Seelenbund
Sie schützend in den Armen haltend, ließ er sich aufs Bett sinken. Dort hielt er sie einfach nur an sich gedrückt, genoss ihre Nähe und tröstete sie, so gut er konnte. „Bindungen werden anders geschlossen", erklärte er ruhig. „Es ist eine Entscheidung der Partner. Es gibt keine Zeremonie oder so. In gehobenen Kreisen sind Feiern üblich. Meistens aus gesellschaftlichem Anlass."
Neugierig blickte sie zu ihm auf. „Sieht man es? Also den Bund. Hier gibt es Eheringe. Dein Vater trägt keinen und Aram und Adele haben auch nichts. Sie ist doch nicht ...?"
Eleasars Augenbraue wanderte zweifelnd nach oben. „Davon wüsste ich. Aram liebt deine Freundin aufrichtig. Du hast sie gestern nicht richtig angesehen, sonst wäre es dir sicherlich aufgefallen."
Ria kam es so vor, als wären sie schon tagelang hier. Dass sie gestern erst gegen seinen Bruder gekämpft hatte, kam ihr so unwirklich vor. „Und was ist mit deinem Vater?"
Er stieß hörbar Luft aus. „Mein Vater..." Kopfschüttelnd vergrub er seine Hand in ihren Haaren. „Mein Vater würde es nie zugeben."
„Was ist mit deiner Mutter? Ist sie nicht mit deinem Vater zusammen?"
Lachend zog er sie enger an sich. „Meine Mutter hat sich kurz nach meiner Geburt von ihm getrennt. Er war nur mit Talishas und Daniels Mutter liiert."
„Talisha? Die Brünette?"
„Ja, du hast sie gesehen. Daniel war auch da, aber vermutlich warst du zu abgelenkt um ihn zu bemerken." Mit der Hand malte er kleine Muster auf ihren Bauch. „Du wirst sie noch kennenlernen, keine Angst. Sie hat jetzt schon einen Narren an dir gefressen."
Überrascht setzte Ria sich auf. „Wie das denn?"
Lächelnd drückte er sie zurück auf die Matratze. „Weil ich nicht verbergen konnte, was ich für dich empfinde. Tali ist schlimmer als ein Bluthund, wenn es um solche Dinge geht."
Allein der Gedanke an ein Verhör über ihre Beziehung, ließ sie den Mund verziehen. „Wie gut, dass ich so gerne über Persönliches rede."
Behutsam beuge er sich über sie. „Da wirst du wohl nicht drum herum kommen." Mit der Nase fuhr er sanft ihr Gesicht entlang und neckte sie mit leichten Küssen. „Genauso wenig, wie darum, etwas zu essen."
Bislang hatte sie ihren knurrenden Magen erfolgreich ignoriert und gehofft, Eleazar würde es nicht bemerken. „Ich will aber nicht aufstehen", murrte sie unwillig. Dabei kuschelte sie sich wohlig an ihn. „Lass uns noch ein wenig hier bleiben."
Schwungvoll sprang er aus dem Bett. „Nichts da." Er schnappte sich seine strampelnde Frau und warf sie sich über die Schulter. „Kochen musst du." In der Küche setzte er sie ab.
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Morgens kochen? Du solltest bei den Angestellten deines Vaters in die Lehre gehen." Sie schnappte sich eine Scheibe Brot und klatschte Unmengen an Marmelade darauf. „Woher wusstest du, was ich mag? Und woher hattest du Geld?"
Lächelnd deutete er auf die Kommode im Flur. „Ich hatte Zeit. Und sonst habe ich genommen, was mir passend erschien."
Kauend schob sie ihm ein Stück Brot in die Hand. „Du musst auch essen."
Belustigt schob er ihr die Scheibe in den Mund. „Eher nicht."
„Isst du denn gar nicht?" Genüsslich leckte sie sich den Rest Marmelade von den Fingern. „Du verpasst was."
Schmunzelnd zog er sie an sich. „Ich bevorzuge dich bei Weitem."
Nachdenklich legte sie ihren Kopf schief. „Wie willst du denn da bitte satt werden? An mir ist doch kein Gramm nahrhaftes Fett."
Fassungslos hielt er inne. So etwas war ihm noch nie passiert. „Das war nicht wörtlich gemeint."
Jetzt schien es bei ihr zu klingeln. „Oh." In Sekundenschnelle lief sie rot an.
Zufrieden grinsend strich er ihr über die Wirbelsäule. Von der abgeklärten, temperamentvollen jungen Frau, die er kennengelernt hatte, war nicht mehr viel zu sehen. Wie niedlich. „Ich habe schon gegessen", erklärte er schließlich.
Ria legte ihm die Hand auf die Brust und fragte belustigt: „Habe ich einen Magneten an mir? Oder denkst du, ich bin unfähig auch nur zwei Meter alleine zu gehen?"
„Du bist meine Frau. Ich sehe keinen Grund, weshalb ich mich von dir fern halten sollte."
Verwirrt starrte sie ihn an. „Wann haben wir denn bitte geheiratet?"
Er versperrte ihr den Weg aus der Küche, indem er sich zu ihr hinunter beugte und seine Hand besitzergreifend in ihren Nacken legte. „Du hast dich dazu entschieden."
Sie schenkte ihm ein zweideutiges Lächeln. „Komisch, irgendwie fühle ich mich nicht so. Wie waren denn unsere Flitterwochen?" Dann funkelte sie ihn finster an und schlüpfte unter ihm hindurch. „Ich geh duschen. Das Hochgefühl frischer Liebe ist wohl schneller verflogen als gedacht", murmelte sie verhalten schmunzelnd in seine Richtung.
„Hast du ne Ahnung." Er folgte ihr ins Schlafzimmer, wo sie ihren Schrank nach passenden Sachen für den Tag durchsuchte.
„Was soll das sein?" Kritisch hielt er ein eng anliegendes, kurzes Kleid hoch.
Seufzend nahm sie es ihm aus der Hand. „Ich dachte, du warst schon mal hier. Solltest du dich da nicht ein wenig mit der hiesigen Mode auskennen? Das ist für warme Tage." Sie deutete auf den kurzen Rock, den er jetzt in der Hand hielt. „Kannst du nicht einfach auf dem Bett sitzen und warten? Oder du gehst vor mir duschen." Zielsicher griff sie nach einer Jeans und einem dicken Pullover.
„Ria."
Beim Klang seiner leicht belegten Stimme drehte sie sich fragend zu ihm um. Mit bedrückter Miene saß er auf dem Bett und schaute sie an.
Bestürzt ließ sie ihre Sachen fallen und kniete sich vor ihm hin. Einfühlsam schloss sie ihre Hände um seine. „Was ist los? Du siehst so niedergeschlagen aus." Vorsichtig schob sie seine langen braunen Haare zur Seite und strich ihm sacht über die Wange.
Fest umschloss er ihre Hand mit der seinen. „Ich habe mich dazu entschieden, mit dir zusammen zu sein. Doch kann ich dich nicht wieder mit zurück nehmen. Nicht so. Ich muss bald zurück und einige Dinge regeln. Dann komme ich wieder und hole dich zu mir."
Verstört riss sie die Augen auf. „Du willst mich verlassen? Aber warum wartest du nicht, bis ich hier alles geregelt habe? Dann können wir gemeinsam zurück." Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Wo war der Eierkuchenfrieden, mit dem sie rechnete, seit sich herausgestellt hatte, dass er doch nicht abgehauen war?
Traurig schloss er seine Augen und zog sie zu sich aufs Bett. „Ich habe dir noch nichts über mich erzählt. Fakt ist, dass ich einige ungeregelte Angelegenheiten habe, die ich beenden sollte, bevor ich dich in meine Welt ziehe."
Hilflos krallte sie ihre Hände in die Bettdecke. „Meinst du, ich bin zu schwach?" Wenn das so war, würde sie trainieren. Sie würde stärker werden. Für ihn. Für sie. Für eine gemeinsame Zukunft.
Beruhigend strich seine Hand über ihre Wirbelsäule. „Nein. Aber du musst dich meinetwegen nicht unnötig in Gefahr begeben. Zumal du schon gesucht wirst."
Das hatte sie ganz vergessen. „Ich kann meine Angelegenheiten selbst regeln. Ich..."
Er würgte ihre Bedenken mit einem Kuss ab. „Heute bleibe ich noch bei dir."
Sie sah ein, dass er sein Vorhaben nicht ändern würde. Die wenigen Tage, die sie bereits miteinander verbracht hatten, hatten ihr nur allzu deutlich vor Augen geführt, dass er sich nur schwerlich von einem einmal gefassten Entschluss abbringen ließ. „Du versprichst mir, wieder zu kommen?"
„Aber natürlich." Sanft zog er sie in seinen Bann. „Ich liebe dich."
Dieses Mal hatte Ria nichts dagegen einzuwenden, als er ihr das Top über den Kopf zog. Ihr ganzer Körper begann erwartungsvoll zu kribbeln und sie spürte, dass die folgenden Momente ihr Leben von Grund auf verändern würden. Doch sie hatte keine Angst. Nicht, wenn Eleasar bei ihr war und sie wie das Kostbarste auf der Welt behandelte.
Langsam intensivierte sich das Kribbeln und zog sich zu einem Reifen auf ihrem linken Oberarm zusammen.
.
Die Stelle auf ihren Arm kribbelte auch nach der Dusche noch leicht. Mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht, trat Eleasar hinter sie. „Dein Arm." Er atmete den Duft ihrer frisch gewaschenen Haare ein und küsste sie auf die entblößte Schulter. Sie war sein. Unwiderruflich, für alle Ewigkeit. Er hätte nie gedacht, dass es sich so gut anfühlen würde.
„Was ist damit?" Nervös trat sie vor den Spiegel. „Was...?" Sprachlos starrte sie auf den schwarzen Reif, der sich auf ihrer Haut abzeichnete - ein atemberaubendes Muster aus Runen und ineinander verschlungenen Linien. „Wunderschön."
„Wie du."
Verlegen drehte sie sich zu ihm um. „Anstelle eines Eherings? Wo ist deins?" Kritisch beäugte sie seine muskulösen Arme. Es enttäuschte sie, nichts zu sehen.
Lächelnd nahm er seine Haare zur Seite, um ihr seinen Nacken zu zeigen. Dort war ein Ring zu sehen, der etwa die Größe ihrer Handfläche hatte. „Ein wenig versteckter als bei dir."
Die etwas kleinere Ausgabe ihres Musters auf seiner Haut zu sehen, erfüllte sie mit einer riesigen inneren Zufriedenheit. Zutraulich lehnte sie sich an ihn und kostete dieses unbeschreibliche Gefühl seiner Nähe in Ruhe aus. Sie spürte ihn. Nicht nur seine Haut, sondern auch seine Gefühle. Natürlich hatte sie sie vorher auch schon irgendwie wahrnehmen können, doch jetzt fühlte sie, was er fühlte. So klar hatte sie das noch nie erlebt. Es war, als wäre er zu einem Teil von ihr geworden und auch wieder nicht.
Das Glücksgefühl, das er verströmte verstärkte ihres um einiges. Allerdings war da noch etwas anderes. Etwas Trauriges. „Was ist?"
Zärtlich strich er über ihre leicht raue Unterlippe. „Ich werde trotzdem ohne dich gehen und dich später holen." Sein erster Instinkt war gewesen, sie anzulügen. Ihr zu sagen, alles sei in bester Ordnung, doch das hätte sie gemerkt. Schließlich konnte sie jetzt in ihm lesen, wie in einem offenen Buch. Das funktionierte auch anders herum, nützte ihm in diesem Moment jedoch herzlich wenig.
Verärgert starrte sie ihn an. „Ich weiß deine Offenheit zu schätzen, aber du hättest ruhig so tun können als sei wenigstens für den Moment alles in Ordnung." Sie riss sich das kleine Handtuch vom Nacken und warf es ihm an den Kopf. Dann stürmte sie ins Schlafzimmer.
Eine Welle tiefer Traurigkeit schwappte über ihn hinweg. Resigniert seufzend legte er das Handtuch beiseite. Irgendwie hatte er das Gefühl, die Probleme hätten gerade erst richtig angefangen.
Ria stand im Schlafzimmer am Fenster und starrte hinaus in den Tag. Oder besser gesagt: auf eine Hauswand. Warum verletzte es sie nur so, dass er weg wollte? Ihre Hand wanderte zu dem Muster auf ihrem Arm. Dem Zeichen, dass sie sich freiwillig an ihn gebunden hatte. War es ein Fehler gewesen? Was, wenn sie einander nur flüchtig interessant fanden?
„Hör auf, das ist unerträglich." Eleasar trat hinter sie. Mit festem Griff drehte er sie zu sich um. „Du kannst doch selbst sehen, dass es mir ernst ist."
Etwas legte sich zwischen sie und verhinderte, dass er in ihr lesen konnte.
Seltsam lethargisch sah sie auf seine Brust und murmelte schwach: „Hau ab, ich will dich nicht sehen."
Ihre Worte trafen ihn tief. „Vielleicht ist es besser, ich lasse dich allein." Er hob seine Kleider vom Boden auf und verließ kurz darauf angezogen die Wohnung.
Schluchzend brach Ria auf dem Boden zusammen. Nicht einmal Ragnarök vermochte es, sie aufzumuntern. Es tat so weh. Dieses Gefühl, dass er nicht mehr da war.
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