28 | Ausreißer
Der Rest des Tages war Nerven aufreibend. Draco und Maisie ließen mich nicht aus den Augen und fragten alle Nase lang, ob alles okay wäre.
Nach einem kurzen Blick in den Spiegel auf dem Mädchenklo in der dritten Stunde konnte ich es ihnen nicht mehr verübeln - Ich sah aus wie ein Wrack. Meine Haare hingen strähnig herunter, meine Augen waren stumpf und meine Haut war noch blasser als sonst. Was hatte ich auch anderes erwartet? Nach diesem Jahr, und es war ja nicht mal vorbei, war das kein Wunder.
Ich versprach ihnen, dass ich diese Nacht früh ins Bett ging, obwohl ich wusste das ich das nicht tun würde, morgen früh würde ich sogar noch katastrophaler aussehen als heute, denn dann hatte ich bereits zwei Mal von dem giftigen Seetang gegessen.
Mehrmals überlegte ich es ihnen zu erzählen, einfach zu erzählen, was ich vor hatte und mich dann von ihnen überreden zu lassen es nicht zu tun. Es wäre so einfach, doch ich wusste, dass einfach nie das richtige war. Es hatte einen Grund, dass diese Kerze in dieser Nacht in diesem Gang stand und auch wenn ich glaubte, dass der Zauberer der mich zu dem Buch geführt hat kein guter Mensch war, war es zu etwas gut.
Am Abend hielt ich mein Wort und ging früh ins Bett, ich nutzte die Gelegenheit, dass ich allein im Schlafsaal war, um mich umzuziehen und komplett angezogen unter die Decke zu schlüpfen. So lief ich nicht Gefahr später jemanden zu wecken, denn im Schlafanzug würde ich mich den Zwillingen nicht zeigen und barfuß würde ich auch nicht nochmal gehen.
So lag ich also da, in Jeans und einem alten Bandshirt unter der viel zu dicken Decke und starrte hinauf in den Balldachin. Mir war heiß und es fühlte sich komisch an mit Schuhen im Bett zu sein, doch ich traute mich nicht die Decke wegzuziehen, vor allem Maisie durfte das hier nicht sehen.
Sie würde Draco holen und sie würden mich begleiten wollen oder es mir ausreden und beides kam nicht in Frage.
So langsam war ich wirklich froh, dass ich die Zwillinge an meiner Seite hatte, sie halfen mir und stellten keine Fragen, jedenfalls keine die mich groß aufhielten. Vielleicht hatte Maisie recht gehabt und ich brauchte den Kontakt zu anderen Menschen dringend.
Langsam kamen die ersten Mädchen hoch, unter anderem Pansy, schnell schloss ich die Augen und tat so als würde ich schon schlafen.
„Lilith? Ey Potter? Bist du wach?" Das war ihre Stimme, ich würde sie auch aus fünf Kilometer Entfernung identifizieren können. Ich presste die Lippen zusammen und zwang mich ruhig und gleichmäßig zu atmen.
„Gut, sie schläft. Also, irgendeine Idee wie wir das hinbekommen?"
Hinbekommen? Was heckte Pansy aus?
„Keine Ahnung, sie steht doch unter Dracos Schutz, wie hast du dir das überhaupt vorgestellt? Er bringt dich um wenn er das erfährt." Diese Stimme konnte ich nicht bestimmen.
„Er ist mir völlig egal, er wird sauer sein, ja, aber gefährlich? Nein. Sie selber ist das Problem, ihr habt doch gesehen was sie mit dem Drachen gemacht hat, wollt ihr der Drache sein? Also ich nicht." Pansy lachte kurz auf, wurde dann aber wieder ernst.
„Wir müssen sie zerstören, sie fertig machen, okay? Sie muss so erledigt sein, dass sie sich gar nicht mehr wehren kann! Und ich weiß auch wie wir das hinkriegen."
Ich hörte wie sich jemand auf ein Bett fallen ließ.
„Und wie?" Die Stimme klang nicht sehr motiviert.
„Die Presse. Der Tages Prophet ist quasi überall und nirgendwo, wir fädeln eine kleine Geschichte ein, aus der sie sich nicht mehr raus reden kann, eine Geschichte so schlimm, dass sie glaubwürdig, aber trotzdem skandalös ist. Jeder muss sie hassen, sie muss aus dem Turnier fliegen und leider verstößt sie auch noch gegen irgendwelche Vorschriften und erhält den Verweis. Damit nehmen wir ihr alles, ihre Ehre, ihr Zuhause, ihre Freunde, einfach alles!"
Mir wurde schlecht, ich versuchte irgendwie weiter entspannt zu atmen, doch alles in mir verkrampfte sich. Was auch immer diese Geschichte sein sollte, ich musste es verhindern.
Ich lag noch eine halbe Ewigkeit mit geschlossenen Augen da und wartete darauf, das alle schliefen, meine Gedanken rasten und gingen jede mögliche Geschichte durch, die Pansy einfädeln könnte, doch keine war so schlimm, dass sie den von ihr gewünschten Effekt haben würde.
Als ich mir sicher war, dass keiner mehr wach war, schlug ich endlich die Decke zurück und stand mit angehaltenem Atem auf. So leise es in den Converse möglich war tappte ich hinaus und atmete erst wieder auf, als ich den Gemeinschaftsraum verließ. Das alles fühlte sich an wie ein Deja-Vu und mir graute es, als ich an die einsame Kerze in der Verbotenen Abteilung dachte. Schnell schüttelte ich den Gedanken daran ab und und machte mich auf, um die Zwillinge zu treffen.
Als ich um eine Ecke bog, sah ich, dass George allein war.
„Wo ist Fred?" Fragte ich leise und er zuckte die Schultern.
„Er hängt bei Angelina rum, sie hat ihm den Kopf verdreht, du musst mit mir vorlieb nehmen."
„Das wird mir nicht schwer fallen." Erwiderte ich ohne groß nachzudenken und er hob eine Augenbraue.
„Ach echt?"
Jetzt zuckte ich die Schultern.
„Kümmern wir uns doch ums Wesentliche, lass es uns schnell hinter uns bringen."
Ich ließ ihn vorlaufen und blickte mich die ganze Zeit nach hinten um, seit gestern war mir das Schloss bei Nacht nicht mehr wirklich geheuer und jetzt wo ich wusste, dass Pansy vorhatte mich zu boykottieren, war ich noch vorsichtiger geworden.
„Uns folgt keiner, entspann dich." Sagte George plötzlich und ich spürte wie ich rot anlief, er hielt mich wahrscheinlich für ein paranoides, braves Mädchen, dass nie die Regeln brach und sich jetzt ins Hemd machte, dabei war das mit den Regeln mein kleinstes Problem.
„Und woher willst du das so genau wissen?" Fauchte ich nervös zurück, doch er lachte nur leise auf.
„Weil hier unten nie jemand ist, ich glaube die Lehrer denken, dass es nachts zu gruselig in den Kerkern ist, als dass hier jemand umherstreifen könnte, aber da irren sie sich. Ich meine wir sind hier! Und hin und wieder auch andere, aber die würden uns ja nicht verfolgen oder verpetzen."
„Genau die sind ja meine Sorge ..." Murmelte ich mehr zu mir als zu ihm, doch er sah mich schräg über die Schulter hinweg an.
„Ich dachte du hast Schiss erwischt zu werden."
Ich seufzte auf. „Das wäre auch nicht so toll, aber jetzt auch nicht weiter schlimm, ich mache mir eher Sorgen wegen Mitschülern die uns sehen könnten."
Er grinste. „Warum? Denkst du sie könnten denken, dass wir was Unanständiges tun?"
Ich verdrehte die Augen, war ja klar.
„Nein, nein, dass denke ich nicht, aber ..."
Aber Pansy würde sicher davon hören und dieser Ausflug würde zum Teil ihrer Geschichte werden. Doch das würde ich George nicht erzählen, ich hatte ihm und Fred schon zu viel von meinen Sachen gesagt.
„Aber?" Hakte George neugierig nach, doch ich schüttelte nur mit einem kleinen Lächeln den Kopf und sah zu Boden.
„Nicht so wichtig."
Er fragte nicht weiter nach, aber ich spürte, das er darüber nachdachte.
Plötzlich blieb er stehen und deutete auf einen modrigen Wandteppich, ich runzelte die Stirn.
„Da wären wir."
„Das sind seine sagenumwobenen Vorräte?"
Er zuckte mit den Schultern und schob den Stoff bei Seite, dann zückte er den Zauberstab und murmelte irgendwelche Beschwörungen, dann machte es leise Klick und die Wand schwang auf. Ich schüttelte den Kopf, auch ohne die Schutzzauber hätte ich ein Problem gehabt, denn ich wäre vermutlich einfach daran vorbeigelaufen.
Vor uns erstreckte sich ein kleiner Raum, der so vollgestopft mit Fläschchen, Gläsern, Ampullen und anderen Behältern war, das man meinen könnte, alle Kräuterläden der Winkel- und Nocturngasse hätten hier ihren Lagerraum.
Mir klappte der Mund auf.
„Das ist der Wahnsinn!"
George sah sich nervös um und zog mich dann rein und schloss die Tür.
Wir standen uns Brust an Brust gegenüber, ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht.
„Hey." Sagte er leise und ein bisschen heiser und lachte ein wenig, ich lächelte auch und hoffte, dass er nicht merkte wie schnell mein Herz schlug.
„Also," sagte ich etwas lahm, „wo sollen wir danach suchen?"
„Zuerst stelle ich kurz das Veritaserum wieder zurück, damit ..."
„Warte!" Unterbrach ich ihn und riss ihm die beiden Fläschchen aus der Hand, weil mir da grade etwas einfiel. Wenn Pansy diese Geschichte tatsächlich hinbekam und man mich rausschmeißen wollte, könnte ich sie so zu einem Geständnis zwingen.
„Wozu brauchst du die?" Er sah mich mit einem strengen Blick an und ich lächelte geheimnisvoll.
„Man weiß ja nie."
Er grinste und suchte den Raum mit seinem Blick ab, ich tat es ihm gleich.
Es war zwar alles beschriftet, aber wirklich Ordnung konnte man das nicht nennen, ich fragte mich, wie Snape je etwas wieder fand.
Nach einer guten Viertelstunde fanden wir eine Abteilung mit Wassergewächsen, die aussahen wie Korallen und Seetang und anderer Kram.
George stieg auf eine gefährlich knarzende Leiter und kletterte sie empor, oben unter der Decke begann er in den Gefäßen zu wühlen bis er irgendwann ein triumphierendes „Hah!" von sich gab und wieder herunter kam.
Er drückte mir eine mittelgroße Glasdose in die Hand, in der eine beachtliche Menge des Seetangs war, den ich suchte.
„Perfekt!" Sagte ich und klemmte sie mir unter den Arm.
„Nichts wie raus hier." Sagte George und schob die Wand auf. Draußen checkte er kurz ob die Luft rein war, stieß die Wand wieder zu und zog den Wandteppich wieder davor.
„Alles klar, jetzt raus an den See!" Flüsterte er und ich nickte.
„Ja, aber du musst nicht mitkommen."
Er sah mich beleidigt an.
„Machst du Scherze? Das wird lustig, komm mit!"
Wir schlichen uns aus den Kerkern in die Eingangshalle, vorbei an dem riesigen Tor, das bei Nacht natürlich fest verschlossen war.
Er führte mich ein paar kleine Gänge entlang bis hin zu einer kleinen, unscheinbaren Holztür, von der ich erwartete, dass dahinter eine weitere Besenkammer war, doch sie gab den Blick auf den langen, düsteren Tunnel frei.
Er ließ mir den Vortritt und gemeinsam quetschten wir uns durch die enge Öffnung. Es roch nach Erde und Schnee, die Wände waren dreckig und mir lief Schweiß den Rücken runter.
„Woher kennst du nur all diese Geheimgänge und Verstecke?" Fragte ich ihn gedämpft und er lachte.
„Dein Vater."
Abrupt blieb ich stehen und er lief in mich hinein, ich verlor das Gleichgewicht und purzelte zu Boden.
Von dort aus sah ich ihn entsetzt an, er stand über mir, mit einem kleinen, wissenden Lächeln und hielt mir seine Hand hin.
Ich ergriff sie und rappelte mich auf, die Glasdose war, Merlin sei Dank, heil geblieben.
„Von meinem Vater? Aber wie ..." Setzte ich völlig verwirrt an, doch er schob mich voran.
„Gleich, okay? Erstmal raus hier."
Bis zum Ende des Tunnels schwiegen wir und ich dachte über die Möglichkeit nach, dass die beiden sich gekannt hatten, doch das war völliger Schwachsinn, er war nur zwei Jahre älter als ich, daran könnte er sich vermutlich nicht mal erinnern.
Als der Tunnel dann plötzlich zu Ende war und wir unter freiem Himmel standen, erschrak ich ein bisschen, da ich gar nicht mehr darauf geachtet hatte, wo ich hinlief.
Wir waren ein bisschen entfernt und versteckt hinter Büschen und Bäumen herausgekommen, über uns glitzerten ein paar vereinzelte Lichter im Schloss, nicht weit entfernt schimmerte der Schwarze See im Mondschein.
„Komm Lilith." Sagte George sanft und legte einen Arm um meine Schulter, ich ließ es zu, in Gedanken noch immer bei meinem Vater.
Er führte mich langsam zum See, meine Converse wurden nass von der dünnen Schneeschicht auf dem Rasen und der eisige Wind machte mir eine Gänsehaut, doch ich bemerkte all diese Dinge gar nicht wirklich.
Erst als wir vor dem See standen, nicht weit entfernt vor der Stelle an der ich mich gestern ins eisige Wasser gestürzt hatte, wachte ich wieder aus meinen Gedanken auf.
„Alles okay?" Fragte George leise und ich nickte.
Dann ging ich auf die Knie und tauchte eine verzauberte Flasche in den See und ließ sie volllaufen. Die Flasche war klein und schwarz, doch wenn ich es wollte, könnte ich den ganzen See hinein füllen, sie war echt praktisch, ich hatte sie in den Sommerferien in der Winkelgasse gekauft.
„Das dürfte erstmal für eine Weile reichen." Sagte ich und stand wieder auf. Nachdem ich die Flasche verschlossen und verstaut hatte sah ich George unschlüssig an.
„Das ging ja alles leichter als erwartet, nicht wahr?"
„Ja stimmt, ich dachte wir hätten wenigstens ein paar Komplikationen, dann wärs ein bisschen lustiger geworden."
Ich lachte und er lächelte mich an, seine dunklen Augen spiegelten das Mondlicht und mir fiel ein, das ich mit dem Seetang anfangen musste.
„Ich nehme am besten jetzt schon mal den Seetang." Sagte ich schnell und brach ein kleines Stück von dem getrockneten Tang.
Angeekelt sah ich es an.
„Und du willst das wirklich durchziehen?" Fragte George besorgt.
Ich atmete tief durch und nickte.
„Ja, aber alles wird gut, da kann ja gar nichts schief gehen." Ich glaubte mir selbst nicht und seinem Gesucht nach zu urteilen, tat auch George das nicht.
„Stimmt, du könntest nur sterben, aber hey, dass ist ja bloß ein geringes Risiko, nicht wahr?" Er lächelte nervös und ich zwinkerte ihm zu.
Selbst wenn es mein Leben kostete, war mir das Risiko nicht zu hoch, ich gab nicht besonders viel auf mein Leben, doch das hätte ich ihm natürlich niemals gesagt.
Mit diesem Gedanken legte ich mir den Tang auf die Zunge und nahm einen Schluck Seewasser als meiner Flasche, der Geschmack zog mein Gesicht zusammen und ich würgte.
Der Tang schmeckte nach bitterem, alten Fisch mit zu viel Salz und das Wasser nach Dreck.
Nach einer kurzen Zeit, als ich aufhörte zu Husten und zu Würgen, sah ich raus auf den See und fragte mich, ob die Menge die richtige gewesen war.
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Hey ihr Lieben!
Bevor einige von euch sich über diese Seetangnummer wundern: Nein, dass ist nicht aus den Büchern, das habe ich mir selbst ausgedacht.
Natürlich gibt es andere Möglichkeiten, sie könnte einfach den Kopfblasenzauber verwenden oder es wie Harry machen, aber das wäre doch langweilig, oder nicht? Also habe ich mir selbst was überlegt! Dramatisch? Ja.
Ansonsten würde ich mich total über eure Meinung freuen!
Schönen Abend noch
Beccy
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