Kapitel 4
Obwohl gerade mal die erste Hofpause begonnen hatte, schlug uns eine unglaubliche Hitzewelle entgegen, als Michelle und ich den Schulhof betraten.
Trotzdem war ich von dem Schulhof an und für sich positiv überrascht, da er sehr idyllisch angelegt worden war.
In meiner alten Schule hatte es nur Betonflächen gegeben, wo mindestens einer pro Pause hingeflogen und sich das komplette Knie aufgeschürft hatte. Im Sommer waren die Temperaturen dann unerträglich gewesen, da der Beton die Hitze förmlich aufgesaugt hatte und es nirgendwo einen Baum gab, der hätte Schatten spenden können, sodass die armen Schüler wie Dönerspieße geröstet wurden und mit einem ordentlichen Sonnenbrand wieder aus der Schule nach Hause kamen.
Im Vergleich zu meiner alten Schule war das hier also das reinste Paradies!
Zu großen Teilen wurde der Hof von Grasflächen bedeckt, wo die jüngeren Jahrgänge in Ruhe Fange, Steh-Geh und Kettenhasche spielen konnten, ohne sich gleich zu verletzen.
An den Rändern waren Blumenstauden angepflanzt worden und in der Mitte gab es eine große Baumgruppe, die bei warmen Temperaturen wie eine Oase in der Wüste wirkte.
Es gab auch Bänke, Tischtennisplatten und sogar ein Klettergerüst für die Kleineren.
Michelle und ich hatten uns auf einer der Bänke unterhalb der Baumgruppe niedergelassen und beobachten das Geschehen auf dem Schulhof.
Wir hatten ziemliches Glück gehabt, dass wir Dank Herrn Bittner pünktlich Schluss gemacht hatten und uns so noch eine Sitzgelegenheit im Schattenbereich ergattern konnten.
Ich hatte meine Beine angewinkelt auf der Bank abgestellt und genoss die noch vergleichsweise lauen Temperaturen im Schatten.
„Was würde ich jetzt nicht alles für ein erfrischendes kühles Bad geben", seufzte ich und stellte mir einen entspannten Tag im Freibad vor, mit den Füßen im Wasser baumelnd und einem leckeren Eis in der Hand.
Ein kurzer Seitenblick zu Michelle verriet mir, dass es ihr ähnlich wie mir ging.
Die Wärme machte uns alle furchtbar träge.
Die Schüler versammeltem sich bereits alle in den schattigen Bereichen des Hofes, sodass diese bloß dezent überfüllt waren.
Nur einer spazierte gut gelaunt mit Sonnenbrille mitten in der prallen Sonne über den Hof und pfiff ein fröhliches Lied - Herr Bittner, der anscheinend für die Pausenaufsicht eingeteilt worden war.
Dieser Lehrer brachte mich immer mehr zum Staunen.
„Was lungert ihr hier alle im Schatten rum?", fragte er mit einem provokanten Lachen im Gesicht und machte ein paar Schritte auf den Schattenbereich zu. „Ihr müsst doch knackig braun werden und an eurem Sommerteint arbeiten."
Die Schüler starrten ihn entgeistert an. „Es ist aber sooo heiß!", murrten einige wie aus einem Mund.
„Ach, papperlapapp!", winkte er ab. „In Spanien hatten wir teilweise schon Temperaturen von 40 Grad Celsius und mehr, da ist das hier doch gar nichts. Habt euch mal nicht so!"
Herr Bittner war also Spanier, folgerte ich, oder hatte zumindest eine spanische Abstammung. Erst jetzt in der Sonne fiel mir sein dunkler Teint auf, den man im Klassenraum so gut wie gar nicht gesehen hatte. Er sprach auch fließend und akzentfrei Deutsch, weswegen ich zuerst keinerlei Verdacht auf eine spanische Herkunft geschöpft hatte.
„Genau, Herr Bittner hat Recht, ihr solltet euch mal nicht so haben!", ertönte eine vor Sarkasmus triefende Stimme hinter Herrn Bittner.
Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass auch Shawn und Dustin sich zu uns auf den Hof gesellt hatten.
Sie mussten sich umgezogen und gewaschen haben, denn ihre Sachen waren, wie durch einen Zufall, nicht mehr weiß sondern dunkel gefärbt.
Sie trugen nun beide Tank Tops.
Ihre Haare waren noch ein bisschen nass und standen stachelig ab, was aber nicht unbedingt schlecht aussah, eher heiß, so wie auf berühmten Postern.
Wahrscheinlich blieb vielen Mädchen bei diesem Anblick die Spucke weg.
Auch ich ertappte mich leider dabei, wie mein Blick kurz auf die gut gebauten Oberkörper wanderte. - Die verbrachten ihre Zeit bestimmt zwei bis drei mal die Woche im Fitnessstudio!
Herr Bittner drehte sich grinsend um und legte seine Arme um die Schultern der Jungen und schaute uns alle vielversprechend an. „Hatte ich euch eigentlich schon meine beiden Lieblingsschüler vorgestellt?", fragte er in die Runde.
„Ach nicht doch, Herr Bittner", unterbrach Shawn mit einem gekünstelten Lächeln, „Sie schmeicheln uns ja. Sie können die Anderen doch nicht so vernachlässigen."
„Meint ihr, dass ich das tue?", fragte er zurück und alle schüttelten grinsend den Kopf, um Herrn Bittner seinen kleinen Sieg zu gönnen.
„Aber in einem gewissen Punkt habt ihr schon Recht, ich kann leider nicht jeden in die Kreidezeit zurückschicken. Das tut mir natürlich sehr leid. Ich weiß ja, wie wissbegierig und abenteuerlustig ihr alle seid", fügte er noch mit einem mitleidigen Blick hinzu.
Meine Kurskameraden wussten natürlich sofort, worauf er anspielte und konnten ihr Lachen nicht unterdrücken.
Shawn und Dustin versuchten sich ihre Verärgerung über diese Äußerung nicht anmerken zu lassen, doch man musste kein Profi sein, um ihre beleidigten Mienen erkennen zu können.
Diese Aktion von Herrn Bittner, hatte dem Ego der Beiden ziemlich gut getan, aber nicht gut genug, denn dann würden sie sich jetzt jedes vorlaute Wort sparen.
„Vielleicht sollten wir Sie auch einmal in die Kreidezeit zurückschicken, ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass Sie sich hervorragend mit den Dinosauriern verstehen würden. Die würden sich bestimmt gerne Ihre Vorträge über die Geschichte der Erde und deren Zukunft anhören oder mit Ihnen ein paar Liegestütze um die Wette machen", meldete sich nun Dustin zu Wort.
„Na ja, ich glaube, dass die guten Wesen eher Hunger als geschichtliche Kenntnisse besitzen und sich obendrein viel lieber über junge und zarte Happen hermachen würden, als über einen so alten und zähen Knacker, wie ich es bin, also seid ihr schon ganz richtig dort." Herr Bittner klopfte Beiden freundschaftlich auf die Schulter.
Alle starrten wie gebannt auf die Drei und hingen förmlich an ihren Lippen.
Insgeheim feuerte ich Herrn Bittner an und hoffte, dass er Shawn und Dustin das Mundwerk legte und sie in ihre Schranken zurückwies.
„Aber Herr Bittner, Sie können uns doch nicht an die Dinosaurier verfüttern. Sie sind Lehrer und müssen auf uns aufpassen", versuchte Dustin das Ruder in die andere Richtung zu lenken. „Sonst würden Sie gegen das Gesetz verstoßen oder nicht?"
„Da habt ihr natürlich recht", seufzte er, „Aber eure Gesichter sollten eigentlich schon Schutz genug sein, um nicht gefressen zu werden, mal abgesehen davon, dass ihr euch wie kleine Kinder benehmt und jeder Schutz sinnlos wäre."
Boom! Das hatte gesessen.
Die Gesichter von Shawn und Dustin waren in diesem Augenblick unbezahlbar.
Sonst wurden sie ja immer von allen Mädchen angehimmelt, da war es kein Wunder, dass ihnen Herr Bittners provokante Antwort gegen den Strich ging.
Dieser Kommentar hatte ihnen komplett die Sprache verschlagen, was auch nicht schlimm war, denn ihre Antwort wäre sowieso von dem lauten Gelächter der Schule übertönt worden, was nur wenige Sekunden nach dem Einschlag dieses Kommentars einsetzte.
Herr Bittner hingegen bewahrte seine Coolnis und stieg nicht in das Gelächter der Anderen mit ein, sondern tätschelte die Beiden gespielt mitleidig an der Schulter.
Dafür war ich kurz vorm Weinen, weil ich vor Lachen einfach nicht mehr konnte.
Ich konnte einfach nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich über Herrn Bittner als Klassenlehrer freute. Wenn das so weiterging, würde das Schuljahr im Nu verfliegen, bei so vielen lustigen Unterrichtsstunden, die noch folgen würden.
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