Kapitel 11: Die Last der Berührung
Lizzie saß noch immer wie erstarrt auf dem kleinen Hocker in der Umkleidekabine. Die letzten Minuten schwirrten in ihrem Kopf umher, als wäre ihr Verstand in einem undurchdringlichen Nebel gefangen. Jede Szene spielte sich vor ihrem inneren Auge erneut ab: Lucius’ kalte Augen, seine unnachgiebigen Hände auf ihrer Haut, die bedrohliche Nähe seines Atems an ihrem Hals. Ein Zittern durchlief sie, als sie sich die Berührungen wieder ins Gedächtnis rief – als wäre sein Griff immer noch auf ihren Hüften, seine Präsenz wie eine dunkle Wolke, die jeden Funken Sicherheit erstickte.
Sie zwang sich, tief durchzuatmen. Die Luft in der Umkleide war stickig und schien das Gewicht ihrer Angst zu verstärken, doch sie wusste, dass sie sich zusammenreißen musste. Langsam löste sie ihre verkrampften Hände von der Robe, die sie fest um ihren Körper geschlungen hatte, als sei sie der einzige Schutz, den sie noch besaß. Ihre Finger zitterten, als sie ihre eigene Kleidung wieder anzog, das vertraute Material ein kleiner Trost inmitten des Schocks.
Schließlich verließ sie die Umkleidekabine, den Blick gesenkt, unsicher, was sie erwarten würde. Zu ihrem Erstaunen stand die Verkäuferin direkt vor ihr. Die ältere Frau wirkte verlegen, fast schuldbewusst, und als ihre Augen Lizzies Gestalt erfassten, spiegelte sich in ihrem Gesicht deutliches Mitgefühl.
„Es tut mir so leid,“ begann die Verkäuferin hastig, ihre Stimme leise und voller Bedauern. „Ich … ich konnte nicht eingreifen. Mr. Malfoy ist ein mächtiger Mann, und … ich habe drei Kinder. Er könnte dafür sorgen, dass ich meinen Job verliere, und ich weiß nicht, was ich dann tun würde.“ Ihre Stimme überschlug sich, als sie die Worte wie eine Flutwelle ausstieß, und Lizzie hatte Mühe, alles zu verstehen.
Lizzie blickte sie mit großen, erschöpften Augen an. Noch immer kämpfte sie damit, die letzten Minuten zu verarbeiten, als die Verkäuferin plötzlich einen Schritt auf sie zutrat und sie unerwartet in die Arme schloss. Es war eine überraschend warme Geste, und für einen Augenblick wusste Lizzie nicht, wie sie reagieren sollte. Doch dann löste sich etwas in ihr. Die starren Mauern, die sie um ihre Gefühle errichtet hatte, begannen zu bröckeln. Sie ließ die Tränen endlich frei, Tränen, die sie seit der Begegnung mit Lucius zurückgehalten hatte. Der Schock, die Angst, die Hilflosigkeit – alles brach nun über sie herein.
Die Verkäuferin hielt sie fest, als Lizzie sich ihrer Gefühle hingab. Kein Wort fiel, aber die Umarmung war tröstlich, beinahe wie eine unsichtbare Brücke, die sie aus dem Abgrund ihrer Verzweiflung zog. Nach einer Weile löste sich die Frau sanft von ihr und sah Lizzie mit besorgtem Blick an.
„Ich kann verstehen, wenn Sie nie wieder in dieses Geschäft zurückkehren wollen“, sagte sie sanft, ihre Stimme nun ruhiger. „Aber ich möchte Ihnen helfen. Ich könnte Ihre Roben anfertigen und zu Ihnen nach Hause bringen. Dort wären Sie sicherer, und wir könnten es uns nett machen, vielleicht mit einer Auswahl anderer Kleider. Es ist mir so unangenehm, dass ich nichts tun konnte. Ich hätte eingreifen sollen … aber ich hatte einfach zu viel Angst.“
Lizzie hörte zu, während die Worte der Frau durch ihren Kopf wanderten. Die Ehrlichkeit in der Stimme der Verkäuferin beruhigte sie. Sie verstand, warum die Frau nicht eingeschritten war – Lucius Malfoy war furchteinflößend und gefährlich, und niemand konnte es sich leisten, sich gegen ihn zu stellen, ohne schwerwiegende Konsequenzen zu riskieren.
Sie fühlte keinen Groll, nur eine tiefe, überwältigende Müdigkeit. Und doch spürte sie einen Hauch von Dankbarkeit für das Angebot der Frau. Ablenkung und etwas Freundlichkeit waren genau das, was sie jetzt brauchte.
„Das wäre wirklich nett“, sagte Lizzie schließlich mit einer zitternden Stimme. „Ich nehme es Ihnen nicht übel. Niemand kann gegen Lucius Malfoy aufbegehren, ohne dafür einen Preis zu zahlen. Wann hätten Sie Zeit?“
Die Verkäuferin wirkte erleichtert und lächelte schwach. „Ich werde zwei Tage für die Roben brauchen. Wäre Samstag Abend in Ordnung? Vielleicht gegen 20 Uhr?“
„Das passt gut“, antwortete Lizzie und schniefte leicht. Der Schock saß immer noch tief in ihren Knochen, doch der Gedanke an den Abend mit der Verkäuferin gab ihr einen kleinen Funken Hoffnung. Sie gab der Frau ihre Adresse und verabschiedete sich.
Als Lizzie nach draußen trat, wehte ihr ein kalter Wind entgegen. Die frische Luft fühlte sich an wie eine Umarmung der Natur, die ihre erhitzten Gedanken beruhigte. Sie atmete tief ein und ließ den Wind ihr Gesicht streifen. Er trug einen Hauch von Freiheit mit sich, und für einen Moment gelang es ihr, die bedrückenden Erinnerungen an Lucius beiseitezuschieben. Mit einem leisen „Plopp“ verschwand sie.
Als sie in ihrer Wohnung ankam, steuerte sie sofort das Badezimmer an. Der erste Gedanke, der sie durchzuckte, war, wie schmutzig sie sich fühlte – als ob Lucius’ Berührungen Spuren auf ihrer Haut hinterlassen hätten, die sie nicht einfach so loswerden konnte. Sie drehte das Wasser so kalt auf, dass es ihre Haut prickeln ließ, und ließ das kalte Nass über ihren Körper laufen, in der Hoffnung, die Erinnerung an den heutigen Tag wegzuspülen. Doch obwohl das Wasser ihre Haut reinigte, wusste sie tief in ihrem Inneren, dass es die Narben in ihrem Innersten nicht berühren konnte.
Nach einer Weile stieg sie aus der Dusche und schlang sich in ein weiches Handtuch. Die Kälte des Wassers hatte ihre Gedanken ein wenig geklärt, doch sie spürte immer noch das nagende Gefühl der Hilflosigkeit. Sie zog ihren Lieblingspyjama an – ein vertrauter Stoff, der ihr seit Jahren Trost spendete – und ließ sich in ihren gemütlichen Sessel sinken.
Neben ihr lag das Buch, das sie zurzeit las, und sie griff danach, in der Hoffnung, in eine andere Welt fliehen zu können. Es handelte von einer starken Frau, die trotz aller Widrigkeiten ihren Weg fand, und Lizzie fühlte sich durch die Geschichte stets inspiriert. Doch heute schien es schwerer denn je, sich in die Fantasie zu vertiefen. Immer wieder drifteten ihre Gedanken zurück zu Lucius. Sie spürte noch immer seine dominierende Präsenz in ihrem Kopf, als ob er nie wirklich gegangen wäre.
Nach einer Stunde des trüben Lesens wurde sie aus ihrer Lethargie gerissen, als ihre Eule Eris laut krächzte. Lizzie sah auf und lächelte schwach. „Du hast wohl Hunger, was?“ Sie stand auf und fütterte die Eule, die ungeduldig auf ihrem Ast hin und her hüpfte.
Als Eris zufrieden fraß, lehnte sich Lizzie gegen die Kücheninsel und verlor sich erneut in Gedanken. Sie wollte nie wieder so schwach sein, nie wieder so hilflos. Die Vorstellung, Lucius Malfoy erneut zu begegnen, jagte ihr eine eisige Gänsehaut über den Rücken, doch sie wusste, dass sie sich vorbereiten musste. Sie durfte nicht noch einmal in solch eine Lage geraten.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu ihrem Vater. Er hatte ihr in ihrer Jugend beigebracht, wie wichtig es war, sich nicht nur mit Magie, sondern auch körperlich zu verteidigen. „Du musst stark sein, Lizzie“, hatte er immer gesagt. „Stärker, als du denkst. Es gibt Zeiten, in denen Magie allein nicht ausreicht.“ Diese Worte hatten sich tief in ihr Gedächtnis eingegraben, und nun wusste sie, dass sie auf diese Stärke zurückgreifen musste.
Entschlossen holte Lizzie ihren Zauberstab hervor und beschwor einen Boxsack herbei. Sie hatte schon früher nach der Muggel-Methode trainiert und fand Gefallen daran, sich durch körperliches Training abzureagieren. Boxen war eine Technik, die sie faszinierte – nicht nur, weil es ihre Kraft stärkte, sondern auch, weil es sie in der Kontrolle ihres eigenen Körpers schulte.
Lizzie begann, den Boxsack mit schnellen, präzisen Schlägen zu bearbeiten. Ihr Atem ging schneller, während sie sich auf die Bewegungen konzentrierte. Jeder Schlag, den sie ausführte, war ein kleiner Schritt, um die Erinnerungen an Lucius aus ihrem Kopf zu verdrängen. Sie trainierte, bis der Himmel draußen in Dunkelheit gehüllt war und ihre Arme vor Erschöpfung zitterten.
Erst als sie schließlich aufhörte, bemerkte sie, wie ausgelaugt sie war. Sie ließ ihre Fäuste sinken, wischte sich den Schweiß von der Stirn und lächelte leicht. Ein Teil der Wut und Angst war aus ihr herausgeflossen, und sie fühlte sich, zumindest für den Moment, ein wenig befreiter. Der Boxsack schwang noch leicht hin und her, während sie in die Stille ihrer Wohnung lauschte.
Der Schmerz und die Erschöpfung in ihren Muskeln waren ein Zeichen, dass sie hart gearbeitet hatte, aber auch, dass sie stärker wurde. Sie war sich sicher: Das nächste Mal, wenn sie Lucius Malfoy gegenüberstand, würde sie bereit sein. Lizzie wusste, dass es keine einfache Begegnung werden würde, doch sie würde alles daran setzen, nicht wieder die Macht über ihr eigenes Leben aus den Händen zu geben.
Sie holte tief Luft und streckte sich. Ihre Glieder fühlten sich schwer an, aber es war ein angenehmes Gefühl der Erschöpfung. Ein Gefühl, das sie schon lange nicht mehr gehabt hatte. „Das ist erst der Anfang“, murmelte sie zu sich selbst, während sie den Boxsack mit einem kurzen Schlenker ihres Zauberstabs verschwinden ließ. Der Raum war wieder leer, doch sie fühlte sich nicht mehr so allein wie zuvor.
„Gute Nacht, Eris“, sagte sie sanft, als sie ihre Eule noch einmal streichelte. Die Eule sah sie mit ihren großen, leuchtenden Augen an, als wollte sie verstehen, was in Lizzies Kopf vorging. Dann flatterte sie auf ihren Ast und begann, ihren Kopf unter den Flügel zu stecken.
Lizzie selbst machte sich langsam auf den Weg ins Schlafzimmer. Sie zog ihre Decke über sich und ließ sich in die weichen Kissen sinken. Der Schlaf überkam sie schnell, tiefer und erholsamer als die Nächte zuvor. Trotz allem fühlte sie sich ein wenig stärker, ein wenig entschlossener, und bereit, das zu kämpfen, was auch immer auf sie zukommen mochte.
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