Brief 5
Hallo Marc!
Ich habe das Gefühl zu schweben. In den Himmel, zu den Wolken, hinauf in die Sterne. Meine Laune steigt, mein Fuß schmerzt weniger, wenn ich ihn höre. Seine Worte, sein Blick. Alles an ihm zieht mich in den Bann, er nimmt mein Gehirn ein. Wovon ich rede? Von ihm - Sam. Wo ich ihn, die mit dem gebrochenen Fuß kennengelernt habe? Im Krankenhausbei der Untersuchung. Aber... ...ich kann nicht mit ihm zusammensein. Wir haben uns ein paarmal getroffen, bis es ernster zwischen uns wurde. Bei ihm habe ich keine Angst. Er tut mir gut. Doch er hat Krebs, und will mir nicht das Leben kaputt machen, indem er stirbt. Ach Marc, ich habe so verdammt Angst um ihn. Jetzt habe ich ihn gefunden, denjenigen, bei dem ich mich sicher und wertvoll fühle, denjenigen, den ich liebe. Ich weiß nicht, ob du mich verstehst, denn niemand hat mich je verstanden. Ich wollte dir schon früher von ihm berichten, doch mir sind einfach nicht die richtigen Wörter eingefallen. Ich vermisse ihn so arg, seine Mundwinkel, die wenn sie mich sehen ein klein wenig nach oben wandern, sein Blick, der sorgsam über alles gleitet. am liebsten würde ich ihn an mich binden, mich opfern, damit er lebt. Er hat Lungenkrebs. Am liebsten würde ich ihn anschreien, ihn bitten nicht mehr zu rauchen, die autos und Fabriken lahmlegen. Doch er nimmt es ganz gelassen. Ich verstehe das nicht. Er meint, wenn er im Himmel wäre, würde er mir einen langen Brief schreiben, doch ich kann über diesen Witz nicht lachen. Mein Blick ist starr, ich vermisse ihn jetzt schon. Er liegt im Krankenhaus, Zimmer 141 und schläft vermutlich gerade. Das Zimmer ist kahl und schroff eingerichtet, die wenigen Sachen, die er mitgebracht hat, liegen in einer verschlossenen Schublade. Ich besuche ihn jeden Tag, und manchmal scheint es mir, dass ich ihn Wochen nicht gesehen habe, weil er sich so verwandelt hat. Seine Wangen sind eingefallen und blass. Er ist dünn, fast schon mickrig. Dann sitze ich an seinem Bett, halte seine Hand, und höre ihm zu, wie er plant, was er noch alles unternehmen will. Ich habe mit seiner Mutter gesprochen, und die meinte, dass ihm noch ein Monat bliebe. So ungefähr. Dabei, habe ich ihn doch gerade erst kennen- und Lieben gelernt. Seine Worte zu schätzen, die mir tausend Geschichten und Märchen erzählen. Ich will ihn nicht verlieren. Nicht jetzt. Warum ist das Leben so verdammt unfair zu mir; zu ihm? Es tut mir so verdammt weh, meine angst um ihn ist gnadenlos.
Es tut mir leid, dass ich mich seit zwei Wochen nicht gemeldet habe, aber du musst verstehen, dass ich meine Kraft aufwenden muss, um ihm in dieser Situation beizustehen. Jetzt, wo ich einen Seelenverwandten gefunden habe, scheint sich das Leben von ihm zu Ende zu neigen. Danke für deine letzte Mail, ich habe mich sehr gefreut. Es war wirklich sehr unterhaltsam. Ich werde dir ab jetzt wieder jeden Tag schreiben, doch du musst dich damit begnügen, dass er, das Hauptthema sein wird. Ich muss los, Sam besuchen! Wünsch mir Glück!
Lg, Mara
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