14 ◇ Unter Kontrolle ☑️

Der Morgen brach an, doch anstatt Erleichterung brachte er nur Elend. Der Schlaf hatte mich die ganze Nacht gemieden, die Alpträume ließen mir keine Ruhe. Sie schienen immer realer zu werden, und allmählich beschlich mich das Gefühl, dass es mehr als nur Träume waren. Aber was sollte ich tun? Einfach ignorieren und weitermachen wie bisher? Doch die Wunde auf meiner Brust war ein stummes Zeugnis dafür, dass etwas nicht stimmte. Vielleicht war es besser, das alles erst einmal für mich zu behalten. Solange es niemand bemerkte und sich die Wunde unter meiner Schuluniform verbergen ließ, war ich sicher. Ich überprüfte es tausend Mal im Spiegel, obwohl ich wusste, dass es übertrieben war. Aber sicher war sicher.

Heute war zum Glück keine Schule – die Lehrer hatten eine Konferenz, und meine Anwesenheit wäre in meinem Zustand ohnehin nur aufgefallen. Nachdem ich mich endlich fertig gemacht hatte, verließ ich das Wohnheim und sog die frische Morgenluft tief in meine Lungen. Das tat gut, brachte aber nur kurzzeitig Erleichterung. Der Campus war ungewöhnlich leer, was nicht verwunderlich war. Viele Schüler hatten die Gelegenheit genutzt, um ihre Familien zu besuchen oder in die Stadt zu fahren.

„Lucy!“

Erschrocken blieb ich stehen und drehte mich um, doch niemand war zu sehen. War das nur eine Einbildung? Vielleicht spielte mir die schlaflose Nacht schon Streiche. Ich schüttelte den Kopf und setzte meinen Weg fort. Auf dem Pfad traf ich auf Yuki, die mir ein freundliches Lächeln schenkte.

„Guten Morgen, Lucy. So früh schon unterwegs?“ fragte sie, während sie bei mir stehen blieb.

„Ja, ein bisschen Bewegung am Morgen schadet nie,“ antwortete ich und zwang ein Lächeln auf mein Gesicht. Die Wahrheit behielt ich für mich – Yuki musste nicht wissen, wie schlecht es mir wirklich ging.

„Stimmt,“ stimmte sie mir zu, konnte aber ein Gähnen nicht unterdrücken. „Aber ich gehe jetzt ins Bett. Die Nacht war lang.“

„War viel los?“ fragte ich neugierig und belustigt.

„Nur ein paar Schüler, die heimlich Fotos machen wollten,“ erwiderte sie mit einem müden Lächeln. „Mehr war es nicht.“

Ich wünschte ihr eine gute Nacht und sah ihr nach, wie sie müde davon trottete. Sie tat mir leid – jede Nacht auf den Beinen und dann tagsüber in der Schule. Aber Yuki meisterte es irgendwie, auf ihre eigene, bewundernswerte Art.

Mein Weg führte mich schließlich zum Tor, durch das die Vampire jeden Abend zur Schule gingen. Ich blieb davor stehen und starrte gedankenverloren auf die andere Seite, als ob dort die Antworten auf meine quälenden Fragen lägen.

„Geh durchs Tor, Lucy, und erfülle mir meinen Wunsch!“

Plötzlich schoss ein stechender Schmerz durch meinen Kopf, und ich griff mir an die Schläfen, als würde das den Schmerz lindern.

„Wehre dich nicht, Lucy. Du kannst mir nicht entkommen.“

Die Stimme – ihre Stimme – hallte in meinem Kopf wider. Vor mir stand sie wieder, diese Frau mit den blauen Haaren, die im Wind wehten. Ihr Grinsen war breit, triumphierend, als hätte sie bereits gewonnen. Panik kroch in mir hoch. Stand sie wirklich vor mir, oder war das nur eine weitere Einbildung? Aber sie war da, direkt vor mir, und diesmal spürte ich echte Angst vor diesem Vampir in mir aufsteigen. Ich wollte fliehen, weg von ihr, weg von dieser drohenden Gefahr. Doch meine Beine versagten mir den Dienst, und Sakura schüttelte belustigt den Kopf.

„Du bist zäher, als ich dachte, meine Liebe. Komm, lass dich fallen.“

Im nächsten Moment stand sie direkt vor mir, so nah, dass ich ihren Atem spüren konnte. Wie war sie so schnell hierher gekommen? Ihr Finger legte sich kühl und entschlossen auf meine Stirn, und sie flüsterte etwas, das ich nicht verstand. Doch ich spürte, wie ihre Worte durch meinen Verstand sickerten und mich langsam ergriffen. Ein schreckliches Gefühl überkam mich, als ihre Worte sich in meinem Kopf festsetzten.

„Bring mir Kaname Kurans Herz!“

Diese Worte hallten wie ein Mantra in meinem Geist wider, während ich mich plötzlich anders fühlte – fremdgesteuert, ohne Kontrolle über meine eigenen Gedanken und Taten. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr, als er sich wie von selbst durch das Tor bewegte. Vorbei an den Gebäuden, vorbei am Mädchenwohnheim, bis ich vor dem großen Haus stand, in dem die männlichen Vampire wohnten, das auch Kanames Zufluchtsort war. Ich wollte das nicht, wollte weg, doch es war, als wäre ich in meinem eigenen Körper gefangen.

Gerade als ich die Tore aufdrücken wollte, spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ohne zu überlegen, packte ich die Hand, drehte mich blitzschnell um und drückte die Person, die mich berührt hatte, an die Tür.

„Hey! Aua, das tut weh!“

Erschrocken erkannte ich Yuki, die vergeblich versuchte, sich aus meinem Griff zu befreien.

„Ach, das Mädchen vom letzten Mal. Wie lästig!“

Meine Hände ließen sie los, und Yuki drehte sich zu mir um, während sie sich verwirrt die Kleidung richtete. „Ich wollte dich nicht erschrecken, Lucy, aber was machst du hier?“ fragte sie besorgt.

Meine Augen blickten leer auf sie, als plötzlich meine Hand wie von selbst zuschlug und sie zur Seite schleuderte. Innerlich schrie ich ihren Namen, doch mein Körper gehorchte nicht. Yuki lag regungslos am Boden, und die Stille, die darauf folgte, war überwältigend.

„Schon viel besser. Jetzt weiter, meine Liebe!“

Warum war Yuki zurückgekommen? Sie hätte das alles nicht durchmachen müssen. Eine einsame Träne rann über meine Wange, als ich mich weiter zwang, den Befehl auszuführen, den ich so sehr verabscheute.

„Nicht weinen, meine Liebe. Bald wird alles viel besser werden.“ Sakuras Stimme war wie ein dunkles Versprechen, das nichts Gutes verhieß.

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