• 𝐊𝐀𝐏𝐈𝐓𝐄𝐋 20 •

Zuvor...
Molly

Es dauert ein paar weitere Sekunden, bis sich die versammelte Menge wieder gefangen hat.

„Wir werden für die Hochzeit einfach die bereits getroffenen Vorbereitungen für meinen Geburtstag umwandeln", erklärt Herr Schiffke weiter, als niemand etwas sagt.

Dirk, Lukes Vater, räuspert sich unsicher, womit er der Erste ist, der es auch nur annähernd wagt, irgendeinen Laut von sich zu geben: „Anton, wir haben-."

„Ich weiß, dass ihr nicht geplant habt", unterbricht der Bürgermeister seinen Bruder schnaubend, „Nesrin ist doch die, die jedes Jahr meinen Geburtstag vorbereitet. Deshalb habe ich das dieses Mal selbst in die Hand genommen. Alles, was uns noch fehlt, sind kleine Dinge, wie die Musik, denn ich fürchte, die Beiden wären mit der Dudelsackgruppe nicht zufrieden. Luke?"

Dieser sieht immer noch vollkommen ungläubig aus, hebt nun aber fragend den Kopf: „Ja?"
„Du wirst bei der Zeremonie Klavier spielen!"
„Ich bin aber Trauzeuge."

„Das ist sehr ungünstig, Luke, wärst du mal besser ein schlechterer Freund gewesen. Kann sonst irgendjemand ein Instrument spielen?"

Eine einzelne Hand hebt sich ruckartig in der letzten Reihe zwischen Jan und Cady. Alle Blicke richten sich auf die junge Frau, die auf keinen Fall älter als achtzehn sein kann. Nun schiebt sie ihre graue Brille höher und lächelt so zuversichtlich wie nur möglich in die Runde: „Ich kann Geige spielen."

„Wer bist du überhaupt?", ich kann Schiffkes Frage nachvollziehen. Mir kommt die junge Frau bekannt vor, aber gleichzeitig wüsste ich nicht woher. Möglicherweise ist sie Stammferiengast, doch auch diese Überlegung hilft mir nicht, um ihr einen Namen zuordnen zu können.

„Ich bin Lisa", empört sie sich und zieht ihre linke Augenbraue in die Höhe, „ich wohne hier seit fünfzehn Jahren. Ich hatte sogar bei Ihnen Geigenunterricht."

„Oh, das ist dann wohl sehr gut und welche Stücke kannst du?"
„Ich habe nur Soundtracks gespielt", murmelt sie eine Spur unsicherer, „wie wäre es mit Star wars?"

Die Menge scheint zeitgleich ein Stöhnen zu unterdrücken, während Lisas Lächeln gequälter wird.
„Ich kann auch das Lied von Titanic!", versucht sie sich selbst zu retten. Tatsächlich sind keine direkten Widerreden von den Versammelten zu vernehmen.

„Schon besser", meint auch Herr Schiffke, der sich immer noch zu fragen scheint, ob er das Mädchen wirklich kennen kann, wendet sich nun aber wieder ab, „als nächstes auf der Liste stehen die Flitterwochen. Die paar Tage auch Island reichen natürlich nicht aus. Kennt jemand ein weiteres schönes Reiseziel, zu dem wir die Beiden ein paar Tage bringen können?"

Erneut ist es nur eine Hand, die sich hebt.
„Wie kann es sein, dass die Touristen hilfreicher sind als die Bewohner dieses Dorfs?", will Schiffke seufzend wissen.

„Ich bin eine Bewohnerin", betont Lisa genervt, während Cady neben ihr, die zuvor ihre Hand gehoben hatte, nur leise lacht.

„Also, Cady?", fordert der Bürgermeister sie auf.
„Ich kenne da so ein kleines Dorf in Amerika, wo ich für die Beiden ein Zimmer organisieren könnte."

„Perfekt", Herr Schiffke harkt einen Punkt auf der Liste vor sich ab, „das Essen, das ich bereits für meinen Geburtstag bestellt habe, werden wir weiternutzen. Die Torte backt Nesrins Mutter, die Kleider sind schon besorgt-."

„Was ist mit der Zeremonie?", wagt meine Oma zu fragen.
Schiffkes buschige Augenbrauen nähern sich einander verwundert: „Was sollte damit sein?"

„Pfarrer Franz ist heute Morgen nach Afrika abgereist, um für einen Monat ehrenamtlich bei einem Hilfswerk zu arbeiten."

„Frau Goldblum, ich bin Bürgermeister. Ich darf das!", damit geht er seine Liste weiter durch. Niemand wagt es ihm zu widersprechen, nur Grandpa George brummt einen englischen Kommentar, den ich aus der Ferne jedoch nicht verstehen kann.

Plötzlich spüre ich in mein Handy in der Tasche vibrieren. Für einen Moment versuche ich es einfach zu ignorieren, aber das Gerät hört nicht auf, sodass die Leute um mich herum langsam beginnen sich mir zuzuwenden.

„Ich muss kurz raus", flüstere ich eilig in Lukes Richtung und schiebe mich bereits aus der Reihe. Er nickt nur knapp.

Ohne von Schiffke erwischt zu werden, schaffe ich es, aus dem Versammlungssaal zu fliehen. Erst als sich eine geschlossene Tür zwischen den Dorfbewohnern und mir befindet, nehme ich den Anruf an.

„Was gibt's, Glitzer?", frage ich genervt in den Hörer.
„Soll ich sie reinlassen?", kommt es wie aus der Pistole geschossen.
„Wie bitte?"

Ein Schnauben erklingt am anderen Ende der Leitung: „Du weißt schon, wen ich meine Molly. Soll ich die Katze wieder reinlassen – warte, da ist noch jemand."

„Lass das Mädchen rein", fauche ich und versuche meine Stimme so leise wie möglich zu halten, „ihre Sachen liegen noch bei uns, da kannst du sie doch nicht aussperren, wie irgendein Tier, das deinen Thunfisch gefressen hat!

„Molly!", auch Glitzer flüstert jetzt.
„Ja?"
„Vor unserem Haus steht Valentina Stiegler!"

Um ein Haar hätte ich mich an meiner eigenen Spucke verschluckt. Das kann doch nicht sein Ernst sein. Was auch immer für funkelnde Drinks Glitzer mal wieder getrunken hat, die Wirkung scheint benebeln gewesen sein, denn das, was er da sagt, klingt einfach zu unrealistisch.

„Sag mir, dass du mich verarscht", murmle ich, während ich bereits aus dem Rathaus stürme. Unser Wohnhaus befindet sich in direkter Nähe von dem Kreisverkehr, der das Zentrum des Dorfs bildet.

„Wieso sollte ich?"
„Keine Ahnung. Sicher, dass es Frau Stiegler ist?"
„Ich habe sie gerade gegoogelt", informiert mein Mittbewohner mich kurz angebunden.
„Und?", dränge ich weiter.
„Ich habe mich geirrt."

„Du verarscht mich, oder?", frage ich schnaubend.
„Natürlich, Molly", schimpft Glitzer, „als würde ich so eine Persönlichkeit nicht wiedererkennen! Außerdem-."

Was er noch sagt, höre ich nicht mehr, denn ich habe meine Hand bereits gesenkt. Mein Blick ist auf die zwei Personen vor unserem Haus gerichtet. Kat, die mir mit dem Gesicht zugewendet steht, erkenne ich sofort. Zwischen ihren schokoladenbraunen Augen hat sich eine steile Falte gebildet, wie ich es bei ihr noch nie beobachtet habe. Ihr gegenüber befindet sich eine fremde Dame. Sie ist ausgesprochen groß und ein teurer langer Mantel lässt einen nicht erkennen, ob sie auch dürr ist oder nicht. Dafür kann ich aber deutlich sehen, wie ordentlich ihr graues Haar frisiert ist. Auch die Tatsache, dass sie einen guten Modegeschmack hat, ist nicht zu übersehen. An dieser Frau scheint einfach alles übereinzustimmen im Gegensatz zu Kat. Nichts an den Beiden lässt auf irgendeine Gemeinsamkeit schließen.

„Ich will jetzt einen Grund hören, Kat", höre ich die Fremde in diesem Augenblick ungeduldig sagen, „was bringt dich dazu, hier zu bleiben?"

Ich kann mir nicht erklären, was mich dazu verleitet, ihr zu antworten, aber ehe ich wirklich darüber nachgedacht habe, verlässt ein alles entscheidender Satz meine Lippen: „Das wäre dann wohl ich."

Sofort trifft mich Kats Blick. Anscheinend bin ich ihr bis gerade gar nicht aufgefallen, denn als sie mich entdeckt, weiten sich ihre braunen Augen ein wenig vor Überraschung. Ich sehe wieder zurück zu der Frau, bei der es sich um Valentina Stiegler handeln muss. Im Gegensatz zu ihrer Tochter sieht sie einfach nur skeptisch aus, so wie sie mich jetzt gründlich mustert. Sie muss nicht einmal etwas sagen, um mir das Gefühl zu geben, verurteilt zu werden. Ihre strengen Züge sprechen für sich.

„Und Sie sind wer, wenn man fragen darf?", will sie mit kühler Stimme wissen.
„Mein Name ist Molly Goldblum", erkläre ich und gebe darauf acht, gelassen zu klingen, „ich nehme an, Sie sind Frau Stiegler."

„Ganz recht, Mädchen", Kats Mutter zupft an ihren weißen Handschuhen, die offenbar nur den Nutzen haben, ihre Hände vor was auch immer zu verdecken, „ihr Name erklärt mir immer noch nicht, woher Sie sich das Recht nehmen, sich hier einzumischen, Fräulein Goldblum."

Ich blicke wieder zu Kat. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein, aber einen Herzschlag lang meine ich Panik in ihren Augen aufflackern zu sehen, die mich zu einer Antwort verleitet, mit der ich nicht einmal selbst gerechnet hätte: „Weil ich mit ihrer Tochter zusammen bin, Frau Stiegler."

𓅿

Am Samstag erfahrt ihr, was Frau Stiegler davon hält...und ob wir Kiehsauer uns gerade selbst nach Bonding hills eingeladen haben...möglich - wir sind Dickköpfe.

Aber cadencehille
Bonding hills Reihe mit Lacuna und Tacenda ist einfach toll! Wer sie noch nicht gelesen hat, sollte es tun! 😍

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