Kapitel 23

Der Tag ist gekommen. Heute findet unsere islamische Vermählung statt. Ich kann nicht beschreiben, ob der Fastenmonat schnell oder langsam vergangen ist. Einige Tage kamen mir zusammengefasst wie Stunden vor, hingegen gab es Tage, die mir wie Wochen vorkamen. Azad und ich sind nicht wirklich aktiver geworden, weil ich mich in diesem Monat sehr auf meine Religion konzentriert habe. Es ist nach vielleicht dreizehn Jahren der erste Ramadan gewesen, an dem der Junkie unsere Ruhe nicht stören konnte, das Essen nicht mit Salz und Chili nur seinen Bedürfnissen angepasst hat und uns als Fastende nicht mit seiner ekelhaften Art und fehlenden Gottesfurcht selbst im heiligen Monat in Ruhe lassen konnte. Selbst jetzt, wo er endlich weg ist, wünsche ich mir, dass er streng und erbarmungslos bestraft wird. Dieser Wunsch wird niemals enden. Seit mehr als einem Monat haben wir nichts vom Junkie gehört. Meine Mutter konnte in Ruhe in die Stadt und zurück, musste keinen von uns anrufen, damit wir im Hausflur kontrollieren, ob er dort irgendwo steht und wartet. Mein Vater muss ihn sonntags nicht mehr von der Tür wegzerren, wenn er dort klopft und bettelt. Meine Schwestern müssen keine Ausreden mehr erfinden, wieso ihre Freundinnen nicht zu uns kommen können, sondern hatten eine richtige Begründung. Nämlich, dass sie umziehen. Jede von ihnen besitzt jetzt ein eigenes Zimmer. Meine Mutter besitzt jetzt einen wunderschönen Garten, in dem sie ihr eigenes Obst und Gemüse pflanzen kann, sodass wir alle zufrieden sind. Lustig ist aber, dass es das Haus ist, in dem die letzte Leiche an jenem Mittwochabend gebracht wurde, an dem ich den blauäugigen Mörder kennengelernt habe.

Ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Heute ist mein Hochzeitstag. Heute werde ich heiraten. Alle um mich herum sind in höchster Feierlaune, singen, tanzen, schießen Fotos und machen Videoaufnahmen. Nur ich bin ruhig wie schon auf der Hennafeier. Schon verrückt, dass meine Ehe auf Vereinbarungen fußt. Es ist ein Deal. Schon schade, dass ich nicht aus Liebe heirate. Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass ich deshalb heirate. Ich wollte immer die Person heiraten, die ich liebe. Oft habe ich Geschichten von Frauen gehört, die nur wegen ihrer Eltern geheiratet haben und habe den Kopf darüber verärgert geschüttelt. Jetzt verstehe ich es. Hätte ich es nicht getan, würde meine Familie bis heute leiden. Ich kann von Glück sprechen, dass ich eine Person wie Azad als Mann an meiner Seite habe. Trotzdem kann ich mich nicht wirklich freuen. Heute werde ich alleine mit ihm in diesem großen Haus verbringen. Ganz alleine. Ich habe schon in Erwägung gezogen, in einem der Gästezimmer zu übernachten, weil ich mir nicht vorstellen kann, neben ihm im Ehebett zu liegen. Ja, wir hatten einige angenehme Momente, aber wir sind uns selten sehr nah gekommen. Vor allem, da wir uns diesen Monat nur gesehen haben, falls seine Familie bei uns gegessen hat oder wir bei seiner. Das Intimste war das Aufeinanderliegen unserer Hände.

Ich fahre über den hellblauen Stoff meines Xeftans. Er ist wunderschön und harmoniert perfekt mit dem Goldschmuck. Azad hat für mich auch einen wunderbar deckenden hellblauen Nagellack gewählt, den ich jetzt trage. Ich habe Hunger, will aber nichts Großes essen, solange die Zeremonie nicht gehalten wurde, damit ich nicht meine Gebetswaschung neu nehmen muss. Daher gebe ich mich mit Sonnenblumenkernen und meinen crispy M&Ms zufrieden. Ich liebe die Dinger, nur muss ich danach Wasser trinken, um so das Gefühl des Süßen kompensieren zu können. "Was ist los, Schwester?" Dijan schmiert sich schon zum fünften Mal Lipgloss auf ihre Lippen und erst jetzt erinnere ich mich wieder daran, ihr ihren Lipgloss zurückzugeben. Der ist oben im Schlafzimmer. Es war schon komisch, meine Kleidung in die Schränke zu räumen. Azad hat mir einen größeren Kleiderschrank angeboten, aber das ist nicht nötig. Ich miste zweimal im Jahr aus, mal abgesehen davon, dass der neue Kleiderschrank extrem groß ist. "Nichts", murmele ich. Ob das so stimmt, weiß ich nicht. Ich bin nicht glücklich, aber ich bin auch nicht traurig. Ich fühle nichts. Ich frage mich nur, wie meine Zukunft jetzt sein wird. Meine Zukunft als Ehefrau. "Du wirkst so traurig." Traurig ist der falsche Begriff, aber das bin ich von ihr gewöhnt.

"Bin ich nicht." "Aber wieso bist du dann so?" Sie seufzt einmal tief. "Keine Ahnung." Vielleicht ändert sich das noch im Laufe des Tages. Es wird doch keine große Hochzeit stattfinden. Das Haus ist gefüllt mit unseren Familien, die mit ihrer Freude für genug ausgelassene Stimmung sorgen, dass es eine Hochzeit mit 5000 Leuten ersetzt. Im Garten tanzen sie schon alle zur kurdischen Musik. "Vielleicht brauchst du was zu essen." Kann sein. Ich bin irgendwie nicht bereit, ihn zu sehen, auch wenn ich ihn oft genug gesehen habe. Ich weiß nicht, was mein Problem ist. Ich weiß nur, dass ich Zeit brauche. "Habt ihr euch gestritten?" "Nein", murmele ich. Azad ist der kooperativste Mann, den ich kenne. Ich habe nur eine Grundanspannung in mir, die ich nicht loswerde. Irgendetwas bedrückt mich. So sehr, dass ich ihn eigentlich gar nicht sehen möchte. Dijan zeichnet mir mit ihrer Hennatube ein wunderschönes Muster auf meine Hände. Wie die Paste aus der winzigen Spitze gleitet, entspannt mich. Bei dem kleinen, versteckten A muss ich schmunzeln und sie kichern. "Und wie sind seine Geschwister so?" "Ganz nett. Nur eine Schwester nervt." "Oh", setzt sie mitfühlend an. "Schwester, du musst aufpassen. Manchmal sind die Schwestern die schlimmeren Schwiegermütter." "Sie kann mir nichts." Wenn ich mehr als zehn Jahre mit einem Junkie aushalten konnte, ist sie niemand, der mich irgendwie irritieren kann.

"Wann fliegt ihr nach Dubai?" Das ist eine gute Frage. "Keine Ahnung." "Wie?" "Hab nicht gefragt." "Du fragst nicht nach deinen Flitterwochen?" Ich bin nicht wirklich in Urlaubsstimmung. Ich weiß nicht, was los mit mir ist, dass ich so betrübt bin. Ich kann es mir einfach nicht erklären. Eigentlich muss ich doch froh sein. Meine Wünsche gehen alle in Erfüllung. Ich darf bald Medizin studieren, ich lebe in einem wunderbaren Haus, habe einen netten Ehemann, aber ... keine Ahnung. "Sicher, dass nichts passiert ist?" "Sicher", murmele ich. Mein Blick bleibt auf dem kleinen vorgezeichneten Kreis gerichtet, den sie gerade mit dem Henna nachfährt. "Das ist gutes Henna aus Marokko, Schwester. Das muss nicht einmal eine Stunde auf der Haut bleiben und du hast ein dunkles Braun, aber ich föhne es noch gleich, damit du dich nicht schmutzig machst." Der Imam kommt in eineinhalb Stunden. Dann ist es so weit. Azad wollte mir einen Ehering holen. Absolut unnötig. Wir verwenden einfach wieder den Verlobungsring, wieso Geld verschwenden? Er ist wunderschön, da braucht er nicht noch mehr Geld auszugeben. Klar, der lila Hauptstein wird sicherlich nicht auf jede Sache passen, die ich anziehe, aber das ist mir egal. Es gibt wesentlich Schlimmeres.

"Ist Aras eigentlich bei Azad?" Dijan gibt ihr bestes, nicht aufzufallen, aber alleine wie sich ihre Oberlippe verräterisch kräuseln will, sagt schon alles. "Ist immerhin die Hochzeit seines Bruders." "Stimmt." Ich summe nur vielsagend. Anscheinend kommt sie nicht weg vom anderen blauäugigen Mörder. Sollte sie sich wirklich auf ihn einlassen, habe ich sie gewarnt. Sie kann sich einfach nicht zügeln, egal wie oft ich ihr sage, dass sie sich Zeit nehmen soll, einen neuen Typen kennenzulernen. Ich kann nicht verstehen, wieso sie nicht alleine bleiben kann. Ich würde alles dafür tun, um meine Ruhe zu haben. "Wie lange bleibt ihr in Dubai?" "Weiß ich nicht." Ich weiß gar nichts. Ich kann ihn ja heute mal fragen. Wird immerhin Zeit, etwas über die Reise zu erfahren, die ich antreten werde. "Deine Schuhe sind aber echt heftig, Schwester. Azad hat Geschmack." Das hat er wirklich. Ich dachte, die Valentino Pumps wären schon schön, aber als er mir dann die hellblauen Versace Medusa Aevitas geschenkt hat, habe ich große Augen gemacht. Die Dinger kosten über 1.000 Euro. Eigentlich wollte ich keine Schuhe anziehen, weil wir uns im Haus befinden, aber ihm zuliebe und weil das echt schicke Pumps sind, habe ich sie an - inklusive Lidocain-Creme, damit ich keine Schmerzen an den Füßen habe.

Dijan föhnt die Paste auf meinen Händen vorsichtig trocken. Ich bin jetzt schon müde vom Tag und hoffe, er vergeht schnell. Dilnia hingegen, die gerade ins Zimmer hüpft, scheint all die Energie zu haben, die mir fehlt. "Ich habe drei Energydrinks getrunken, damit ich auch ja nicht müde werde. Du siehst so schön aus!" Mir entkommt mein Lächeln nur müde, was anscheinen der Grund ist, wieso Dilnias Lächeln nachlässt. "Was ist los?" "Frag gar nicht, Schwester. Sie sagt es nicht." "Ich habe nichts." "Aber du wirkst so traurig. Hat Azad was gesagt?" "Nein, hat er nicht." Wieso sollte er etwas sagen? "Oder ist er in Wahrheit ein schlimmer Mann? Sollte ich etwas wissen?", hake ich doch schroffer nach, als eigentlich gewollt. Dilnia schüttelt sofort ihren Kopf. Ihre Augen werden ganz groß. "Ich dachte nur, dass ihr euch gestritten hättet oder so." "Dachte ich auch, Schwester." "Konzentrier' dich lieber aufs Föhnen", ermahne ich Dijan. Ich habe nichts. Es ist einfach nur wieder eine Woge der Bedrücktheit. Das legt sich sicherlich schon wieder. Vielleicht sogar gleich, wenn ich mich ein wenig hinlege, sobald das Henna trocken ist. Es kann gut an der Müdigkeit liegen. "Ich bin nur müde", sage ich dann, woraufhin Dilnia sofort aus dem Zimmer rennt und mit einem gekühlten Energydrink und Strohhalm zurückkommt. Sie scheint ja für alles gewappnet zu sein. Immerhin.

"Berfîna berfîn." Ich habe mich für vielleicht dreißig Minuten hingelegt, als ich die männliche Stimme höre, die über Schneeflocken singt. "Berfîna zêr were dile min da." Dilnia grinst. Mir wird warm. Es wird im Hintergrund geklatscht. Dijan kämmt mir schnell mein Haar und richtet mein Xeftan, weil ich viel zu überfordert bin. Zum Glück hat Dilnia mir die Hennareste vor fünf Minuten weggeschrubbt. Scheiße, es waren keine halbe Stunde, die ich lag, sondern mehr als eine Stunde! Mein Herz! Die Tür geht auf, mir wird schlecht. Hinter Azad stehen hunderte von Familienmitgliedern, die klatschen und mit bunten Tüchern tanzen. Es ist Aras, der mit seiner schönen Singstimme neben seinem Zwillingsbruder eintritt und mich angrinst. "Berfîna azadî." Oh Gott. Ich senke verlegen meinen Blick. Es sind echt schöne Sätze, die er da sagt, aber ich bin so viel Liebe überhaupt nicht gewöhnt. Dass Azad jetzt mit einem wunderschönen Blumenstrauß aus hellblauen und lila Blumen auf mich zukommt und ihn mir übergibt, lässt mich nur weiter erhitzen. Seine hellblaue Krawatte passt perfekt auf den Stoff meines Kleides und zu seinen Augen. Er sieht unverschämt gut aus, selbst beim Übergeben des Straußes an mich. "Danke", murmele ich. Weiter weiß ich nicht. Soll ich ihn umarmen? Muss er mich umarmen? Er beugt sich schon zu mir vor, aber anscheinend nicht, um mich in seine Arme zu schließen, sondern, um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben! Ich reiße meine Augen auf, während alle Frauen schrille Laute der Freude von sich geben. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet.

Ich drücke überfordert auf den Stängeln herum, schiele nach links und rechts, während jede andere Person hier im Ankleidezimmer anscheinend weiß, was sie tun soll. Es ist sogar ein Kamerateam da! Aras erfüllt das Zimmer mit seiner schönen Stimme, die entweder ein Lied über Schneeflocken wiedergibt oder es ist selbst kombiniert. Azad hingegen stellt sich neben mich und hält meine Hand. Dijan gesellt sich zu meinen Schwestern, um mit ihnen zu tanzen und klatschen. Nur das Singen beherrscht sie nicht sonderlich und brabbelt leise mit. Es ist wirklich so weit. Wir werden wirklich heiraten. Der Weg aus dem Ankleidezimmer in den Garten kommt mir unendlich lang vor. Vermutlich, weil ich verdammt hohe Schuhe mit dickem Plateau-Absatz trage und nicht die Treppe herunterfallen will, so fest ich auch Azads Hand halte, die unter meiner sicherlich schon schwitzt. "Selbst jetzt verunsicherst du mich, Schneeflocke." Wenigstens eine gute Sache jetzt. Ich drücke seine Hand. "Wieso?" "Weil es mir vorkommt, als wäre nur ich aufgeregt." Oh, wenn er nur wüsste. "Ich wusste nicht, dass Aras singen kann." "Das Gen hat wohl nur er während der Schwangerschaft bekommen." Hoffentlich stellt er sich nicht vor Dijans Fenster und singt für sie. Azad hilft mir die letzten Stufen runter, ehe wir in den wunderschön dekorierten Garten gehen. Blau, Weiß und kleine, goldene Akzente.

Der Imam ist noch nicht da, als Azad mir den Stuhl zurückschiebt. Mir kommt sofort unser erstes Essen hier im Haus in den Sinn. Es war der 6. März und jetzt am 14. April findet unsere Hochzeit statt. Ich hätte mir niemals ausmalen können, innerhalb eines Monats zu heiraten. Das ist immer noch so verrückt für mich. Das Tanzen beginnt wieder. Meine Mutter und mein Vater stehen an oberster Front. Ihre Augen sind wieder gerötet und sie kämpft jetzt schon wieder mit ihren Tränen. Dilnia scheint nicht nur ein Sonnenschein zu sein, sondern auch eine elegante Tänzerin. Sie, meine Schwestern und ihre Schwestern und Schwägerinnen bilden einen kleineren Kreis in der Mitte. Ich kann gar nicht verstehen, wie sie so unsicher sein kann, wenn sie so wunderschön ist. Ihr langes, fast schwarzes Haar, ihre blauen Augen, ihre dunklen, vollen Lippen. Dass sie mit ihrem schlanken Körper in dem bordeauxroten Xeftan komplett dem Schönheitsideal der Kurden entspricht und dennoch voller Selbstzweifel ist, ist überraschend, aber ich verstehe sie. Dennoch ist sie wunderschön. "Wann fliegen wir eigentlich los?", möchte ich wissen, als ich die Blumen ablege. "Wann immer du möchtest. Ich dachte an die folgenden Tage. Vielleicht übermorgen." "Kriegst du so schnell einen Flug?", frage ich skeptisch, als ich zu ihm sehe. Dass er meinen Blick so seelenruhig und zufrieden erwidert, lässt mich erhitzen. "Ich kann fliegen, wann immer ich möchte, Schneeflocke." "Hast du einen Privat-Jet oder was?", spotte ich und tatsächlich nickt er. Dass ich nicht lache! Ich pruste tatsächlich. Natürlich hat er einen Privat-Jet.

"Glaubst du mir etwa nicht?" "Es klingt unglaubwürdig, aber bei den dubiosen Geschäften, die du am Laufen hast, scheint es wohl wahrscheinlich zu sein." Dieses Mal lächele ich, als ich wieder zu ihm schaue ... und es wird stärker, als er es erwidert. Ihm stehen die Grübchen wirklich sehr. Lange kann ich den Blickkontakt nicht halten. Wären wir alleine, wäre es etwas anderes, aber vor unseren Eltern schäme ich mich doch zu sehr. Dijan kommt gerade mit einem Teller voller Snacks zu uns. "Hier, Schwester! Vielleicht hast du dann mehr Energie. Warte, ich hole noch was zu trinken." Und damit eilt sie davon in die Küche. "War etwas los?", erkundigt Azad sich sofort, was ich verneine. Außer meine Bedrücktheit gab und gibt es nichts. "War nur müde und habe mich ausgeruht, bevor Aras' Gesang mich geweckt hat." "Bist du jetzt ausgeschlafener?" Gute Frage. "Wenn nicht, kann ich mich ja hinlegen gehen." Immerhin ist das hier ja offiziell auch mein Haus. Azad nickt, lächelt noch einmal sanft, ehe er mir ein Stück Baklava hinhält. Die Geste ist so rein, so sanft. Ich mag sie. So sehr, dass ich wieder lächeln muss und mich zum Süßgebäck vorbeuge. Azad hält seine freie Hand unter mein Kinn, als ich reinbeiße und isst den Rest dann selbst, als er meine Wangen zusammendrückt. Das war ein schöner Moment. Ich mochte ihn.

"Hier, Schwester! Ich habe noch Gläser gesucht." Dijan kommt atemlos bei uns an mit einer Flasche Cola und zwei Gläsern. Ich würde jetzt schon am liebsten zum Buffet springen, aber das kommt erst nach der Zeremonie. "Ich schenke euch noch das Trinken ein, aber dann gehe ich tanzen." Vielleicht erwische ich sie ja dabei, wie sie in Aras' Nähe tanzt oder direkt an seiner Hand. Azad übernimmt das Einschenken der Cola, weil Dijan gerade sehr hibbelig ist. Am Ende landet es noch auf ihrem Xeftan und im besten Fall noch auf uns. Sie gesellt sich zu meinen Schwestern im kleineren Kreis, zu dem sich unsere Mütter und meine Schwägerin und Cousinen auch angeschlossen haben. Ich realisiere immer noch nicht, dass ich heirate. Wann der erste Streit kommen wird? Wie gehen wir eine Auseinandersetzung an? Wird er immer so geduldig bleiben? Ich hoffe es so sehr. "Schmilzt du jetzt ein wenig, Schneeflocke?" Seine Frage zieht mich nur langsam wieder in das Hier und Jetzt und mein träger Blick sagt ihm auch, dass ich in Gedanken war. "Jetzt, wo du meine Frau bist und ich dein Mann bin. Zeigst du mir nun ein wenig deiner warmen Seite?" Irgendwie tut er mir ja schon leid. Er bemüht sich wirklich mit allem, ist verdammt aufmerksam und würde für mich wahrscheinlich auch ins kalte Wasser springen, wenn ich möchte. Wenn ich ihm jetzt sage, dass es unwahrscheinlich ist, würde ich ihm das Herz brechen, auch wenn es die Wahrheit ist. Stattdessen lasse ich meine Mundwinkel für ein kurzes Lächeln zucken und streiche einmal über seine Krawatte.

Selbstverständlich werde ich mich bemühen, ihm eine gute Ehefrau zu sein, aber es ist mehr als offensichtlich, dass es seine Zeit bedarf. Ich mag ihn bis jetzt. Er ist nett, aber ich habe aktuell kein weiteres Verlangen. Das liegt vermutlich daran, dass wir uns nicht allzu oft gesehen haben, aber so ist es besser. Der Urlaub steht ja an. "Gefällt dir die Krawatte?" Witzig. Ich muss sofort daran denken, dass er seine schwarze Krawatte ernsthaft in den Müll geschmissen hat. "Tut sie." "Dann ist es ab sofort meine Lieblingskrawatte neben der in Lila." Süß. Er schmeichelt mir, der alte Mörder. Ich lächele und schon wieder bleibt mein Lächeln länger bestehen, als ich sein Lächeln sehe. Die weitere Zeit vergeht schnell durch das Essen der Snacks und dem Zusehen, wie alle tanzen und meine Mutter weint. Jetzt wird es aber wirklich ernst. Der Imam ist da. Meine Mutter legt mir das hellblaue Kopftuch über, muss jetzt schon wieder mit den Tränen kämpfen. Es geht alles so schnell. Der schön verzierte Vertrag liegt vor uns, auch mit hellblauen und goldenen Verzierungen, auf die ich mich konzentriere, als der Imam uns eine Einführung in die Ehe im Islam gibt. Die Sachen sind mir alle bekannt, immerhin habe ich während der Fastenzeit viel über das Eheleben im Islam gelesen, quasi als kleine Vorbereitung. Somit ist eins meiner über vierzig Bücher meines ungelesenen Stapels schon mal abgehakt.

"So muss auch der Ehemann im Haushalt helfen und darf nicht alles auf seiner Frau lasten lassen." Er möchte sowieso Bedienstete einstellen, aber so nachsichtig und charmant wie Azad ist, würde er mir helfen. "Als Ehemann hast du für sie zu sorgen. Deins ist ihres, aber ihres bleibt ihr Eigentum, das du nicht ohne Erlaubnis berühren darfst." Azad nickt voller Zuversicht. Was soll ich denn bitte besitzen, das er haben möchte oder nicht haben kann? Er besitzt ja sogar ein Privat-Jet. Was soll er von mir nehmen wollen? Meine schwarze Kiste voller medizinischer Sachen, die ich seit der neunten Klasse besitze? Meine Brust fühlt sich plötzlich so schwer an. Irgendetwas stimmt hier nicht und ich weiß nicht, was es ist. Mein Bein wippt, aber zum Glück wird es durch mein Kleid und den bedeckten, weißen Tisch kaschiert. Ich bin gleich wirklich seine Frau. Wir müssten nur noch zum Standesamt und dann ist es auch gesetzlich offiziell. "Wenn du, Azad Dastan, deine Frau Avin Benas zur Frau nehmen möchtest, so sage: Ich gelobe meine Frau Avin Benas vor Allah zu heiraten." "Ich gelobe meine Frau Avin Benas vor Allah zu heiraten." Mein Magen zieht sich zusammen. Gleich ist es vorbei. Der Imam schaut zu mir, weiß überhaupt nicht, was gerade in mir vor sich geht. Am liebsten würde ich verstummen und ihn gar nicht mehr ansehen. Ich will liegen. Irgendetwas überfordert mich gerade. "Wenn du, Avin Benas, Azad Dastan zum Mann nehmen möchtest, so sage: Ich gelobe meinen Mann Azad Dastan vor Allah zu heiraten." Ich will nicht ... aber irgendwie schon, aber ... ich weiß nicht!

"Ich ... Avin Benas-, ach." Ich schnalze irritiert mit meiner Zunge. Mir wird heiß vor Verlegenheit. Ich weiß gar nicht mehr, was ich sagen muss. "Ich gelobe meinen Mann", wiederholt der Imam noch einmal für mich. "Ich gelobe meinen Mann Azad Dastan vor Allah zu heiraten." Ich habe es gesagt. Ein wenig zu stumpf und zu trocken, aber ich habe es gesagt. Es ist geschafft. Ich fühle nichts im Gegensatz zu all jenen, die jetzt applaudieren. Dijan und Perwin neben mir bestätigen, dass ich nicht gezwungen werde sowie Aras als Zeuge für Azad. Alles geht so schnell. Ich fühle mich wie in einem Strudel. Selbst das Gebet kommt mir so schnell vor. Alles rauscht an mir vorbei. Ich kriege nicht einmal mit, wann Azad meine Hand genommen hat. Wir sind wirklich verheiratet. Es ist wirklich geschafft. Er hat seinen Teil der Abmachung bekommen und ich meinen. Ich ... ich habe keine Worte für das dumpfe Gefühl in mir. So schön die Stimmung und die Dekoration um mich herum sind, bin ich nicht zufrieden. Nicht, solange ich dieses Gefühl nicht loswerde. "Was ist los?" Ich kann gerade nicht einmal meinen Blick vom Tisch heben, fahre nur einmal träge mit meinem Daumen über seinen Handrücken. "Ich weiß es nicht", flüstere ich. "Bekommst du gut Luft? Soll ich dir noch etwas zu essen holen?" Ich verneine es kopfschüttelnd, schaue ihn nicht einmal dabei an.

Die Stunden vergehen. Ich kann oft ein wenig lachen, vor allem wegen Tuncay, Aras und Dijan, aber die Bedrücktheit bleibt bis zum Ende. Ich musste mich zwingen, ein wenig mit den anderen zu tanzen, habe es nur meiner Mutter zuliebe getan für die Erinnerung. Das Essen war gut. Sehr gut sogar und der Kuchen erst. Alle scheinen glücklich und zufrieden zu sein, abgesehen von mir. Mein Bauch rebelliert jetzt vor allem, wo sich die Gäste von uns verabschieden. Meine Mutter möchte mich gar nicht loslassen und weint schon wieder. Wenigstens ist sie jetzt all ihre Sorgen los. "Ruf sofort an, wenn du was brauchst." Ich nicke, lasse meine Wange von ihr küssen, bis sie sich langsam von mir lösen kann. Dijan hat komischerweise alle vorgelassen, um sich von mir zu verabschieden. Warum, erfahre ich jetzt, wo sie auf mich zukommt und kreischend umarmt. "Du siehst richtig gut aus, Schwester! Selbst nach den ganzen Stunden. Ich bin mir sicher, dass du, nach eurer ersten Nacht, immer noch richtig gut aussehen wirst." Erste Nacht. Nein. Hochzeitsnacht. Nein. Ich weiß, woher die Anspannung kommt. Ich lasse mir vor ihr nichts anmerken. Wirklich gar nichts. Mein Gesicht verzieht sich kein Stück. Es sind nur meine Augen, die gerade Azad zuschauen, wie er seinen ältesten Bruder umarmt. Ich möchte gar nicht, dass Dijan geht. Am liebsten würde ich ihr anbieten, hier zu übernachten, wenn ihre Eltern es nur erlauben würden.

Mein Bauch zieht sich zusammen, als Azad zu mir schaut und sanft lächelt. Er weiß nicht, was los mit mir ist. Ich kann reden. Ich muss es einfach nur ansprechen und er wird es sofort verstehen, aber ich kann gerade kaum reden und begleite Dijan nur schluckend zur Tür. Wenn ich jetzt Worte ansetze, weiß ich, dass sie zusammenhangslos sind. Ich habe zu wenig Erfahrung mit Männern, um es positiv einzuschätzen. Dijan verlässt uns als letzte mit dem ältesten Bruder. Jetzt fällt die Tür ins Schloss. Jetzt sind wir allein. Ganz allein. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich könnte einfach ohne ihn hoch, aber er legt schon seine Hand auf mein Kreuz, um mich die Treppen hinaufzuführen. "Möchtest du noch etwas?" Ich verneine es kopfschüttelnd. Wir werden aber nicht miteinander schlafen. Wie sehr ich mir wünsche, dass das aus meinem Mund kommt, der mir gerade wie ausgetrocknet erscheint. Die Tür zu unserem Schlafzimmer ist zu und ich bereue es, als ich sie öffne. Nein. Das Licht ist gedimmt. Es sind Kerzen angezündet worden. Nein, sogar Rosen wurden verteilt. Nein, nein. Azad steht hinter mir. Wieso steht er hinter mir, wenn er weiß, dass ich es hasse, wenn Männer hinter mir stehen? Ich erschauere, mir wird heiß, als er meine Oberarme drückt. Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll, jetzt, wo er meine Taille umschlingt. Ich bemerke langsam meine Luftknappheit. Wo ist mein Asthmaspray? Ich weiß nicht mehr, wo ich es hingelegt habe.

Ich lege meine Hände zitternd auf seine, bin zu angespannt und versteift, um ihn wegzuschieben. Das ist nicht gut. In Panik sollte ich lieber wegrennen, statt zu erstarren. Was ist, wenn er mir jetzt auch von hinten auf den Hinterkopf schlägt? Ich kann das nicht. Ich kann das wirklich nicht. "Avin?" Ich drehe mein Gesicht schluchzend weg von ihm. "Ich flehe dich an, Azad", flüstere ich. Mir fehlt die Kraft. Es kratzt in meinem gesamten Atemweg. "Nimm mir nicht meine ersten Erfahrungen, wenn ich nicht bereit bin. Ich kann das nicht." Die Angst hat während der Hochzeit meinen ganzen Körper besetzt. Ich kann das nicht. Ich liebe ihn nicht. "Avin." Mir ist es gerade nicht einmal möglich, ihm ins Gesicht zu schauen. Wo ist mein Asthmaspray? Seine Finger zwingen mich an, zu ihm aufzuschauen. In sein besorgtes Gesicht. In seine wehmütigen Augen. "Warst du deshalb so bedrückt?" Ich nicke. Mir war es selbst nicht bewusst, dass ich deshalb so schwer atmete. Er atmet tief durch, schließt einen Moment lang seine Augen, als sein Kiefer zuckt. "Hätte ich gewusst, wie sehr du dich zwingst, hätte ich dir deine Wünsche erfüllt, ohne dich zur Heirat zu zwingen." Nein! Also ... so ist es gar nicht. Ich bin nur überfordert. Ich bin nur traumatisiert. "Ich will nur nicht ... das wären meine ersten Erfahrungen und ich kann es nicht tun, solange ich dich nicht liebe."

Ich zögere viel zu spät mit meinem Satz. So etwas hätte ich nicht am Tag unserer Hochzeit sagen müssen, so sehr es der Wahrheit entspricht. Ich sehe, dass es ihn trifft. Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid. Seine Atmung geht schon viel schwerer. "Magst du mich überhaupt?" Ich nicke. "Ja." Ich mag ihn wirklich, aber es reicht gerade nicht für mehr. Mir ist die Stille jetzt selbst unangenehm und noch mehr, dass er nachdenklich zur Seite sieht. "Ich schlafe dann heute im Gästezimmer. Solange, bis du dich wohl genug fühlst." Das ist ein zuvorkommendes Angebot, das ich nicht abschlagen will, aber als er sich umdreht und gehen möchte, halte ich seine Hand fest. Ich möchte keine Barriere zwischen uns haben. Ich will es wirklich nicht. Ich habe mir vorgenommen, eine gute Ehefrau zu sein und die werde ich auch. "Nein, bleib." "Du brauchst dich zu nichts zu zwingen." "Richtig und deshalb sage ich dir, dass du bleiben sollst." Ich schniefe und wische mir die kleinen Tränen weg. Der Tag hat mich ganz kaputt gemacht. Mehr Stress und Diskussionen kann ich gerade echt nicht gebrauchen. Azad stellt sich wieder vor mich, mustert meine müde Erscheinung. "Möchtest du duschen?" Ich verneine es. "Nur abschminken." Er begleitet mich wortlos ins benachbarte braune Badezimmer, das so hell und groß ist. Hier liegen all meine Pflegeprodukte und sogar Sachen, die mir nicht bekannt, aber anscheinend für mich bestimmt sind. "Ich halte deine Haare fest." Es ist nett, dass er mich quasi vorwarnt, bevor er sich leicht hinter mich stellt.

Das kalte Wasser tut mir gut. Meine schwere Atmung lässt langsam aber sicher nach. Ich muss nur noch aus dieser Kleidung steigen und dann kann ich mich hinlegen. Das Seufzen entweicht den Tiefsten meiner Lungen, als ich in den Spiegel schaue. Azad reicht mir ein Handtuch, das ich dankend annehme und mein Gesicht abtrockne, mich dann eincreme und mit ihm zurück ins Schlafzimmer trete ... und was jetzt? Ich schaue unwissend zu Azad, der sein dunkelblaues Jackett aufs Bett ablegt und seine Krawatte lockert. Stimmt ... es ist ja auch sein Schlafzimmer und er darf sich hier auch umziehen. "Würdest du mir einen Gefallen tun?" Ich nicke, ohne zu wissen, was es ist. "Kannst du mein Hemd aufknöpfen? Nur das." Oh ... ich ... ja, schätze schon. Das ist ein guter Einstieg, um sich näherzukommen, so zögernd sich meine Finger auch auf den Stoff legen. Ausgerechnet heute fällt es mir schwer, den Knopf zu lösen. So nah an ihm zu stehen, sein Parfüm jedes Mal genüsslich einatmen zu können und seinen Adamsapfel beim Springen sehen zu können, entspannt mich. Es macht mich aber ehrlich gesagt nervös, dass meine Nägel seinen Hals streifen. Der erste Knopf ist offen, der zweite lässt sich viel angenehmer öffnen und der Dritte geht durch den Ruck vom Zweiten auf, wofür ich sehr dankbar bin, denn meine Finger zittern unwillkürlich. Was ich erblicke, lässt mich die Augenbrauen zusammenziehen.

"Ist das ein Tattoo?" "Überrascht es dich?" Ich schaue zu ihm hinauf. Mit den Schuhen bin ich seinem schön geformten Lippenherz näher als es mir lieb ist. "Schon." "Öffne das Hemd, Schneeflocke." Also gut ... ich bin sowieso neugierig. Meine Finger öffnen immer schneller, immer ungeduldiger, aber leider auch immer zittriger das weiße Armani Hemd, das mir Zentimeter für Zentimeter seinen tätowierten Oberkörper zeigt. Es kommt mir so verrucht vor, als ich das Hemd aus seiner Anzughose ziehe und scharf die Luft einatme, als sich sein Unterbauch wegen meiner Nägel zurückzieht. Mir wird ganz heiß bei der Reaktion, aber ich hoffe, das gedimmte Licht bedeckt meine Röte. Er hat einen sehr anschaulichen Körper. Ich wusste nicht, dass Brüste auch bei Männern eine Wirkung auf mich haben können, vor allem, wenn sie von Tinte bedeckt sind. Ich streife ihm das Hemd gänzlich ab, finde an seinen Schultern angrenzend zum Teil vereinzelt noch Tattoos. Seine Arme hingegen bleiben frei. "Wieso sind deine Arme nicht tätowiert?" "Als Geschäftsmann muss man ein wenig seriös sein, Schneeflocke. Außerdem würde meine Mutter mich umbringen." Ach, meine Schwiegermutter weiß nichts davon. Der Fakt lässt mich schmunzeln. "Gefallen sie dir?" Schon. Mich überkommt das Verlangen, die Muster alle einzeln mit meinem Nagel nachzufahren, aber ich ziere mich zu sehr. Er hat einen wirklich verdammt schönen Körper, vor allem sein Hals ... er trägt eine Narbe am Hals.

Meine Augenbrauen ziehen sich wieder zusammen, als ich die weiß-schimmernde Narbe über seinem Schlüsselbein sehe. "Was ist passiert?", frage ich, schaue zögernd in seine ausdruckslosen, blauen Augen. "Ich habe dir doch erzählt, dass ich die Spuren meines Lebens an meinem Körper trage. Das ist eine davon. Die Lebensbedrohlichste, um genau zu sein." Jemand hat versucht ihn zu töten, vielleicht sogar zu köpfen. "Wann?", murmele ich. Meine Finger heben sich zögernd, wollen über die Narbe fahren, doch ich warte auf seine nonverbale Zustimmung, die durch ein sachtes Nicken folgt. "Vor vier Jahren. Ein Hinterhalt." Ein Hinterhalt. Mein Finger fährt immer wieder zum Ansatz der Narbe bis zum Ende. "Und die anderen Spuren?" Mich erschreckt es, dass Azad meine Hand festhält. Ich kann seinen Gemütszustand nicht deuten, schreite deshalb vorsichtshalber einen Schritt zurück. Mich verwirrt es ein wenig, als er zum Lichtregler am Bett geht, um die Helligkeit höher zu stellen. Sein Körper wirkt durch die veränderten Lichtverhältnisse viel breiter. Seine Muskeln viel größer, seine Tattoos viel dunkler. Azad dreht mir seinen Rücken zu ... Narben. Viele. Mal größer, mal kleiner. Mal breiter, mal schmaler. Sie sind quer auf seinem Rücken verteilt. "Es waren zum Glück nur Messer." Nur Messer. Es waren zum Glück nur Messer. Großer Gott, was hat er nur erlebt? "Muss ich mir sehr starke Sorgen um dich machen?" "Nein. Ich lebe noch." Dass er das so locker sagt und mich tatsächlich von der Seite anlächelt ist bemerkenswert und beunruhigend zugleich.

Er dreht sich gänzlich zu mir, nimmt meine Hand in seine, um sie auf seine Brust zu drücken. Ich lasse es zu. Mir schwirren keine Gedanken im Kopf, obwohl ich bis gerade noch bedrückt und fertig war. Das ist mein Mann. Mein Ehemann. "Ich schwöre dir, dass du dir keine Sorgen machen musst. Um nichts. Du musst nur eine Sache anschauen und ich werde dafür sorgen, dass es so kommen wird, wie du es dir wünschst." Seine Hand verlässt meine, gleitet mit seiner freien zu meiner Taille, um mich vom Goldgürtel zu befreien. Ich rechne nicht mit dem Ruck, der mich an ihn zieht und keuche erschreckt. Mein Herz pocht, mir wird wieder extrem warm. "Du verstehst es zwar nicht, aber ich fühle mich verdammt stark zu dir hingezogen. Ich würde mich durch deine Hände verletzen und sterben lassen." Das ist ... aber wie kann er das so früh sagen? Ich verstehe es einfach nicht. Vor Überforderung fällt mir keine Antwort ein, sodass ich mich schon gezwungen fühle, verlegen den Blick zu senken. "Wir sollten uns vielleicht schlafen legen. Es war ein langer Tag." Er hat recht. "Ich gehe mich dann im Bad umziehen." "Fühl dich frei, immer zu tun, was du möchtest, Schneeflocke." Wann ich mich wirklich frei fühle, steht noch infrage. Das wird eine gute Weile dauern. Ich weiß gar nicht, wie ich in den Flitterwochen sein werde. Ich komme mir jetzt schon komisch vor, weil ich mich im Bad umziehe und kurze hellrosa Satin-Shorts und das dazugehörige Unterhemd trage. Ich finde es zu intim, jetzt so vor ihn zu treten und kämpfe seit vielleicht zwei Minuten mit mir selbst, bevor ich die Tür öffne.

Ich hätte noch länger warten sollen. Azad trägt nur schwarze Boxershorts. Boxershorts. Ich schaue sofort aufs Bett. Er trägt nur Boxershorts. Er räumt nur in Boxershorts die Rosenblätter von der Decke. "Ist das zu viel für dich?" "Passt schon", murmele ich. Wenn er so schläft, dann schläft er eben so. Ich will ihn nicht einschränken. "Sicher?" "Ich hatte schon Amputate in der Hand. Ein halbnackter Mann sollte kein Hindernis für mich sein." Und damit gehe ich aufs Bett zu, ignoriere gekonnt sein sanftes Auflachen. Ich werde gleich zum ersten Mal mit einem Mörder in einem Bett liegen. Ich komme mir wie eine Katze vor, die ihn aus ihrem Versteck - in meinem Fall ist es die Decke, die ich mir bis zu meiner Nase ziehe - beobachte. Die Falte, die sein Bauch bildet, weil er sich vorbeugt, ist echt süß. Sein Körper ist echt ... anschaulich. Ich will nicht zu lange starren. "Ich arbeite morgen hier im Haus, damit du nicht allzu allein bist." Das ist sehr aufmerksam von ihm. Oh Gott, er schaltet das Licht aus. Scheiße, er legt sich jetzt zu mir ins Bett. Durchatmen, Avin. Tief durchatmen. Es ist nur ein Mann ... mein Mann, um genau zu sein. Ich mache ihm einfach bei seinen Bewegungen nach; lege mich also hin, drehe mich zu ihm und schaue ihn an. Durch den Mondschein wirken seine Augen wie die einer Katze. Nur ist sein Lächeln charmanter als eine Katze je aussehen kann. "Ich beiße nicht, Schneeflocke." "Ich aber." "Nichts, was mir nicht gefallen würde." Dieser ... genug. Ich drehe ihm den Rücken zu, genieße trotz seiner Schamlosigkeit, wie er lacht und tatsächlich bringt er mich damit zum Lächeln.

Plötzlich schlingt er seine Arme um mich, zieht mich an seinen warmen Oberkörper, sodass mein Lächeln erlischt. Für einen Moment. Ich ... ich weiß nicht. Es fühlt sich nicht verkehrt an. Ich erschaudere zwar, aber es fühlt sich echt wirklich angenehm an, an seine schützende Männerbrust gedrückt zu werden. Ich krümme mich aus Reflex trotzdem ein wenig, kann aber wirklich nicht dementieren, dass es sich irgendwo irgendwie schön anfühlt. "Ist das okay so?" "Du fragst mich erst, nachdem du es getan hast?" "Die Psychologie dahinter lernt man mit der Zeit, wenn man ein Chef ist. So habe ich meine Mitarbeiter unter Kontrolle." "Dann wird es Zeit, dir zu zeigen, dass ich deine Chefin bin." "Du wärst die strengste, aber kompetenteste Chefin, Schneeflocke", raunt er mir in mein Ohr. Ich winde mich kichernd. Er soll aufhören, so charmant zu sein! Ich beiße ihm sanft in den Unterarm als eigentliche Warnung, die anscheinend dafür sorgt, dass er mich nur noch fester an sich drückt. Es fühlt sich schön an. Wirklich. Ich mag es. Ich mag die Ruhe. Ich mag unser synchronisiertes Atmen in der Nacht mit dem Mondschein, der durch das Fenster auf uns strahlt. Ich empfinde gerade wirklich nach langem wieder eine kleine Zufriedenheit und wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, wie ich damit umzugehen habe. Mir steigen deshalb schon die Tränen auf, die ich gegen das Kissen fallen lasse. Ich darf wirklich das Leben leben, das ich mir schon immer erträumt habe. Ich darf mich fallen lassen. Ich darf endlich atmen.

Ich darf endlich austreten aus der Monotonie meines Herzes.

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Und? Was sagt ihr?
Habt ihr mit den Überraschungen auf Azads Körper gerechnet?

Die Pinterest-Ordner werden gleich/später veröffentlicht.

Heiße dort TheRealQuzelkurt

- Helo

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