7. Kapitel
Es ist schon ein wenig seltsam. Die meisten Tage im Jahr sind bedeutungslos. Sie kommen und gehen, ohne dass wir ihnen weiter Bedeutung schenken. Dieser eine Tag war ein Montag. Der 5. April um genauer zu sein.
Zufrieden mit mir selbst und dass ich endlich die 50 Kg geschafft habe, legte ich die Langhantel wieder ab. Ein ganzes Jahr habe ich Squats gemacht, bis ich endlich so weit war. Gierig nahm ich einen Schluck Wasser aus meiner Flasche und legte meinen roten Kopf gegen das kühle Metall.
Plötzlich spürte ich wie ich von hinten angetippt wurde. Wahrscheinlich Thorsten, der über meinen schnellen Erfolg erstaunt war. Lachend nahm ich meine Kopfhörer aus den Ohren und drehte mich um. "Thorsten hast du...?"
Weiter kam ich nicht, denn mir klatsche in Kinnlade runter. Steven.
"Was willst du?" Meine Arme verschränkte ich, um meine Distanz und den Abstand zu verdeutlichen. "Reden. Bitte. Können wir reden?"
Was für eine interessante Wendung nach einem halben Jahr. Ich musste zunächst mal schwer schlucken.
"Ich wüsste nicht worüber. Du hast alles gesagt. Das Thema hat sich für mich erledigt!"
Neugierig über unsere Diskussion nahmen sich bereits andere Mitglieder die Kopfhörer aus den Ohren. Steven trat einen Schritt näher zu mir und flüstere: " Oh Tanja. Das war keine Frage. Also wann?"
Kopfschüttelnd und leise lachend dreht ich mich um. "Wenn es sein muss. Wann passt es dir?"
Steven tratt noch einen Schritt näher an mich, sodass ich seine pure Anwesenheit in meinem Rücken spürte. Sein Parfüm stieg mir in die Nase und mein Herz verzog sich krampfhaft.
"Heute Abend. Ich nehm dich mit." Und mit diesen Worten verschwand er aus dem Freihantelbereich. Erneut legte ich mich meinen roten Kopf auf das kühle Metall und schnaufte erstmal.
Wütend auf alles was je zwischen uns war, legte ich mir noch 5 Kg extra drauf und begann. Ich wurde durch ein Schlag auf meine Schulter unterbrochen.
"Wow, Tanja. 55 Kg nicht schlecht. Ich bin so stolz auf dich." Thorsten. Danke.
"Ich hatte auch einen guten Trainer", grinste ich. Er wand sich kopfschüttelnd ab und ich probierte nochmal meine 55 Kg, bevor ich mich in Richtung Umkleide begab.
Ich rubbelte meine Haare trocken, so gut es ging, um sie mir anschließend zu einem Dutt zu binden. Nervös trat ich aus der Umkleide. Steven saß in einem der Sessel und spielte am Handy. Als er mich sah lächelte er schwach. Ich verzog die Mundwinkeln nach oben meinte es aber ganz und gar nicht so. Gemeinsam traten wir aus dem Fitnessstudio in die stille Nacht.
Er unterband die Stille: "Wie bist du hier? Fahrrad oder zu Fuß?" "Mit meinen Eltern. Also müsste ich eigentlich zurück laufen." Je mehr ich sprach, desto brüchiger wurde meine Stimme. Ich musste sofort aufhören zu reden, sonst würde ich hier und jetzt in Tränen ausbrechen.
"Gut komm." Wir liefen zu seinem schwarzen FIAT Punto und stiegen ein. Er fuhr mich zu meinem Haus. Kurz bevor wir ankamen, drückte er auf das Gaspedal und fuhr weg von meinem sicheren Haus.
"Ich weiß, wo wir besser reden können."
Und da standen wir nun. Auf einem Parkplatz mitten im Nirgendwo in einem kleinen FIAT. Hätte meine Freunde mir solche eine Story erzählt, wo sie mit jemandem reden, ich hätte ihnen lachend den Vogel gezeigt.
Ich bemerkte seinen Blick. Ohne meinen Kopf vom Parkplatz und dem dahinter liegenden Wald abzuwenden sprach ich leise:" Also Steven. Du wolltest mit mir reden. Dann rede!"
Es war so still, dass ich ihn sogar schlucken hörte. Mein Herzschlag beschleunigte sich mit jeder Sekunde die verstrich.
"Ich weiß nicht wo ich anfangen soll." "Beim Anfang, Steven!"
"Ich weiß, dass ich dich stark verletzt habe. Aber ich musste ich erst einmal selber schützen. Ich wusste nicht was ich wollte, aber ich wollte auch dass das Ganze nicht ausartet. Nach und nach habe ich einfach gemerkt, dass du mehr Gefühle hast als du haben solltest. Natürlich habe ich auch ab und zu über eine Beziehung nachgedacht. Die Entfernung stimmt. Wir verstehen uns und viele weitere Faktoren."
In diesem Moment wusste ich nicht ob ich eher Lachen oder doch eher Weinen soll. Ich entschied mich für ein gutes Zwischending.
"Du weißt gar nichts! Du weißt nicht, wie sehr ich gelitten habe! Jedes Mal hab ich dich gesehen und ich war nur Luft für dich! Nur scheiß Luft! Nicht mal Hallo sagen konntest du! Ein einfaches Hallo! Ich wusste nicht, was ich falsch getan habe! Aber du hielst es ja am sinnvollsten immer wieder Salz in die niemals verheilende Wunde zu kippen!"
Meine ganze angestaute Wut rollte über mich wie ein Tsunami. Tränen liefen meine Wangen runter und tropften auf die Jogginghose.
Steven legte meine Hand in seine Hand, was mich nur noch mehr weinen ließ.
"Ich versteh dich, glaub mir. Nur wollte ich Abstand rein bringen. Ich war selbst überfordert."
Ich biss mir auf die Lippen und blickte gen Himmel.
"Und wieso jetzt? Wieso kommst du jetzt wieder an und willst Kontakt? Wieso?"
Seine Hand umschloss meine Hand noch fester.
"Ich hab dich vermisst. Ich hab uns vermisst. Unsere Gespräche und wie wir über alles gelacht haben. Uns alles erzählt haben. Gut, gewisse andere Dinge auch."
Leider musste ich lachen. Ich wollte es eigentlich nicht, aber unterdrücken konnte ich es auch nicht.
"Glaub mir, du hast mir auch gefehlt. Und dieses halbe Jahr war echt der Horror. Ich würde es als akzeptabel ansehen wenn dass nicht nochmal passiert. Das nächste Mal redest du vorher mit mir! Kapiert?! Und jetzt würde ich gerne Heim, denn ich bin ziemlich müde."
Er nickte nur und startete den Motor.
Vor meiner Haustür angekommen nahm ich meine Sporttasche an mich und stieg aus.
"Warte!"
Ich drehte mich um und blickte fragend in sein Gesicht.
"Drück mich bitte! Das hab ich vermisst."
Ich kletterte durch das Auto in seine Arme. Seine Umarmung war fest, dennoch herzlich. Direkt spürte ich diese Verbindung zwischen uns die sonst keiner spürte und auch nicht verstand.
Er hauchte mir noch ein Kuss auf die Wange und verschwand.
Erst als ich die Rücklichter des FIATs nicht mehr sah, ging ich rein.
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