Kapitel 32
Ich bin nun auch offiziell gesetzlich verheiratet. Azad und ich sind offiziell Mann und Frau. Ich heißte nicht mehr Avin Benas, sondern Avin Dastan. Es ist aber anstrengend, alles neu zu beantragen, hier anzurufen, da anzurufen und, und, und. Die letzten Tage wurde nicht im Haus gekocht, weil uns jeder eingeladen hat - und wir sind immer noch nicht durch. Heute aber werden wir außer Haus speisen. Heute findet die Gala stand. Ein wenig aufgeregt bin ich schon irgendwo irgendwie, weil es eine komplett neue Erfahrung ist. Ich weiß nicht, wie es ablaufen wird. Ist das Essen lecker? Ist das Essen helal? Gibt es vegetarische Speisen? Und wann kommt mein Kleid? Ich warte schon ungeduldig im Handtuch mit geglätteten Haaren auf dem Ehebett. Azad sollte jeden Moment nach Hause kommen. Wo steckt der Typ? Meine Cremes sind schon alle eingezogen und ich bin sogar schon fertig mit meiner Schminke. Eyeliner, Mascara, Concealer und wieder dieser schimmernde Lidschatten der Quad Goals Multi-Palette. Ich trage mir noch nachträglich das Shimmer Oil von Rituals auf, verblende ein wenig Highlighter an meinen Schultern und Schlüsselbeinen, als ich ihn dann endlich nach mir rufen höre. "Bin oben", erwidere ich laut genug. Ich bin gespannt, wie das Kleid aussieht. Im Spiegel erblicke ich schon Azads große Statur die letzten Stufen aufsteigen. Er hat wieder einen Blumenstrauß dabei, wie gefühlt alle zwei Tage. Langsam gehen uns schon die Vasen aus.
"Hallo, Schneeflocke. Du siehst gut aus." Seine Augen wandern einmal zu meinen glänzenden Schlüsselbeinen und wieder zurück, als er mir den Strauß lila Tulpen überreicht. "Danke." Ich mag lila Tulpen. Sie sind wirklich schön. "Du kannst direkt das Kleid anziehen. Ich hoffe, es sitzt richtig." Hoffe ich auch. Ein schrecklich sitzendes Kleid ist eine Katastrophe. Azad legt das schwarze, große Paket auf unserem Ehebett ab und öffnet es für mich. Was ich sehe, ist ein hellblauer Satinstoff. Das gefällt mir schon mal sehr. Die Tulpen übergebe ich wieder ihn und hebe das Kleid hervor. Es hat kristalline Träger. Die weißen Kristalle schimmern und glitzern jetzt schon, obwohl die Leuchten aus sind. "Zieh es an. Du brauchst keinen BH dafür." Bei dem Korsettoberteil wäre es auch unnötig. Ich nicke wortlos raus, damit ich in das schicke Kleid schlüpfen kann. Ich hoffe, es drückt meine Brüste nicht hoch. Bei manchen Kleidern frage ich mich echt, was sich die Designer dabei denken, so wenig Platz an der Brust zu schaffen. Vor allem im Sommer möchte man Busenfreiheit und keine zusammengeklebten und schwitzigen Brüste. Das Korsett schmiegt sich schön an meine Rippen. Der Reißverschluss lässt sich geschmeidig schließen, sodass ich deshalb nicht ins Schwitzen komme und erst jetzt fällt mir der Schlitz am Bein auf. Es ist ein traumhaft schönes Kleid, das ab der Taille in die Breite geht. So fällt der Schlitzt auch kaum auf. "Kannst rein." Ich drehe dem Spiegel meinen Rücken zu, betrachte das bisschen Haut, das durch die gute Enge des Korsetts hochgedrückt wird.
"Dir steht die Farbe, Schneeflocke. Du siehst umwerfend aus." Ich kann gar nicht anders, als bei dem Kompliment zu lächeln. Es sieht wirklich schön aus. Ich gefalle mir sehr in diesem Kleid. Azad betrachtet mich zufrieden, während er sich an die Kommode lehnt. Es gefällt mir, wenn er seine Hände in seine vorderen Hosentaschen steckt. "Und was ziehst du an?" "Einen dunkelblauen Dreiteiler." Aha. Interessant. Hört sich nicht sonderlich spektakulär an und das sieht er mir auch an, für den kleinen Moment, in dem er mir in die Augen schaut, bevor seine wieder meinen Körper mustern. "Du gefällst mir sehr in dieser Farbe, Schneeflocke." "Geh dich umziehen." "Hilfst du mir?" "Alter Mann." Er schmunzelt nur. "Eben deshalb benötige ich Hilfe. Würdest du mir bitte die Krawatte lockern und das Hemd aufknöpfen?" Ich verdrehe meine Augen, als er schmunzelt, muss aber mit schmunzeln, warum auch immer, als ich mich vor ihn hinstelle. Er hat wieder sein Parfüm drauf, aber irgendwie rieche ich auch mein Bodyspray - und das ist nicht die Duftkerze, die wir abends immer anzünden und auch nicht der Raumduft. "Ich trage eine Reisegröße immer bei mir und wenn ich einen Moment zur Ruhe komme auf der Arbeit, rieche ich gern daran. Meine Anti-Stress-Therapie", raunt er am Ende charmant, weshalb ich warnend seine Krawatte enger ziehe. Genug geschleimt, so sehr es mir auch gefällt.
Ich muss ein wenig rütteln, bis ich seine schwarze Krawatte aufbekomme. Bei seinem Hemd gelingt es mir aber leichter. Vorgestern sind mir leider zwei Nägel eingerissen, weshalb ich alle kürzen musste. Sie sind nicht komplett kurz, aber dadurch, dass ich ein kleines Nagelbrett habe, fällt es sofort auf. Ich erlaube es mir, das Hemd über seine Schultern zu streifen, um dann die schwarze Tinte nachzufahren. Die tätowierte Maske auf seinem Oberkörper habe ich öfter in anderen Ausführungen gesehen. Ich glaube, es ist Polynesisch. "Willst du noch mehr Tattoos?" Ich fahre über seine Brust. "Eventuell." "Würdest du dir auch die Beine tätowieren lassen?" "Ich würde es jetzt nicht verneinen." Hm. Er hat wirklich schöne Brustmuskeln. Ich trete wieder zurück. "Zieh dich an. Wir haben nicht viel Zeit." Warum er das so lustig findet und mich schief angrinst, verstehe ich nicht. "Du gefällst mir sehr, wenn du so herrisch bist, Schneeflocke." "Oh mein Gott", murmele ich und verdrehe meine Augen. Ich vergesse immer wieder, was für komische Vorlieben dieser Mann hat. Das ist aber kein Grund, so zu grinsen, während er seinen Gürtel öffnet. Ich weiß nicht wieso, aber es ist eine kleine Vorliebe von mir. Es sieht gut aus, wenn er seinen Gürtel und seine Hose öffnet, aber ich muss da nicht allzu lange hinschauen, vor allem, da er jetzt gleich in grauen Boxershorts vor mir stehen wird. Stattdessen wende ich mich wieder meinem Spiegelbild zu. Ich sollte mir die Füße wieder mit Lidocain-Creme einschmieren, bevor ich in die Schuhe steige.
"Was ist das eigentlich für eine Gala?" "Jährliche Geschäfts-Gala. Es ist eine gute Chance, die wir damit auch Neueinsteigern gewähren. Es werden neue Konzepte, Gerätschaften und vieles mehr untereinander vorgestellt. Es dient auch dem Ruf. Die Leute warten nur darauf, dass ich mit meiner schönen Frau dort auftauche." Ach ... okay. Ich schaue ihn mit angehobenen Augenbrauen an. Die dunkelblaue Anzughose steht ihm. Sehr. Und es steht ihm, hellblaue Hemden zuzuknöpfen und dabei den Kopf leicht nach hinten zu neigen. "Bist du etwa eine Berühmtheit?" "Im Geschäftsleben schon." Ach, ist das so? Ich lehne mich gegen meinen Schminktisch, als ich mich zu ihm drehe und die Arme vor meiner Brust verschränke. "Wird auch ein roter Teppich ausgerollt oder was?" "Ja, Schneeflocke. Du freust dich anscheinend sehr." Roter Teppich! Ich pruste los. "Fliegen wir mit deinem Privat-Jet dahin?" "Das wäre ein wenig umständlich. Wenn du darauf bestehst, könnte ich es aber arrangieren." Roter Teppich, Gala, Abendkleidung. Ich hätte niemals gedacht, dass das mein Leben wird. "Passt schon", erwidere ich matt. Ich habe jetzt schon keine Lust auf diese Gala, aber andererseits gefällt mir das Kleid von Mal zu Mal mehr. Und Azad gefällt mir wirklich sehr gut in diesem Dreiteiler. Er bindet sich gerade die gleichfarbige Krawatte um. Die dunkelblaue Weste liegt schon bereit. Ich könnte ihm ja helfen. Ich nehme sie zur Hand, fahre über den festen Stoff, während ich immer wieder auf seinen Bizeps schiele. Echt hübsch.
Ich öffne die Knöpfe der Weste und stelle mich hinter ihn. Irgendetwas in dieser Lage gefällt mir. Es herrscht eine gewisse Spannung in der Luft, als ich ihm beim Anziehen helfe. Es gefällt mir. So sehr, dass ich einmal über seine Schultern fahre, bevor ich mich vor ihn stelle und seine Hände von den Knöpfen entferne. Das ist meine Aufgabe. Mein Bauch kribbelt deshalb auch aufgeregt. Ich mag es, so nah an ihm zu stehen, auch wenn es Momente gab, in denen es zu viel für mich wurde. Seit dem letzten Kuss denke ich öfter an ihn. Ich denke öfter daran, in seinen Armen zu liegen und seinen Körper unter mir zu spüren. Selbst sein Atmen gefällt mir gerade. Ich schließe den letzten Knopf, ehe ich auf seinen Unterbauch schaue. Zur Kontrolle, ob wirklich alles richtig sitzt, richte ich das glatte Hemd und stopfe noch einmal nach, obwohl Azad das Hemd schon gut in die Hose gesteckt hat. Seine Reaktion ist ein tiefes Einatmen. Verständlich. Der Unterbauch ist sensibel und er ist kitzelig, aber genau das gefällt mir. Mir gefällt es, zu ihm aufzuschauen, während ich ihm helfe, ordentlich auszusehen - komplett unnötig, weil er weiß, wie er sich zu kleiden hat. "Was bedeutet dein verschleierter Blick?" Mich schauderts bei der Tiefe seiner Stimme. Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nicht, wieso ich so kontaktfreudig plötzlich bin. Ich weiß nur, dass es mir gefällt. "Nichts", erwidere ich leiser. Er ist nur ein schöner Mann. Mehr nicht.
"Sicher?" "Mhm." Er hat nichts zu bedeuten. Ich wollte ihm nur helfen. Meine Atmung passt sich seiner an, sonst nichts. Azad lächelt schief. Seine großen Hände legen sich auf meine Taille. "Danke für die Hilfe." "Kein Ding." "Ich habe zwei Geschenke für dich." Zwei. Ich bin gespannt. Sein Rücken wirkt in diesem hellblauen Hemd viel breiter. Es steht ihm wirklich gut. Aus unserem Schrank holt er eine größere Kiste hervor, die er auf unserem Ehebett abstellt und den Deckel abnimmt. Was ich sehe, sorgt für angehobene Augenbrauen. "Eine lila Pistole", erwidere ich matt. "Eine Glock 18, Vollautomatik." Ich kann mit diesen Vokabeln nichts anfangen. Azad nimmt sie raus und setzt für mich das volle Magazin ein. "Du kannst durch den Hebel links am Ende des Schlittens auf Einzel- oder Dauerfeuer umschalten. Belass' es beim Dauerfeuer." "Ist das nicht etwas zu riskant für mich als Amateurin?" "Es ist sicherer, wenn du mit einem Schuss ein Dauerfeuer auf jemanden schießt und ihn außer Gefecht setzt." Jemanden erschießen? Ich? "Wieso sollte ich jemanden erschießen?" "Wir können uns niemals zu sicher sein." Er greift unter das seidige hellblaue Papier, in das mein Kleid gelegen hat, um ein ... keine Ahnung, was das sein soll, aber es hat dieselbe Farbe meines Kleides und wirkt wie ein Gürtel, aber es ist viel zu klein, um ein Gürtel zu sein und es hat ... es ist für die Waffe. "Ich würde dich bitten, es an deinem Schenkel zu tragen." Oh mein Gott. "Ist das eine Gala oder ein Treffen der Mafia?" "Offiziell ist es eine Gala." Ich lache trocken auf.
"Wird da zufälligerweise deine gesamte Familie sein?" "Nur meine älteren Brüder. Wenn du möchtest, kannst du deine Freundin-," "Im Leben nicht", unterbreche ich ihn trocken. Wahrscheinlich lade ich Dijan dazu ein, erschossen zu werden. Warum zum Teufel nehme ich das überhaupt nicht richtig ernst? Ich muss Angst haben. Ich muss mir Sorgen machen, aber stattdessen lasse ich mir ernsthaft eine Einführung geben, wie ich die Waffe zu benutzen habe und ich ziehe sie jetzt wirklich in diesem Schenkelring über das linke Bein. "Warte, lass mich das machen." "Passt schon." "Ich bestehe darauf." Azad zieht es mir aus der Hand. Es sieht schon süß bei ihm aus, eine dunkellila Waffe zu tragen, vor allem mit einem hellblauen Schenkelgurt, -ring, was auch immer. Er kniet sich schon in und zieht mein rechtes Bein aus dem Schlitz. "Deine Dehnungsstreifen haben die Farbe, die ich mit dir identifiziere, Schneeflocke." Ich lächele. "Schau mein Bein nicht an und mach deine Arbeit." Doch er grinst nur frech und drückt mir tatsächlich einen raschen Kuss auf meinen Oberschenkel ... ich will mir nicht anmerken lassen, dass ich daran Gefallen finde, wie er vor mir kniet und mich küsst und vor allem nicht, dass ich wieder an die Küsse am Beckenrand denke. "Du hast schöne Beine, Schneeflocke. Ich könnte sie und die Dehnungsstreifen stundenlang betrachten." "Danke. Mach jetzt." Mein herrisches Verhalten lässt uns beide schmunzeln.
Nur fällt mein Schmunzeln, als ich seine Finger an meinem Schenkel spüre. Mein Unterbauch zuckt sofort zurück. Ich will mich gar nicht anders hinstellen, aber ... keine Ahnung, es passiert von selbst. Seine Finger kitzeln mich angenehm beim Engstellen des Gurts. Er ist befestigt, aber ... wir verweilen noch in dem Moment. Er vor mir kniend und meine sensible Haut berührend und ich vor ihm stehend und langsamer atmend. Meine Augen verdrehen sich halb und flatternd, als ich seine Finger seitlich hinabgleiten spüre. "Ist es zu eng?", raunt er. Ich schüttele wortlos den Kopf, aber das sieht er nicht, weil er noch mein freies Bein fokussiert. "Passt schon", murmele ich. Ich bin so entspannt gerade. Zu entspannt. Zu liegen wäre jetzt das Beste. Vor allem jetzt, wo er mir in die Augen sieht und bemerkt, wie entspannt ich bin. Wie geweitet seine Pupillen sind. "Alles gut?" Ich nicke, tiefenentspannt ... wie macht dieser blauäugige Mörder das? Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen. Ich ziehe ihn an seinen Haaren hoch, rechne aber nicht damit, ihn so nah an mich zu ziehen, dass seine Brust meine streift und ich zu taumeln beginne. Ich will hektisch nach der Kante der Kommode greifen, da legt er schon seine Hand auf mein Kreuz, um mich an sich zu pressen. Das ist zu viel. Das sind zu viele Momente, die zu schnell aufeinanderfolgen. Mein Herz schlägt nicht deshalb schnell. Es schlägt wegen der Hektik und weil ich gerade kurz vorm Stürzen war so schnell.
"Kannst mich wieder loslassen." "Aber so gefällt es mir besser." "Was du denkst, ist mir egal." "Nicht doch, Schneeflocke." Sein Finger streicht mir die Strähne aus dem Gesicht ... das kribbelt. Mir gefällt es nicht, dass ich mich zu oft, zu wohl bei ihm fühle, ganz egal, ob es das Ziel einer Ehe ist. Der Kuss auf die Wange war nach langer Überlegung schon zu viel für den Anfang. "Verschließ' dich nicht." "Geht nicht anders." "Wieso?" Weil ... einfach weil! Wir kennen uns kaum! Ja, wir hatten einige intime Momente und wir schlafen in einem Bett und manchmal fühle ich mich zu ihm hingezogen und ich genieße die Aufmerksamkeit und die schönen Geschenke, aber ... ich habe Angst, so aussichtslos alles auch ist. Und diese Angst sieht er mir an, als er meine entsprechend zusammengezogenen Augenbrauen sieht. Ich neige zu schnell zum Bereuen. "Schon okay." Azad küsst mich auf den Scheitel. "Wir fahren los, sobald die anderen hier sind. Meine Schwägerinnen kommen auch." Mit denen habe ich nicht sonderlich viel zu tun. "Will trotzdem eher bei dir bleiben." Ich trete einen Schritt zurück. "Weil du mich liebst?" Ich verdrehe schmunzelnd meine Augen. Was ein Idiot. "Nein." "Schade. Ein Versuch war es wert." "Ich fühle mich bei dir am wohlsten. Mit deinen Schwägerinnen habe ich kaum etwas zu tun." "Du fühlst dich bei mir wohl?" "Ich fühle mich bei dir am wohlsten", korrigiere ich ihn mit angehobenem Zeigefinger und schon grinst Azad wie der glücklichste Mensch dieser Welt. "Am wohlsten auch noch." "Von all denen, die mit-," "Du fühlst dich bei mir am wohlsten, Schneeflocke. Mein Tag wurde somit versüßt."
"Oh mein Gott", murmele ich, als ich wirklich Leute mit Kameras sehe. "Keine Sorge. Das ist nur für ausgewählte Leute sichtbar." "Ist es nicht dennoch leichtsinnig, dass Fotos von deiner Frau gemacht werden, wenn andere Feinde an sie herankommen?" Sein Blick gleitet einmal in den Rückspiegel und wieder auf die Einfahrt. "Sie wissen schon sicherlich Bescheid", murmelt er. Na toll. "Hab keine Lust auf Bilder." "Wie du willst, Schneeflocke. Ich lasse dich von meinen Sicherheitsmännern zu unserem Tisch dann bringen." "Gibt es keine Möglichkeit, ein privates Foto zu bekommen?" "Du möchtest ein Foto von uns?", fragt er verblüffter, als er sollte. "Klar." Wenigstens eins, das nicht auf den Feten entstanden ist. "Ich ... klar. Wir machen das." Süß. Ich habe ihn damit überrascht. Mein Schmunzeln ist größer als es vermutlich sollte, aber ich finde es wirklich niedlich, dass er sich so sehr freut. Aras wartet schon mit seinen zwei anderen Brüdern und den Schwägerinnen auf uns. "Lass mich dir bitte aus dem Auto helfen." Wenn er es unbedingt will, soll es nicht an mir scheitern. Sein reservierter Parkplatz vollendet die Reihe der Dastans. Aras wackelt schon amüsiert mit seinen Augenbrauen, als er mich sieht und grinst, als Azad mir die Tür aufhält. "Was ein Gentleman. Wenn ich deine Freundin ausführen darf, mache ich das auch." "Gib Ruhe", erwidere ich trocken beim Aussteigen. Azads Hand drückt meine. Sein kleines Schmunzeln und sein hinreißendes Zwinkern sagen mir, dass ich so weiter machen soll.
Während die Männer und auch die Schwägerinnen über den Haupteingang begrüßt und geachtet werden, werde ich von vier Sicherheitsmännern, wovon einer Jamal ist, dessen Rücken mich am Sonntag, dem 6. März vor einem Nasenbruch auf Azads Treppe bewahrt hat, zum reservierten Tisch eskortiert. Dass sich keiner fragt, wieso vier offensichtliche Bodyguards eine Dame umringen, sagt mir, dass ich in einer Welt gelandet bin, in der das komplett normal ist. Der Rundtisch ist mit sieben weißen Stühlen belegt. Auf dem weißen Kärtchen vor dem großen, goldenen Kerzenständer steht Dastan. Wo bleibt denn mein Herr Dastan? Wird er wirklich fotografiert? In welchen Zeitschriften wird er gezeigt? Ich bin überhaupt kein Bilderfan eigentlich. Im Spiegel wirke ich oft perfekt, aber auf Bildern bin ich der Inbegriff der Infotogenität. Aber einmal, als ich 20 war, habe ich echt gute Bilder im Sommer hingekriegt. Das waren meine ersten, richtigen Selfies. Dijan war stolz auf mich. "Langweilt ihr euch eigentlich nicht?", wende ich mich an den kraushaarigen Jamal, der sofort zu mir schaut. "Nein, wir sind stets damit beschäftigt, alles im Auge zu behalten." "Ist das nicht anstrengend?" "Wir haben uns dafür entschieden", erwidert er freundlich. Ich lächele matt. Armer Junge. Ich hätte sicherlich schon Kopf- und Nackenschmerzen gekriegt.
Ich schaue wieder zur großen Eingangstür. Viele ältere Paare und schreckliche, geschmacklose Kleider. "Wie findet man eine Frau als Sicherheitsmann, Jamal?" Ich schaue wieder zum armen Mitarbeiter, dessen Konzentration ich sicherlich mit meiner Fragerei störe. "Das versuche ich auch herauszufinden." "Keine im Blick?", schmunzele ich, woraufhin er ein Kopfschütteln ansetzt und zur Tür schaut. Azad kommt gerade und scheint überrascht zu sein, dass ich mit seinen Mitarbeitern rede - oder er zieht wieder provokant seine Waffe und ich drehe wieder halb durch. Sein Jackett ist geschlossen, sein Gang gerade und synchron mit dem von Aras. Ihm steht dieser Anzug wirklich fabelhaft. Sein Ohrring versüßt das Ganze noch einmal besonders. Azad kann sich glücklich schätzen, dass er den ganzen Weg über nur mich ansieht. "Sind meine Mitarbeiter auch freundlich zu dir?", raunt er mir beim Hinsetzen zu, als er sein Jackett wieder öffnet. "Sehr. Einer hat mich auch vor Platzwunden und einer gebrochenen Nase sicherlich bewahrt", schmunzele ich. "Sollte ich ihm eine Gehaltserhöhung geben?" "Wie du möchtest." Jamal hat schon Abstand genommen, damit wir es privater haben. Die anderen sind irgendwo, irgendwie verteilt. "Schwägerin, ist hellblau deine neue Lieblingsfarbe?" Aras grinst verschmitzt. "Sobald ich dir in die Augen sehe, verdirbst du es mir." "Schwägerin", erwidert Aras mit dramatischer Empörung. "Die Sonne Dubais hat dich also nicht wärmer gemacht." "Bei dir verpufft es." Seine Lippen bilden eine schmale Linie. "Ich weiß nicht, was ich dir getan habe. Du bist doch meine absolute Lieblingsschwägerin." Er schielt frech zu seinen anderen zwei Schwägerinnen und dann wieder zu mir.
Ich höre bei der Willkommensrede überhaupt nicht zu. Das Programm ist mir auch echt egal, daher spiele ich so lange an meinem Ehering herum, bis der kleinere Mann mit dem Wohlstandsbauch endlich aufhört zu reden und ich mit Azad einige Fotos machen gehe. Ich bin zwar nicht sonderlich sicher bei meinem Ausdruck, aber ich will stehen und ich will, dass Azad sitzt. Es gibt einen Extraraum dafür mit verzierten Stühlen. Die erinnern mich an die aus der Barockzeit. "Setzen Sie sich doch, werte Dame", bittet mich der Fotograf, aber ich habe andere Pläne. Ich drücke Azad an seinen Schultern auf den braunen Ohrensessel, überrasche sowohl ihn als auch den Mann hinter mir. Azad gefällt es aber. "Auch gut. Die Dame hütet über ihren Herrn." "Das tut sie mit eiserner Faust", erwidert Azad schmunzelnd. Ich stelle mich hinter ihn, lege meine Hände auf seinen Schultern ab. "Das ist wunderbar!" Ich will nicht lachen, aber es ist zu lustig, wie euphorisch der Fotograf ist. Ihn freuen all meine Posen, selbst wenn ich mich neben Azad stelle und wieder meine Hand auf seine Schulter lege. "Wie wäre es mit einer Lage, die auch dem Herrn mehr schmeichelt?" Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen. Was meint er mit schmeicheln? "Sie schmeichelt mir schon allein mit der Hand auf der Schulter." Azads Hand auf meiner Taille, fährt einmal sachte auf und ab. Ich mag das Gefühl. "Vielleicht etwas Intimeres? Natürlich nur, wenn es nicht zu viel ist!" Ich bin immer noch skeptisch und schaue Azad genauso streng an, wie den schlaksigen, blonden Fotografen.
"Und?" "Welche Pose?", frage ich schroff, woraufhin Azad wieder zu ihm schaut. "Bei Ihrem edlen Erscheinen als Paar wäre es wunderbar, wenn sie auf seinem Schoß sitzen würden." Ach du Scheiße. Auf seinem Schoß? Ich lag auf seiner Brust und damit auch auf ihm, aber der Schoß? Das ist noch einmal etwas komplett anderes. Azad schaut mich neutral an. "Nur wenn du willst." Nur wenn ich will. Das Bild würde gut aussehen, ich weiß es, aber ... ach, was solls? Einmal und nie wieder. Nur weiß ich nicht, wie ich mich anstellen soll, als ich mich vor ihn wage. Das ist so intim! Azad rutscht komplett nach hinten, setzt sich neu auf und breitet seine Beine für mich weiter aus. Mein Bauch zieht sich dabei zusammen, als ich mich wirklich langsam hinsetze. Nur auf seinen Oberschenkel und das recht angespannt. "Nehmen Sie sich die Zeit, warmzuwerden. Das werden schöne Bilder." Mhm. Wenn er meint. Ich möchte Azad gerade nicht einmal ansehen. Seine Hand auf meinem Rücken ist gerade viel zu warm. "Komm näher." "Passt schon." "Aber die Bilder sollen gut aussehen." "Willst du mir sagen, ich sehe hässlich aus?" Meine Augenbraue hebt sich angriffslustig. Der hyperaktive Fotograf lacht deshalb schon leise. "Keines Wegs, Schneeflocke." Sein kleines Lächeln umspielt wieder seine Lippen. Azads Hand hebt sich, um mir die Haare hinter mein Ohr zu schieben ... das kribbelt angenehm. Ich mag es schon ein wenig. "Wir versuchen es einfach." Und damit zieht er mich an meinen Hüften auf seinen Schoß. Wirklich auf seinen Schoß. Ich sitze auf seinem Becken. Dieser schamlose, blauäugige Mörder!
"Perfekt! So bleiben!" Der Fotograf scheint der glücklichste Mensch der Welt zu sein, so dynamisch, wie er die Fotos schießt, während ich versuche, nicht wie ein Stock auf dem Schoß eines blauäugigen Mörders zu sitzen. "Du darfst jederzeit auf mir sitzen", raunt er mir zu. "Ich steche dich gleich ab", murmele ich warnend. "Ich träume schon davon, Schneeflocke. Wann?" Dieser ... ich vergesse immer wieder, dass ihn solche Drohungen gefallen. Ich hätte nicht gedacht, dass sein Schoß so groß ist, denn es wirkt überhaupt nicht so. Es ist ... gemütlich. Vor allem, wenn ich mich gegen ihn lehne und er seine Hand auf meiner Hüfte oder Oberschenkel platziert. Das ist wirklich gemütlicher, als ich es mir je hätte vorstellen können. Es ist ... nett. Kann man machen. Trotzdem bin ich froh, als unser kleines Shooting beendet ist. Ich wollte nur ein oder zwei Bilder, aber am Ende haben wir mehr Stellungen durchgenommen, als ich mir hätte erdenken können. Der Fotograf wird heute vor Freude wahrscheinlich nicht mehr schlafen können, so glücklich wie er über unsere Bilder ist. "Ich freue mich schon auf die Bilder, Schneeflocke." Ich will gar nicht wissen, wie trocken ich in die Kamera schaue. "Ich hoffe, sie sind gut." "Sind sie. Vor allem, die, wo du auf meinem-," "Azad?" Meine Augenbrauen ziehen sich streng zusammen. Ich drehe mich noch vor ihm um zu der Frau. Das ist weder eine Schwägerin noch eine Schwester, aber so glücklich, wie sie ist, ihn zu sehen, hoffe ich für sie, dass sie ein Teil der Familie ist. Nur scheint Azad selbst verdutzt zu sein und dadurch, dass er einen Schritt zurücktritt, als die quirlige Gestalt schon fast auf ihn zurennt, trete ich einen Schritt hervor.
Mir gefällt es, dass ich sie mit einem Blick abbremsen kann. Keine Ahnung, wer diese Frau sein soll, aber sie gefällt mir überhaupt nicht. Ganz und gar nicht. Da würde ich lieber Suzan vor mir haben, als ihr falsches Lächeln. "Deine Schwägerin?" Nicht einmal begrüßen also. Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange. "Seine Frau", erwidere ich trocken. Die grünen Augen dieser braunhaarigen Tröte weiten sich. Sie wird sogar rot. Wer zur Hölle ist dieses Weib und wer hat ihr erlaubt, jetzt ihre Augenbrauen zusammenzuziehen? "Du hast geheiratet?" Ich drehe mich argwöhnisch zu Azad, dessen Augenbrauen als dritter in der Runde zusammengezogen sind. "Am 14. April." "Wieso weiß ich nichts davon?" Ist diese Frau jetzt wirklich beleidigt? Wer ist diese Schlampe? "Weil wir nichts mehr miteinander zu tun haben, Nazdar." Nazdar ... wieso hat mir dieser Mörder nichts von einer Nazdar erzählt? Ich beiße mir ungeduldig auf die Innenseite meiner Wange. Meine Atmung geht schwerer, weil ich so abgefuckt bin. Ist das sein Ernst? Wer ist diese Frau? Es ist mir egal, wie distanziert er sich benimmt und wie reserviert er wirkt. Er ist mir eine Erklärung schuldig. Nazdar, die Nervige, wirkt durch seinen abweisenden Ton getroffen. Mir wäre es lieber, wenn Metall sie trifft. Das wird mir langsam zu dumm. Ich packe Azad am Oberarm und ziehe ihn wortlos weg von diesen penetranten grünen Augen. Ich bin sauer. Ich bin verdammt sauer.
"Du verheimlichst mir nichts?", presse ich hervor. Es könnte sein, dass sich nach langer Pause wieder meine Bronchien verkrampfen. "Avin-," "Du verheimlichst mir nichts, sagst du?" Ich könnte durchdrehen! "Lass es mich dir doch erklären!" "Damit du noch mehr außen vor lässt?", herrsche ich ihn mitten im Flur an. Ich rase vor Wut, während er die Ruhe selbst ist. "Tu das deinen Atemwegen nicht an. Du atmest angestrengter." Es ist mir scheißegal! "Rede. Sofort." Er zieht mich seufzend zur Seite in die nächstbeste Ecke. "Das ist die, die meine Eltern mir vorgestellt haben, Avin. Es tut mir leid, dass ich da nicht weiter darauf eingegangen bin, aber du hast nie danach gefragt und sie ist irrelevant. Ich denke nicht an sie, daher ist es mir nicht in den Sinn gekommen, dir davon zu erzählen." Das ist sie? Und sie kommt bis heute immer noch nicht über ihn hinweg? Ich schaue angeekelt nach rechts. Gerade sind nur Bedienstete unterwegs, die uns hier in der Ecke gar nicht bemerken. "Du kannst mir alle Fragen stellen, die du willst, aber unterstell' mir bitte nicht, dass ich dir etwas verheimliche." Er ... ich kann nicht mehr klar denken. Jedes Mal überrollt er mich mit seiner Kommunikation, Kooperation und Ruhe, obwohl ich mich auf den schlimmsten Streit vorbereite. Meine Schultern sinken. Es ist mir unangenehm, dass er mich so aufrichtig ansieht.
"Wir können heute auch alles in Ruhe zu Hause besprechen. Sei mir bitte nicht wütend." Ich bin es aber, auch wenn er komplett rational im Gegensatz zu mir denkt. Ich bin bockig und ich bleibe es auch ... was grinst dieser blauäugige Mörder jetzt aber so schief? "Was?", keife ich. "Es gefällt mir, dass du eifersüchtig wirst." Ich bin nicht eifersüchtig! Was redet dieser riesige Mörder da?! "Bin ich nicht!" "Du bist schon rot vor Eifersucht, Schneeflocke. Schmilzt du etwa?" Dieser ... ich will ihm am liebsten die Waffe durch sein Brustbein bohren, wenn ich nicht wüsste, dass ihn das anturnen würde. Mir wird warm, weil er mich mit seinem Grinsen provoziert. "Ich bin sauer." "Du bist eifersüchtig." "Bin ich nicht!", schreie ich schon fast. "Und wie du es bist." Das reicht! Ich ziehe ihn an seinem Kragen zu mir. "Ich töte dich gleich!" "Bitte", haucht er nah an meinen Mund. Zu nah ... das ist viel zu nah und doch kann ich mich nicht trennen, obwohl ich ihn am liebsten erwürgen würde. "Du gefällst mir so sehr gut." Seine Fingerknöchel streifen sachte meine Wange. Ich erschaudere deshalb, aber ich schlage sie nicht weg. Mich überkommt immer mehr und mehr das Gefühl, dass sich alles um uns herum dreht. "Wenn du nur wüsstest, wie sehr ich innerlich brenne, wenn dich Männer anvisieren. Das, was du gerade gespürt hast, war nur ein Bruchteil meines Leids." "Ich bin nicht eifersüchtig", entgegne ich fest, doch er grinst nur schief und er nähert sich mir immer mehr, sodass ich meinen Hinterkopf schon gegen die Wand stoße. "Du hast es mir schon bewiesen." "Was soll ich dir bewiesen haben?"
"Tief in deinem kalten Herzen brennt eine Flamme nur für mich, Schneeflocke."
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