Sweet Home

Es ist ein komisches Gefühl, als ich zum ersten Mal seit fast zwei Monaten die Haustür aufschließe. Ich bin zwar froh, wieder zuhause zu sein, aber andererseits frage ich mich auch, wie es nun weitergehen soll.
Erst mal entspannen, das ist klar. Dann gibt es ja noch diesen dämlichen Abschlussbericht, den ich schreiben muss...
Doch will ich irgendwann noch mal nach Wattpadien? Und würde mein Team noch einmal mitkommen?
Die Genetikkspezialistin hat mir die You-Tube vorgeschlagen, so was ähnliches wie eine Zahnpastatube, nur größer und eindeutig nichts für schwache Nerven. Der Kontextforscher ist noch länger verhindert, denn er will in Wattpadien eine Art... Biographie über eine gewisse Chantalle schreiben. Auch die Buchstabenpolizistin ist noch irgendwo in Wattpadien unterwegs, aber was sie genau tut, weiß ich nicht.
Während ich also schon über die nächste Expedition nachdenke, gehe ich ins Haus und lasse meine Ausrüstung achtlos in den Flur plumpsen. Im selben Moment fällt mir die Lautstärke auf, die hier im Haus herrscht und sogar den Anglerhai aus seinen ultraweißen Nikes gehauen hätte.
„...VON DER ERDE BIS ZUM MARS, UNTERWEGS DURCH DIE ANTARKTIS..."
Ich weiß sofort, wer dafür verantwortlich ist.
„Paula!"
„...ULTRAVIOLETT METRICKZ KAMIKAZE..."
Keine Chance, die Musik ist viel zu laut.
Mit einer Hand krame ich in meinem Rucksack nach den Ohrenschützern, mit der anderen ziehe ich meine Schuhe aus.
Das heißt, ich versuche es, verknote aber nur die Schnürsenkel und finde anstelle der Ohrenschützer eine Schachtel essbaren Sprengstoff mit der Aufschrift „Al Kaida - Gourmet", zwei BTS-Aufkleber, eine regenbogenfarbene Schulklingel und den Brief, den die Qualle gequällt hat.
Verdammt, meine Ohren fallen ab!
Der Lärm kommt aus dem Wohnzimmer. Nur mit beiden Fingern in den Ohren schaffe ich es zur Steckdose und ziehe mit den Zähnen das Kabel raus.
Das war wohl die größte Herausforderung in meiner ganzen Forscherlaufbahn. Erschöpft und glücklich, dass die Anlage endlich aus ist, setze ich mich erst mal in einen Sessel.

Etwa drei Sekunden später höre ich Geräusche von oben (Hey, ich kann noch hören!) und meine Katze Paula kommt mit wütend angelegten Ohren vom Dachboden.
„Was machst du einfach die Musik aus?", faucht sie und schaut mich durch diese dämliche MLG-Brille vorwurfsvoll an, „Und warum bist du schon da?"
„Ich freu mich auch, dich zu sehen, Paula."
Ja, ich freue mich tatsächlich, sie zu sehen. Auch wenn sie abends um sieben auf voller Lautstärke Kamikaze hört, ständig einen Haufen chaotischer Freunde anschleppt und mir allgemein ziemlich auf die Eierstöcke geht.
Ich habe sie vor Jahren aus einer Warrior Cats - Creepypasta befreit und ganz ehrlich: dafür ist sie echt normal. Und sie hat mich auf die Idee gebrauch, nach Wattpadien zu reisen.
... auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob sie mich nicht einfach nur loswerden wollte...

„Hast du mir was mitgebracht? Leckerlies oder so?"
Ich überlege, ob ich ihr „Al Kaida - Gourmet" andrehen soll. Nein, die ist auch so schon explosiv genug. Außerdem brauch ich es noch.
Lieber antworte ich mit einer Gegenfrage: „Hast du den ganzen Vorrat im Keller schon aufgegessen, oder wie? Das waren über 100 Dosen!"
Paula sagt nichts mehr. Natürlich hat sie. Denn obwohl sie fit bleiben will, frisst sie doch immer alle Leckerlies, die sie irgendwie kriegen kann. Das ist fast so, wie bei mir mit Schokolade.
„Wie lange hast du denn die Musik schon an? Du musst doch alle Nachbarn vertrieben haben mit diesem Lärm!"
Paula überlegt einen Augenblick. „So ungefähr seit... drei Stunden?"
„Toll. Ein Wunder, dass die Schröders nicht schon die Polizei gerufen haben! Du weißt dich, wie empfindlich die sind."
„Och, das ist kein Problem, die sind vorgestern ausgezogen. Haben nicht mal tschüss gesagt...", meint Paula fröhlich. Ich will wieder nach Wattpadien.
Dann läuft sie in den Flur und fängt an, in meinem Gepäck herumzuwühlen.
„Ui, was ist das denn?" Sie hält einen orange-blassgelb gescheckten Handx mit leicht lila Karomuster hoch.
„Das ist...", fange ich an, aber da hat sie den Fisch schon in den Mund gesteckt.
Doch einige Sekunden später spuckt sie ihn schon hustend wieder aus. „Bah, igitt!"
„... ein Plastikmodell. Anstatt alles rauszuzerren, könntest du mir lieber beim Einräumen helfen."
Aber sie hat schon das nächste Teil in der Hand.
„Ein leerer Raum mit Scheinwerfern und einem Klappstuhl? Wieso machst du so langweilige Fotos?"
„Das ist das Off. Da sieht es immer so aus."
„Und was macht das Panzertape da?"
„Ähhh, nichts, worüber du dir Sorgen machen musst."
Ich drücke ihr den Koffer mit meinen Klamotten in die Pfoten. „Da, leg das mal in die Waschmaschine. Danach kannst du gleich die Angelausrüstung aufräumen."
Sie knurrt verärgert, macht sich dann aber doch auf den Weg in den Keller.
In der Zeit kann ich mit den ganzen Proben und anderen Gegenstände ins Archiv fahren, ohne, dass sie etwas davon mitbekommt, dass ich ohne sie wegfahre.
Jonas weiß schon bescheid. Er ist im Institut für Logikforschung in anderen Welten für das Archiv zuständig. Ursprünglich stammt er aus einem schlechten Disneyfilm über Gorillas, aber er hat sich sehr gut eingelebt.
Ich schreibe Paula noch schnell einen Zettel, damit sie sich gleich darüber aufregen kann, dass ich sie nicht mitgenommen habe und schmeiße dann den Handx und das Foto zurück in den Rucksack.
Zum Institut ist es nicht weit. Ich freue mich darauf, meine alten Freunde wieder zu sehen. Vielleicht treffe ich ja auch ein paar Leute aus dem Expeditionsteam...

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top