Kapitel 37

"Hi!", begrüße ich meine neusten Schätze überglücklich. Die kleine graue und die orange getigerte Knolle miauen und maunzen, als sie freigelassen werden. Ich kann nicht anders, als sie gegen meine Brust zu drücken. Oh Gott, sind die goldig! "Meine kleinen Kinder", murmele ich gegen ihre winzigen Köpfe. Ich liebe Katzen. Ich werde so viel Spaß mit ihnen haben. "Du freust dich ja mehr über die Katzen, als über meine Existenz", schmunzelt Azad. Nach der vorgestrigen Auseinandersetzung haben wir beschlossen, Besuch zu uns einzuladen, statt sein Familienhaus zu betreten und mir doch jetzt die Katzen zu holen, damit ich mich nicht mehr langweile. Er arbeitet weiterhin von Zuhause und ich habe jetzt zwei miauende Kinder, die ich rundum versorgen werde. "Hast du schon Namen für sie?" Das ist die Sache. Ich bin grottenschlecht, was Namen angeht. Ich hasse es, Namen auszusuchen. "Nein. Das wird eine Weile dauern." "Nenn doch den Kater Azad und die Katze Avin." Ich schmunzele. Noch lustiger ist es, dass die Britisch Kurzhaar Dame den Kater angreift. "Würde passen", erwidere ich amüsiert. Azad nimmt den orangen Bündel in seine Hände, vollkommen verliebt in das drollige Tier, das sich an seinen Stoppeln festhalten will. Der Anblick hat etwas ... er gefällt mir. Es gefällt mir sehr, wie Azad in der Hocke ein Kätzchen in seiner Hand hält und es liebkost. In diesem grau karierten Anzug wirkt er wirklich perfekt. Er ist ein hinreißender Mann, der eine einnehmende Wirkung auf mich hat, sobald er wütend und ernst wird.

"Es steht dir", setze ich leise an. Leise, weil ich ziemlich angetan von dem Bild bin. Seine Grübchen und seine sinnlichen Lippen lassen mich in Trance fallen, obwohl sie mich gar nicht berühren. "Der Kater?" Azad lässt ihn wieder ab. Verrückt, wie viel kleiner er in seinen Händen wirkt. Ich summe bestätigend. "Der sonst so blutrünstige Chef schmilzt, wenn er von kleinen Babykatzen umgeben ist." Ich kraule die graue Katze am Kopf. "Das sind die wichtigen Aufgaben, Schneeflocke. Ich lebe ein bescheidenes, simples Leben." "Ein bescheidenes, simples Leben ... als Mafia", erwidere ich stumpf. Seine Mundwinkel zucken amüsiert. "So ist es, Schneeflocke." Seine Hand hebt sich, um über meine Wange zu fahren. Ich fröstele leicht unter seiner Berührung. Mein spöttischer Blick nimmt gänzlich ab. "Simpel, bescheiden und doch brutal, wenn es sein muss. Aber es ist nichts, was dich jemals treffen wird." Ich kann nicht sagen, wann genau die Stimmung gekippt ist, aber gerade spüre ich ein unbeschreibliches Gefühl in mir. Azads eisblauen Augen wirken so fesselnd und so einnehmend, dass ich das Gefühl habe, in ihnen zu schwimmen. Um mich herum dreht sich alles. Mein Körper gibt erschreckenderweise unter seiner Berührung nach. Selbst meine Lippen spalten sich, als er über meine Unterlippe fährt. "Ich muss heute etwas erledigen."

Ich werde allmählich wacher. "Was?", murmele ich. "Etwas Internes, Schneeflocke. Ich hätte dir eigentlich empfohlen, jemanden zu dir zu holen, aber wenn ich zurück bin, schätze ich es besser, wenn wir allein sind." Wovon spricht er? Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen. Ich schiebe seine Hand von meiner Wange. "Wohin gehst du?" "Ich muss zur Halle." Zur Halle. Da, wo wir geschossen haben. Da, wo er schon jemanden so derartig misshandelt hat, dass er das Atmen und Laufen neu erlernen musste. Ich ernüchtere schlagartig. "Was machst du da? Mit wem?" Ich ziehe beide Katzen in meinen Schoß, mir ganz egal, ob sie wieder raus klettern. Azad erhebt sich langsam und kaum vernehmbar seufzend - trotzdem zu laut für mich. "Wir haben einen Mittäter gefunden." "Vom Ball?" Azad nickt. Okay ... "Und ihr foltert ihn oder wie?" "Müssen wir." "Müsst ihr?", wiederhole ich ungläubig. "Ja." "Und wieso ist es besser, wenn wir allein sind?" "Weil ich anders bin und mit meiner Frau sein möchte." Die Antwort kam so schnell, dass man meinen könnte, er hätte sie mehrmals im Kopf schon vorgesprochen. Aber was meint er? Wie anders? "Wie?", frage ich zögernder. Azads Blick lässt mich erschaudern, so neutral er auch wirken mag. Gerade setzt sich wieder das unwohle Gefühl in meinen Magen. Ich rutsche zurück. Das ist einer der Momente, in denen ich glaube, er könnte ausholen und mich schlagen. Er soll zurück. "Ich bleibe nicht lange weg, Avin. Ich möchte einfach nur danach ein wenig Unterstützung. Könntest du in der Zwischenzeit etwas kochen?"

Das ... er geht gleich jemanden foltern und fragt mich locker flockig, ob ich etwas koche? Was ist das für ein Psycho? Mein Gesicht verzieht sich entgeistert, schreit ihm entgegen, ob er das wirklich ernst meint, während er kein einziges Mal die Miene verzieht. Und ich überlege gerade wirklich, was ich kochen soll?! "Ich verspreche, schnell nach Hause zu kommen, okay?" Mir fehlen die Worte. Er geht jetzt wirklich jemanden foltern - und mich tangiert es nur oberflächlich! Mein Gesicht zeigt pure Verstörung, selbst, als er mir einen Kuss auf den Scheitel gibt und sich verabschiedet. Er. Geht. Jemanden. Foltern. Und ich mache mich allen Ernstes auf den Weg in die Küche, an meinen Fersen zwei kleine, ahnungslose Katzen, die an meiner Jogginghose spielen, während ich das Hähnchen in einer Schüssel Wasser auftauen lasse ... und an seine Foltermethode denke. Waterboarding. Mein Blick weicht ein Stück an der grünen Schüssel vorbei, als ich mir seine freien, breiten Unterarme vorstelle, die jemanden unter Wasser drücken. Wie kalt sein Blick dabei ist. Wie sich sein Kiefer anspannt, wie sein Hals betont wird. Es ist krank, dass ich ihn mir dabei so schön vorstelle. Ich habe es einmal gesehen und ich weiß, wenn es vor meinen Augen passiert, werde ich keine dieser dunklen Fantasien mehr hegen.

Mich beruhigt die Tatsache, dass ich nicht allein mit solchen Gedanken bin. Ich weiß, dass es genug Frauen gibt, die von solchen Dingen fantasieren, aber es von der Realität unterscheiden können. Ich hoffe aber auch, dass es ebenso viele Frauen gibt, die beim Schneiden und leeren des Hähnchens auch daran denken, wie ihr Ehemann jemanden auf eine so erschreckend ästhetische Weise jemanden quält und tötet. Kaum gleitet das Messer mittig durch den Eingang des Huhns, stelle ich mir sein schiefes Grinsen vor. So psychopathisch und doch so unbeschreiblich einnehmend und attraktiv ... genug! Statt mich damit aufzuhalten, kann ich die Innereien den Kätzchen geben. Aber erst wasche und koche ich es für die Kleinen. Solange kann ich ihnen ihre Näpfe auffüllen und aufpassen, dass sie nicht hineinspringen. Das Katzenklo steht auch schon bereit. Gott, wie süß sie sind! Ich brauche dringend Namen für beide. Ich weiß jetzt schon, dass der orange Fratz der Hyperaktive der beiden sein wird. Er lässt seine Schwester jetzt schon nicht in Ruhe und grätscht in ihr Essen. "Nein, zurück." Ich umschließe seinen kleinen, dünnen Oberkörper, um ihn zu seinem Napf zu befördern. Wie süß sie schmatzen und kauen! Ich könne sie beißen und knuddeln, bis sie keine Luft mehr kriegen! Das Hähnchen! Ich muss es noch würzen, stimmt. Und ich muss Kartoffeln schälen, wobei meine Finger wieder anfangen zu jucken. Hätte ich Azad mal lieber Bescheid gegeben, mir Handschuhe fürs Kochen zu kaufen.

Was er gerade macht? Mit wem ist er in der Halle? Ist Aras dabei? Die älteren Brüder? Wie haben sie es herausgefunden? Was finden sie gerade heraus? Ich weiß, dass Azad zu einem gewissen Grad possessiv ist und sehr beschützend bei jenen reagiert, die er liebt, aber wie weit geht er gerade? Hält ihn jemand ab, wenn er zu weit geht? Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie er der Person ein Messer mitten ins Auge rammt. Wird der Gefangene gestehen, dass es Intrigen der Familie einer eifersüchtigen Ex sind oder waren? Wenn er es zugibt: Was passiert dann? Würde Azad seiner Ex etwas antun? Wie würde ich reagieren? Bis jetzt regt sich nichts in mir. Nicht einmal, als ich mir fast in den Finger schneide, beim Würfeln der Tomaten. Azad ist schon gut eine Stunde weg. Wie lange foltert er ihn? In der nächsten halben Stunde ist das Hähnchen fertig. Ich hoffe, er kommt pünktlich. Ich sollte ihm vielleicht schreiben. Ich beende noch schnell das Schnippeln, lasse meine juckenden Hände unter das kalte Wasser für eine Minute zur Ruhe kommen und nehme mir dann mein Handy zur Hand, muss es aber an meinem befleckten T-Shirt trocken wischen, weil meine Hände trotz abtrocknen an meiner Jogginghose noch feucht sind.

'Wann kommst du? Das Essen ist bald fertig.' Ich lege gerade mein Handy wieder auf die Theke, als er mir schon antwortet. Das ging aber schnell.

'Kannst du mir ungefähr sagen, wann es genau fertig ist?'

'So in einer halben Stunde ist das Hähnchen perfekt.'

'Ich werde pünktlich sein.' Ich muss lächeln. Es gefällt mir, dass er sich so bemüht.

'Hoffe ich auch für dich.'

'Ich tue alles für die Frau, die ich liebe.'

Liebe. Ich starre wieder und wieder auf diese Nachricht. Meine Atmung geht viel schwerer. Nicht, wie bei einem Asthmaanfall, den ich seit unserer Heirat viel seltener erleide. Es ist ... schön. Ich mag es. Es kribbelt im Bauch. Ich mag diese Aufmerksamkeit. Ich habe sie verdient. Genau das habe ich verdient. Diese Wertschätzung und Verlässlichkeit. Ich favorisiere diese Nachricht mit einem Stern, mache sogar einen Screenshot davon. Mein Lächeln verlässt meine Lippen nicht. Dieser blauäugige Mörder macht mich gerade wirklich verdammt glücklich. Ich beiße mir auf die Lippe, um nicht wie eine komplett Verrückte in der Küche zu grinsen. Immerhin wäre es peinlich, wenn aus dem Nichts Jamal auftaucht und ich mich dann erklären müsste. Ich hocke mich schmunzelnd zu meinen kleinen Katzen hinunter, kraule sie und halte meine Hände hin, als ein kleiner Kampf zwischen uns entsteht, um so diesen plötzlichen Schub an Energie loszuwerden. Mein Herz rast. Mein Bauch bebt, als wäre ich auf einer Achterbahn. Dieser Vollidiot! Ich kann nicht aufhören, zu lächeln. Die ganze Zeit über, auch im Wohnzimmer, wo ich mit den Kleinen spiele, huscht mir immer wieder ein Schmunzeln über die Lippen. Als ich dann höre, wie er durch die Tür tritt, wird es noch größer. Jetzt heißt es aber, zur Ruhe kommen und wieder normal sein. Er ist wirklich pünktlich. Das Hähnchen kann aus dem Ofen.

Ich laufe in den Flur, kämpfe schon gegen meine Gesichtsmuskeln an, die plötzlich erschlaffen. Azad ... er wirkt anders. Wie ausgewechselt. Das weiße Hemd weist Blutspritzer auf. Auf seiner grau karierten Anzughose sehe ich einen großen Blutfleck. Der Strauß lila Tulpen in seiner Hand wirkt so kontrastiv. So anders. So fehlerhaft im Bild. Er zieht sich mit aller Ruhe die Lackschuhe aus, doch ich spüre ganz genau, dass etwas anders ist. Die Ruhe, die von ihm ausgeht, ist beängstigend. Da können die Tulpen noch so schön sein, wie sie wollen. Als er dann plötzlich den Blick anhebt, rutscht mir der Magen runter. Er schaut mich neutral an ... ein wenig düster, ein wenig kühl. Ich mag diesen Ausdruck nicht. Er lässt mich schwer schlucken. Ich kriege kein Wort raus. Der träge Blick seiner Augen wirkt so verschluckend wie eine gigantische Welle im Meer. Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll, als er langsam auf mich zukommt. Ich kann ihn nicht einschätzen. Die Nachricht ... und jetzt sein Erscheinungsbild ... und die Atmosphäre. Atme, Avin. Du musst atmen. Doch genau das kommt mir gerade so unangenehm laut vor, als er vor mir zum Stillstand kommt. Ich kriege kein Wort raus. Seine Präsenz ist gerade zu einnehmend. Zu erdrückend. Er mustert mich und ich tue es ihm nach. Er trägt keine graue Krawatte mehr. Die ist wahrscheinlich im Jackett oder in seiner hinteren Hosentasche. Die ersten drei Knöpfe seines Hemdes sind geöffnet und auf seiner gebräunten Haut sehe ich kleine Blutspritzer.

"Hilfst du mir nach dem Essen beim Reinigen?" Seine Stimme lässt mich unbemerkt zusammenfahren. Ich schäme mich ein wenig für die Gänsehaut, die meinen gesamten Körper einnimmt. Ich kriege gerade wirklich kein Wort raus, obwohl Azad nichts Weiteres tut, als mit einem Strauß wunderschöner lila Tulpen vor mir zu stehen. Ich nicke schwer schluckend, nehme dann zögernd den Strauß entgegen, der gerade so viel Krach durch die Folierung macht, dass ich mir die Aggressionen unterdrücken muss. Azad lächelt. Ganz leicht. Ganz kurz. Danach hebt sich seine Hand, um über meine Wange zu fahren, beide dann zusammenzudrücken und mir einen Kuss auf den Scheitel zu geben. "Stell die Blumen in eine Vase. Ich richte so lange das Essen an, Schneeflocke." Er lässt mich nicht einmal zu Wort kommen, sondern rauscht voller Ruhe und Gefasstheit an mir vorbei, während ich allein deshalb heftig erschaudere und zusammenzucke. Scheiße, was ist hier los? Ich habe gesehen, wie Azad jemanden getötet hat und da war er auch nicht so ... so kalt und so ... unbeschreiblich. Er wirkt wie ausgewechselt. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich starre ungläubig auf die Blumen. Ich kann weder mein Verhalten noch das meines Mannes realisieren. Das ... das ist absolut paradox. Das ist surreal. Das ist ... unbeschreiblich. Ich trotte wie benommen in die Küche, in der Azad schon die ersten Sachen ins offene Esszimmer bringen will. Er lächelt mich erneut dabei an. Dieses Mal stärker, aber immer noch nicht so warm wie sonst.

Ich erwidere sein Lächeln nicht. Tulpen. Die Tulpen müssen ins Wasser. Ich hasse es, dass das Entfernen der Folie und Einlegen ins Wasser heute so schnell geht. Azad hat schon die Getränke, das Besteck, die Untersetzer und den Reis auf den Esstisch gestellt. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie es gleich wird. Durch sein Erscheinen bin ich so durch den Wind, dass ich mich nicht entscheiden kann, ob ich das Huhn aus dem Ofen nehmen oder doch erst den Topf mit der Soße in eine Schüssel umfüllen soll. Meine Hände zucken schon vor der Ofentür. "Lass mich das machen." Und ich zucke sofort zurück. Mir wird extrem heiß. Ich kriege wieder leichte Panik, als ich seine Schritte hinter mir höre und schreite atemlos zurück. Ich kann ihn nicht einschätzen. Ich kann ihn gerade überhaupt nicht einer Lage zuordnen und das tut mir überhaupt nicht gut. Ich spüre schon das leichte Kratzen und Ansätze zum Husten. Ich muss mich beruhigen. Alles ist in Ordnung. Es ist nichts passiert. Ich mag es nur nicht, wenn ein Mann so beängstigend ruhig ist und ich seinen nächsten Schritt nicht vorhersehen kann. Azad bemerkt, dass ich mich nicht wohlfühle und nickt sanft in Richtung des Wohnbereiches. "Geh dich hinsetzen. Ich bringe den Rest." Ich kann nicht anders. Ich muss gehorchen, um mich nicht weiter zu stressen. Scheiße, was ist los?!

Ich wünschte, ich wäre eines der Katzen, die gerade unbeschwert im Wohnzimmer unter dem Tisch herumspielen. Meine Hände zittern leicht. Ich muss mich gleich umziehen, weil ich mich so unwohl fühle. Ich mag diese Form der Ruhe nicht. Keine Bedrückende und Bedrohliche. Keine Ruhe, in der ich nicht entspannen kann. Gerade wäre mir sogar das Lesen zu anstrengend. Ich kann nicht einmal meinen Bibsi-Witz reißen, als ich mir Pepsi ins Glas gieße. Nichts. Es herrscht eine Totenstille und nur Azads Schritte sind exorbitant laut für meine sensiblen Ohren. Er hat das Jackett abgelegt. Die Ärmel sind hochgekrempelt. Selbst dort klebt Blut. Will er sich nicht zumindest die Arme waschen vor dem Essen? In der Ausbildung wurden wir darauf getriezt, bei jeglicher Arbeit mit Blut die Hände zu waschen und zu desinfizieren, nachdem wir die Handschuhe abgeworfen haben und dieser Mann setzt sich unbekümmert vor mich hin und nimmt meinen Teller, um mir Reis, Bamya und Hähnchen mit extra vielen Kartoffeln zu füllen. "Das reicht", gebe ich leise von mir. Es fällt mir erst jetzt auf, dass er sogar kleine Salatschüsseln serviert hat. Wann hat er sie befüllt? Ich ... ich muss essen, um mich konzentrieren zu können. "Das Essen sieht sehr gut aus. Danke dir, Schneeflocke." Über meine Lippen kommt kein Wort. Mein Mund schmeckt sauer und fad zugleich, sodass ich erst einen Schluck trinken muss, in der Hoffnung, den schweren Geschmack im Mund zu neutralisieren.

Weder hebe ich meinen Blick an, noch spreche ich ein Wort mit Azad. Wenn er etwas sagt, murmele ich die Antwort nur, wenn kein Nicken, Schulterzucken oder Kopfschütteln reicht. Ich überlasse ihm auch das meiste Abräumen, weil er darauf besteht. Hauptsache, ich komme ihm nicht zu sehr in die Quere. Das dreckige Geschirr ist schnell in der Spülmaschine, die ich endlich nach Tagen starten kann. Jetzt steht eine andere Aufgabe auf dem Plan. Azad zu reinigen. Er schaut mich schon abwartend an. Meine Mundwinkel bewegen sich keinen Zentimeter. Es ist, als wären mehrere Felsen an je einem Mundwinkel befestigt. "Gehen wir." Er hält mir seine Hand hin. Großer Gott, seine Hand! Seine Knöchel sind ganz rot und wund. Er hat sie sich gereinigt, aber es sieht nicht nach einer hygienischen Grundreinigung aus, sondern nach einem stumpfen Abwischen mit einem Tuch. Er hat sogar angetrocknetes Blut in den Rillen seiner Fingerglieder und -knöchel ... und er hat seelenruhig gegessen. Ich brauche tatsächlich ein wenig, bis ich sie nehme. Sie fühlt sich so warm wie immer an und sie drückt auch so sanft zu, wie ich es gewohnt bin, aber das ganze Geschehen ist so abnormal.

Als wir das Badezimmer betreten, erschaudere ich. Es ist etwas kühler hier, aber es liegt einzig und allein an der Atmosphäre. Azad schließt die Tür, sorgt dafür, dass meine Sinne sich ungewollt schärfen, als er sich vor mich stellt. Voller Ruhe und Entspannung. Bloß zu blöd, dass nichts davon auf mich übergeht. "Ziehst du mir bitte das Hemd aus?" Ich schlucke. Lauter als gewohnt. Seine Stimme ist so verdammt rau, als er die Frage stellt. Ich kriege kein Wort raus, aber meine Finger gehen seiner Bitte nach. Ich bin froh, dass sie nicht zittern. Die Blutspritzer auf seiner Haut und seinem Hemd vermehren sich, je mehr ich von ihnen wahrnehme. Was zur Hölle hat er mit diesem Typen gemacht? Lebt er noch? Azad meinte, dass er bei sowas keine Geduld hat. Was hat er herausfinden können? Ich bemerke, dass er vernehmlicher atmet, schaue deshalb zu ihm hoch. Seine Pupillen sind geweitet, seine Lippen gespalten. "Mach weiter." Eine andere Wahl zum Ablenken bleibt mir nicht. Ich könnte jedes Mal seinem Blick standhalten, nur heute wage ich nicht einmal einen Ansatz. Ich nehme jede noch so kleine Bewegung seinerseits wahr. Sein tiefes Einatmen, das langsame Ausatmen. Sein Schlucken, wie er langsam und Stück für Stück seine Fingergelenke knacken lässt und wie er sich mir langsam nähert. Immer und immer mehr. Immer und immer auffälliger. Ich schreite langsam zurück. Er holt immer auf, bis ich die Wand hinter mir berühre und aus Reflex in seine kalten, blauen Augen sehe, die mich verschlingen.

"Ich weiß, dass du Angst hast, Schneeflocke. Ich spüre es." Wie könnte er es auch nicht? Seine Hand streift mir die Strähne hinter mein Ohr, als er sich weiter zu mir hinunterbeugt. Mein Körper reagiert mit sofortigem Schauder. Meine Lunge lässt alle Luft in sich, als ich seine Wärme immer näher an meiner Haut spüre. "Ich rieche sie und ich könnte sie schmecken, wenn ich über deine Haut lecken würde", raunt er gegen meinen Hals. Ich kriege kaum ein Wort raus. "Azad", setze ich flüsternd an. Diese Situation, diese Spannung, diese Gefühle ... ich kann sie nirgends zuordnen. Ich mache mich einerseits auf etwas Schlimmes gefasst und trotzdem spüre ich gerade jetzt Verlangen in mir aufsteigen. Ich kann es mir nicht erklären. Ich bin teils ernüchtert und doch voller Emotionen. Die Situation hat etwas so Verruchtes, so Verdorbenes an sich, aber ich kann dennoch nichts gegen die aufsteigenden Gefühle machen. Es ist, als würden seine Gedanken und sein Verlangen durch meine Zellen diffundieren. Als ich dann plötzlich seine heiße Zunge an meinem Hals spüre, ziehe ich scharf die Luft ein. Mein Kopf neigt sich nach rechts, gewährt ihm all den Zugang, den er möchte, als seine breite Zunge meinen Hals hinauffährt und sanft unter meinem Ohr saugt. Ganz kurz, als wäre es ein kleiner Vorgeschmack auf das, was er mir alles geben kann, wenn ich nur zusage.

"Sei ein gutes Mädchen und öffne meinen Gürtel." Ich verfluche mich zum Teil dafür, dass sich mein Unterleib zusammenzieht. Azad streift sich das offene Hemd ab, fährt mir über mein Haar und zwirbelt eine erwählte Strähne, als ich seinen Gürtel aus der Schnalle ziehe und den Knopf seiner Hose öffne. Ich weiß nicht ... ist es Einbildung oder zeichnet sich seine Erektion durch den Stoff ab? Ich will nicht fragen, weil die Spannung immer mehr zunimmt. Azad möchte seine Atmung gar nicht regulieren, die mich einnimmt und ebenso schwer atmen lässt. Er wirkt erregt. Seine Pupillen sind groß und verschlucken das helle Blau, seine gespaltenen, schönen Lippen werden immer wieder von seiner Zunge befeuchtet. Er ist ganz klar am Anfang seiner Ekstase. Als ich dann seinen Reißverschluss öffne, wird es mir bestätigt. Was zum ... ich ... ich kann kaum etwas dagegen sagen, weil ich ebenso Anzeichen der Erregung aufweise. Es pocht zwischen meinen Beinen, obwohl ich wachsamer sein muss. Azad zieht sich die Hose samt Socken aus, überragt mich aber dann wieder mit seinen fast zwei Metern Größe und zupft am Saum meines weißen T-Shirts. "Steig mit mir in die Wanne. Ich will dich nah an mir haben." Auch wenn er mich nackt gesehen hat, ziere ich mich gerade. Die Situation ist zu paradox, als dass ich so leicht entspannen könnte. Einerseits macht er mir immer noch Angst, auch wenn ich es nur wahrnehme, wenn ich daran denke. Wenn seine Finger aber so sanft über meinen nackten Oberarm fahren, will ich am liebsten nachgeben, aber ich kann nicht. Es könnte jederzeit etwas passieren und genau das sagen meine Augen ihm auch.

"Ich werde meine Wut niemals an dir auslassen. Ich vergieße für dich Blut, nicht von dir." Seine Lippen schweben über meinen. Er braucht sich nur einen winzigen Zentimeter vorzubeugen, um es geschehen zu lassen. Ich bin aber standhaft genug, um zur Seite zu schauen, egal wie sehr ich die Erregung spüre. "Soll deine Kleidung nass werden?", raunt er gegen mein Ohr. Ich verneine es. Es ist mir eigentlich egal, aber es wäre besser, wenn sie nicht nass wird, weil ich dann leichter zu Hautausschlägen neige, aber ... ach, ich mache es einfach. Je mehr ich nachdenke, desto schlechter wird meine Luftzufuhr. Ich reiße mich aber dabei wieder am Riemen und drücke ihn bestimmend an seiner Brust zurück, bevor ich mir T-Shirt und Unterhemd über den Kopf ziehe. Die Unterwäsche lasse ich an. Ich gefalle mir in der hellblauen Spitzenunterwäsche und ihm auch. Seine Brust wird breiter, sein Kiefer malt. "Komm", setzt er gefasst an, ohne den Blick von seinen Brüsten zu nehmen, als er mir in die große, kalte Wanne hilft. Hier könnte man problemlos nebeneinander liegen, ohne sich eingeengt zu fühlen, aber Azad setzt mich auf seinen Schoß, direkt auf seine Erektion. Ich lasse mir einfach nichts anmerken, egal wie merklich sich meine Muskeln unter ihm zusammengezogen haben. Am liebsten würde ich ihn erwürgen, dafür, dass er mich wissend anlächelt, aber ich beschließe einfach, ihn erst einmal eine kalte Dusche zu geben ... nur, dass er keine Regung zeigt. Okay ...

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie genau ich vorgehen soll, daher lasse ich den Duschkopf zwischen uns fallen, feuchte seinen Duschschwamm mit dem angepassten, warmen Wasser an und kleckse Duschgel drauf. Arme, Hände oder Hals? Ich fange einfach am Hals an. Vielleicht legt sich seine Hand deshalb, als Dank, auf meine Wange. "Weißt du, was für eine Erkenntnis ich heute gemacht habe?" Ich weiß nicht, ob ich es wissen will, egal wie angenehm sein Daumen über mein Jochbein fährt. "Wenn du jemanden mit deinen Daumen die Augäpfel in den Schädel drückst und dich auch durch seine zusammengekniffenen Lider drücken musst, entsteht ein Sog." Ich hätte es besser wissen müssen. "Und es kann sein, dass deine Daumen abrutschen und du in der Augenhöhle landest." Ich schließe meine Augen, stelle mir ungewollt vor, wie seine Daumen in Innenwinkel der Augenhöhlen verschwinden und er sie mit Kraft herausziehen muss. "Ich würde gern wissen, was ich für Knochen dort berührt habe. Ich hoffe, du kannst es mir bald beantworten." "Lebt er noch?" "Nein." Mir wird kalt. Ich erschaudere nachträglich, als ich den Schwamm langsam von seiner Haut nehme. Erst jetzt setzt sich eine Grundstrenge auf seine glatten Züge und erst jetzt zieht sich mein Magen so richtig zusammen. Das ist nicht gut. Ich rutsche ohne Weiteres zurück. "Nein." Azads Hände ziehen mich an meinen Hüften wieder an sich. Viel näher, viel enger. Mein Herz schlägt erst jetzt viel schneller. Ich kann nicht anders, ich muss zurückschrecken.

"Ich tue dir nichts, Avin. Ich will einzig und allein deine Gesellschaft um mich herum spüren." Seine Hände fahren meinen Rücken hoch, drücken die Liebesgriffe unter meinem BH. "Ich war in einem Rausch, wie ich ihn noch nie hatte, Avin", wispert er gegen meine Lippen. Sein Atem streift meinen. Seine Lippen müssen sich nur einmal spitzen, um meine zu berühren. Mein Bauch kribbelt. Ich kann kaum denken. "Ich habe deinen Duft mit mir getragen. Ich werde es wieder tun. Immer und immer wieder. Dein Parfüm hat mich beruhigt und doch berauscht." Ich kann nicht. Ich muss den Blick abwenden. Dass ich mit offenem Mund atme, bemerke ich erst jetzt. Mein Mundraum ist trocken. Von meinem Hals und meinen Lippen, die ich irrational gegen seine drücken möchte, will ich gar nicht anfangen. "Er ist tot, Schneeflocke. Er wird dir nie wieder etwas antun. Der Gedanke daran, dass er dich hätte verletzen können, macht mich rasend." Und plötzlich ist kaum ein Funken der Angst mehr in meinem Körper. Seine Fingerspitzen gleiten langsam über meine Hüften, kreisen sachte auf meinem Po und wieder über meine Wirbelsäule. "Ich verehre dich, Schneeflocke. Du beruhigst mich in solchen Situationen. Du tust mir gut." Du mir auch. Vor allem jetzt, wo er meine nasse, lockige Strähne um seinen Finger wickelt. "Ich würde alles für dich tun." Und ich würde alles für ihn tun. Vor allem jetzt, wo er sanft über mein Schlüsselbein leckt und an der dünnen Haut über ihr saugt, bis es zieht.

"Und wenn ich Herzen aus Brüsten reißen muss, um in deins zu gelangen."

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