Schaukel
Sie war ein hübsches Mädchen. Lockiges schwarzes Haar fiel über ihre Schultern und ihre blauen Augen strahlten wie zwei Saphire. Er war ein hübscher Junge. Kurze, braune Haare bildeten seine Frisur und seine grünen Augen strahlten voller Freude. Sie waren beste Freund. Ihre Freundschaft war tief und warm für beide. Als Kinder verbrachten sie jede freie Minute zusammen, sie weigerten sich, abends nach Hause zu gehen, weil sie beieinander sein wollten. Sie waren unzertrennlich.
Die Zeit verging und beide wurden älter, aber ihre Freundschaft brach daran nicht. In der Grundschule verbrachten sie immer noch das meiste ihrer Zeit zusammen, aber sie fanden auch andere Freunde. Das Mädchen lachte auch über die Witze anderer, der Junge machte auch Witze bei anderen. Ihre Freundschaft hatte mittlerweile einen kleinen Riss, aber es hatte sich nicht so viel geändert.
Weitere Jahren gingen ins Land und die beiden kamen auf die weiterführende Schule. Sie waren immer noch Freunde, doch von der Bezeichnung "beste Freunde" hatten sie sich entfernt, auch wenn sie das selber nie zugegeben hätten. Sie redeten auf dem Heimweg noch miteinander und manchmal in den Pausen zwischen den Unterrichtsstunden. So verbrachten die beiden die drei Jahre ihrer Unterstufe.
Nun kamen sie in die Mittelstufe. Ihre Unterhaltungen beschränkten sich auf das Nötigste, wenn sie nach Hause gingen, nicht zuletzt, weil das Mädchen fast nur noch über diesen einen Jungen aus der Parallelklasse sprach. Wie toll er doch war mit seinen blonden Haaren und den großen braunen Augen. Sie schwärmte nur von ihm und den Jungen nervte das ziemlich. Schließlich gingen sie eines Tages nach Hause und das Mädchen schwieg. Er merkte sofort, dass etwas nicht stimmte und fragte sie, ob etwas passiert sei. Sie verneinte seine Frage, aber bat ihn im nächsten Atemzug um ein Treffen auf dem alten Spielplatz, den die beiden als Kinder immer besucht hatten. Er bejahte und traf sie am Nachmittag. Sie erzählte nicht viel und die meiste Zeit redete er über ganz belanglose Erinnerungen aus der Vergangenheit. Nach einer Weile bemerkte er, dass sie auf ihre Schuhe starrte. Er fragte sie erneut, ob etwas passiert sei. Sie verneinte ein zweites Mal. Er ließ sie in Ruhe.
Tage vergingen nach ihrem Treffen und das Mädchen begann, dem Jungen aus dem Weg zu gehen. Ihre Freundinnen sprachen ihn auf ihr komisches Verhalten an, aber er konnte ihnen nichts darüber erzählen. Gleichzeitig merkte er auch, dass er mit ihr reden musste. Also beschloss er, am nächsten Tag mit ihr zu sprechen. Vielleicht würde sie ihm ja dann etwas darüber erzählen. Doch am nächsten Tag war sie nicht in der Schule. Er machte sich nicht sofort Sorgen, sicherlich war sie nur krank. Aber sie meldete sich nicht einmal am nächsten Tag. Als er am nächsten Tag von der Schule nach Hause am alten Spielplatz vorbeiging, sah er einen Krankenwagen und ihre Eltern. Verwundert blieb er stehen. Ihre Mutter hatte sich an den Vater geklammert und weinte bitterlich. Er hörte sie immer wieder flüstern: "Warum? Warum haben wir nichts bemerkt?" Langsam ging der Junge näher. Er fragte sie, was passiert war. Sie deuteten stumm auf die Schaukel, auf der ein Brief lag. Er war an ihn adressiert. Langsam öffnete der Junge den Brief:
Hey,
schlechter Anfang für eine solche Nachricht...ich muss mich bei dir entschuldigen: Ich sehe es jetzt, vielleicht ein bisschen zu spät. Ich hätte dich niemals mit ihm nerven sollen. Es tut mir leid! Und ich muss dir danken: Du hast mich immer wieder gefragt, was passiert ist. Ich wollte es dir jedes Mal gerne sagen, aber es hat sich falsch angefühlt, einfach so mit meinen Problemen in dein Leben einzugreifen, ich hoffe, du kannst mir meine Ignoranz vergeben. Alles wurde sinnlos. Ich habe mich immer wieder gefragt, wer will mich denn neben sich haben? Und wenn ich gehe, wer wird dann um mich weinen? Ich bin keine einzige Träne wert.
Lebwohl, mein Freund
Eine Träne nach der anderen fiel auf das Blatt in seiner Hand. Er hatte es nicht bemerkt, es ging ihr die ganze Zeit so schlecht, sie war innerlich zerstört und er hatte seine beste Freundin im Stich gelassen. Er starrte auf das Blatt und erst jetzt fiel ihm das eingeklebte Bild in die Augen. Es waren die beiden als Kinder. Sie grinste breit in die Kamera. Darunter stand: Mein einziger Lichtstrahl! Er drückte den Brief an sich. Jetzt war sie weg.
Jedes Jahr an diesem einen Tag verbrachte er auf dem alten Spielplatz auf der anderen Schaukel. Er erzählte von seinem Tag, von den wichtigen Ereignissen aus seinem Leben und er erzählte Witze, über die nur er zu lachen schien, doch wenn er die Augen schloss, konnte er ihr glockenhelles und süßes Lachen neben sich hören. Wenn er dann die Augen wieder öffnete, schien sie direkt neben ihm zu sitzen. Aber ihm war klar, dass es nur sein gebrochenes Herz war, dass ihn das sehen ließ. Er vermisste sie nicht. Nein, er sehnte sich mit jeder Faser seines Körpers nach ihrer Gesellschaft. Jedes Jahr legte er ein kleines Gänseblümchen auf den Sitz der Schaukel, ihre Lieblingsblume. Dann ging er jedes Jahr mit Tränen in den Augen. Doch dieses Jahr lächelte er und setzte sich seitlich auf die Schaukel. die Tabletten in seiner Hand fühlten sich an wie Betonblöcke, aber als er sie schluckte, spürte er seine eigene Zufriedenheit. Er würde sie wieder neben sich haben. Seine beste Freundin, seine Liebe...
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