Mittwoch, drei Uhr
Mara
"Nick, Mum? Kommt ihr?", frage ich langsam genervt; in der rechten Hand mein neues Smartphone ,in der linken meine Tasche. Mum kommt so ziemlich überall hin zu spät, und da wir mit dem Auto mindestens eine Stunde bis zum Diesmaligen Ziel brauchen, weshalb wir immer mindestens eine halbe Stunde früher starte. Tatsächlich ist nur Nick in meinen Plan eingeweiht. Einmal in die Bücherei eintreten und alle Jungs in meinem Alter merkwürdig anstarren. Mum denkt, dass wir nur mal eine andere Gegend sehen wollen und uns die alten Bücher näher ansehen möchten. Wenn sie mich nur halb so gut kennen würde, wie Nick, wüsste sie, dass mich die Bücher keineswegs interessieren. Auch zu Weihnachten bekomme ich immer noch viel zu viele Bücher, die sich alle in meinem Zimmer stapeln. Ich höre Mums seufzen und Nichs genervte Stimme. Sie kommen durch den Flur zur Tür. "Sorry Schätzchen", murmelt Mum und streichelt mir durch meine mittlerweile Kinnlangen Haare. "Komm!", nickt mir mein Bruder zu und zieht mich zum Auto. "Hör zu!" Er öffnet mir die Autotür. "Sobald wir Mum los sind halten wir Ausschau am Eingang. Ich kann dir nicht garantieren, ob das nicht auch Marcs Strategie ist, aber wir werden uns nicht offenbaren. Sehen wir einen der passen könnte starren wir ihn so lange ab, bis er uns bemerkt. Wenn es Marc ist, dann rennen wir weg, okay?!" Ich nicke und setze mich neben Nick auf die Autorückbank. Das Auto riecht nach ausgefranstem Kunstleder, und Mums Rosenparfüm. Ich ziehe meine Jacke aus und breite sie über mir aus. Die Haustür Knalt. Mums Lockenmähne leuchtet durch die Bäume zum Auto hinüber und kommt näher. Der Motor brummt, Nick tippt aufgeregt auf seinem Laptop herum. Wir fahren. Die Straße wird unebener, während Nick neben mir mit offenem Mund schnarcht. Mum schaltet ihre Lieblingsmusik CD ein und bewegt sich seltsam im Takt. Ich starre auf die Hochhäuser die an uns vorbeirauschen. Langsam hole ich mein Handy aus der Tasche und schaue auf die Vielen Nachrichten, die mir mein FREUND geschickt hat. Ich grinse. Und tippe los.:
Sam: Pass bitte auf dich auf!
Sam: Mara? Ich weiß das du das gelesen hast!
Sam: Wo bist du?
Ich: Sam?! Ich bin im Auto, und passe immer auf mich auf!
Sam: Kein Kommentar zu deinem Bein.
Ich: Wie geht's dir?
Sam: Hervorragend, toll, genial! Der Krebs ist plötzlich weg.
Ich: Ja klar... Sind da, muss los.
Sam:offline
Ich:offline
"Ich hol euch zwei in einer Stund wieder ab, in Ordnung?" Mum starrt uns erwartungsvoll an. Ihre blauen Federohrringe wackeln und schaukeln, als sie sich nach vorne beugt und ihre Brille aus dem Geheimfach holt. Die Stimme von Adele schallt durchs Auto, während ich die Tür öffne und Nick mich nach draußen schubst. "Na dann los!" Er läuft mir großen Schritten los. Ich lächle Mum zu und renne hinter ihm her bis zur Bücherei. Wir lungern uns in einen der Plüschsessel im Eingangsbereich und warten. Nach und nach treffen mehr Leute ein, aber meist nur alte Damen mit Hündchen und Hut. Ich starte nach draußen, als Nick mich plötzlich anstuppst. "Da!" Flüstert er und blickt hinter seinem Laptop
Vor. Ein Junge in meinem Alter bleibt am Eingang stehen. Er hat eine Brille, die ihn etwas nerdig aussehen lässt und verwuschelte schwarze Haare. Ich kann nicht anderst als ihn anzustarren, was ja eigentlich auch mein Job ist. Jetzt dreht er sich um. Mein Mund öffnet sich halb und bleibt dort stehen. Dann sieht er zu uns. Und starrt zurück, bis er sich wieder gefasst hat und auf uns zu kommt. Ich Kralle mich an Nick fest und schaue ihn panisch an. "Hi, ich bin Marc!", meint Marc lässig und Nick löst sich aus seiner Versteinerung. Unser Plan ist ins Wasser gefallen. Aber warum? Marc schaut mich an. "Ist da noch Platz?" Meint er und lächelt freundlich. Ich nicke und Rutsche, während er sich zu uns quetscht. Mit einem "Ich hol mal Kaffee." Macht sich Nick aus dem Staub. Ich Rutsche tiefer in den Sessel. "Hast du dich für eine Möglichkeit entschieden?", fragt er mich und angelt sich sein Handy aus der Jackentasche. "1, 2, 3 oder 4? Und weiß Nick schon davon?" Ich ignoriere ihn und starre weiter nach vorne. Schweigen breitet sich aus. Ich stehe auf. Nicke ihm zu. Dann laufe ich. Warum? Ich weiß es nicht, doch ich muss weg.
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