Kapitel 14
Meine Tage vergehen mit Verärgerung, die primär an meine Mutter gerichtet sind, auch wenn ich sie verstehe. Ich habe sie nicht angeschrien oder sie angemeckert, sondern wurde wieder still und lethargisch. Ich habe keine Lust zu reden. Mein Zimmer bleibt abgeschlossen und meine Überstunden beginnen wieder. Ich kann nicht verstehen, wieso sie so schnell wieder nachgeben kann, verstehe es aber dann, weil der Junkie Psychoterror vor der Tür mit dem permanenten Klopfen und Klingeln spielt. Mein Vater hat sich schon mit ihr deshalb gestritten, aber sie konnte nichts anderes als Argument bringen, außer ihr sensibles Herz und ihre Angst. Denkt sie nicht einmal an ihre anderen Kinder hier in der Wohnung? Hat sie dafür kein sensibles Herz? Versteht sie nicht, dass sie der verfickte Grund dafür ist, dass dieses Leid überhaupt entsteht? Ich will gar nicht so denken, weil meine Mutter diejenige ist, die am meisten leidet. Es ist falsch so zu denken, wenn ich nicht einmal halb so sehr leide, wie sie es leider tut. Mit ihrer Angst, vor die Tür zu gehen. Mit ihrer sofortigen Stressreaktion, wenn es an der Tür klopft - selbst, wenn es nicht der Junkie ist. Meine Mutter ist traumatisiert und geprägt durch ihn. Durch ihren eigenen Sohn, der sie manchmal überwältigt, wenn sie ahnungslos aus der Stadt wiederkommt und so fest an den Handgelenken in die Wohnung gedrückt wird, dass sie schon Blutergüsse an ihrer sensiblen Haut tragen muss. Ich verstehe sie wirklich, auch wenn mich meine Wut manchmal überhäuft, aber ... ich bin einfach so sauer und enttäuscht.
Wieder und wieder lässt sie diese verdreckte Ratte rein. Immer und immer wieder. Immer und immer wieder beginnt das Schreien, die negative Energie in der ganzen Wohnung. Meine Schwestern haben erst vor kurzem wieder einmal nach langer Zeit Freundinnen einladen können und jetzt brauchen sie schon wieder ausreden, wieso es bei ihnen nicht geht. In der Nacht füllt sich mein Körper immer wieder mit Hass. Ich habe immer wieder Dialoge und Monologe im Kopf, die gegen meine Mutter und diesen Junkie gerichtet sind, aber ich werde sie niemals äußern. Niemals gegen meine Mutter, weil es sie verletzen würde und unwahrscheinlich gegen den Junkie, weil ich seine Fresse nicht sehen will. Ich nehme mir mein Essen und verschanze mich in meinem Zimmer damit. Meine Tür bleibt so lange abgeschlossen wie er in der Wohnung bleibt. Sollte er wissen, dass ich ein iPad und einen Laptop habe, wird er sein Handy sofort wieder verkaufen, weil er ja von mir etwas haben kann. Wenn er davor ist zu sterben und eines dieser elektrischen Waren sein Leben retten würden, würde ich selbst dann die Übergabe verweigern. Meine Mutter würde dann an meiner Tür kleben und mich anflehen, ihm das iPad oder den Laptop zu geben, damit er sie in Ruhe lässt, aber da spiele ich nicht mehr mit. Wenn sie ihn reinlässt, soll sie mit den Konsequenzen klarkommen - das sage ich mir, solange ich wütend bleibe. Ich würde alles tun, um ihr zu helfen, aber mich selbst werde ich nicht mehr vergessen.
Ich kann von Glück sprechen, dass ich die ganzen Schnitte und Färbungen nach meiner Schicht übernehmen kann. Meine Kollegen aus der Pathologie zeigen sich mit reichlich vielen Geschenken und Snacks als extrem dankbar. Ich habe sogar ein Rituals of Mehr Set geschenkt bekommen - ein kleiner Trost in meinem unzufriedenen Leben. Der einzige aktuell, denn ich wurde bis jetzt nicht wieder vor der Tür von blauen Augen überrascht. Nicht, dass ich mir Hoffnungen gemacht habe, aber es wäre sicherlich ein guter Ausgleich, mal jemanden zu sehen, den ich mehr als nur erdulde, ehe ich nach Hause gehe und den Junkie wieder lautstark anschreien muss, damit er rafft, dass er um 23:00 Uhr nicht lautstark mit irgendwelchen Gestalten zu telefonieren hat, wenn drei Schwestern zur Schule gehen und ich arbeiten muss. Wenn er zurückschreien würde, wüsste ich nicht, was ich tun sollte. Vermutlich wie damals einfach das Küchenmesser ziehen und ihn in die Ecke treiben. Klassische Konditionierung nenne ich das. Auch wenn er Respekt vor mir hat, hasse ich ihn. Er wird niemals meinen Respekt erhalten. Niemals für all das, was er getan hat. Ich werde den Augenblick niemals vergessen, als wir aus unserem Familienurlaub wiederkamen und die Wohnung verwüstet war.
Damals war er noch 19 und mit irgendeiner verheiratet, die er von der Hauptschule kannte. Vor uns wirkte er wie ein Rechtgeleiteter. Er hat gebetet, wurde frisch aus dem Knast entlassen und meine Mutter war erleichtert - nur temporär. Noch während des Urlaubs, den wir bei unserer Familie in Zaxo verbracht haben, hatte sie schon ein schlechtes Gefühl und mein Vater hat ihr gesagt, dass sie sicherlich etwas Schlechtes erwarten wird und das war auch so. Der Fernseher war weg. Die Playstation meines damals noch nicht verheirateten Bruders ebenso. Die eigentlich verschlossene Schlafzimmertür meiner Eltern war aufgebrochen und durchlöchert. Ob durch stumpfe Gewalt, mit derselben Brechstange, die für das Aufbrechen der Tür gebraucht wurde oder mit einer Waffe, weiß ich nicht. 10.000 € waren weg, der Goldschmuck meiner Mutter ebenso. Schon damals habe ich kaum darauf reagiert. Wie sollte auch ein so junges Mädchen handeln und denken? Das Zimmer, das ich damals mit meinen Schwestern geteilt habe, war unversehrt. Nur meine Bodysprays wurden mit dreckigen, verschmierten Fingern angefasst. Ich habe ihnen den Tod gewünscht. Das tue ich bis heute noch.
Ich decke die Objektträger seufzend mit Eukitt ein, als mir wieder der schwammige Moment einfällt, in dem mein Vater meine weinende Mutter auf dem Ehebett umarmt. Ich weiß nicht, ob ich vor der Tür stand und ihnen zugeschaut habe oder es im Vorbeilaufen auf den Weg ins Zimmer mitbekommen habe. Ich weiß nur, dass ich es niemals vergessen werde. Manchmal frage ich mich, wie ich all das hinnehmen konnte. War es schon damals so schlimm? Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich vieles verdrängt und vergessen. Das wäre zumindest ein guter und schlauer Zug meines Gehirns, um mich vor schlimmeren zu bewahren. Ich entspanne mich, als ich das Deckgläschen vorsichtig auf das mit Eukitt bedeckte, gefärbte Gewebe lege. Das ist meine liebste Aufgabe in der Pathologie neben des Befüllens der kleinen Wannen mit flüssigem Paraffin. Ich warte zufrieden, bis sich die Fläche vollsaugt und lege den Objektträger zu den sieben anderen. Das Problem ist, dass ich die letzten Tage schon so viel gemacht habe, dass ich jetzt schon fertig bin. Ich habe nichts mehr zu tun, aber ich will keinen Feierabend machen, weil es nicht einmal 18:00 Uhr ist. Ich will nicht in die Wohnung zurück. Ich will nicht schon vor der Haustür das Schreien und Diskutieren hören. Ich will nicht mehr. Ich habe keine Kraft mehr. Ich will nur noch fliehen. Am liebsten würde ich mein gespartes Geld benutzen und mir eine Wohnung anlegen. Dann habe ich meine Ruhe. Für immer. Ich habe keine Lust, gleich zu essen. Ich will nicht. Ich habe keinen richtigen Hunger, weil ich hier von den Kollegen gut versorgt werde. Ich will morgen nicht zur Arbeit kommen. Ich will nicht aufstehen. Ich will mich nicht fertig machen. Ich will nichts mehr.
Ich kann mich noch ein wenig mit dem Waschen der Küvetten und dem Anordnen der Reagenzien beschäftigen, aber um 18:15 Uhr wird mir leider mitgeteilt, dass ich nichts mehr tun muss und gehen kann. Hätte Dijan Zeit, würde ich mich jetzt mit ihr treffen, aber sie ist gerade im Unistress. Dann könnte ich ihr auch ihren Lipgloss zurückgeben. Das Wetter ist auf meinen Gemütszustand angepasst. Seit Tagen dominieren graue Wolken und regen meinen Morgen. Wenigstens habe ich noch die zwölf Grad, die mich nicht erfrieren lassen. Ich desinfiziere mir lustlos meine Hände, packe meine Flasche in meinen Jutebeutel und trotte die Treppen hinunter. Mein neues Asthmaspray hat eine höhere Cortisonkonzentration. Wenigstens bin ich das schmerzvolle Husten jetzt los. Ich muss es zwei Wochen zweimal täglich nehmen. Wer sagt denn nicht, dass mein unterdrückter Stress nicht auch ein Faktor dafür ist? Immerhin habe ich wieder Probleme, nachts komplett durchzuschlafen, weil ich plötzlich keine Luft mehr kriege. Ich habe keine Kraft mehr. Ich glaube, ich schreibe mich für morgen krank. Ich will nicht mehr. Ich habe keine Lust mehr auf dieses Leben. Meine Beine tragen mich nur schwer über die Stufen. Der Drang, den Rest der Woche zu schwänzen, ist immer verlockender, aber die Erinnerung an die Plage im Wohnzimmer hindert mich daran. Dann habe ich nichts, was mich ablenkt. Dann höre ich ihn die ganze Zeit. Dann höre ich meine Mutter die ganze Zeit. Die Musik wird mir auch nicht helfen, zumal ich das Lesen nur ohne jegliche Geräuschkulisse wirklich zulassen will. Wenn, dann muss die Musik leise laufen. Es ist immer wieder dasselbe. Es ist jeden Tag gleich.
Ich trete an die frische Luft. Ich habe nicht einmal die Kraft, den Blick anzuheben. Ich will liegen, aber ich will nicht schlafen. Und heute ist er auch nicht hier. Ich sehe ihn nirgends. Nicht einmal das darf ich heute in mein Leben lassen. Alles ist wie sonst auch und ich hasse es. Egal, ich will meine Laune nicht von ihm abhängig machen. Ich hebe seufzend meinen Blick an, öffne meinen Zopf und wuschele mir durch meine Haare. Die Phase, in der ich wieder Lust hatte, mich zurechtzumachen, hat sich auch wieder gelegt. Ich trage wieder meine schwarze Jogginghose und mein dunkelblaues, oversized T-Shirt unter meiner schwarzen Winterjacke, die mich ganz plötzlich auf das gefühlte Maximum erwärmt. Azad! Er ist hier! Ich halte in meiner Bewegung inne, als er durch das Tor läuft. Er ist tatsächlich hier! Er lächelt sanft, wirkt schon fast erleichtert, als er mich. Wenn er nur wüsste, wie ich mich jetzt fühle. "Endlich, Schneeflocke! Ich war vor deinem eigentlichen Feierabend vor der Tür, aber dann wurde mir gesagt, dass du in der Pathologie weiterarbeitest", sagt er am Ende sichtlich verwirrt. Er hat wirklich auf mich gewartet. Das versüßt mir wirklich meinen monotonen Tag. Ich nicke wortlos. Ich bin noch zu überwältigt von seiner Präsenz. Er ist wirklich wieder hier. "Ich dachte, du arbeitest in der Mikrobiologie." Auch jetzt nicke ich. "Ich mache freiwillige Extrastunden in der Patho." Aber hätte ich gewusst, dass du hier bist, hätte ich heute sofort Schluss gemacht. "Machst du auch Pausen?" Es freut mich sehr, dass er näher zu mir tritt - ich komme ihm sogar entgegen. "Ja, aber ich gehe nie raus." "Frische Luft muss sein, auch für Allergiker und Asthmatiker, Schneeflocke." Kann schon sein, aber ich habe nie Lust, zumal ich mich mit niemandem hier unterhalten will.
"Kann es sein, dass du wieder beim Lungenarzt warst?" Ich ziehe sofort meine Augenbrauen zusammen. Sein ansetzendes Laufen verrät ihn. "Stalkst du mich?" "Nein ... nicht so. Ich hatte die Tage kaum Zeit, nach dir zu schauen und ich musste wieder an dein starkes Husten denken. Und dann ... ich wollte nur sichergehen." Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Es ist zwar nett, aber es ist immer noch Stalking. "Außerdem habe ich ja immer noch nicht deine Nummer, mit der ich dich kontaktieren kann." "Du willst mir sagen, dass du Zugriff auf die Patientenakten hast, die bei 19 Facharztrichtungen sogar mehrmals vorliegen, aber nicht auf meine Nummer?" Als wir vor seinem Auto ankommen, presst er verräterisch seine Lippen aufeinander. "Das klingt jetzt paradox, aber ich wollte nicht zu weit in deine Privatsphäre dringen." Ah, natürlich. Absolut logisch. Ich nicke nur ungläubig. "Es wäre mir nur lieber, wenn du mich anschreiben würdest. Sollte es zu einem Notfall kommen und ich bemerke, dass du in Gefahr bist, orte ich dich sofort, aber solange würde ich einfach hoffen und beten, dass du mir schreibst." Ich hatte es oft im Kopf, aber ich habe mich nie überwinden können. "Kommt noch sicherlich", murmele ich. "Hört sich sehr zuversichtlich an. Ich hoffe, es kommt bald. Hast du gegessen?" "Kekse und so." "Als Nachtisch hoffe ich doch." Ich lehne mich mit meinem verstohlenen Schmunzeln an die Beifahrertür, wohl wissend, dass wir jetzt essen gehen werden. Ich will mit ihm essen gehen. Ich will nicht nach Hause. Ich brauche mehr von dem plötzlichen Dopamin. Sein Kopf schüttelt sich tadelnd. "Du gehst immer zum Arzt, wenn was nicht stimmt, aber ernährst dich nicht gesund? Schneeflocke, als angehende Ärztin musst du doch wissen, was gut und was schlecht ist." Angehende Ärztin ... wie schön es sich anhört. Mein Lächeln wird sanfter. Das wäre ein Traum. Ein Traum, der in Erfüllung gehen kann.
"Komm, steig ein. Was möchtest du essen?" "Mir egal. China-Nudeln?" Seine auffordernde Hand in Richtung der Tür ist das unausgesprochene Ja dafür. Wir gehen also Nudeln essen. Wenn er nur wüsste, dass mein Verdauungstrakt gar nicht mit den Nudeln klarkommt. Ich mag sie trotzdem. "Wie war die Arbeit?", erkundigt er sich. Ich mache wieder Überstunden, um meinen Problemen zu entkommen. "Angenehm und bei dir?" "Einige Telefonate, zwei Besuche von Kooperationspartnern. Ich musste mich durch eine Anleitung auf Englisch durchquälen. Nicht, dass ich die Sprache nicht beherrsche, aber auf Deutsch ist es mir immer lieber." "Kenne ich. Ich warte auch viel lieber mehrere Monate, bis das Buch auf Deutsch übersetzt wurde, als es auf Englisch zu lesen. Ist angenehmer." "Du weißt, was gut ist, Schneeflocke. Die nächsten Tage treffe ich mich mit den Programmierern. Wir haben jetzt so weit eine sehr gute Skizze für den Sensor der Nano-Pumpe und müssen schauen, inwieweit es umsetzbar ist. Die Forschergruppe aus Kanada wird dann die nächsten Monate eingeladen, um hier dann mit ihren Untersuchungen zu beginnen." Klingt aufregend. Ich bin beeindruckt. "Hört sich sehr vielversprechend an." "Ist es auch, Schneeflocke. Ich kann es kaum abwarten, das erste fertige Stück in meinen Händen zu halten. Ich behalte immer das allererste fertige Produkt. Eine kleine Sammelleidenschaft." Süß. Ich muss lächeln. "Sammelst du etwas, Schneeflocke?" "Medizinische Produkte und Bilder von mikroskopischen Herzen. Immer, wenn ich eine herzförmige Struktur finde, mache ich ein Foto." Er lächelt amüsiert. "Und wie viele hast du?" Da seufze ich überfordert. "Gute Frage. Sind mehr als 150 auf jeden Fall." Heute habe ich die Möglichkeit durch meine Lethargie versäumt.
Wir treten in das kleine Restaurant ein. Ich weiß schon, was ich nehme: Garnelenbox und noch 8 Mini-Frühlingsrollen. Beides mit Süßsauer- und Erdnusssoße. "Für mich das Gleiche. Mit Karte bitte." Während er nach seinem Portmonee greift, ziehe ich meine schon hervor, als er plötzlich meine Arme auf meinen Rücken dreht. Ich keuche erschreckt auf. Was zur Hölle macht er da?! Die Mitarbeiten zieht überrascht die Augenbrauen hoch. Mir wird eiskalt. Ich spüre seinen Oberkörper an meinen Rücken gepresst, merke die Bewegung seines Arms. Mein Herz rast. "Ich lasse meine Ehefrau niemals bezahlen, Schneeflocke", raunt er. Ich zucke überfordert zurück. Mir wird wieder ganz warm. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, dass er sich an mich drückt. Ich weiß nicht, ob ich deshalb sauer werden soll, aber ich erschaudere trotzdem unwohl. Seine Hand drückt meine Wangen zusammen, als er die Karte vom Lesegerät nimmt. Genug! Ich drücke mich von ihm los. Ich bin nicht sauer, aber ich fühle mich trotzdem ernüchtert. Ich gehe überfordert zum Kühlschrank. Wir haben keine Getränke bestellt, aber ich kann es ja gleich zahlen. Ich will mich setzen. Mein Bein wippt, als ich auf dem Stuhl zur Ruhe kommen will. Ich erschaudere ein zweites Mal. Es ist unerklärlich für mich, dass mein Erschaudern abbricht, als ich seine Hand auf meiner Schulter spüre. "Alles in Ordnung?" Meine Schultern zucken wahrheitsgemäß. Ich bin ein wenig überfordert, mehr nicht. "Passt schon." Paradoxerweise hatte der Moment etwas extrem Intimes an sich. Jetzt, wo ich es Revue passieren lasse, bin ich ein kleines bisschen angetan davon, auch wenn es mir nicht gefällt, dass er so plötzlich hinter mir stand. "Ich wollte deine Grenzen nicht überschreiten, Schneeflocke", beteuert er, als er sich vor mir niederlässt. "Du kamst mir aber ziemlich nah." "Ich weiß, aber ... keine Ahnung. Nenn es hingezogen fühlen." Hingezogen fühlen. Er fühlt sich zu mir hingezogen.
Keine Ahnung, wie ich darauf reagieren soll. Es schmeichelt mir ja, dass sich ein so hübscher und erfolgreicher Mann zu mir hingezogen fühlt, aber irgendwie wirkt es so falsch, eine andere Verknüpfung für mein Trauma zu haben ... aber einerseits ist es das Beste, was mir passieren kann. Keine Ahnung. Ich will es vergessen. "Ist das so dein Ding? Andere zu dominieren, wenn es nicht so läuft, wie du es möchtest?" Seine breiten Schultern zucken. "Schon." Das passt mir nicht. "Nicht bei mir", gebe ich warnend von mir. Ich will nicht in meinem Tun aufgehalten werden. Niemals. Ich will nicht kontrolliert werden. "Werde ich nicht, Schneeflocke. Wie ich dir schon gesagt habe, behältst du all deine Rechte. Ich greife nur ein, wenn es gefährlich wird." Wenn er meint. Ich ziehe mir die Jacke aus, weil ich nicht weiter darüber reden will. Er hat seinen Mantel heute gar nicht an oder er liegt im Auto. Gut möglich. Seine Ärmel sind wieder hochgekrempelt, weshalb ich wieder einen so guten Ausblick auf seine breiten Unterarme habe. Ich erkenne das Emblem der Audemars Piguet auf dem Ziffernblatt. Lustigerweise muss ich daran denken, wie der Junkie gefälschte Rolex und Uhren der Marke um sein Handgelenk verkauft hat. "Wann möchtest du wieder schießen?", fragt er mich. Ich hebe den Blick träge von seiner Uhr. "Keine Ahnung." "Diese Woche noch?" Ich würde gerne, aber ich will meine Mutter nicht allzu sehr alleine mit diesem Junkie lassen, auch wenn ich nur stumm im Zimmer bleibe. Es gibt mir trotzdem das Gefühl, für sie da zu sein, vor allem, da sie dann mehr Redebedarf hat, wenn er dann mal endlich weg ist. Außerdem weiß ich nicht, ob mein Vater diese Woche wieder früher nach Hause kommt durch seinen gesundheitlichen Zustand, sodass sie ihn als schützende Konstante hat. Ich weiß es nicht.
"Ich kann es dir nicht sagen." So gerne ich auch mit ihm ausgehen würde, damit ich weg vom Chaos komme, traue ich mich jetzt nicht, allzu weit weg zu sein. Ich will wirklich davor fliehen und auch schöne Erinnerungen endlich sammeln, aber meine Lage lässt es nicht zu sehr zu. Außerdem weiß ich nicht, ob ich ihn damit ausnutze oder nicht. Obwohl ... nein, es wäre kein Ausnutzen. Er möchte mit mir ausgehen und ich möchte es. Es ist einfach nur kompliziert. "Hast du Termine? Soll ich dich irgendwohin fahren?" Ich verneine es kopfschüttelnd. Ich muss heute wieder schauen, ob der unfähige Hausarzt meiner Eltern nicht schon wieder einen Fehler gemacht hat. Erst durch mein Anmerken, der fehlenden Cholesterinsenker hat er auch das Rezept ausgestellt. Meine Mutter war wieder da und ich fordere immer eine Kopie der Briefe. Sie ist nur bei ihm, weil sie dann keinen Übersetzer braucht. Es ist praktisch, dass sie Arabisch sprechen kann, aber hier sieht man eine deutliche Kontraproduktivität. "Du erscheinst mir wieder so verschlossen. Liegt es an meinem Verhalten?" "Nein", hauche ich. Sein Verhalten ist gerade das einzige Licht in der Monotonie meines Herzes. "Sicher, dass es nicht am Körperkontakt liegt?" "Wirklich", versichere ich ihm. Meine Augen schauen fest in seine. Meine Probleme haben nichts mit dir zu tun. Deine Anwesenheit rettet mich oftmals an das Denken an sie. "Ich muss mich nur um einige Sachen kümmern. Mehr nicht." "Kann ich behilflich sein?" Ich verneine es. Ich will ihm nichts von den Problemen erzählen, auch wenn er durch meine Frage damals weiß, dass ein ich und ein Junkie denselben Haushalt teilen.
Uns werden unsere Nudeln und die Frühlingsrollen gebracht. "Isst du oft diese Nudeln?" "Nein, eher die Frühlingsrollen." Ich mische mit der Gabel die Nudeln gut durch, als ich die frittierten Garnelen zur Seite packe. "Kannst du dir nichts auf die Arbeit bestellen für die Pause?" "Könnte ich, aber ich will nicht." "Wieso denn, Schneeflocke? Du musst doch etwas essen." "Ich esse Kleinigkeiten." Oftmals habe ich wirklich keine Lust, mir etwas zu bestellen, auch wenn ich in Gedanken ein ganzes Festmahl verspeise. Sein Blick zeigt sanften Tadel ... ich mag diesen Blick. Mein Bauch kribbelt ungewöhnlich. "Das ist aber nicht gut so." Es ist wirklich verdammt erfrischend, mal jemanden zu haben, der nicht sagt, dass es mir hilft, abzunehmen, wenn ich fast den ganzen Tag kaum etwas esse - mal abgesehen davon, dass ich kein Stück deshalb abgenommen habe. Nicht, dass seine Familie auch so ist. Das ist nämlich ein giftiges, weit verbreitetes Gen bei Kurden, habe ich das Gefühl. "Passt schon", erwidere ich planlos. Ich mag es, dass er so nett ist, aber andererseits will ich ihn deshalb wieder von mir stoßen. Ich muss mich zusammenreißen! Ich will mich ablenken. Er soll mir irgendetwas erzählen, damit ich nicht auf dumme Gedanken komme. "Was habt ihr bis jetzt denn entwickeln können?" Sofort hebt sich sein Blick von seinen Nudeln, die er im Gegensatz zu mir noch nicht angerührt hat. Er setzt sich sofort gerade auf, mimt mit seinen angewinkelten Armen den typischen Geschäftsmann mit eisblauen Augen.
"Ich weiß nicht, ob Microarray dir etwas sagt, aber wir haben welche entwickelt." Als ob! Meine Augen weiten sich. Dieser kleine Test, der gut zwanzigtausend Euro kostet?! "Daran hast du mitgewirkt?", frage ich fast ungläubig. "Zum Teil. Ich habe mit einigen Forschern und meinen Brüdern ein Gebärmutterhalskrebs-Target hinzufügen können und bald auch ein Brustkrebs-Target." "Heftig!", platzt es aus mir. Das ist beeindruckend. Das ist überwältigend. Durch einen Tropfen Blut kann man mit dem Chip ermitteln, ob man die Veranlagung für Leukämie zum Beispiel hat. Ich könnte in ein Taschentuch rotzen und würde daraufhin, nachdem mein Schnodder gereinigt wird, herausfinden, ob ich irgendwelche Unstimmigkeiten irgendwann in meinem Leben entwickeln kann. "Das ist es, Schneeflocke. Irgendwann konnte ich die ersten fünfzig bis hundert Basenabfolgen schon auswendig. Das waren lange Nächte, die wir daran saßen", schmunzelt er. "Kann ich mir vorstellen!" Ich bin hin- und hergerissen. Wow, einfach wow! "Wann es hier in Deutschland richtig Fuß fassen kann, steht noch nicht bekannt, aber die überreichen Amerikaner, Chinesen und Araber geben uns genug Geld, damit sie wissen, ob in ihrer Familie auch alles gut ist." Ich bin immer noch umgehauen vom Fakt, dass er einen so beeindruckenden Teil zur Wissenschaft beiträgt. "Wollt ihr auch etwas in Richtung Protein-Microarrays machen?" "Das steht aktuell nicht auf der Liste, aber wenn du mir genug Inspiration gibst, wird es Avin-Microarray heißen", erwidert er mit diesem hinreißenden Lächeln auf seinen Lippen. Ich kann gar nicht anders, als verlegen zu grinsen.
Er führt sich erst jetzt die erste Portion Nudeln zu seinen schönen Lippen. Ich bin gespannt, wie er sie findet, denn bis jetzt kommt keine Reaktion. "Und?", nuschele ich kauend. "Ist gut." "Sicher?" "Ich bin kein wählerischer Mann, Schneeflocke. Mir schmeckt alles, solange es keine Auberginen sind. Wenn es meiner Frau schmeckt, schmeckt es mir." Wenn es meiner Frau schmeckt ... aber wir lieben uns doch nicht einmal. Wie kann er es so locker sagen? "Wie kommt dir die Betitelung eigentlich so leicht über die Lippen? Wir sind ja nicht einmal wirklich zusammen und wirklich lieben tun wir uns-," "Ich bin besitzergreifend." Ich zucke verdutzt zurück. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er mich unterbricht und vor allem nicht so ernst. So verdammt ernst. Schon fast streng. Ich lasse die Gabel langsam sinken, zu verdutzt von dem plötzlichen Launenumschlag. Auf seinem Gesicht sehe ich keine Belustigung mehr. Nein, pure Ernsthaftigkeit. "Ich will dich, Avin. Ich will dich als Frau und ich tue alles dafür, dich als Frau zu haben." Ich warte einen Moment lang mit zuckenden Mundwinkeln, dass er doch einen Scherz macht, aber so ernst wie er mich anschaut, wird mir schon warm. Ich traue mich gerade nicht einmal, meine Nudeln weiter zu essen. "Du hast mein Interesse geweckt und deshalb nutze ich alle Möglichkeiten, Zeit mit dir zu verbringen. Du gefällst mir. Verdammt gut sogar. Ich denke in meiner Freizeit an dich und will dich in mein Leben integrieren und mir kommt jeder Tag wie eine Qual vor, in der du dem Angebot nicht zustimmst." Ich ... ich bin baff. Schon wieder. Was soll ich darauf antworten?
"Ist das nicht etwas zu voreilig von dir?" "Nein." Oh ... okay. Meine Mundwinkel zucken. "Na ja ... aber wir kennen uns doch nur-," "Avin", setzt er ermahnend an. Er warnt mich gerade tatsächlich! Ich schrecke immer verdutzter, immer verwirrter zurück. "Ich will dich." Oh Gott, es zieht im Unterleib! Mein Bauch kribbelt. Mir ist warm. Mein ganzer Körper springt auf seine drei Worte an. Das ist zu viel. Wenn er nur wenigstens seinen Blick abwenden würde, damit mir nicht so unangenehm heiß wird! "Ich will dich und ich begehre dich und es ist mir scheißegal, dass wir uns nur einige Wochen kennen. Mir hat es schon gereicht, als du mit deinem Taschenmesser vor mir auf den Boden gefallen bist." "Oh Gott", flüstere ich überfordert. Ich will mich ablenken. Ich muss mich ablenken, aber ich kann mich gerade kaum bewegen. Jede Bewegung, die ich irgendwie ausführe, fühlt sich so amateurhaft und unangenehm an. "Ich ... keine Ahnung, was ich dazu sagen soll", murmele ich dann schlussendlich. Ich weiß nicht, wie ich sonst aus dieser unangenehmen Stille rauskommen soll. "Du musst nichts sagen. Ich lasse dir die Zeit, die du brauchst, auch wenn ich mir wünsche, dass du sofort zusagst. Ich gebe dir die Zeit und nötige Überzeugung." Nötige Überzeugung. Ich will fast loslachen, als ich dann durch seinen mich nicht loslassenden Blick an den Wahrheitsgehalt erinnert werde. Er will mich. Er will mich tatsächlich. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Das ist so neu. So frisch.
"Ich weiß nicht, wie ich dich noch davon überzeugen soll, mich zu heiraten. Soll ich dir jetzt beweisen, dass ich deine Wünsche in die Tat umsetze? Willst du an der staatlichen Uni hier studieren oder an einer staatlich anerkannten Privatuniversität?" "Staatliche hier. Ich will mit meiner Freundin auf dieselbe Uni gehen." Das wäre wunderbar. "Dann könntest du erst zum Wintersemester anfangen." "Mir egal. Hauptsache ich komme weg von der Zeitverschwendung." Ich bin es leid. Drei Jahre habe ich diese Ausbildung mit den penetrantesten Menschen durchgekaut und jetzt ein Jahr danach habe ich immer noch keine Zusage bekommen. Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Ich will doch einfach nur das tun, was ich möchte. Es soll wenigstens eine Sache in meinem Leben glattlaufen. Ich esse meine Nudeln stumm weiter, genieße aber mehr die Frühlingsrollen und frittierten Garnelen wegen der knusprigen Ummantelung. Frittiert und knusprig schmeckt alles besser. Wirklich alles. Ich werde langsam voll, schaffe es aber sicher noch, den Teller zu leeren. "Magst du deine Gerichte immer voller Soße?" "Das muss sein. Ich mag mein Essen nicht trocken. Lieber habe ich zu viel Soße als zu wenig." Wenn ich zu viel Soße habe, kann ich es ja zum Beispiel von den Pommes kratzen, aber habe ich zu wenig auf meinen Pommes, muss ich sparsam mit dem Klecks umgehen und habe mehr Trockenheit im Mund als Genuss. Ich beende den Gedanken daran, als meine Mutter mich anruft.
"Ja?"
"Avin ... wo bist du?" Ihr Seufzen sagt alles. Meine Schultern fallen.
"Essen, wieso?"
"Kannst du kommen? Er lässt mich nicht in Ruhe. Ich halte es nicht aus. Seit heute Morgen will er Geld von mir und dein Vater ist noch auf der Arbeit. Ruf bitte die Polizei, ich halte das nicht mehr aus!" Ich bemerke, wie ich wieder in die Watte falle, die mich nichts mehr fühlen lässt.
"Komme sofort." Es war so klar, dass ich nicht allzu lange meine Ruhe haben kann. Ich wusste, dass es passieren wird.
Ich lege auf, als ich aufstehe, um die Toilette aufzusuchen. "Ist alles in Ordnung?" "Ja, ich muss nur nach Hause", gebe ich neutral von mir, bevor ich hinter der Tür verschwinde. Er weiß nicht, dass der Junkie bewusst wartet, bis alle aus der Wohnung sind, sodass meine Mutter durch ihre schwachen Deutschkenntnisse alleine ist und sie die Polizei nicht rufen kann. Den Notruf habe ich schon gewählt und kaum höre ich die einleitende Begrüßung, nenne ich schon wie programmiert die Postleitzahl, Straße und bitte um zwei Kollegen, die einem Junkie, der leider mein Bruder ist, einen Platzverweis zu erteilen. Zu sagen, dass er ein Kokainabhängiger ist, bringt nichts, weil er nur für den Besitz verhaftet werden kann und nicht für den Konsum. Meine Stimme kommt mir jedes Mal fremd vor, wenn ich mit dem Mitarbeiter am Hörer spreche. Als ich das routinemäßige: Ich schicke die Kollegen los höre, weiß ich, dass sie in fünfzehn bis zwanzig Minuten vor unserem Block sind. Die Junkies werden sich wieder in ihren Löchern verstecken. Ich laufe ohne fühlbare Emotionen zurück zum Tisch. Er hat die Reste in eine Box packen lassen und wie es den Anschein hat, ist es für mich. Ich habe aber keinen Hunger mehr. Ich habe keine Energie mehr. Ich ziehe mir nur wortlos die Jacke über und nehme die Glasflasche zur Hand, damit ich sie im Auto austrinken kann. "Du kannst die Nudeln haben. Ich habe keinen Hunger mehr." "Du kannst sie doch später vielleicht essen." Ich verneine es kopfschüttelnd. "Bin satt. Danke dir." Ich will einfach nur nach Hause und bei meiner Mutter sein. Den letzten Tropfen der Colaflasche hätte ich nicht trinken müssen, aber ich nehme die Flasche als potenzielle Waffe für den Fall der Fälle mit. Ich halte sie die ganze Fahrt über fest in meiner Hand, bin die Ruhe selbst, auch wenn ich weiß, dass es nur ein Schein ist. Ich fahre runter, um mich nicht zu belasten, weiß aber, dass es sich auf meinen Körper und meine Psyche im Nachhinein auswirkt.
Mein Magen zieht sich zusammen, als ich den blauen Wagen vor der Tür sehe. Sonst lassen sie sich mehr Zeit, wieso dann nicht heute? "Was ist passiert?", fragt er mich und auch wenn er eine ganz normale Frage gestellt hat, reizt er mich. Ich werde ihm nicht antworten. Ich werde sauer, weil er den Einsatzwagen sieht. "Keine Ahnung. Danke fürs Abholen und bringen. Wir sehen uns." Ich schaue ihn nicht einmal an, als ich aussteige und ich habe nicht einmal den Kopf, zu bemerken, wann sein Motor wieder aufschnurrt. Ich konzentriere mich einzig und alleine auf den großen Mann in Polizeiuniform und die zwei kleineren Frauen daneben. Perwin schildert, was los und kaum sieht sie mich, drehen sich auch die drei Beamten zu mir. Es beginnt wieder von vorne. Alles ist wieder gleich. "Schickt ihn einfach weg. Er wohnt hier nicht. Er macht Ärger. Er belästigt die Nachbarschaft mit seiner lauten Stimme. Platzverweis. Jetzt." Ich habe keine Lust. So sehr ich gegen die Polizeigewalt bin, möchte ich nur einmal miterleben, wie sie an diesem versifften Junkie angewendet wird. Sie treten hinein und finden ihn rauchend in der Küche. Wie immer. Und wie immer redet der männliche Beamte mit ihm, als würde der ausgekackte Solariumgänger auf dem Küchenstuhl nicht wissen, was jetzt passiert. Als würde die ganze Wache nicht wissen, was hier los ist. "Sie scheinen hier Ärger zu machen, Herr Benas. Wir müssen Sie einmal bitten, mit uns zu kommen." Ihnen wird ein Platzverweis erteilt. Befinden Sie sich innerhalb 24 Stunden hier in diesem Gebäude oder vor der Tür, werden wir sie mit aufs Revier nehmen. Ich kenne es schon in- und auswendig.
Ich betrachte ihn kein einziges Mal, als er sich erhebt und vom Polizisten raus begleitet wird. Ich bin froh, dass er weg ist, aber ich weiß, dass er wiederkommen wird. Wie immer. Es ist immer so. Die Tür fällt ins Schloss. Pelin und Avdar stehen stumm im Flur. Meine Mutter geht seufzend zurück ins Wohnzimmer und ich verlasse Perwin, die immer noch am selben Fleck stehen bleibt. Ich habe keine Kraft, mir all das anzutun. Ich will nicht. Ich kann nicht. Ich muss mich aufraffen, um mir ein Buch rauszunehmen, um es zu lesen. Ich nehme wieder eins von Helan, weil ich mich nicht konzentrieren könnte, ein neues Buch zu lesen. Wenn ich daran denke, morgen wieder früh im Labor zu sein, acht Stunden dort zu sitzen und am Ende doch in die Überstunden fliehen, weil ich nicht nach Hause will, nur um mir dann wieder im Bett den Kopf zu zerbrechen, ob ich diesen Samstag doch wieder die ehrenhafte Mitarbeiterin spielen soll, die doch kommen möchte. Würde ich nicht dafür extra vergütet werden, durch den extremen Personalmangel, würde ich es nicht einmal halb so gerne in Erwägung ziehen. Ich bin in diesem ständigen Hin und Her des grauen Wassers, das mich nicht nässt. Es klebt unangenehm an mir, wenn ich es dann einmal spüre. Es ist ein Teil des Strudels, der mich nicht loslassen will. Ich habe keine Lust mehr. Ich habe keine Kraft mehr. Ich sage mir immer öfter, dass ich mein Leben hasse.
Und obwohl ich Allah vertraue, weiß ich nicht, wie lange ich noch die Geduld und Hoffnung in den Schottern meines Herzes tragen kann.
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Trigger-Warnung für das nächste Kapitel.
- Helo
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