Kapitel 61

Es war naiv zu glauben, dass Azad mich hier mit dem Selbstverteidigungstraining in Ruhe lassen würde. Ich habe sogar das Gefühl, dass er es sogar intensiviert. "Musst du nicht arbeiten?", frage ich angestrengt. Meine Unterarme pochen, weil dieser alte Mann Knochen aus Stahl hat! "Die Konferenz wurde heute abgeblasen." "Dann such dir neue Leute für eine Konferenz." Ich kann nicht mehr. Ich musste mich sechsmal aus der gleichen Lage befreien. Sechsmal! Und kein einziges Mal habe ich es anscheinend gut hingekriegt. Was gibt es da zu schmunzeln? "Was?", blaffe ich. "Es gefällt mir, dich ohne Asthma atemlos zu sehen. Das erinnert mich daran, wie ich dich-," "Erwähn. Es. Nicht", warne ich ihn. Ich hatte noch nie viermal Sex hintereinander und jedes Recht, durch seine Stöße irgendwann nicht mehr richtig atmen zu können. Ich bin nur dann gelaufen, wenn ich wusste, dass er nicht in der Nähe ist und ich bin immer noch nicht ganz geheilt! Azad leckt sich lächelnd über seine Unterlippe. "Dein Watscheln ist unfassbar süß." Das reicht! Dieses Mal bin ich diejenige, die zum Angriff ansetzt. Meine Faust will gegen sein Brustkorb rasen, nur hält er mich schon beim Anheben meiner Hand auf, dreht mich an ihr und presst meine Rückseite gegen sich. "Lass los!" Ich spüre das Vibrieren seines rauen Lachens an meinem Rücken.

"Avin, du bist zu langsam." Daraufhin folgt ein Kuss an meine Schläfe. "Und trau dich, mir ins Gesicht zu schlagen. Ich weiß, dass du zögerst. Tu mir weh. Du weißt doch, dass mich das anturnt", raunt er am Ende absichtlich in mein Ohr, damit ich mich winde. "Du bist krank." "Das stimmt. Vor allem krank nach einer lila Tulpe." Azad küsst meine Ohrmuschel, wohl wissend, dass ich seinetwegen kreische und mich winde. "Stell dir vor, ich bin ein anderer Mann und finde Gefallen an dir. Was machst du?" "Ich bin immer in deiner Nähe." "Dieses Mal bin ich auf Toilette und dann kommt einer, der dich schon anvisiert hat." "Abblocken und sagen, dass ich verheiratet bin." "Das reicht ihm nicht. Er drückt sich von hinten an sich." "So wie mein psychopathischer Ehemann?", höhne ich, zucke aber dann schmunzelnd, als ich seinen Biss in meiner Halsbeuge spüre. "Setz mich nicht mit solchen gleich. Du weißt, dass ich sensibel bin." Ist ja gut. Ich seufze. Sein Arm ist um meinen Bauch geschlungen. Sein großer Körper bildet eine Mauer hinter mir. Wie werde ich einen aufdringlichen Mann so am besten los? Mein Po ist direkt an seinem Schoß und ich bin mir sicher, dass es nicht sein Gürtel ist, der sich indiskret an mich drückt. Also hole ich mit meinem Becken aus und ramme meinen Po gegen sein Geschlecht. Azad zuckt zwar zurück, aber das ist auch das Einzige, was geschieht. Sein Griff ist immer noch felsenfest.

"Ich werde heute mit einem gebrochenen Herzen einschlafen. Meine Ehefrau drängt anderen Männern ihren süßen Hintern-," "Ich wollte dich außer Gefecht setzen!", verteidige ich mich. "Du hast mein Herz außer Gefecht gesetzt." Er ist so dramatisch! "Ich habe Hunger", seufze ich. Das Einzige, was ich vom Training mitnehme, sind blaue Flecken. Und er kommt jedes Mal ohne einen Kratzer raus, obwohl er angegriffen wird! "Du musst an deiner Geschwindigkeit arbeiten, Schneeflocke. Du machst dich damit zu vorhersehbar." "Aber das liegt doch daran, dass es eine Simulation ist. Und dann noch mit dir, Azad. Ich kann dir nicht ins Gesicht schlagen und du bist keine ernsthafte Bedrohung." Er seufzt. Sein Blick ist nachdenklich und besorgt. "Ich will nur nicht, dass du hilflos bist." Und das verstehe ich auch. "Es ist ja nicht so, dass ich das Training nicht möchte. Es ist eine Sache der Gewöhnung. Das kommt noch alles. Komm." Ich nehme seine Hand. "Lass uns was essen." Ich verstehe, wieso ihn das besorgt, aber er muss sich deshalb nicht den Tag ruinieren. Azad nimmt deshalb unsere Katzen nicht einmal mehr wahr, die sich schnurrend an seine Beine schmiegen, obwohl er sie sonst immer auf seine Arme nimmt und zulässt, dass sie ihn als Kratzbaum benutzen.

"Ist Jamal schon auf dem Weg? Wir wollten heute lernen." Azad nickt abwesend. "Azad", setze ich betrübt an. Ich wasche die Gewürze von meinen Händen, um sie von hinten auf seine Brust zu legen. "Mach dich nicht verrückt. Wir wollten doch in der Schweiz eine gute Zeit haben." "Ja", murmelt er. Er bewegt seinen Kopf halb zur Seite, um mich anzusehen, kümmert sich aber dann wieder um den Salat. "Ich will nur dein Bestes, Avin." "Das habe ich nie abgestritten, Azad. Hör auf, dich verrückt zu machen." Er legt das Messer zurück, um sich zu mir zu drehen. Ich sehe immer noch die Besorgnis und Schuldgefühle in seinen blauen Augen. "Es tut mir leid." "Braucht es nicht, Azad." Seinetwegen ziehe ich genauso betrübt meine Augenbrauen zusammen. Seine Hand streicht meine Haare zurück. Seine rauen Fingerkuppen fahren sachte über meine Wange, ohne den schuldbewussten Blick von mir zu nehmen. Erst, als er seine Hand auf meine Wange und meinen Halsansatz legt, wendet er den Blick von mir zur Wand hinter mir. Es wird still und Azad schaut mich kein einziges Mal mehr an. Seine Gedanken nehmen ihn so stark ein, dass er seufzend seine Augen schließt.

Mich verlässt jegliche Luft. Sie wird aus meinem Hals gedrückt, als Azad mich an ihr an die Wand drückt. Mein Kopf prallt auf, mir wird eiskalt. Was ist in ihn gefahren? Avin, renn! Ich keuche verschluckt. Meine Augen sind geweitet, während seine mich immer noch kein einziges Mal beachten. Ich bin sauer. Ich bin fassungslos und enttäuscht und vor allem habe ich Angst. Es vergehen kaum Sekunden, in der Azads freie Hand meine Haare greift. "Azad!", schreie ich. Meine Fäuste durchbrechen die Spannung seines ausgestreckten Armes. Ich kriege endlich wieder Luft, nur kann ich mich nicht beruhigen. Verschwende ich noch mehr Sekunden, kriege ich wieder keine Luft. Kaum löst sich seine Hand von meinem Hals, greife ich nach dem Daumen, der zum Teil meine Haare in seiner Gewalt hält, um ihn zu übernehmen. Mein Körper zittert, als ich seine Hand wieder an meinem Hals spüre. Wieso macht er das? Was habe ich ihm getan? Ich bemerke langsam, wie mein Kopf sich immer leichter anfühlt. Wenn er mich nicht loslässt, werde ich in Ohnmacht fallen. Und so, wie es aussieht, will er das. Ich verstehe es nicht. Was habe ich ihm angetan? Ich dachte, er beschützt mich. Ich dachte, ich könnte ihm vertrauen.

Meine Hände rasen zu seinen Augen, um sich an ihnen festzukrallen und Azads Gesicht zu lenken. Weil seine Hände nicht loslassen, drücke ich immer fester zu, spüre unter meinen Fingerkuppen, wie er seine Augenlider zusammenkneift und um meinen Hals, wie sein Griff sich lockert. Ich ziehe sein Gesicht zu meinem Knie, verfehle sein Gesicht, rutsche aber zu seinem Hals aus. Azad lässt los, aber aus Angst, dass er wieder innerhalb weniger Sekunden auf mich losgeht, schlage ich seinen Kopf gegen die Wand. Azad schüttelt seinen Kopf, um wieder zu Bewusstsein zu kommen, während ich zur Kücheninsel renne, um das Messer zu schnappen. Alte Erinnerungen kommen hoch und verschwämmen meine Sicht mit Tränen. Was habe ich ihm denn nur getan, dass er mich angreift? Mein Herz gefriert, als ich ihn hinter mir spüre. Meine Hand umklammert das Messer, aber ich kann mich nicht überwinden, ihn zu treffen. Das ist der Grund, wieso Azad es schafft, mich auf den Boden zu drücken und sein Gewicht auf mich zu verlagern. "Hör auf, Azad. Ich flehe dich an!", schluchze ich. Warum guckt er mich nicht an? Ich kann meine Hände nicht aus seinen Griffen befreien. Ich kann mich nicht wegrollen. Ich kann nichts, außer bitterlich zu weinen. "Lass mich los!", schreie ich.

Mein Kopf hat als einziges Freiheiten. Ich denke nicht nach, sondern ramme ihn gegen seine Nase. Ich höre irgendetwas knacken oder ploppen. Mein Kopf pocht. Azad zieht scharf die Luft ein, löst eine Hand von mir, die ich sofort gegen sein Ohr schnellen lasse. Und noch einmal mit dem Daumenballen gegen seinen Kiefer. "Geh runter von mir!" Ich reiße ihn an Ohr und Nase von mir. Mein Körper pocht vor Schmerzen und Angst. Das Messer liegt auf dem Boden, aber ich traue mich nicht, es zu benutzen. Azad stöhnt leise. Aus seiner Nase fließt Blut. Der Stuhl. Ich renne zum Esstisch, greife den Stuhlrücken und schlage ihn hart gegen seinen Rücken und zum Teil auf gegen seinen Hinterkopf. Sein Körper fällt. Er bewegt sich nicht und ich kämpfe mit mir, jetzt auf ihn zuzugehen und zu schauen, ob er noch bei Bewusstsein ist. Warum hat er mir das angetan? Ich zittere. Meine Hände sind nicht mehr in der Lage, eine simple Sache zu halten. Ich halte mir mein nasses Gesicht, weine leise in meine Hände hinein. Ich spüre seine Hand noch um meinen Hals. Meine Stimme ist so heiser von der fehlenden Luft, aber ich habe Angst, mich von der Stelle zu bewegen und mein Asthmaspray zu suchen. Ich fühle mich gedemütigt. Ich dachte, ich kann ihm vertrauen. Ich dachte, er beschützt mich.

Ich höre ihn wieder schniefen und schrecke augenblicklich wieder auf. Er liegt noch am Boden, will sich aber wieder aufrappeln. Meine Schultern fallen. Er ist nicht aufzuhalten. Egal wie stark er aus der Nase blutet. Egal wie oft ich gegen seinen Kopf schlage. "Azad, hör auf", flehe ich. Meine Beine tragen mich hinter die Kücheninsel. Ich schaffe das nicht. Ich bin allein. Ich kann nicht aufhören zu weinen. Selbst durch meine Tränen sehe ich, dass er mich nicht ansieht. Was ist nur los mit ihm? "Schau mich doch an, wenn du mir wehtun willst!", schreie ich. Das ist nicht mein Azad ... oder war er es nie? Die Realisierung setzt erst jetzt ein. All die Ängste, all die Sorgen, die ich seinetwegen vergessen habe. Weil ich naiv war. Weil ich dumm bin. Mein Herz zieht sich zusammen. Er kommt wieder auf mich zu. Langsamer, sichtlich angeschlagen. Ich reiße ein Messer aus dem Halter. "Azad ... hör auf." Mich verlässt jede Kraft. Meine Atemwege kratzen wieder. Es hat doch seinetwegen aufgehört, wieso muss er dann derjenige sein, der das Problem wiederbelebt?

Unsere Haustür geht auf. Mein Instinkt rät mir wegzurennen. Es können noch mehr Männer sein, die mir wehtun wollen, aber es sind nur Jamals grünen Augen, die verwirrt den Tatort mustern. Die Blutflecken am Boden und der Wand. Azads gekrümmte Gestalt und mein panisches Gesicht mit dem Messer in der Hand. "Jamal", flüstere ich. Er versteht die Welt nicht mehr, als er auf uns zukommt und Azad zurückzieht. "Warum ist keiner der Männer reingekommen?" Ich hasse sie alle. Was sind das für Sicherheitsmänner? "Weil sie Bescheid wissen." Sie wissen Bescheid? Sie wissen Bescheid, dass mein Mann mich misshandelt? Meine Hände zittern. Mir wird eiskalt. Ich wurde verraten. Ich bin nirgends sicher. Stattdessen hänge ich mitten in einem fremden Land fest. Jamal ist sichtlich verwirrt und überfordert. Er versteht die Welt genauso wenig wie ich. Azad wischt sich sein angetrocknetes Blut weg, schnieft einmal, als er auf seine Handfläche schaut. "Das Training ist beendet. Das war sehr gut." Training? Meine Arme fallen schlaff hinab. Training? Das war ein verficktes Training?! Meine Hände zittern. Meine Brust bebt. "Das war ein verficktes Training?", schreie ich.

Jamal duckt sich, als ich das Fleischmesser nach Azad schmeiße. Ich bin so sauer, dass ich das Hackmesser gleich hinterherwerfe. "Avin", setzt Azad reuevoll an. "Bleib zurück!", schreie ich. Ein Training sollte das sein? "Du bist krank! Ich will dich nicht mehr sehen. Geh weg!" "Avin, wie sollst du sonst-," "GEH WEG!" Ich kriege keine Luft mehr. "Ich bleibe nicht hier. Jamal, wir fahren zu dir." "Avin", setzt Azad flehend an. Ich winke Jamal zu mir, damit ich nicht allein ins Schlafzimmer muss. Ich erschaudere wieder, weil ein Mann hinter mir ist und diese Tatsache lässt mich schluchzen. Seinetwegen muss ich wieder an den Junkie denken. Wie ich ihm ein Messer ins Bein rammen musste. Wie er mich geschlagen hat. Es ist mir scheißegal, dass es nur eine Vorbereitung auf Leben und Tod war. Er hat alles damit aufgewirbelt. Ich sehe kaum was. Meine Atmung gleicht einem Pfeifen. Ich kann kaum meine Atlanten halten. "Die brauchst du nicht. Nimm nur dein iPad." Selbst das schaffe ich nicht zu halten. Ich breche wieder in Tränen aus. Meine Panik nimmt zu, als ich seine Schritte höre. Ich komme mir wie eine Bettlerin vor, als ich Jamals Arm greife und ihn vor mich stelle. "Avin, ich gehe." "Ich bleibe nicht bei irgendwelchen Männern, die mir nicht helfen", blaffe ich. In diesem Moment ist Jamal der Einzige, dem ich ein bisschen Vertrauen schenken kann.

Ich würdige Azad keines einzigen Blickes. Ich lasse nicht einmal zu, dass er mich sieht, weil ich Jamal als Schutzschild nutze. Training. Allein der Begriff macht mich wütend. War es wirklich das Trauma wert? War es den Schaden wert? "Jamal", setzt er an, doch bevor er weitersprechen kann, ziehe ich meinen Leibwächter an seiner Jacke zu mir. "Du sprichst kein Wort mit ihm und du gehst keinem seiner Befehle nach. Du bist gerade der Einzige, dem ich vertrauen kann." Meine Augen tränen wieder, als ich in seine grünen schaue. "Zerstör du es nicht auch noch", flüstere ich. Je länger ich im selben Raum mit Azad bleibe, desto größer wird meine Wut. Ich muss weg. Sofort. Jamal eskortiert mich hinaus, vorbei an den ganzen gestörten Männern, die ich allesamt zu hassen beginne. "Der schwarze Audi", weist er mich leise hin. Ich weiß, dass Azad hinter mir ist. Meine Muskeln zucken nicht grundlos. "Avin, es tut mir leid. Ich musste sehen, wozu du in der Lage bist." Er taucht vor meinen Augen auf, weshalb ich sofort zur Beifahrertür schaue. "Jamal, entfernst du diesen Mann von deinem Auto?" Es tut mir leid, dass ich ihn da einmischen muss. Ich bemerke, dass er befangen ist und dennoch bin ich ihm dankbar, dass er Azad am Arm wegziehen will. "Jamal, lass mich mit meiner Frau reden." "Jamal, hör nicht auf diesen kranken, gestörten Mann", erwidere ich mit Druck. "Mach das und du wirst gefeuert, Jamal."

"Mach das und wir lassen und scheiden!", schreie ich. Es reicht! Ich packe ihn selbst am Kragen und reiße ihn von der Tür weg. Meine Nägel erzeugen ein schleifendes Geräusch an seiner Haut. Ich drehe noch durch, wenn dieser Mann länger an mir klebt! "Mach es nicht schlimmer. Geh ins Haus und komm mir nicht zu nahe!" Ich kann ihm nicht einmal lang in die Augen schauen, weil ich die Reue nicht sehen will. Es ist mir scheißegal. Ich nicke Jamal flehend zu, mich hier wegzubringen. Ich will nur noch weg von ihm und das Gefühl seiner Kraft um meinen Hals vergessen. Ich möchte nicht wieder weinen, vor allem, weil es im Auto umso lauter wäre. Ich kämpfe mit aller Mühe darum. "Weißt du, warum er das getan hat?" Jamal seufzt. "Es ist nicht unüblich, als Training unangekündigt attackiert zu werden." "Also denkst du, er sagt die Wahrheit?", frage ich verzweifelt. Ein verängstigter Teil will es nämlich nicht glauben. "Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass er dich schlagen würde. Selbst die Geisel berührt er nicht, obwohl sie ihn immer provoziert." Ich verdrehe meine Augen. "Ach so", spotte ich. "Nazdar wird nicht attackiert, aber die Ehefrau." "Hat er wirklich zugeschlagen?", fragt Jamal verwundert, was ich verneine. "Er hat mich gewürgt, gegen die Wand geschleudert ..." Meine Augen tränen wieder. Es wird immer anstrengender zu atmen. "An meinen Haaren gezogen. Er hat mich zu Boden geworfen." All das, was ich nie mehr erleben wollte.

Hände, die mir einst versprochen haben, mich vor dem zu bewahren, was sie mir heute angetan haben.

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LOVE TRIANGLE MIT JAMAL WER IST DABEI????

Was sagt ihr zur Handlung?

- Helo

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