Böse Wölfe und unschuldige Lämmer

An ihrem Auto wurde sie überraschenderweise von jemandem erwartet. Jemand, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Lässig lehnte der sportlich wirkende Körper an der Karosserie ihres kleinen Flitzers. Was zur Hölle hatte dieser Kerl hier zu suchen? Zorn durchflutete ihre Adern. Brennendheiß.

„Ich nehme an, Ihr Name ist nicht wirklich Robin?"

Ria verschränkte die Arme vor der Brust und blieb am Waldrand stehen. Sonst hätte Adele morgen keinen Zirkelführer mehr. Nicht, dass es ihr etwas ausgemacht hätte, doch konnte sie das ihrer Freundin nicht antun. „Was wollen Sie hier?"

Aram machte mit erhobenen Händen einen Schritt auf sie zu. Dabei zeigte er ihr seine leeren Handflächen. „Ich bin unbewaffnet, Jägerin."

Es überraschte sie, dass er wusste, was sie war. Was seinen unbewaffneten Zustand anging, traute sie ihm nicht über den Weg. Sie selbst trug ebenfalls keine sichtbaren Waffen. Das bedeutete nicht, dass sie keine bei sich hatte oder ungefährlich war. Eine solche Geste war nur eine Farce. Geeignet, um Menschen zu beruhigen, die keine Ahnung hatten. „Wie lange ist Adele schon allein? Wollten Sie nicht auf sie aufpassen?"

Er lächelte beeindruckt. „Sie wissen also, dass ich auch ohne Waffen gefährlich bin?"

Ria schnaubte verächtlich. Für wen hielt er sie? Eine Idiotin? In diesem Fall war er selbst einer. „Halten Sie mich für so naiv wie Sie wollen. Also, was wollen Sie?"

„Zu wem gehören Sie? Jemand wie Sie kann unmöglich clanlos sein."

Geschicktes Ablenkungsmanöver. Spätestens jetzt war sie sich sicher, dass er die Leute in seiner Umgebung problemlos manipulieren konnte. Ihr Herz krampfte sich ein klein wenig zusammen, als sie sich fragte, ob er auch Adele manipulierte. Sie schenkte ihm ein kaltes Lächeln. „Sie weichen nun schon zum zweiten Mal meiner Frage aus." Lächelnd kam sie zu dem Schluss, dass sie ihm seine Kronjuwelen abreißen und vor seinen Augen an hungrige Tiere verfüttern würde, sollte sich dieser Verdacht erhärten. Niemand spielte mit ihrer besten Freundin. Nicht einmal eine so unheimliche, nicht einzuschätzende Kreatur wie er. Adele war heilig.

Aram ließ die Hände sinken und trat noch einen Schritt auf sie zu. Dabei jagte die von ihm ausgehende unterschwellige Kälte einen Schauer durch sie hindurch. Ria ließ sich nichts davon anmerken und sah mit forderndem Blick dem Schwarzhaarigen in die blassen Augen. Als ob sie sich von ihm einschüchtern ließe! Da konnte sie ihm auch gleich alle Leute ausliefern, für die sie verantwortlich war. Nein, sie würde keine Schwäche zeigen. Entschlossen reckte sie ihr Kinn vor.

Nach einer Weile des Schweigens seufzte Aram kaum merklich. „Ihre Freundin ist bei mir in Sicherheit. Mir liegt ebenso viel an ihr wie Ihnen."

„Ich will nicht mit ihr ins Bett", bemerkte Ria scharf.

Aram lächelte kühl. „Aber sie betrachten sie als Ihren Schützling. Ich finde es sehr interessant, dass ein Jäger dermaßen Partei für einen befreundeten Menschen ergreift. Ich habe Ihnen eine Antwort gegeben, jetzt geben Sie mir eine."

Abschätzend musterte Ria ihn. Er hatte recht. Sie beide benahmen sich wie Alpha-Tiere. Und dadurch, dass er ihr geantwortet hatte, stand sie nun in der Bringschuld. Verfluchter Kerl. Könnte sie ihn doch nur besser einschätzen. Dann wüsste sie, ob sie ihn zu recht wie einen Ebenbürtigen behandelte. „Ich bin meine eigene Herrin", entgegnete sie schnippisch.

Anerkennung funkelte in seinen Augen auf, als er vage nickte. „Sie begreifen schnell. Ich möchte mit Ihnen reden. Aber zuerst seien Sie doch so gut und nennen mir Ihren richtigen Namen."

„Sie werden mit Robin vorlieb nehmen müssen, es sei denn, Sie verraten mir Ihren Namen."

Die Augen ihres Gegenübers verengten sich. „Sie scheinen wirklich sehr viel von sich zu halten." Er machte eine wegwischende Handbewegung. „Aber das interessiert uns jetzt nicht. Haben Sie meinen Laufburschen ebenso hingerichtet, wie diejenigen, die sich mit dem Blut eines Jägers bei mir einkaufen wollten?"

Ria konnte sich das verächtliche Schnauben nicht verkneifen. „Ich hätte ihnen einen Orden verleihen sollen. So blöde Männer wie der Verstorbene verdienen es wohl kaum als Jäger bezeichnet zu werden. Sie sind bestenfalls körperlich modifizierte Menschen, die ihre Kraft aus unnatürlichem Blutkonsum generieren."

Arams blassgrüne Augen weiteten sich vor Überraschung. „Sie gehen sehr hart mit Ihrer eigenen Art ins Gericht."

Dafür erntete er einen finsteren Blick. „Ihr Jammerlappen lebt noch." Das Handy in ihrer Tasche vibrierte. Schnell suchte sie es heraus. Vielleicht wollte Adele abgeholt werden, weil ihr Lover sie allein gelassen hatte. Zu ihrer Enttäuschung war es Kemal.

„Was", fauchte sie ihn ungehalten an.

„Guten Abend, Kleine." Er klang unverschämt gut gelaunt und vertraut.

Sie grollte. „Ich hoffe für dich, dass du einen verdammt guten Grund hast, mich jetzt anzurufen."

„Ich wollte fragen, ob du schon Fortschritte in puncto Gian zu verzeichnen hast."

Ria glaubte zu spinnen. Sie hörte geradezu das Wasser aus dem sprichwörtlichen Fass überschwappen. „Was bildest du dir verdammt nochmal ein? Ich bin dir keinerlei Rechenschaft schuldig. Wenn ich sage tanz, dann tanzt du, kapiert? Du bist der allerletzte, der mir zu sagen hat, was ich zu tun und zu lassen habe! Davon abgesehen könnt ihr aufhören, nach den Mördern zu suchen. Und keine verdammte Widerrede, sonst komme ich gleich vorbei und drehe dir den Hals um. Und das wird nur der Höhepunkt deines äußerst schmerzhaften Abgangs sein, glaube mir." Als sie auflegte, fühlte sie sich gleich viel besser. Ihren Ziehvater anzuschreien hat geholfen. „So, wo waren wir stehen geblieben?"

Aram war einen Augenblick lang sprachlos. „Es fällt mir schwer zu glauben, dass Sie so mit Vorgesetzten sprechen."

„Kehren Sie in Ihrem eigenen Garten", entgegnete sie abweisend. Ihr stand der Sinn nach ein wenig Einsamkeit. „Sollten Sie sich jetzt nicht wieder um Adele kümmern?"

„Sie schläft. Nachdem sie mir erzählt hat, was Sie alles für sie getan haben. Ist sie Teil des Clans, dem Sie angehören?"

„Mein Clan beherbergt keine Menschen", fauchte sie ungehalten. „Es sind schon mehr als genug Leute, da muss ich nicht auch noch Menschen Schutz gewähren, die das Wissen um uns ausnutzen könnten, um ihren eigenen Hintern zu retten."

„Marjan hat mich gewarnt, Ihnen in den Weg zu kommen."

Marjan, der Name kratzte an ihrer Erinnerung. Das war doch der, der sie eingeladen hatte. Ohne Datum und Adresse. „Ich an Ihrer Stelle würde mich auf Referenzen von Leuten verlassen, die mich persönlich kennen."

Aram trat noch einen Schritt auf sie zu, sodass er nur seine Hand auszustrecken brauchte, um sie zu berühren. „Sie sind interessant, Robin. Oder sollte ich Ria Shaw zu Ihnen sagen?"

Ria lächelte ihn kühl an. „Was auch immer Sie denken, was mein Name ist."

„Sie brauchen eine Schwäche, Ria. Männer mögen keine Frauen, die sich so abweisend verhalten wie Sie."

„Ich bin nicht auf der Suche nach einem Mann." Ungerührt ging sie zu ihrem Auto. „War es das?"

Aram nickte leicht. „Sie sollten ihre Freundin mir überlassen. Sie hat unsere Seite gewählt."

„Träumen Sie weiter." Ohne sich zu verabschieden stieg sie ein und fuhr sie nach Hause.

Dort angekommen, musste sie erst einmal tief durchatmen. Sie musste dringend Ordnung in die Geschehnisse des heutigen Abends bringen. Das gelang ihr immer am besten, wenn sie mit Ragna darüber sprach. Doch zuvor musste sie sich erst einmal einen Kaffee machen und eine Runde Duschen. Wenn sie entspannt war, ordnete es sich leichter.

Sich ins bequeme Sofa kuschelnd und an ihrem Kaffee nippend, wandte sie sich dem unvermeidlichen Gespräch zu. Mit geschlossenen Augen nahm sie Kontakt zu ihrem Schattendrachen auf. Okay, ich betrachte den Mord an Gian jetzt einfach mal als abgeschlossen. Was mich beschäftigt, ist dieser Aram. Du hast doch mitgekriegt, dass er etwas von diesem Marjan sagte, nicht? Meinst du, er ist tatsächlich ein Vampir?

Ich kann es dir nicht sagen. Warum hast du ihn nicht einfach gefragt?

Ria schnaubte ablehnend. Und ihm damit praktisch sagen, dass ich keine Ahnung habe?

Ragnarök schwieg. Er wusste, dass es hier um mehr ging als nur um Stolz. Wenn ein Clanmeister schwach war, war das quasi die Einladung dazu, den Clan zu vernichten. Und wenn sie Unwissenheit zeigte, konnte es als Schwäche ausgelegt werden.

Erneut klingelte Rias Telefon. Ein wenig genervt kramte sie es heraus. Wehe, Kemal wollte sie noch einmal ausfragen. Ein kurzer Blick auf das Display sagte ihr, dass der Anrufer unbekannt war. Mit leicht gerunzelter Stirn hob sie ab. „Ja?"

„Meisterin Ria?" Die fremde Stimme klang seltsam jung und verängstigt.

„Wer will mich sprechen?"

„Mein Name ist Sanne. Meine Eltern werden bedroht. Von einem bösen Mann. Ich soll Sie anrufen und um Hilfe fragen."

Bedrohte Clanangehörige? Das hatte ihr gerade noch gefehlt. „Wo bist du, Sanne?"

„Amsterdam."

Amsterdam. Seufzend stützte sie ihre Stirn in die Handfläche. Im Kopf überschlug sie, wo der nächste kampffähige Jäger war. Die erschreckende Erkenntnis: Hier. Sie war drauf und dran, jemanden zu schicken, der sich sofort der Sache annehmen sollte, als sie hörte, wie im Hintergrund jemand schmerzerfüllt aufschrie. Scheiß auf Feierabend, sie würde selbst gehen. „Nenn mir deine Adresse, ich bin so schnell wie möglich da."

Keine zehn Minuten später brach Ria sämtliche Geschwindigkeitsrekorde auf der Autobahn. Natürlich fuhr sie jetzt nicht ihren kleinen Roten, sondern den Rennwagen, den sie sich für solche Fälle ebenfalls aus der Garage des Clanhauses mitgenommen hatte. Unter ihrem halsbrecherischen Fahrstil ächzte der Rennmotor laut auf. Das Teil hatte anscheinend nicht besonders viel zu bieten. Von einem so teuren Wagen hatte sie eigentlich mehr erwartet.

Eineinhalb Stunden später bog sie hoffentlich unbemerkt auf den Nachbarshof von Sannes Zuhause ein. Es war Donnerstagnacht, da sollte niemand überraschend spät nach Hause kommen. Hastig sortierte sie ihre Waffen und stieg mit entsicherter Pistole aus. Kurz darauf wurde die Haustür aufgerissen und jemand checkte die Lage. In letzter Sekunde gelang es ihr, sich hinter einen Busch zu retten. Sie hätte die Scheinwerfer früher ausstellen sollen. Offensichtlich waren die Typen, die die Familie bedrohten, noch da. Umso besser. Von Kemal hatte sie sich während der Fahr die Fotos der Familie schicken lassen, damit sie sie nicht aus Versehen bei ihrer Rettungsmission umlegte.

Nachdem die Tür wieder ins Schloss gefallen war, ließ sie einige Augenblicke verstreichen, ehe sie sie beherzt an die schwere Holztür klopfte. Mittlerweile stand die Dämmerung kurz bevor; es war alles totenstill. Um nicht durch einen unbeabsichtigten Schuss die Nachbarschaft aufzuwecken, steckte sie die Waffe weg und drehte dem Kerl, der gerade neugierig den Kopf zur Tür rausstreckte, kompromisslos den Hals um. Anschließend nutzte sie den Toten als Schild, während sie eintrat und die Tür hinter sich schloss. Offenbar befand sie sich nun im Wohnzimmer, denn ihr fiel die Ecke eines Sofas ins Auge.

Noch während sie eintrat, wurde mit schallgedämpften Waffen auf den Leichnam geschossen. Dem Geräusch nach zu urteilen waren es nur drei Leute. Zwei schienen dicht beieinander zu stehen, während der Dritte... Spontan schleuderte sie den toten Körper in die Richtung der beiden und warf ein Messer auf den anderen. Ihre Waffe verfehlte das Ziel nicht. Gurgelnd sank der Sterbende zu Boden. Zwei weitere Messer trafen die anderen abgelenkten Gauner an den Handgelenken, die dadurch ihre Waffen fallenlassen mussten. Oben waren Schritte zu hören. Jemand rief etwas in einer ihr unbekannten Sprache. Einer der beiden Entwaffneten wollte antworten, wurde jedoch von der Kugel aufgehalten, die Ria ihm durch die Stirn jagte. Kurz darauf erging es seinem Kumpan ebenso. Nun kamen die Schritte eine Holztreppe hinunter. So viel zum Thema unauffällig. Sie hätte an Schalldämpfer denken sollen. Das kam davon, wenn man überstürzt aufbrach.

Mit einem Finger vor dem Mund bedeutete sie dem auf einem Stuhl gefesselten Mann in der Mitte des Raumes zu schweigen. Der sah sie nur mit großen Augen an, nickte und hörte auf, hinter dem Klebeband, das seinen Mund versiegelte, zu schreien. Glück für ihn, dass er nicht in der Wurfbahn des Leichnams saß. Beim Eintreten war er ihr gar nicht aufgefallen. Wurde sie jetzt schlampig? Das war gar nicht gut für ihren Ruf.

Eine massige Gestalt erschien neben ihr. Ria handelte ohne zu zögern und setzte den Hünen nach einem kurzen Gerangel außer Gefecht. Er war ein schwerer Brocken, der den einen oder anderen Treffer gelandet hatte. Wäre sie nicht so gut im Training gewesen, hätte er sie ausgeknockt. Sie wurde wohl wirklich nachlässig. So langsam wurde der Trip nach Japan Pflicht und nicht bloß Urlaub.

„Waren sie nur zu viert?", fragte sie den Gefesselten unwirsch. Der nickte stumm.

Tief durchatmend strich sie sich die losen Strähnen hinters Ohr und begann, den Mann zu befreien. Er wirkte ungewöhnlich hager, seine leicht verwaschenen Züge gewannen dadurch an Schärfe. An seiner linken Schläfe hatte er eine hässliche, dicke Narbe, die nur unzureichend von seinem kurzen braun-grauen Haar verdeckt wurde. Getrocknetes Blut hing am Kragen seines zerknitterten hellgrauen Hemdes. „Danke. Wer bist du?" Seine Stimme klang rau, als habe er eine Weile geschrien. Sie hatte schon tiefere Stimmen gehört.

„Meisterin Ria", erklang es sehr schüchtern und piepsig von hinter ihr.

Sie drehte sich um. Ein kleines Mädchen stand im Nachthemd am Fuße der Treppe und sah sie schüchtern an. Schulterlange braune Haare, Stupsnase, Sommersprossen, braune hoffnungsvoll funkelnde Augen und ein kleiner Mund, der sich zu einem scheuen Lächeln verzog. Das musste Sanne sein. Sie war hübsch - und etwa um die zehn Jahre alt. Ihr wurde eiskalt, als sie daran dachte, was sie alles hatte erleben müssen. Auf einmal kam ihr der Tod der Hausbesetzer viel zu gnädig vor.

Freundlich lächelnd ging sie vor dem Mädchen in die Hocke. „Hallo Sanne. Danke, dass du mich angerufen hast. Siehst du", sie deutete auf die am Boden liegenden Eindringlinge, „die können dir gar nichts mehr tun."

Sanne nickte schüchtern. Eine stumme Träne stahl sich aus ihren Augenwinkeln. Gerne hätte sie sich jetzt die Zeit genommen, das Kind zu trösten. Allerdings war sie hier noch nicht fertig.

„Ist deine Mama auch da?", erkundigte sie sich vorsichtig.

„Sie haben sie nach oben geschafft", erklärte der Vater mit noch immer kaum hörbarer Stimme. Im Gegensatz zu seiner Tochter war er ein Jäger.

„Können Sie sich um Ihre Frau kümmern?"

Das ließ der Mann sich nicht zweimal sagen und eilte nach oben.

Ria lächelte Sanne aufmunternd an. „Nach der Gruselgeschichte hast du bestimmt Lust auf etwas Warmes zu trinken oder? Das lenkt so schön ab."

Das Mädchen schüttelte zwar wortlos den Kopf, führte sie dennoch in die angrenzende kleine Küche. Dabei achtete Ria ganz genau darauf, dass sie die Verletzungen der am Boden liegenden Schläger nicht sah. Das war kein Anblick für ein Kind. Der traumatisierte Ausdruck auf dem kleinen niedlichen Gesicht nahm sie mit. Sie musste sie auf andere Gedanken bringen. Nur wie? Verzweifelt griff sie nach jeden, sich bietenden Strohhalm. „Hast du schon einmal einen Drachen gesehen?"

Mit großen Augen schüttelte das Mädchen ihren Kopf. Ihre Haare flogen ganz sacht durch die Luft. „Drachen gibt es nicht."

Mit einem Lächeln auf den Lippen bat Ria Ragnarök, sich der Kleinen zu zeigen und sie abzulenken, bis sie mit den Eltern gesprochen hatte. Widerwillig tat er ihr den Gefallen.

Im Wohnzimmer knebelte Ria den einzigen Bewusstlosen der Runde und schaffte die Leichen in eine Ecke. Anschließend folgte sie den Präsenzen der beiden Erwachsenen.

Sannes Mutter lag mit leerem Blick auf dem Bett, ihre Kleider waren allesamt zerrissen. Bei Rias Anblick begann sie leise zu wimmern. Offenkundig hatte sich der Widerling unten mehr als nur einmal an ihr vergriffen. Heißer Zorn brannte sich durch ihre Venen. Erneut bereute sie es, diese Typen zu schnell umgebracht zu haben.

„Sie sind geschaffen", stellte Ria überrascht fest, als sie die zur Hälfte asiatische Frau näher betrachtete. Ganze Strähnen ihres schwarzen seidigen Haares lagen neben ihren Kopf. Ihre Haut war übersät mit kleinen Wunden und Kratzern, hie und da waren sogar Zahnabdrücke zu sehen. Der Tod war eindeutig zu gnädig gewesen. Sie unterdrückte ein Knurren und machte sich weiter daran, den Zustand der Frau zu untersuchen. Nicht, dass sie irgendwelche Verletzungen hatte, die sofort vom Notarzt behandelt werden sollten.

„Meisterin, bitte helfen sie ihr, sie ist unschuldig." Verzweifelt sank der Mann neben ihr auf die Knie. „Ich habe Spielschulden und weder meine Frau noch mein Kind wissen davon."

Ria ging kurzerhand zum Schrank und suchte nach frischen Sachen. „Möchten Sie das der Polizei melden oder nehmen Sie den Schutz des Clans in Anspruch?" Letzteres bedeutete, dass Ria jemanden schicken würde, um die Gläubiger des Mannes auszuschalten. Um die Schuld des Familienvaters wollte sie sich gerade keine Gedanken machen. Sie war schon mordlüstern genug, wann immer ihr vor Augen geführt wurde, wie brutal diese Drecksäcke vorgegangen waren. Mit einem tiefen Atemzug verschloss sie ihre Emotionen. Wenn sie jetzt ausrastete, war niemandem geholfen. Eine kühle Maske war jetzt genau das richtige.

„Bitte, helfen Sie meiner Familie." Der Mann schien ebenso verstört zu sein wie seine Frau.

Unbarmherzig blickte sie in seine wässrigen Augen. Was ihn betraf, befand sich das Mitleidsrisiko im unterirdischen Bereich. Wer seine Frau und seine Tochter in solche Gefahr brachte, der hatte keine Sympathie verdient. „Sie werden gleich zu ihrer Tochter gehen müssen. Reißen Sie sich zusammen. Ich bringe Sie zum Hauptsitz des Clans. Dort können Sie leben, bis Sie entschieden haben, wie es weitergehen soll. Sanne wird ihre schulische Ausbildung fortsetzen können und es wird für alle Formalitäten gesorgt. Ich verlange, dass sie sich Ihrer Tochter gegenüber gefasst verhalten und ihr die Stütze sind, die sie braucht." Sorgsam legte sie die Kleidungsstücke neben der Frau ab. „Kommen Sie, waschen Sie sich. Es wird Ihnen guttun, glauben Sie mir, sie werden es sehen."

Es bedurfte noch einer Menge guten Zuredens, bevor die Frau sich endlich rührte. Ria überließ es ihren Mann, sich um sie zu kümmern und stieg die Treppe hinab, während sie im Hauptsitz anrief, um die Ankunft der neuen Bewohner anzukündigen. Dabei stellte sie sicher, dass ein Arzt zugegen war, der sich die misshandelte Frau genauer ansehen sollte.

Sanne saß in der Küche auf dem Stuhl und schien ganz in ihrer Faszination für Ragnarök gefangen zu sein. Dieser hatte sein Taschenformat angenommen und vollführte ein Kunststück nach dem anderen.

Lächelnd zog Ria sich zurück und schaltete auch den letzten der Schläger aus. Der Vater würde alle nötigen Informationen liefern können.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top