27 | Der Plan
In der Verbotenen Abteilung war es gruseliger als ich es für möglich hielt.
Einige Bücher waren mit eisernen Ketten an die alten Regale gefesselt und schrien wie am Spieß, als ich sie ansah.
Eine Gänsehaut überzog meinen ganzen Körper, ich war wie elektrisiert.
Die Quelle des Lichts war eine einsame Kerze die mitten im Gang stand. Ich runzelte die Stirn und blieb unschlüssig stehen, als ich sie erreicht hatte. Ich sah nach links und rechts und erblickte im rechten Gang, der an der Stelle, an der die erste Kerze stand vom Hauptgang abzweigte eine weitere Kerze. Ich kaute auf meiner Unterlippe herum und tappte leise in den Gang.
Die dunklen Holzdielen waren verstaubt, ganz so, als hätte diesen Gang seit Jahrzehnten keiner mehr betreten. Das nahm ich zumindest an, bis ich Fußstapfen im Staub erkennen konnte, die einmal hinein und dann wieder herausgegangen waren.
Die Kerze stand nicht auf dem Boden, sondern auf dem Regal.
Ich starrte das Regal und seine gefesselten Insassen verwirrt an, bis mir ein Buch auffiel, dass nicht verstaubt war. Es hatte goldene Runen auf dem Ledereinband und wurde eindeutig vor Kurzem aus dem Regal gezogen. Vorsichtig streckte ich die Hand danach aus, ich wusste was über die Bücher hier gesagt wurde, sie konnten angeblich beißen oder Flüche aussprechen.
Doch als ich es aus dem Fach zog gab es keinen Mucks von sich und ich schlug es auf.
Jemand hatte ein Eselsohr auf die aufgeschlagene Seite gemacht, vermutlich der Grund, warum sich ausgerechnet diese Seite als erste zeigte.
Ich überflog den Inhalt und mir stockte der Atem zum gefühlt hundertsten Mal heute.
Auf der Doppelseite wurde ein kompliziertes Ritual beschrieben, durch welches man unter Wasser atmen konnte.
Plötzlich wurde mir klar, dass irgendjemand, vermutlich dieselbe Person, die meinen Namen auch in den Feuerkelch warf und Snapes Vorräte gestohlen hatte, wollte, dass ich das Trimagische Turnier gewann.
Der Unbekannte hatte aus irgendwelchen Gründen gewusst, dass ich diese Nacht hierher kommen würde und hat mich mit Hinweisen zu diesem Buch geführt.
Ich fühlte mich beobachtet, mein ganzer Körper war angespannt, ich musste hieraus.
Vorsichtig schlug ich das Buch zu und klemmte es mir unter den Arm.
Dann pustete ich die Kerzen aus und nahm sie ebenfalls mit. Ich musste ja niemanden direkt zu dem gestohlenen Buch führen.
Keiner sollte wissen, dass ich hier gewesen war.
So leise und ruhig ich konnte verließ ich die Bibliothek, obwohl ich am liebsten gerannt wäre, zwang ich mich dazu ganz entspannt zu gehen. Ich durfte jetzt nicht durchdrehen.
Nicht jetzt, wo ich so kurz vor der Lösung stand.
Als die Bibliothekstüren hinter mir ins Schloss fielen, seufzte ich erleichtert auf.
Dann begab ich mich auf direktem Weg zurück in den Gemeinschaftsraum, wo ich mich verstohlen zurück in mein Bett legte und mir die Decke über den Kopf zog.
„Lumos." Flüsterte ich heiser und aus der Spitze meines Zauberstabs schien ein sanfter Strahl Licht auf das alte Buch.
Schnell blätterte ich wieder zu der markierten Seite und laß mir alles nochmal in Ruhe durch.
Am nächsten Morgen wusste ich alles, was es zu wissen gab und hatte einen Plan geschmiedet.
Prinzipiell war alles ganz einfach. Es gab einen giftigen Seetang, der einen ab einer gewissen Dosis beinahe sofort tötete. Doch wenn man sich über einen langen Zeitraum hinweg mit einer geringen Dosis Seetang vergiftete, wurde man nicht nur immun, sondern auch dazu befähigt unter Wasser zu atmen.
Aber natürlich gab es Haken, mehrere. Erstens konnte man nur unter Wasser eines einzigen Gewässers atmen, dessen Wasser man jeden Tag zusätzlich zu dem Seetang trinken musste. Zweitens durfte man das Ritual auf keinen Fall unterbrechen, sonst wäre das Ergebnis fehlerhaft oder sogar tödlich und drittens, und das war wohl der größte Haken, zeigte das Ritual nicht nur heftige Nebenwirkungen, sondern entfaltete seine Wirkung erst nach frühestens fünf bis sieben Wochen. Es waren nur noch sechs Wochen bis zur zweiten Aufgabe. Doch es war meine einzige Chance, ich hatte nichts besseres gefunden und die Wahrscheinlichkeit, dass es funktionierte war eigentlich gar nicht mal so gering.
Ich saß umgeben von Slytherins in der Großen Halle, überall war Weihnachtsdekoration aufgestellt worden und die Geister von Hogwarts zogen singend durch die Korridore. Alle waren fröhlich, sogar die Zicken aus Frankreich hatten kurz aufgehört sich zu beschweren.
Doch ich war überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung, ich konnte nur an letzte Nacht und das Ritual denken und an das, was ich tun musste, um zu bekommen was ich brauchte. Ich unterdrückte einen Seufzer. Grade hatte ich Snape davon überzeugt, dass ich nicht der Dieb war den er suchte und schon wollte ich tatsächlich zum Dieb werden.
Und das wo ich mir nicht mal sicher war, ob er den richtigen Seetang überhaupt in seinen Vorräten hatte, aber eine bessere Idee hatte ich leider nicht, also musste ich mit dem arbeiten was ich hatte.
„Du bist voll blass, alles klar bei dir?" Ich schreckte zusammen, als hätte man mich angeschrien und sah Draco etwas verstört an, der mich ebenso verwirrt anblickte.
„Wow, was ist denn mit dir los? Heute Nacht nen Geist gesehen oder was?" Er lachte kurz etwas gekünstelt auf.
Ich zuckte mit mit den Schultern und deutete auf meinen Hals.
„Ich glaube ich habe mir eine Erkältung eingefangen, bin etwas neben der Spur." Das war nicht mal gelogen, ich hatte es gestern Abend ja schon bemerkt, aber heute Morgen war ich mit heftigen Halsschmerzen aufgewacht, außerdem lief mir die Nase wie verrückt.
„Na dann gehen wir gleich schnell zu Madame Pomfrey, die kriegt das mit einem Schnipsen wieder hin, wirst schon sehen." Er lächelte und ich lächelte zurück, ich war froh ihn zum Freund zu haben, er war echt der Beste.
„Hey, was ich dich noch fragen wollte, ich weiß, du darfst nichts sagen und so, aber kannst du nicht bei mir eine Ausnahme machen? Ich mein komm schon, wir sind beste Freunde! Wer ist dein Ballpartner?"
Bei diesen Worten schreckte ich wieder zusammen und sah mich panisch in der Halle um, ich hatte George immer noch nicht gesagt, dass ich mit ihm gehen würde!
„Okay, verstehe schon, du bist heute Morgen nicht in Plauderlaune, aber ich werde das noch aus dir heraus bekommen, darauf würde ich sogar Merlins Bart verwetten!"
Ich stand etwas steif auf und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter und schüttelte den Kopf, nur über meine Leiche.
„Verwette nicht zu viel, mein Lieber." Damit schritt ich schnell den Mittelgang hinunter und war wenig später beim Krankenflügel angelangt. Da es noch recht früh war und die meisten meiner Mitschüler noch beim Frühstück waren, konnte ich durch totenstille Korridore huschen, es war fast wie gestern Nacht, nur mit der aufgehenden Sonne als Begleiterin.
In Gedanken ging ich meine Pläne durch. Erst würde ich diese aufkommende Erkältung loswerden, dann würde ich George aufsuchen und ihm sagen, dass wir zusammen zum Ball gehen konnten und dann musste ich den Rest des Tages überstehen und warten bis alle anderen schliefen, damit ich einen weiteren, nächtlichen Ausflug machen konnte, diesmal zu Snapes Vorräten. Und danach mit einer Flasche oder so raus auf die Ländereien, damit ich Seewasser abschöpfen konnte. Ich wollte noch in dieser Nacht anfangen. Man musste eine Dosis im Mondschein und eine im Morgengrauen einnehmen.
Etwas nervös betrat ich den Krankenflügel und fand Madame Pomfrey recht schnell. Ohne Umschweife erklärte ich ihr das Problem und sie gab mir einen bitteren, zähflüssigen Saft, der wie Honig meinen Hals runter tropfte. Zwei Sekunden später waren die Halsschmerzen weg und ich fühlte mich wie neu.
Ich dankte ihr und eilte zurück in die Eingangshalle, um die Zwillinge noch vor der ersten Stunde abzupassen.
Doch noch bevor ich die letzte Stufe in die Halle getreten war, wurde ich von zwei starken Hände wieder zurück gezerrt und in eine dunkle Kammer gedrückt.
Panisch riss ich meinen Zauberstab heraus und wirbelte herum, sobald man mich los ließ, ich setzte grade an einen Fluch auszusprechen, als gellendes Gelächter durch den kleinen Raum hallte.
Ich verdrehte die Augen und steckte ihn wieder weg, die Zwillinge sahen mich mit funkelnden Augen an, ich lehnte mich bemüht lässig an die kalte Wand.
„Was soll das, Jungs?" Fragte ich kühl und zog die Stirn in Falten.
„Wir wollten nur mit dir reden." Sagte Fred etwas atemlos vom Lachen und ich gab einen tiefen Seufzer von mir.
„Und das konntet ihr nicht, ohne mich halb zu entführen, in eine ... Was ist das hier überhaupt?" Ich sah mich mit einer ausladenden Geste im schummrigen Licht um.
„Das hier, meine liebste Lilith, ist eine sogenannte Abstellkammer, man benutzt sie um, naja, Dinge abzustellen, kleine, freche Slytherins zu entführen oder um ... Weniger jugendfreie Dinge zu tun, wenn du weißt was ich meine." George wackelte grinsend mit den Augenbrauen und ich fürchtete, meine Augen könnten beim erneuten Augenverdrehen stecken bleiben.
„Was wollt ihr?" Fragte ich dann nur, ohne auf seine Bemerkungen einzugehen und die beiden grinsten noch breiter.
„Schön das du fragst, wir haben die ultimative Möglichkeit gefunden, dir unsere guten Absichten zu beweisen! Da kann sich dein Zabini mit seinem kleinen Quidditchspiel hinten anstellen!"
Ich verschränkte die Arme.
„Und warum genau ist eine Besenkammer dafür der geeigneteste Ort?"
Nun verdrehten die beiden die Augen.
„Also erstens, wenn du erlaubst, ist das hier eine Abstellkammer, keine Besenkammer. Und zweitens, muss nicht jeder sehen was wir uns überlegt haben und hören erst recht nicht."
Jetzt war ich etwas in Sorge. Was hatten die beiden sich überlegt, was andere weder hören noch sehen sollten?
„Also erstens, wenn ihr erlaubt, ist es mir völlig egal, welche Art von Kammer das hier ist und zweitens; was bei Merlins Bart, habt ihr schon wieder ausgeheckt?"
Die beiden schüttelten den Kopf und holten schließlich zwei kleine Fläschchen aus ihrem Umhängen hervor und sahen mich mit einer Begeisterung an, als müsste ich bei diesem Anblick in Jubelschreie ausbrechen, doch das tat ich nicht, ich war bloß verwirrt.
„Was ist das?" Ich zeigte auf das Fläschchen in Freds Hand.
„Das hier ist Veritasserum, wir werden es beide trinken und du kannst uns alles fragen, wir werden nicht lügen können. Du wirst sehen, dass wir es ernst meinen und kannst mit George auf den Ball gehen." Jetzt sahen sie mich wieder an, als müsste ich gleich vor Begeisterung sterben.
„Oh Jungs ... Ich, ich hab euch eigentlich grade gesucht, um euch, beziehungsweise George zu sagen, dass ich mit ihm auf den Ball gehe. Ihr braucht das Zeug nicht zu trinken, ich glaube euch auch so."
Die beiden sahen mich verwirrt und entgeistert an.
„Aber hör mal! Wir sind dafür letzte Nacht extra in Snapes Vorräte eingebrochen!" Sagte George empört und mir stockte der Atem.
„Ihr habt was?!"
Ich konnte es nicht glauben, wie konnten sie das tun? Und dann auch noch meinetwegen! Wie besessen begann ich in der winzigen Kammer hin und her zu tigern.
„Wir ... Wir wollten dir doch nur beweisen, dass ..." Stammelte George, doch ich unterbrach ihn.
„Es tut mir leid, ehrlich! Ich hätte einfach gleich Ja sagen sollen und so weiter, aber findet ihr nicht, dass es etwas zu weit geht, wegen so etwas zu stehlen?" Ich sah sie streng an und konnte förmlich dabei zu sehen, wie sie schrumpften.
„Okay, tut uns leid." Sagte Fred schnell und ich nickte, mein Kopf arbeitete auf Hochtouren.
Ich hatte mal von jemanden gehört, dass Snape seine Vorräte gut mit Zaubern sichert und die beiden hatten es gestern Nacht geschafft sie zu überwinden, das konnte ich zu meinem Vorteil nutzen.
Ich blieb stehen und sah sie durchdringend an.
„Passt auf. Was ich euch jetzt erzähle, darf niemand erfahren, okay?"
Beide nickten eifrig und ich ließ mich an der Steinwand herunter gleiten.
Der Boden war staubig und kalt, doch ich war erschöpft, die Wirkung dieses Tranks hatte nachgelassen. Die Zwillinge saßen sich mir gegenüber und ich begann ihnen alles zu erzählen, von der Sache mit Snape bis hin zu meinem Plan das Ritual durchzuführen.
Sie hörten mir aufmerksam zu und nickten an einigen Stellen. Fred und George so ernst zu sehen machte mich nervös, sie hatten ihre Stirn in Falten gezogen und ich konnte quasi hören wie sie dachten.
Als ich geendet hatte nickte George.
„Okay, ziehen wir es durch. Heute Nacht."
Auf der einen Seite verwunderte es mich kein Stück, dass ich sie nicht groß überreden musste um sie dazu zu bringen mir zu helfen, auf der anderen Seite jedoch, wunderte es mich schon, dass es so schnell ging.
„Okay ... Ja okay, wir treffen uns um ein Uhr morgens in den Kerkern." Ich sah sie entschlossen an und Fred grinste.
„Hätte nie gedacht, dass es so viel Spaß machen würde, mit dir abzuhängen!"
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