als ich gerade ein Camambertbrötchen greifen und auf meinen Teller legen wollte, griff eine andere Hand gleichzeitig danach. Ich schaute vom Brötchen auf, geradewegs in die Augen von Karin. «Entschuldigung», sagte sie und zog rasch ihre Hand zurück. «Ach, das macht nichts. Das kann jedem passieren.» Ich lächelte sie an. «Ein schönes Kleid hast du dir heute ausgewählt. Prinz Maximilian wird hin und weg sein von deinem Auftreten», meinte sie echt beeindruckt. Von ihr hätte ich nicht so ein Kompliment erwartet, da sie auf mich bis jetzt doch eher einen zurückhaltenden Eindruck machte. «Hat er dich heute schon zum Tanz aufgefordert?» Ich schüttelte den Kopf. «Dich?» Sie nickte. «Ja. Ich hatte die Ehre, mit ihm den Walzer «An der schönen blauen Donau» zu tanzen.» Sie errötete dabei leicht.

Wir unterhielten uns über unverfängliche Themen und kamen auf einmal auf unsere Freizeit zu sprechen und stellten erstaunt fest, dass wir beide gerne Zeit mit den Pferden verbrachten. Als ich Karin ihren Schilderungen zum königlichen Gestüt etwas ausserhalb von Oslo zuhörte, beobachtete ich, wie Zoë mit Prinz Maximilian über die Ballfläche tanzte. Der Walzer «Frühlingsstimmen» passte perfekt.

Ich erzählte Karin, dass ich fasziniert von den Lipizzanern war und hoffte, dass mich Prinz Maximilian als Date auf einen Ausritt mitnahm. In meine Schwärmerei vertieft, bemerkte ich nicht, dass der Tanz zu Ende war und mich jemand auf einmal von der Seite ansprach: «Prinzessin Lorraine, Sie sehen einfach bezaubernd aus. Darf ich Sie um den nächsten Tanz bitten?»

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