Ein etwas holpriger Urlaubsstart

Heute war wieder so ein Morgen, der Christin bestätigte, dass es sich bei Frühaufstehern und Langschläfern um zwei verschiedene Spezies handelte, die weder befreundet sein noch zusammen wohnen sollten.

***

„Alessia!“, stöhnte Christin. „Mach endlich diesen blöden Wecker aus, sonst fliegt er aus dem Fenster!“

Die Schafmütze machte jedoch keine Anstalten sich zu bewegen, lag stattdessen dick eingemummelt unter ihrer Decke und schnarchte friedlich vor sich hin.

Hatte ihre Freundin Oropax in den Ohren?, fragte sich Christin.  Wie konnte sie bei diesem Krach nur so ruhig schlafen. So langsam wurde sie wütend. Alessia wusste genau, dass Christin auf so einen morgendlichen Lärmpegel allergisch reagierte und dass ihre Laune dann den ganzen Tag im Keller blieb. Trotzdem hatte sie dieses blöde Ding gestern Abend auf Christins, statt auf ihren eigenen Nachtschrank gestellt. Christin hoffte inständig für Alessia, dass sie eine umfassende Erklärung hatte, denn sonst müssten die beiden sich dringend über das zukünftige WG-Leben unterhalten.

Als der Wecker von Klingeln zu Klingeln immer lauter wurde, begann Christin innerlich zu kochen und merkte, wie ihr die Wut in die Wangen stieg. Schnaubend riss sie ihre Decke zur Seite, raffte sich hoch und griff sich das erstbeste Kissen. Sie holte aus und mit einem beherzten Schlag, traf sie das plärrende Ding und schleuderte es mit aller Kraft gegen die Wand, wo es in seine Einzelteile zerfiel und schwieg. Grinsend ließ sie sich wieder in ihre Kissen sinken, drehte sich auf die andere Seite und kuschelte sich in ihre Decke. In freudiger Erwartung, schloss sie ihre Augen und kehrte selig zu ihrem Traum, in dem ein großer, blonder Wikinger die Hauptrolle spielte, zurück.

Eine gefühlte Sekunde später, klatschte ihr ein eiskalter Waschlappen mitten ins Gesicht und ließ sie kreischend hochschrecken. Wie erstarrt, stand Christin kopflos und kampfbereit in ihrem Bett und wusste vor Aufregung nicht, wo oben und unten war, bis sie die Übeltäterin sah, die hochrot vor ihrem Bett stand und wild mit den Armen gestikulierte. Christins Herz klopfte bis zum Hals und ihr ganzer Körper zitterte vor Anspannung, bis sie endlich begriff, dass sie nicht das Opfer eines Triebtäters oder Diebes werden würde. Wäre sie fünfzig Jahr älter, hätte sie wahrscheinlich einen Herzinfarkt erlitten oder wäre vor Schreck gleich tot umgefallen.

Mit zusammengekniffenen Augen funkelte Christin ihre Freundin böse an.“Bist du von allen guten Geistern verlassen oder spinnst du jetzt völlig?“, kreischte sie und ließ dabei ihren Zeigefinger an ihrer Schläfe kreisen.

Alessia hob genervt die Augenbrauen. „Christin wir haben verschlafen! So ein Mist aber auch. Warum hast du mich nicht geweckt?“. Dabei hüpfte sie auf einem Bein durch das Zimmer und versuchte krampfhaft sich eine Socke anzuziehen. Christin schüttelte immer noch erbost den Kopf. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, Alessia bei sich wohnen zu lassen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihrer Freundin. Aber darüber konnte sie auch noch in ein paar Stunden nachdenken, nachdem sie ihren Schönheitsschlaf beendet hatte. Sie legte sich wieder hin und zog sich ihre Decke über den Kopf. In diesem Zimmer befand sich eindeutig eine Person zu viel!

„Das ist jetzt nicht dein ernst oder? Unser Flieger hebt in vier Stunden ab und du… du pennst noch? Vielleicht solltest du einfach mal rechtzeitig schlafen gehen, dann kommst du morgens auch aus den Federn. Ohhhhhh man Christin! Sieh zu, dass du deinen Hintern aus dem Bett schwingst oder willst du hier bleiben? Ich fliege auf jeden Fall. Auch ohne dich, verdammt!“, fluchte Alessia, sprang wutentbrannt auf Christins Bett und zerrte ihr ruckartig die Decke vom Körper, hüpfte wieder herunter und riss die Fenster sperrangelweit auf. Dann war sie nicht mehr zu hören. Wahrscheinlich war sie jetzt in der Küche und ließ ihre Wut an irgendeinem armen Lebensmittel aus.

Eine kühle Brise wehte um Christins nackte Beine und ließ sie erzittern. Alessia hatte die Decke außer Reichweite geworfen, sodass sie nicht herankam, ohne aufzustehen. Aus lauter Trägheit blieb sie liegen und versuchte die Kälte auszublenden. Als ihre Zehen aber eiskalt wurden und ihre Gänsehaut eher der Haut eines gerupften Straußes glich, wurde es wahrscheinlich auch ihrem Gehirn zu kalt, denn es fing endlich an zu arbeiten.

Christin erinnerte sich noch daran, dass Alessia und sie gestern zeitig ins Bett wollten und Alessia ihr den Wecker auf den Nachtschrank gestellt hatte, weil … Ach du Scheiße: DER WECKER! Hilfe, DER FLIEGER. „Alessia, wir haben verschlafen!“, hörte Christin sich selbst kreischen und sprang stürmisch aus ihrem Bett und stolperte ins Bad. „Guten Morgen Schreckschraube.“, murmelte sie und gab der verblüfft dreinblickenden Alessia einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Wenn man eine Freundin hat wie dich, braucht man keine Schwiegermutter mehr. Kaffee fertig?“, rief sie und schloss blitzschnell die Badezimmertür, als das Kissen geflogen kam.

In Rekordzeit duschte sie, rasierte sich die Beine und machte sich für die Reise fertig. Beide stürmten zu Tür, schnappten sich noch schnell zwei Äpfel und ein paar Müsliriegel und sprinteten die Treppe nach unten. 

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