Ich schaute an mir herunter. Das trägerlose Abendkleid war veilchenblau und bildete einen starken Kontrast zu meinen roten Haaren, die laut Madame Schönberg so besser zur Geltung kämen. Für mich machte das wenig Sinn. Das Äusserliche war beim ersten Treffen sowieso Nebensache, denn Prinz Maximilian und ich würden blind zusammen tanzen.
Über dem Abendkleid trug ich einen weissen Bolero, denn für Ende September war es schon recht frisch. Leider konnte ich meine bequemen Turnschuhe nicht tragen. Ich trug halbhohe Pumps passend zum Kleid abgestimmt, natürlich ebenfalls in veilchenblau.
Um meine ganze so schon imposante Erscheinung abzurunden, funkelte an meinem Hals eine Perlenkette und in meinen Ohren dazu passende Ohrstecker.
Den Rückweg von der Anprobe zurück ins Zimmer fand ich mithilfe der Kartenfunktion auf meinem Briggs. Wenn man eine Karte eines Labyrinths hatte, war dies nämlich durchaus zu bewältigen. So hatte ich auch nicht allzu lange, um auf mein Zimmer zurückzufinden. Dort wurde ich bereits von Zoë erwartet. Sie sah atemberaubend aus, ganz in hellblau gekleidet. Ihre Aufmachung hatte eine Ähnlichkeit mit der Schneekönigin Elsa aus dem Disney-Film «Frozen».
Zusammen begaben wir uns bald schon auf den Weg Richtung Bankettsaal. Dort wurden wir bereits von Franz-Joseph erwartet. Er stand an einem Apérostehtisch und war in weiblicher Begleitung. Sie trug ein ausladendes türkisfarbenes Abendkleid, dessen herzförmiger Ausschnitt ihr Dekolleté besonders gut zum Ausdruck brachte. Ihr karamellbraunes Haar hatte sie sich zu einem hohen Pferdeschwanz zurückgebunden. Franz-Joseph's eleganter dunkelblauer Anzug wirkte daneben fast schlicht. Einzig das türkisfarbene Einstecktuch fiel einem sofort ins Auge. Es schien ein wenig symbolisieren zu wollen, dass die beiden zusammengehörten. Er winkte uns zu.
«Ihr seht umwerfend aus. Mein Bruder wird hin und weg sein von euch zwei. Schnappt euch doch ein Glas Champagner oder Orangensaft und gesellt euch zu uns. Sophia und ich sind auch noch nicht lange hier.»
Zoë und ich nahmen von einem Diener, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war, ein Glas Champagner und gesellten uns zu den zwei anderen.
Zoë lächelte Franz-Joseph's Begleitung an. «Hey Sophia, darf ich dir meine Zimmergenossin vorstellen? Das ist Prinzessin Lorraine aus dem Grossherzogtum Luxembourg. Prinzessin Lorraine, das ist meine jüngere Schwester Sophia. Prinz Franz-Joseph bist du ja bereits heute begegnet.»
«Freut mich dich kennen zu lernen, Prinzessin Lorraine. Glaub mir, es ist eine Ehre, das Zimmer mit meiner Schwester teilen zu dürfen.» Es schwang ein gewisser Unterton mit, als sie dies sagte. Hätte sie mir das nun in einer Briggsnachricht geschrieben, wäre wahrscheinlich eine Gefühlswelle mitgeschwappt, die mir klarmachen sollte, dass ich sie besser beim Wort nehme sollte, wenn ich mit ihr klarkommen wollte. Lustig, dass ich schon nach so kurzer Zeit daran dachte, wie sich eine Botschaft als Briggsnachricht anfühlen würde.
«Die Ehre ist ganz meinerseits. Prinzessin Zoë ist eine ganz angenehme Gesellschaft.» Ich schenkte Sophia ein gut gemeintes Lächeln.
Ich schaute mich um, während sich die anderen drei in ein Gespräch über die Abendgarderobe der anderen Kandidatinnen vertieften, das ich mit einem Ohr noch mitverfolgte. Mein Blick schweifte durch den Bankettsaal, wo der Apéro abgehalten wurde. Im hinteren Teil war bereits die lange Tafel für später gedeckt. Zwei Stühle am Kopf der Tafel hoben sich von den Restlichen ab. Sie waren pompöser und mit grosser Wahrscheinlichkeit für das Kaiserpaar bestimmt. Ich fragte mich, wo sie sich im Moment befanden. Der Eröffnungsball der Damenwahl von Maximilian war ja nicht gerade unwichtig. Den Thronfolger selbst konnte ich bis jetzt auch noch nicht entdecken.
Um die restlichen Apérotische hatten sich einige der Kandidatinnen ebenfalls zu kleinen Grüppchen zusammengefunden. Sie gehörten alle Europäischen Königshäusern an und ich hatte keinerlei Ahnung wer von wo war. Doch ich würde früher oder später mit ihnen in Kontakt kommen. Bloss vor der Deutschen Mitstreiterin musste ich mich laut Franz-Joseph in Acht nehmen. Welche von denen sie wohl war?
Am Apérotisch, der unserem am Nächsten war, stand ein Grüppchen von drei, wobei sich zwei fast aufs Haar glichen, wahrscheinlich Zwillinge. Sie schienen beide über einen Witz zu lachen, der ihr Gegenüber, eine hochgewachsene, nordisch aussehende Schönheit, gerade zum Besten gegeben hatte. Etwas weiter hinten waren vier Kandidatinnen um einen Apérotisch versammelt. Eins der Mädchen, in einem mintfarbenen Abendkleid mit auf und ab wippenden Zapfenlöckchen, knabberte verstohlen an einer Apérostange. Eine weitere Kandidatin in roter Abendgarderobe überprüfte in einem kleinen Taschenspiegel nochmals ihr Aussehen. Sie stand etwas abseits der Gruppe.
Gerade betraten die letzten drei Kandidatinnen kichernd den Bankettsaal, als um Ruhe gebeten wurde. Alle Gespräche verstummten augenblicklich. Die Blicke waren auf einen untersetzten Mann in höfischer Uniform gerichtet, der eine Liste – vermutlich die Teilnehmerliste – vor sich hielt.
«Ich freue mich, Sie alle heute Abend im Namen Seiner Majestät begrüssen zu dürfen. Die Damenwahl von Prinz Maximilian dem I. erkläre ich somit als offiziell eröffnet.» Er legte eine Pause ein, wobei sein Blick auf die Liste fixiert war. Dann schaute er wieder in die Runde. «Ich bitte nun Prinzessin Karin aus dem Königreich Norwegen vorzutreten. Sie werden als Erste die Ehre haben, mit Prinz Maximilian zu tanzen. Seine kaiserliche Hoheit erwartet Sie im Raum nebenan.» Die nordische Schönheit trat aus der Menge vor und bewegte sich in Richtung des Mannes. Ich war froh, musste ich noch nicht gehen.
***
Bis jetzt war der Apéro ganz entspannt verlaufen. Elizabeth schien sich bestens mit den beiden französischen Schwestern zu verstehen, die Diskussionen waren auf jeden Fall angeregt. Auch als sich noch andere Kandidatinnen zu uns gesellten, versuchte Elizabeth schnell mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Sie schien sich bis jetzt bestens in ihrer Rolle zurechtzufinden, auch wenn ich das nicht vollumfänglich beurteilen kann, da ich schlecht in sie hineinschauen konnte, um zu sehen, wie es ihr dabei wirklich ging. Nachdem ungefähr die Hälfte der Kandidatinnen den «blind-dance»mit meinem Bruder überstanden hatten, rief der Hofmarschall den Namen von Elizabeth. «Prinzessin Lorraine aus dem Grossherzogtum Luxemburg, bitte treten Sie vor.» Jetzt galt es Ernst. Im Stillen wünschte ich Elizabeth viel Glück und dass sie sich so gut schlug, wie heute Nachmittag bei unserer gemeinsamen Tanzstunde. Ich lächelte ihr aufmunternd zu und hoffte gleichzeitig, dass dies nicht zu auffällig war.
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