Kapitel 4

„Die Herrin Galadriel befiehlt morgen den Aufbruch nach Helms Klamm...."

Mehr konnte ich nicht verstehen, die Stimmen entfernten sich. Meine Glieder wurden durchflutet mit neuer Lebenskraft, meine Augen erstrahlten und erblickten das goldene Licht des Waldes. Meine Ohren spitzten sich und hörten das Rascheln der Blätter in weiter Ferne. Doch auch meinen knurrenden Magen konnte ich nicht überhören. Ich richtete meinen Körper auf und überprüfte zunächst seinen Zustand. Meine Verletzung war vermutlich dank elbischer Arznei geheilt – übrig blieb eine Narbe und schmerzliche Erinnerungen.

Wie lange war ich in dem heilenden Schlaf gefangen? Wo waren meine Gefährten? Was hatte der Abmarsch nach Helms Klamm zu bedeuten? Da ich noch nie sehr geduldig war, verlangte ich sofort nach einer Antwort.

In meinem weißen Krankenhemd ging ich vor die Tür und suchte nach der Heilerin Naira. Seit unserer letzten Begegnung hatte ich ein unerklärliches Vertrauen zu ihr – sie würde mir berichten.

Dank meiner guten Ohren und ihrer unverwechselbaren Stimme, fand ich sie recht schnell. Die Heilerin sah allerdings nicht gerade glücklich aus. „Gilenya ... warum wandert Ihr durch die Weltgeschichte? Ihr haltet nicht viel von Bettruhe ... hmm?" Sie griff meine gesunde Schulter und führte mich den Weg zurück.

„Mit dir bin ich auch noch nicht fertig Haldir! Wir sprechen uns noch!"

Sie brachte mich auf ihr Gemach zurück und bedeutete mich zu setzen.

„Ich weiß, dass ihr viele Fragen habt ... doch uns bleibt nicht viel Zeit, also versuche ich euch über das Wichtigste zu informieren..."

Sie goss beiläufig Tee ein, reichte mir eine Tasse und setzte sich gegenüber von mir. Die Elbin sah bedrückt aus und als ob die richtigen Worte ihr noch fehlten.

„Mein Name ist Naira- oberste Heilerin von Lórien und ebenfalls Kriegerin. Mein Verlobter Haldir ist der Hauptmann. Unsere Herrin gab den Befehl, dass das Heer Lóriens mit dem Heer aus Bruchtal zusammen nach Helms Klamm ziehen soll, um die Menschen Rohan's vor dem Untergang zu bewahren."

Sofort sprang ich auf. „Ich bin Kriegerin Bruchtals – der Auftrag gilt auch mir." Naira bugsierte mich umgehend wieder auf meinen Platz.

„Die Gemeinschaft, mit der Ihr ankamt, ist bereits weitergezogen. Der Prinz befahl, Euch wieder nach Hause zu geleiten, sobald Ihr reisen könnt.... Das bringt mich allerdings in ein Dilemma..."

Langsam erhob sich die schöne Frau und ließ Ihren Blick schweifen. „Als oberste Heilerin ist es meine Pflicht unser Heer in die Schlacht zu begleiten. Diese Verantwortung hat mehr Gewicht als der Befehl des Prinzen ... auch wenn das mein Verlobter anders sieht."

Ein Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen... endlich eine Frau, die ihren eigenen Kopf hatte und nicht stumm irgendwelchen Befehlen lauschte.

„Dann lasst uns gemeinsam ziehen." sagte ich entschlossen.

„Geht zur Herrin Galadriel, sie erwartet euch. Ich hingegen werde mit meinem Liebsten das ausdiskutieren... später sehe ich nach Euch und bringe Ausrüstung mit." Mit einem Lächeln verabschiedete sie sich und ging ihrer Wege.

Um der Herrin standesgemäß entgegenzutreten, zog ich mir ein angemesseneres Kleid an. Meine blauen Augen wurden von der Farbe des Kleides besonders hervorgehoben. So manch ein Elb, der meinen Weg kreuzte musterte mich eingehend. Meine Ohren waren nicht so spitz, wie die eines reinblütigen Elben, doch sonst unterschied sich mein Äußeres nicht zu den anderen.

„Gilenya – dein gesunder Anblick ist mir eine Freude." die Stimme der Herrin lag in der Luft. Unfähig den genauen Ort auszumachen, schritt ich langsam weiter, bis ich ihre Gestalt ausmachen würde.

Jemand anderes kreuzte meinen Weg, mit dem ich nicht rechnete. „Gilenya ... kommt ich begleite Euch zur Herrin Galadriel. Sie erwartet euch am Schicksalsbrunnen. Man kann sich hier regelrecht verlaufen." Der Krieger reichte mir seinen Arm, unter dem ich mich einhakte.

„Ich habe gehört, du willst dich uns anschließen? Deine Wunde ist zwar verheilt, aber bist du es auch? So eine Verletzung macht was mit einem."

„Danke Orophin ... das ist nicht meine erste Schlacht. Krieger aus Bruchtal werden sich dieser anschließen... ich werde keinen Rückzieher machen, ich werde Seite an Seite mit meinen Waffenbrüdern kämpfen."

Mein Begleiter stoppte abrupt, nahm meine Hand und hauchte einen Kuss drauf, ehe er sich mit einem Grinsen zum Gehen umwand.

„So ... Gilenya ... dein Kämpferherz will sich den Truppen nach Helms Klamm anschließen. Der Prinz gab andere Befehle, doch mein Wort zählt hier mehr, als seines. Ich werde dich ziehen lassen – doch unter einer Bedingung... ." Galadriel führte mich zu dem Brunnen, berührte die Wasseroberfläche und das Gesicht eines jungen Mannes erschien.

„Finde ihn! Das ist Eomér, der verbannte Hauptmann Edoras. Der Geist seines Onkels – König Theodén war vergiftet, als er die fatale Fehlentscheidung traf, den Hauptmann zu verbannen. Eomér scharrt Männer um sich, die treu zu ihm stehen. Es werden immer mehr, die allerdings in der Schlacht um Helms Klamm fehlen. Nur geeint und mit Hilfe der Elben gibt es eine Chance den Streitmächten Sarumans zu trotzen. Gilenya, du musst den jungen Hauptmann finden und überreden, seinen König beizustehen. Gelingt es dir, wirst du gemeinsam mit deinen Landsleuten in die Schlacht ziehen."

Geschockt von meiner neuen Aufgabe starrte ich das markante Gesicht des Eorlingas an.

„Das ist meine Bedingung und meine Bitte an dich!" endete sie und wand sich um.

Diese Nachricht musste ich erst verdauen. Letztendlich hatte ich doch keine Wahl. Heim zu kehren war keine Option für mich, also blieb mir nur die Mission, die man mir auftrug.

„Wo finde ich ihn?" rief ich laut der weisen Elbin hinterher.

Schmunzelnd drehte sie den Kopf zu mir um. „Zuletzt sah man ihn im Hügelland. Folge deiner Intuition. Er sucht weitere Anhänger, also wird er die Dörfer aufsuchen. Ich bin überzeugt – du wirst ihn finden und du wirst ihn überzeugen. Bei Sonnenaufgang machst du dich bereit. Leiste doch Orophin, Naira und Haldir Gesellschaft – sie haben sich um dich gekümmert und erfreuen sich an deiner Genesung."

Mit einem leichten Kopfnicken verabschiedete sie sich von mir und entschwand genauso schnell wie sie kam.

Nun blieb mir ein wenig Zeit für mich. Das Reich Lórien war unglaublich schön, ebenso wie all die Elben hier.

„Gilenya – komm, iss gemeinsam mit uns." forderte mich der Hauptmann auf und deute auf die reich gedeckte Tafel, wo bereits seine Verlobte saß.

„Du hast nicht zufällig meinen Bruder gesehen?" Schulterzuckend antwortete ich nur: „Kenn ich deinen Bruder?"

„Na das möchte ich doch meinen ... Orophin, er soll dich begleiten auf deiner Mission."

Mit großen Augen sah ich ihn an. Sie waren Brüder? Sie hatten kaum Ähnlichkeiten, aber das verwunderte mich nicht so sehr, wie dass er mich morgen begleiten wird. Ich konnte ihn gut leiden und war mir sicher, dass wir gut miteinander auskommen würden. Um den Hauptmann eine Antwort zu geben, schüttelte ich lediglich mit dem Kopf. Daraufhin machte er sich auf die Suche und zog seiner Wege.

Genüsslich aß und trank ich was die Tafel bot. Naira schaute mir vergnügt zu und berichtete mir, was sie über meine Freunde – die Gemeinschaft wusste. Frodo hatte wohl eine schwere Entscheidung zu treffen, ebenso wie Aragorn – nur grundlegend verschiedene. Legolas hatte sich wohl weiter mit dem Zwerg Gimli angefreundet.

„Er tat sich wirklich schwer, dich hier zurückzulassen. Der Ausdruck in seinem Gesicht ... du bedeutest ihm etwas."

Ich spürte, da gab es noch mehr, was sie mir sagen wollte. Es lag mir fern, sie zu bedrängen. Naira war sehr freundlich zu mir und ich wollte sie nicht in eine unangenehme Lage bringen. Haldir – ihr Verlobter und sein Bruder gesellte sich wieder zu uns. Haldir und Naira wirkten sehr vertraut und gingen liebevoll miteinander um. Die Heilerin berichtete mir, dass sie nun schon seit 30 Jahren verlobt sein und sie auf bessere Zeiten hoffte, bei denen eine Hochzeit ein passender Anlass wäre.

Liebe ... so was wundervolles aber auch leidvolles. Würde der Partner vorzeitig versterben... wie wäre man noch den Rest seines Lebens in der Lage, ein glückliches Leben zu führen? Wie alles im Leben, war es ein Risiko – sein Herz zu verschenken... . Doch so betrachtet, war es auch ein Risiko überhaupt sein trautes Heim zu verlassen. Die Welt war voller Gefahren, besonders jetzt.

Der Abend wurde heiter gefeiert am flackernden Feuer und mit reichlich Wein. Besonders Naira und ihr Verlobter konnten nicht die Finger voneinander lassen. Sie kosteten jeden Moment aus und verlagerten ihre Leidenschaft in ihr privaten Räumlichkeiten.

Orophin überzeugte mich zur späten Stunde ebenfalls das weiche Bett aufzusuchen und mich für die kommende Reise zu erholen.

Lebhafte Träume suchten mich heim, was meinen Schlaf unruhig werden ließ. Wie gerädert erwachte ich am Abreisetag – bereit für das neue Abenteuer.

Der Proviant wurde gepackt, die Pferde gesattelt, mein Begleiter in frischer Reisekleidung, schwer bewaffnet, bereits auf mich wartend.

Zu meinem Gepäck legte man ebenfalls alles, was es brauchte, um im Kampf zu überleben. Der Bogen war andersartig, als die, die ich bisher in der Hand hatte – besser in jeder Hinsicht. Das Schwert lag in meiner Hand, als wurde es einst für mich geschmiedet. Kurzschwerter und kleinere Messer lagen ebenfalls bereit.

Ein wenig wurde mir schwer ums Herz. Tod, Dunkelheit und Ungewissheit waren nun an der Tagesordnung. Es schien umso wichtiger, seine Freunde zu beschützen und niemals die Hoffnung zu verlieren, auch wenn das zunehmend schwieriger wurde.

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