Teil 1


Der 1. Advent war gekommen und wie jedes Jahr fragte mich meine wunderbare Tochter, ob wir den Weihnachtsmarkt besuchen können.

Es begann zu schneien und ihr süßer kindlicher Wunsch, mit einem Karussell zu fliegen ließ mich schmunzeln. „Fliegen? Mit einem Karussell,? fragte ich. Jolli nickte. Aufgeregt funkelten ihre blauen Augen mit dem glitzernden Neuschnee vor den Fenstern zur Stadt um die Wette. „Ja Mama. Ich möchte wie Dumbo fliegen." Ich fragte: „Wer ist Dumbo?" Jolli war vier Jahre alt und sie hatte diese Art von vorwitziger Niedlichkeit, mit welcher sie mich betrachtete. „Mama, Dumbo der fliegende Elefant."

Ich versprach ihr, am Wochenende in die Stadt zu fahren, um nach Dumbo dem fliegenden Elefanten Ausschau zu halten. Ich versuchte mich zu erinnern. Dumbo. Ich kannte Dumbo, aber meine Erinnerungen waren zu verschwommen, verworren.

Nicht nur das Plätzchenbacken im Advent, sanfte Schneeflocken und der Besuch des Weihnachtsmarktes waren fester Bestandteil einer Reihe vorweihnachtlicher Rituale.

Jedes Jahr „schrieb" meine Tochter einen Brief an den Weihnachtsmann, malte bunte Bilder und verstreute eine Extraportion Glitzer für die fleißigen Helfer des Mannes mit dem weißen Rauschebart. Jolli hoffte wie alle Kinder auf eine Antwort aus Himmelfort.

Auf dem Weg in die Stadt sang sie von den Leckereien der Weihnachtsbäckereien und den Abenteuern im Winterwunderland. Unzählige Menschen tummelten sich auf dem Weihnachtsmarkt.

Fröhliche Stimmen, bunte Lichter und der einzigartige Duft weihnachtlicher Köstlichkeiten vermischten sich mit Jollis gleißend hellen Schrei. „Mama! Da vorne. Dort ist Dumbo. Siehst du wie er fliegt? Ich möchte so fliegen wie Dumbo." Ich drehte mich in die Richtung, in der Jolli mich mit ihren zierlichen Ärmchen zog.

Vier Jahre alt, doch bestärkte sie ihr Traum vom Fliegen, als hätte sie die Kraft von Hulk und die Unzerstörbarkeit von Superman in sich aufgezogen. Alles nur, um aus einem Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

Ich jedoch war wie erstarrt, stolperte hinter meiner Tochter her und betrachtete den Traum meiner Kindheit. Dumbo. Natürlich.

Ein kalter Schauer wehte herüber, es roch nach gebrannten Mandeln und klebrig süßen Puderzucker.

Wie damals, in meiner Kindheit, als meine Mutter unsere kleine Familie durch schwere Zeiten leitete und der Flug mit Dumbo nichts weiter als ein Traum blieb. „Eine Fahrt", waren ihre Worte.

Das Geld war knapp, Mama mit meiner Schwester und mir allein.

Dennoch erfüllte sie uns jedes Jahr den Wunsch zum Weihnachtsmarkt zu gehen und eine Runde mit dem schillernden Kinderkarusell zu drehen.

Ich erinnere mich an leuchtend rote Feuerwehren, galoppierende Pferde, blitzschnelle Fahrräder und Dumbo. Nicht nur ich, sondern eine Herrscharr weiterer Kinder hatte sich Hals über Kopf in Dumbo verfliegt und so stand ich jedes Jahr vor den blickenden Lichtern und konnte doch niemals fliegen.

Jolli zu sehen, mit ihren vor kindlicher Freude strahlenden Augen und dem aufgeregten Klatschen kleiner Hände erfüllte mich mit Wärme. Lächelnd sah ich dabei zu, wie mein glückliches Kind ihren Traum lebte. Sie flog. Und wie sie flog, bis hoch in die Wolken und wenn sie gekonnte hätte, so hätte sie nach den funkelenden Sternen und dem leuchtenden Mond gegriffen.

Ihr Lachen schallte über den Markt und mein Herz sprang vor Glück und Liebe aus meiner Brust. Ich war glücklich, mein geliebtes Kind lebte ihren Traum.

Ist es nicht das, was eine Mutter sich wünscht? Ihr Kind glücklich sehen.

Doch jeder Traum endet einmal. Jolli war nicht wehmütig, zornig oder weinte. Sie strahlte vor Glück und umklammerte meine Hand mit ihrer. Freudig hüpfend bahnten wir uns einen Weg durch die Masse an Menschen, hielten an einem Stand mit einer für uns unverzichtbaren Köstlichkeit.

Eierkuchen mit Nutella und während wir darauf warteten, ließ ich meinen Blick schweifen.

Neben uns stand ein Mann mit tiefschwarzen Haaren, welche mit glitzernden Schneeflocken bedeckt waren. Er trug ein blaues Fußballtrikot und hing an den Lippen des Mannes vor ihm. Gebannt lauschte er dessen Worte, vergaß den köstlich duftenden Eierkuchen in seinen Händen vollends. Auch ich lauschte seinen Worten, einer Geschichte aus fernen Ländern, rauschenden Wasserfällen und Abenteuern mit seiner großen Liebe.

Er hatte nach den Sternen gegriffen, einen von ihnen fest in der Hand und doch verloren. Ein Hauch von Wehmut zeichnete sein Gesicht. Dennoch lächelte er und das Glück kehrte zu ihm zurück. Irgendwie, anders, mit seiner Liebe im Herzen.

Jolli aß plappernd ihren Eierkuchen. Ich ermahnte sie mit liebevollen strengen Worten. „Erst essen und dann kannst du mir alles erzählen, was dir auf dem Herzen liegt." Jolli verschlang den Eierkuchen, Nutella klebte in ihrem Gesicht und an der Nasenspitze. „Kinder", dachte ich. „Ein Einhorn", sagte sie plötzlich und wieder fragte ich mich, wie sie vom Fliegen auf ein Einhorn kam.

Ihre zierlichen Finger deuteten hinter mich und gemeinsam sahen wir dabei zu, wie ein weiteres Wesen seinen Traum lebte. Ein Ballon schwebte über unseren Köpfen.

Hoch und höher und Jolli wünschte ihm eine gute Reise. „Mama, du musst auch etwas sagen. Gute Reise Einhorn. Grüße mir die Wolken", kreischte mein kleines Mädchen und ich antwortete stumm: „Lebe deinen Traum. Höre nie auf an dich zu glauben."

Ende

In diesem Sinne frohe Weihnachten. !!!!

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top