Kapitel 40

Ich lasse mir die Worte auf der Zunge zergehen. Worte, die ich verdient habe. Worte, die ich so hören will. Es sind Worte, die die unbefriedigten Dränge in mir mildern. Ich sage kein Wort. Keins, weil ich nicht möchte und keins, weil mir kein einziges einfällt. Ich schaue nur stumm in seine so hellen, blauen Augen, die mich voller Ruhe ansehen, während er zärtlich meine Fingerglieder nach und nach küsst. "Ich sage es dir immer wieder und wieder, Avin. Ich würde und werde für dich töten. Ich mache alles für dich." Und genau das gefällt mir, so krank es auch ist. Ich weiß nicht, ob es an meinem Kontrollzwang liegt oder ich eine komische Definition der Liebe und des Mannes habe, aber Azad passt genau zu der Definition Mann, die ich haben möchte. Ich will einen Mann, der alles tut, was ich möchte. Ich will einen Mann, der Dinge für mich klärt und mich schützt. Ich scheiße auf diese ermüdende Unabhängigkeit, die mir nicht das bringen konnte, was seine Hilfe innerhalb weniger Tage oder Stunden schon erledigte. Ich habe jedes Recht, jetzt dieses Privileg und diese Macht zu haben und ich nutze sie. Ich will es. Ich will, dass er der Mächtige ist, der sich mir hingibt. Ich brauche es mehr, als er es sich nur vorstellen kann. Mein Bauch bebt vor Überwältigung der erneuten Realisierung. Manchmal kann ich immer noch nicht fassen, dass es endlich vorbei ist. Dass endlich die guten Dinge passieren.

Ich entziehe meine Hand langsam aus seiner, nehme sie dann doch und ziehe sie zu mir, lege meine beiden Hände über seine und drücke einmal zu. "Freust du dich eigentlich über Geschenke?" Sein Themenwechsel ist so wahllos, dass ich schon fast schmunzeln muss deshalb. "Schon." "Aber?" "Bin wählerisch." "Das wusste ich. Du kriegst nur Geschenke, die du auch willst." "Woher willst du wissen, was ich mag?" "Vielleicht steht was dazu in deiner Akte?" Die Akte ... entweder ist es nur ein Witz oder auf den Seiten, die ich mir damals nicht anschauen wollte, hat er wirklich irgendwelche Links und Cookies und Accounts diverser Shopping-Apps herausgefunden. "Sag", fordere ich trocken, woraufhin seine Mundwinkel belustigt zucken. Jetzt bin ich gespannt, was mich erwartet. "Ich bin sehr wissbegierig, Schneeflocke. Ich muss alles zu meiner Frau wissen. Ich konnte nachts nicht schlafen, bei dem Gedanken, nicht zu wissen, wie du auf sozialen Plattformen heißt. Du hast gar keine, außer Pinterest." Mir wird kalt. Er hat es tatsächlich herausgefunden. "Kranker Stalker", murmele ich. Wie zur Hölle schafft man sowas? Ich will es auch können! "Du bist meine Obsession." Dass er dabei ganz bescheiden mit seinen breiten Schultern zuckt und mich unschuldig anlächelt ... ich kann nur den Kopf schütteln. Nicht nur über ihn. Auch über mich. Ich habe nämlich kein Problem damit. Vielleicht, weil er mein Mann ist. Vielleicht, weil er so weiß, was er mir schenken kann und ich zufrieden bin. Vielleicht, weil ich irgendwo in meinem Inneren verdorben bin und auf sowas stehe. Keine Ahnung.

"Wieso kann ich dich nicht stalken?" Dass ich deshalb ernsthaft debattieren will, ist grenzdebil. "Kannst du. Ich habe dir letztens noch meinen Live-Standort geschickt und der läuft permanent. Du scheinst während meiner Arbeitszeit weniger am Handy zu sein als ich." Oh, ach so. Gut zu wissen. Ich kontrolliere es aber noch einmal nach und tatsächlich wird mir ein eingekreistes A vor mir angezeigt. Na gut. "Du kannst immer noch Tests an mir durchführen. Mein Körper steht dir jederzeit zur Verfügung." Und ich weiß, dass er das zweideutig meint. "Und wenn ich das Nähen an dir üben will?" "Mein Körper gehört dir." "Dann kann ich endlich deinen Mund zunähen." Dieser verzieht sich zu einem sanften Lächeln. Ich kann mir vorstellen, wie der eine oder andere Feind bei seinen Grübchen ein wenig nachgibt. "Nicht doch, Schneeflocke. Wie soll ich sonst deine schöne Haut küssen?" "Dann schleimst du alter Mann weniger." "Aber wie soll ich alter Mann dann nach meiner schönen Frau rufen?" "Gar nicht. Das ist ja das Ziel." "Da gibt es weniger invasive Methoden." "Bist als Mörder sicherlich erfahren." Er grinst und mir gefällt es leider. "Tatsächlich, Schneeflocke, aber die Methode habe ich nur für dich reserviert." Er beugt sich vor, umschließt mein Handgelenk dabei, um mich ruckartig an sich zu ziehen. Mein Keuchen kommt halb verschluckt über meine Lippen. Was macht er da?

Wie er sich über seine schönen Lippen leckt, so sinnlich und ... oh. Er braucht kein Wort zu sagen. Mein sich zusammenziehender Unterleib versteht sofort, was er meint. "Die Vorspeise kommt jetzt." Warum auch immer erschaudere ich sanft an den Oberarmen, lasse mir aber beim Zurückgleiten nichts anmerken. Die Suppe ist gut. Mit Linsensuppe kann man nichts falsch machen, vor allem mit Zitronensaft. Azad vertilgt seine Suppe sofort, nachdem er den ganzen Saft aus dem Stück gepresst hat. Ich hingegen genehmige mir einige Male pure Linsensuppe, gebe ab und zu einige Spritzer Zitronensaft hinzu, ehe ich ihn gänzlich hinzugebe. Azad hat die gruselige Angewohnheit, mich beim Essen zu beobachten und so sehr ich es mir auch nicht anmerken lassen will, möchte ich ihm am liebsten die Zitronen in seine Augen drücken. "Schau mich nicht an." "Ich hätte dir Blumen bringen sollen." Oh ... ich war wieder zu gemein. Na toll, jetzt fühle ich mich schuldig. "Passt schon." "Wünschst du dir etwas Spezielles zu deinem Geburtstag?" Der rückt ja auch immer näher. Bald ist es nur noch ein Monat, bis der 29.6 ansteht. "Aktuell nicht. Bücher vielleicht." "Ich habe ja Zugriff. Übrigens ist es nicht so sicher, überall dasselbe Passwort-," "Du hast meine Accounts gehackt?", frage ich entgeistert. Das ist doch nicht sein Ernst! Wieso habe ich keine Sicherheitsbenachrichtigungen erhalten? "Ich muss doch wissen, was du magst", erwidert er unschuldig. Dieser Psychopath! Und ich Gestörte empfinde nur oberflächliche Empörung!

"Kannst du mich nicht einfach fragen?" "Habe ich doch. Und du hast mir gerade nur gesagt, dass du nichts Spezielles aktuell möchtest. Bücher allein reichen nicht, wenn ich die Titel nicht kenne." Ja, aber ... trotzdem! Ich schiebe trotzig die Schüssel zurück, woraufhin er lächelnd die Hand hebt und sofort ein Mitarbeiter das Geschirr wegräumt. "Ich stelle dir eine Liste mit Passwörtern von mir aus. Dann herrscht wieder ein Gleichgewicht. Wie feierst du deine Geburtstage?" "Gar nicht." Erst durch Dijan habe ich angefangen, jemandem einmal im Jahr ein Geschenk zu machen. Hätte sie nicht damit gestartet, hätte ich wahrscheinlich nie damit begonnen. In meiner Familie schenkt man sich nichts. Wenn, dann ist es mein Vater, der mir ein gutes Parfüm nach meinem Geschmack oder Gold schenkt, wenn meine Mutter es nicht tut. Bei Azad werden sicherlich für jeden große Feten geschmissen und man überlegt sich über Wochen, was man dem Geschwisterteil kaufen soll. "Dann sollten wir das dringend ändern." Bitte nicht. Ich wusste schon nicht, wie ich mich auf meiner Hochzeit benehmen sollte. Bei einem Geburtstag ist das sicherlich noch schwerer. Ich zucke trocken die Schultern, unwissend, wie es ist und sein wird, wenn Azad es für mich plant. "Passt schon." "Du scheinst nicht sonderlich begeistert zu sein", merkt er sanfter an. Ich bemerke die kleine Enttäuschung in seinen Augen. "Will nur nicht enttäuscht werden. Bin wählerisch und schwer zufriedenzustellen." "Eine Kleinigkeit wird dich schon nicht umbringen. Wir machen das, was du gernhast." Die Frage ist nur, was ich gernhabe.

Ich senke den Blick nachdenklich auf meine gekreuzten Unterarme. Keine Ahnung, was ich mag. Ich mag es, Bücher zu kaufen und sie in meine Regale zu legen oder stellen. Und ich mag Kleider und High Heels. Und lila Tulpen. Aber eine sonderliche Lieblingsaktivität habe ich nicht. "Hast du nicht eine Sache, die du gern tust?" Gerade kommt es mir so traurig vor, dass ich den Kopf schüttele. Ich hatte nichts als Sorgen in meinem Leben und das hat mir all die Energie genommen, vielleicht ein richtiges Hobby neben dem Lesen zu finden. "Okay. Nicht schlimm." Ich nicke. Es ist halt so. Da kann ich nichts dagegen tun. Azad erhebt sich. Ich muss ihn nicht anschauen, um zu wissen, dass er den Knopf seines Jacketts zuknöpft, nur schaue ich dann auf, als er den Tisch weiter nach rechts schiebt. Wieso kommt er mit dem Stuhl zu mir? Ich rutsche verwirrt nach rechts, habe absolut keine Ahnung, warum Azad sich jetzt zu mir setzt und seinen Arm um meine Lehne legt. "Wir sind nicht allein", warne ich ihn, doch er schmunzelt mich amüsiert an. "Ich setze mich doch nur zu meiner Frau, Schneeflocke. Woran denkst du?" "Dein Arm ist zu nah an meinem Rücken." "Ein simples Geschäftsessen." "Du solltest dich nicht so wohl bei deiner Chefin fühlen." "Ich fühle mich aber zu ihr hingezogen", raunt er gegen mein Ohr. Ich gebe mir die beste Mühe, mich nicht zu winden. Auch dann nicht, als er mich sanft unter meinem Ohr küsst. "Azad, wir sind in der Öffentlichkeit", warne ich ihn, so schön es sich auch anfühlt. Es ist verrückt, wie es jetzt schon zwischen meinen Beinen pocht deshalb.

"Weißt du, was das Gute an diesem Restaurant ist?" Ich weiß nicht, ob ich überhaupt denken kann, wenn seine Lippen meinen Hals streifen. Es kribbelt. So stark, dass ich mich wirklich anspannen muss, um damit klarzukommen, so schön es sich auch anfühlt. "Der See?", murmele ich. "Das auch, aber die Diskretion. Schau mal nach links." Links ist nur Glas und dahinter die Gäste. "Blick nach unten." Ich sehe dunkelbraunes Holz montiert. Es geht uns zur Hüfte und verdeckt uns neben der Tischdecke. "Das heißt, ich kann ungestört meine Frau verwöhnen." Ungestört verwöhnen? Ich zücke zurück, ziehe meine Augenbrauen zusammen, als mir dann durch seine wandernde Hand klar wird, was genau er damit meint! "Azad!", keuche ich mit großen Augen. Meine Hand presst seine gegen meinen Schenkel. Doch nicht in der Öffentlichkeit! "Zieh deinen Slip aus." "Ich breche dir gleich die Nase!" Der spinnt doch! Was grinst er mich jetzt so an? "Ich liebe Gewalt in meinen Vorspielen, aber heute möchte ich es unauffällig haben, sodass keiner sterben muss. Soll ich dir helfen?" "Soll ich dich im See ertränken?" "Bedenke die zwei Minuten." "Ich mache drei daraus!", presse ich warnend hervor, ohne die Wirkung bei diesem blauäugigen Mörder zu erzielen, die ich will. Stattdessen grinst er mich nur an und küsst meine Nasenspitze. Ich drehe gleich durch! "Azad!" "Mehr", raunt er gegen meinen Mund.

Ich halte inne. Er ist zu nah. Es ist zu warm. Es ist zu intensiv. Dieser Mann ist verrückt. "Sag meinen Namen noch einmal. Ich muss es hören." "Ich ramme dir die Gabel gleich in den Schenkel." Er atmet tief ein, legt daraufhin tief brummend den Kopf in den Nacken, als würde ich ihm eine Massage geben. "Wenn du meinen Namen dabei sagst, lasse ich alles zu. Du machst mich nur noch härter." Was redet ... ach du Scheiße. Dass es bei mir sanft zwischen den Beinen pocht, ist selbstverständlich, weil er mich eben berührt hat, aber ... wieso zur Hölle ist er erregt?! "Was stimmt nicht mit dir?" "Vieles, Schneeflocke." Merke ich! Azad nimmt sich meine Tasche und fast will ich fragen, was er braucht, als er mein Messer hervorholt und es aufklappt. "Hast du es eigentlich schon einmal benutzt?" Ich verneine es. So scharf wie es ist, habe ich es sein lassen. "Dann hast du die kleine Gravur gar nicht bemerkt?" Kleine Gravur? Ich nehme das Messer an mich, ziehe die Klinge hervor und tatsächlich schimmert eine lila Schneeflocke auf der schwarzen Klinge. Süß. Wirklich. "Gefällt es dir?" "Will es mit deinem Blut einweihen." "Wenn du so weiter machst, kann ich für nichts auf diesem Tisch garantieren." Bei der wachsenden Erektion kann ich es mir auch nur zu gut vorstellen. Ich lasse mir das Messer weiter von Azad abnehmen, der mit der Spitze auf meiner Handinnenfläche kreist.

"Manchmal stelle ich mir vor, wie ich dir die Kleidung aufschneide." "Ich will meine Kleidung heile haben." So angetan ich auch von diesem gestörten Mann mit seinen gestörten Gedanken bin. Seine Lippen verziehen sich einen Moment zu einem verträumten Lächeln, während sein Blick immer noch dem Messer auf meiner Hand gilt. "Mir gefällt der Gedanke, dich auf unkonventionelle Arten und Weisen zum Kommen zu bringen." "Unkonventionell?" Warum zieht sich mein Unterleib zusammen? Warum noch einmal, als er tief summt und nickt. "Mein Messer sehnt sich nach dir." Messer! Ich ... ich kenne es nur aus meinem Lieblingsbuch, aber ... in echt? "Ich weiß nicht", flüstere ich. Um mich herum dreht sich alles, als Azad seinen Blick anhebt. "Ich bringe es dir bei." Wie sanft sich seine Stimme dabei anhört. Zu sanft. "Mit dem Messer würde ich dich verletzen und so sehr ich Blut liebe, will ich deins nicht vergießen." Ich weiß nicht, was er tun möchte, aber ich lasse zu, wie er mich sanft zurückdrückt und das Kleid anhebt. Mein Blick gleitet unruhig ins Restaurant und zurück. Keiner schaut uns an. Das Holzbrett versteckt das zu Versteckende. Ich weiß nicht ... aber seine Hand fühlt sich so gut an meiner Scham an. "Und was ist, wenn du mich doch zum Bluten bringst?" "Dann dürfte ich endlich davon kosten, statt nur davon zu träumen." Meine Augen weiten sich. Für einen kurzen Moment will ich ihn fragen, ob er das ernst meint, aber der dunkle Blick in seinen Augen sagt mir, dass er sich danach sehnt.

Und es ist mir egal, jetzt, wo seine Finger über meinen Slip fahren. Langsam, sanft, kreisend. Ich will ihm eigentlich nicht noch mehr Platz gewähren, aber mein Körper verrät mich, indem meine Beine sich trotzdem spreizen. Ich kann meinen Blick nicht vom Geschehen abwenden. Ich will mehr. Es tut zu gut. "Lila ist deine Farbe, Schneeflocke. Sie ist sogar auf deiner Haut verewigt." Sein Daumen streicht verdeutlichend über die Dehnungsstreifen an der Innenseite meines Oberschenkels. "Erschreck dich nicht." Mich schockt nichts mehr, seitdem mein erster Orgasmus waffeninduziert ist und ich mich tatsächlich wirklich in einem Restaurant befriedigen lassen will. Azad spannt den Stoff des helllila Slips, der sich innerhalb weniger Sekunden durch die scharfe Klinge meines Messers spalten lässt. Mein Becken recht sich hilfsbereit vor, damit die Klinge mich auch rechts von dem plötzlich einschneidenden Stoff befreit. Ich atme erleichtert aus, hebe mein Becken an, damit Azad den Stoff entfernt und in sein Jackett stopft, atme daraufhin einmal tief durch. Ich spüre die Wärme zwischen meinen Beinen, das Pochen und durch das erneute Aufsetzen sogar, wie erschreckend feucht ich schon bin. "Augen auf den See, Schneeflocke. Wir wollen doch diskret bleiben." Stattdessen verengen sie sich feindlich. "Und wohin schaust du?" "Auf deinen hübschen Hinterkopf." Seine Finger streifen mich unerwartet.

"Auf deine schönen Haare." Azad beginnt, meine Klitoris zu stimulieren. Ich japse leise nach Luft, als sein Mittelfinger meine Feuchtigkeit verteilt. "Auf deine schönen Schultern und Arme, Schneeflocke. Ich schaue überall hin, solange du es mir gewährst." Ich ... mir fehlen die Worte. Mein Blick wird träger, meine Atmung flacher. Es fühlt sich so gut an. "Wie könnte ich dich nicht anschauen? Du bist meine liebste lila Tulpe. Deine Schönheit fesselt mich." Er verstärkt den Druck zwischen meinen Beinen, sorgt bewusst dafür, dass sich meine Augen weiten. Mein Herz rast. Es ist mir egal, dass es jemand bemerkt. "Schneller", flüstere ich. Ich will mehr. Ich will kommen. Am liebsten würde ich ihn an seinen Haaren zwischen meine Beine zerren und fordern, dass seine Lippen und seine Zunge weitermachen. "Gibst du nach?" "Niemals." "Schade, Schneeflocke." Was ... warum hört er auf? Warum setzt er sich aufrecht hin? Ich schaue verwirrt auf meinen Schoss, der wieder durch den von ihm zurecht gezogenen Stoff bedeckt wird und gerade will ich ihn verbal attackieren, da tauchen plötzlich zwei Kellner vor mir auf, die mich zu Tode erschrecken. Scheiße! "Verzeihen Sie. Wir wollten Ihnen keine Angst einjagen", beteuert der jüngere Blonde, der froh sein kann, dass der blauäugige Mörder neben mir, ihn am Leben lässt. "Passt schon", murmele ich. Bin ich eigentlich grenzdebil, dass ich so etwas hier zugelassen habe? Und für wie mutig hält Azad sich, dass er mich das zweite Mal so unbefriedigt sitzenlässt? Er wird es bereuen. Ich vergesse nie.

Ich hoffe so sehr, dass Azad die Spannung bemerkt, die ihn hoffentlich erdrückt, während die Kellner alles schön anrichten und uns frische Pepsi einschenken. Als sie sich dann von uns verabschieden, drücke ich mein Messer mit der stumpfen Seite gegen seinen Hals. Ich werde langsam sauer. "Was sollte das gerade?" "Ich dachte, dass meine Erektion während des Essens abklingt, aber du scheinst mich weiter foltern zu wollen." "Warum hast du aufgehört?" "Die Kellner kamen." "Du hast vorher aufgehört. Du wusstest, wann sie kommen." Und dieser alte Mann wagt es wirklich, zu grinsen! "Du wirst es bereuen." "Das wird schwer, wenn mich dein Messer an meiner Kehle nur härter macht." "Azad!", warne ich. "Du hast nachgegeben." "Habe ich nicht!", keife ich, als ich die Klinge fester gegen seinen Hals drücke. Ich bringe ihn gleich um! "Du hättest zugelassen, dass ich dich hier zum Kommen bringe." "Weil ich es wollte. Nicht, weil ich mich dir hingab." Weder lässt sich Azad etwas von meinem Gesagten lassen, noch von dem Messer an seiner Haut. Nein, er schneidet seelenruhig sein Steak, ohne mich aus den Augen zu lassen und hält mir ein Stück hin. "Probier." Ich visiere das rötliche Fleisch feindlich an, stelle mir vor, wie es Azads Fleisch ist. "Wusstest du, dass menschliches Fleisch süßlich riecht, wenn du es verbrennst?" "Hätte ich schon herausgefunden, sobald ich dich verbrannt hätte." Und tatsächlich lacht Azad los. So sehr, dass er schon den Kopf in den Nacken legen muss, obwohl es gar nicht so lustig war.

"Ich habe dir gar nicht erzählt, wie ich fast verbrannt worden wäre." Oh mein Gott. Er hält verdeutlichend das Stück Steak hoch. "Dann wäre ich auch so gelandet. Probierst du jetzt?" Na gut. Ich nehme einen Bissen, aber nach wenigen Sekunden bestätigt sich meine Prophezeiung. Es schmeckt nach nichts. Überbewertet. Gewürze sind ein Fremdwort. "Erzähl, warum du fast gegrillt worden wärst." Mein Arm tut schon weh vom Messerdrücken gegen seinen Hals. "Nimm das Messer doch nicht weg. Es hat mir so schön gefallen." "Erzähl jetzt!" Dieser Typ ist krank! Ihn entrüstet auch wirklich nichts. "Iss aber erst dein Steak." "Das schmeckt nach nichts." "Ich bestelle gleich etwas anderes für dich." "Nein, ich bestelle. Du hast keinen Geschmack und jetzt erzähl endlich." Je älter er wird, desto anstrengender wird er wohl. "Es ist eine recht kurze Geschichte. Ziemlich unreif, aber ich bereue nichts. Überall im Leben gibt es gewisse Personen, die einen aus Prinzip nicht mögen, weil man erfolgreich ist. Der Sohn eines verstorbenen Clanmitglieds hat seinen Platz eingenommen und war geblendet durch seinen Gotteskomplex." Er legt eine Pause ein, um ein Stück seines Steaks zu essen, das plötzlich viel appetitlicher aussieht. Jetzt habe ich auch Lust auf meins, auch wenn mich der Geschmack enttäuscht und ich nachsalzen muss.

"Es war ein kleiner Pisser. Vielleicht 23, neu im Geschäft und dachte, er sei erfahren, weil er hin und wieder bei den Gesprächen dabei sein durfte. Er wies die typischen Anzeichen eines Narzissten auf und als wir alle bei einem gemeinsamen Essen in meinem Elternhaus an einem Tisch saßen und mit ihm sein Onkel dabei war, war er respektlos gegenüber unseren Bediensteten. Ich hatte schon davor Hass auf ihn und in dem Moment, als er sich darüber beschwert hat, dass er Eiswürfel in seinem Glas Wasser hat, hatte ich einen offiziellen, berechtigten Grund. Während des Gesprächs hat er überwiegend seine Schnauze gehalten, bis zu dem Punkt der prozentualen Verteilung des Gewinns." Azad atmet einmal tief durch, als würde der Typ gerade vor ihm sitzen und sprechen. "Avin, du hast als 23- jähriger Pisser, der sonst nur ein Dekostück war, kein Mitspracherecht. Du kannst nicht zwischen erfahrenen Männern sitzen und von 17% auf 47% springen, wenn der eigene Vater davor nichts gesagt hat." Keine Ahnung. Mit Finanzen hatte ich es nie so richtig. "Die Gespräche wurden hitziger, weil er immer frecher wurde und weil ich Mordlust hatte, aber wusste, dass ich am Ende in der Scheiße stecken würde, wenn ich es in die Tat umsetzen würde, habe ich ..." Er schielt zu mir, schluckt einmal und schneidet dann ein weiteres Stück seines Steaks. "Was?", blaffe ich. Er soll bloß nicht denken, dass ich seine Zeitschinderei nicht bemerke. "Sag jetzt."

"Ich habe seine Freundin ge-," "Du dummer Hurer!" Azad zuckt tatsächlich zurück und hebt sogar seine Hände! Gut so. Er soll denken, dass ich ihn verprügele. "Ich war jung." "Du alter seniler Sack!" "Aber jetzt tue ich es nicht mehr, Schneeflocke. Tut mir leid." "Ich verzeihe dir nicht." "Wie soll dein alter seniler Sack heute mit einem gebrochenen Herzen schlafen?" "Im Katzenklo kann der senile alte Sack es ausprobieren." Was ist das? Wie zur Hölle kommt man auf den Gedanken, irgendeine vergebene Frau zu ficken als Rache? Und wieso lässt die unterbelichtete Frau das zu? "Und dann hat er dich endlich angezündet?" "Zusammengefasst ja." "Hast du verdient." "Ich bin sofort in den See gesprungen, der jetzt dir gehört." "Ich verwehre dir jeglichen Zugriff darauf." "Ich hoffe, mich zündet kein weiterer Mensch mehr an." "Sei dir da mal nicht so sicher!", fauche ich, als ich das Fleisch schneide. Genau das will ich mit seinem Rücken machen! "Ich hoffe, er hat ganz viel Benzin auf dich geschüttet." "Es waren seine Sicherheitsleute. Wir saßen draußen und plötzlich wurde ich überschüttet und angezündet. Meine Männer konnten schnell eingreifen und schießen, während ich schwimmen musste, um zu überleben." Vollidiot! Hoffentlich hat er daraus gelernt. Wenn nicht, werde ich dafür sorgen.

Mich hat das Essen nicht zufriedengestellt, aber die Shrimps, die Azad daraufhin bestellt hat sowie das Shawarma waren okay. Jedenfalls besser als das ungewürzte Stück Fleisch. Den Nachtisch verschieben wir. Aktuell habe ich keine Lust und will mir lieber das Wasser anschauen, das durch die Laternen jetzt so schön schimmert. Ich mag diese Atmosphäre. Genau das wollte ich schon immer erleben und obwohl es eine so simple Situation ist, wurde es mir immer verwehrt. Wie sehr ich es immer gehasst habe. Ich war jedes Mal frustriert und verbittert, weil ich etwas so Einfaches nicht erleben konnte. Weil mein Leben eine Aneinanderreihung von Enttäuschungen war. Ich bin sogar kurz davor, mich an Azad zu lehnen, ziere mich aber noch zu sehr davor. Daher ist es besser, dass er jetzt aufsteht, nur verstehe ich nicht, wieso er mir seine Hand hinhält. "Was?" "Tanz mit mir." Tanzen ... ich bin keine sonderliche Tänzerin. Nur damals auf Dijans 18. Geburtstag habe ich eine kleine Showeinlage bieten können, aber sonst nicht. Trotzdem nehme ich seine Hand und lasse mein Kleid von ihm richten. Vor allem aber lasse ich es zu, dass er meinen Handrücken küsst. Das mag ich. Das gefällt mir. Ich liebe die kleinen Zärtlichkeiten seinerseits. Ich mag es, wie bedacht er mich berührt. Seine große Hand schmiegt sich perfekt an mein Kreuz. Die andere umschließt meine so schützend.

Im Gegensatz zur Hochzeit habe ich hier kaum Probleme mit dem Schamgefühl. Ich mag es irgendwie. Es ist schön bei dem Wetter, der Atmosphäre und dem See. Auch wenn das Lokal noch befüllt ist, sind wir hier alleine. Mich entspannt das sanfte hin- und herwiegen. Ich mag den zufriedenen Ausdruck auf seinen schönen Zügen. Seine Lippen sind zu einem kleinen Lächeln verzogen und in mir macht sich der Wille breit, sie einmal zu berühren. Er hat wunderschöne Lippen, die ich erschreckend oft betrachte, vor allem, wenn er schläft. "Wir machen uns am 29.6 einen schönen Tag, Schneeflocke. Nur du und ich und unser großes Anwesen." Ich ... ich muss ruhig bleiben. Ich darf nicht emotional werden. Er weiß gar nicht, was das in mir anstellt. Er weiß gar nicht, wie sehr ich mich davor fürchte, dass es doch nicht dazu kommt. Ich hatte so etwas noch nie. Auf Dijan habe ich mich nie verlassen, weil ihre Familie sie immer sabotiert und außer ihr habe ich keine Freunde. Bei uns in der Familie macht man so etwas nicht, daher ist dieser Satz so selten, so unbekannt und voller Nebenwirkungen. Ich will nicht emotional werden, aber ich spüre sie wie Wellen aufschwimmen und flüchte daher an seine Schulter, um mich vor seinen blauen Augen zu verstecken. "Müde?" "Mhm", summe ich bestätigend als Ausrede. Der Anhänger seines Ohrrings streift meine Schläfe. "Warum will heute eigentlich keiner draußen essen?", murmele ich. "Wollten sie bestimmt." "Aber?"

"Ich habe den ganzen Bereich reserviert für uns. Ich weiß doch, dass du laute Plätze nicht magst." Oh ... ich hebe ganz überrascht den Blick. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Ich dachte, den alten Leuten ist es zu kalt. Er hat den gesamten Außenbereich nur für mich reserviert. Er hat sich die Eigenschaft von mir gemerkt und dementsprechend gehandelt. Er tut die Dinge, die ich mir immer gewünscht habe, ohne daran zu glauben, dass es möglich ist, so einen Mann zu finden. Ich bin überwältigt. Ich will ihn am liebsten umarmen, bis er keine Luft mehr kriegt und mir vor Anstrengung heiß wird. Ich will sein ganzes Gesicht küssen, ihm sagen, wie dankbar ich bin, aber ich kriege es nicht hin. Ich habe immer noch Angst. Ich habe Angst, dass es doch nichts wird und ich will mir keine allzu großen Hoffnungen machen, aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass er einen Teil meiner Kindheit damit heilt. Alleine der Gedanke daran macht mich so unfassbar emotional, dass ich den Blick senken muss. "Danke", murmele ich. Ich danke ihm vom ganzen Herzen. Er tut mir wirklich gut. "Für dich tue ich alles." Und genau das brauche ich. Ob er es mir ansieht, als ich ihm wieder in die Augen schaue, weiß ich nicht. Vielleicht schaue ich normal, vielleicht doch etwas wehleidig. Der Wille, ihm Zuneigung zu zeigen, wächst. Ich möchte ihn innig umarmen und ... ich möchte irgendwie auch seine Lippen berühren.

Meine Augen sinken auf sie hinab. Diese schönen, perfekten Lippen. So beneidenswert in pink vor mir. So voluminös und anschaulich durch das perfekt definierte Lippenherz, das ich nicht besitze. Ich weiß, dass sie weich sind. So oft, wie ich sie mit meinen Fingerkuppen berühre, wenn er schläft, brauche ich mich nur an sie zu erinnern und schon spüre ich wieder das sanfte Nachgeben an meinen Fingerspitzen. Er ist ein bildschöner Mann. Stattlich, groß, grelle, strahlende Augen, ein charismatisches Lächeln mit attraktiven Lachfalten an seinen Augen und Grübchen, wenn man es dann sehen darf. Meine Finger beginnen wieder zu wandern, noch bevor ich die willkürliche Erlaubnis dafür gebe. Erst über die rauen Bartstoppel, dann seine Wange hinauf zur kleinen Narbe unter seinem linken Auge, genau da, wo die Lachfalten entstehen, die ich so verboten hinreißend finde. Manchmal macht sich der Drang in mir breit, ihn zu würgen, weil ich ihn so schön finde, aber das wird er nicht erfahren. Stattdessen lasse ich meinen Zeigefinger zu seinem Mundwinkel fahren. Der Wille, sie zu berühren steigt. Es wäre doch schön, wenn ich ihm bei unserem kleinen, sanften Tanz einen kleinen, sanften Kuss geben würde. Es wäre etwas, was mir gefallen würde. Ich lecke mir bei dem Gedanken schon über meine Lippen.

Wir bewegen uns noch langsamer. Es sind nur unsere Beine, die unsere Oberkörper hin- und herwiegen, dafür sorgen, dass ich mit jedem Zentimeter, dem ich seinen Lippen näherkomme, alles um mich herum verschwommen und drehend wahrnehme. Ich zögere. Mir wird warm bei der Tatsache, dass er meinen Versuch bemerkt. Ich möchte es, aber ich ziere mich zu sehr. Ich will es, aber mich hält etwas tief im Inneren auf. Selbst dann, als ich sein Atmen und seine Nasenspitze an meiner Stirn spüre. Mir würde es schon reichen, wenn ich einmal seine Lippen mit meinen streife, aber es fühlt sich so an, als würden mich mehrere Hände davon abhalten. Ich spüre seinen Atem an meinen Lippen. Ich bemerke, wie sich seine Wärme auf mich überträgt. Azads Herz schlägt ganz schnell durch sein schwarzes Hemd gegen meine flache Hand. "Mir gefällt es, dass dein Herz so schnell meinetwegen schlägt." Seine Lippen verziehen sich zu einem sanften Lächeln und für einen kurzen Moment setzt mein Herz aus Angst aus. Für einen kurzen Moment denke ich, sie berühren meine. "Mir auch." Wenn ich doch nur so selbstsicher bei dem Versuch wäre, ihn zu küssen wie bei den Sprüchen. Ich schaffe es nicht, so sehr ich mich auch dazu zwingen will - und das will ich nicht. Mein Kopf senkt sich wieder und es tut mir ein wenig leid, weil ich seinen kleinen Annäherungsversuch bemerkt habe. "Schon okay", wispert er gegen meine Schläfe, die er dann küsst. Ich verstehe das Prinzip dahinter nicht, aber ich fange langsam wirklich an, das Kribbeln im Bauch zu mögen.

Ich verstehe langsam, dass sich dieser Mann durch den Weg meines Herzes bahnt.

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