13. Runde zwei
Ich wunderte mich, dass ich als Erste zum persönlichen Gespräch mit Prinz Maximilian gebeten wurde. Es hätte jede von den anderen auch treffen können, es war bloss Zufall und bedeutungslos. Er konnte nicht wissen, dass ich diejenige war, die er während dem «blind-dance» geküsst hatte. Der Kuss wollte mir einfach nicht aus dem Kopf. Wenn sich die Gelegenheit ergab, würde ich ihn darauf ansprechen.
Ich hatte mich ihm untergehakt und liess mich zu einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen in einer Erkernische etwas abseits vom Apérogeschehen führen.
«Prinzessin Lorraine, es freut mich ausserordentlich, Ihnen die Ehre zu erweisen, mich persönlich besser kennenzulernen. Bitte setzen Sie sich.» Ich ging auf den freien Stuhl zu, knickste höflich und liess mich auf den Stuhl nieder. Er setzte sich mir schräg gegenüber. Ich merkte, wie er mich von oben bis unten musterte, als versuchte er meine Erscheinung mit einem der zuvor erlebten Tanzstile zu identifizieren. Schlussendlich blieb sein Blick an meinen Augen haften.
«Wie gut sind Sie über die aktuelle Lage Österreich-Ungarns informiert?» Er kam also gleich zur Sache. Smalltalk schien ihm unwichtig. Zum Glück war ich dank Franz-Joseph's Crashkurs heute Nachmittag bestens informiert. Trotzdem musste ich darauf bedacht sein, nur so viel Preis zu geben, um den Eindruck zu erwecken, dass mich die Landespolitik durchaus interessierte, aber nicht dass ich mehr als Maximilian darüber wusste.
«Mir ist zu Ohren gekommen, dass letzte Woche einen Anschlag auf den Kaiser ausgeübt wurde. Zum Glück ist ihm nichts zugestossen. Haben Sie sich von dem Schrecken erholen können?» Ich versuchte besorgt zu klingen. «Das war bestimmt wieder irgendein Gesandter der Deutschen», murmelte Maximilian gedankenversunken.
«Könnte es denn nicht sein, dass jemand aus ihren eigenen Leuten, für diesen missglückten Anschlag verantwortlich war?» Ich wagte mich auf dünnes Eis, aber es interessierte mich wirklich, was Prinz Maximilian darüber dachte. «Das Volk scheint in Aufruhr. Bei meiner Anreise hierher hatte ich ihre Protestrufe von weitem gehört.» Maximilian funkelte mich wütend an.
«Das Volk will eine konstitutionelle Monarchie, na und? Sollen die noch ein Weilchen protestieren. Wegen denen möchte ich trotzdem nicht auf meinen Thronanspruch verzichten, verstehen Sie?»
«Ich kann Ihren Standpunkt verstehen, Eure Hoheit. Bedenken Sie, dass eine konstitutionelle Monarchie keineswegs einen Thronverzicht bedeutet. Meines Wissens wären sie weiterhin Kaiser von Österreich-Ungarn, orientieren sich beim Regieren aber an einer Verfassung, die Sie gemeinsam mit Ihren Ratsleuten erarbeiten würden. Klar wäre Ihrer Macht in dem Sinne ein gewisser Handlungsspielraum vorgegeben. Andererseits wäre so ihr Handeln gegenüber dem Volk transparent, was wiederum das Vertrauen in Sie und die Monarchie stärken würde. In England zum Beispiel, wird schon eine Zeit so regiert.»
Ich wusste nicht, ob mir Maximilian überhaupt zugehört hatte. So wie er da sass, schien er ziemlich gelangweilt, also versuchte ich auf ein unverfängliches Thema umzulenken. «Die Hofburg ist atemberaubend. Unser Palast in Luxemburg mag da kaum mithalten. Ich beneide Sie, dass Sie in einem so prächtigen Palast inmitten der Stadt aufwachsen konnten.» Meine Aussage schien ihm zu schmeicheln. «Warten Sie erst ab, bis ich Ihnen Schloss Schönbrunn zeige.»
Wir redeten noch über die Erwartungen an die zukünftige Kaiserin und wie ich mich denen gewachsen fühlte. Ausserdem fragte Prinz Maximilian mich, was politisch in Luxemburg aktuell war. Diese Fragen waren mir etwas unangenehm, da ich mich im Voraus nicht darauf vorbereitet hatte. Aber ich versuchte nach bestem Wissen und Gewissen Rede und Antwort zu stehen.
Unser Gespräch dauerte schon eine ganze Weile und ich wusste, dass ich bald der nächsten Kandidatin das Feld überlassen musste. Doch ich hatte bis jetzt nicht die Gelegenheit, die Frage, die mir am meisten unter den Nägeln brannte zu stellen. Also ergriff ich meine Chance.
«Eine letzte persönliche Frage habe ich noch.» Jetzt oder nie. Ich schaute Maximilian mutig in die Augen.
«Welche Bedeutung hatte dieser Kuss während dem «blind-dance» vorhin?"
«Ach der.» Maximilian machte eine wegwerfende Handbewegung. «Ich wollte bloss wissen, wie Sie darauf reagieren. Frauen mögen doch sowas. Ausserdem, der exotische Duft Ihres Parfums war einfach unwiderstehlich.» Er grinste verschmitzt. Empörung machte sich in mir breit, doch ich konnte mich gerade so beherrschen. Da steckte bestimmt mehr dahinter. Ich hatte die ganze Zeit Blickkontakt gehalten und mir war es, als hätte ich bei der Erwähnung des Kusses ein verlangendes Aufblitzen in seinen Augen entdeckt, das aber mit dem nächsten Wimpernschlag wieder verschwunden war.
Ein Glockenton erklang und somit war unser Gespräch vorerst beendet.
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