Kapitel 7

1892 Rachel

Catlen May und Madison saßen nebeneinander auf der Blumenwiese und beobachteten den Flug eines Schmetterlings, der wie die Freundinnen die Frühjahrssonne genoss. „Würdest du gerne Fliegen können, Maddie?"

Madison hatte ihre Knie zur Brust gezogen, ihre Arme darum geschlungen und drehte in ihren Fingern den Stängel eines der letzten Krokusse auf der Wiese. Die Blüten hatte sie schon gedankenverloren abgezupft und auseinandergerupft. „Ja, ich glaube schon. Jedenfalls, wenn ich Schwindelfrei wäre."

Cati kicherte und seufzte dann verträumt. „Es muss doch herrlich sein schwerelos durch die Luft zu segeln. Ich würde dann zu einem weit entfernten Ort, weg von Miss Kings und diesen blöden Strafarbeiten, fliegen."

Madison warf den Stängel weg, sprang lachend auf und hielt ihr die Hand hin. „Und weil wir es nicht können müssen wir uns wohl oder übel mit unseren Beinen begnügen."

Cati ergriff die Hand ihrer Freundin und zog sich daran hoch. Madison nahm noch ihre andere Hand und dann wirbelten sie lachend über die Wiese. Sie drehten sich, rannten, sangen und zertrampelten unbemerkt mehrere Blumen. Irgendwann blieb ihnen die Luft weg und sie stoppten, völlig außer Atem und nach Luft ringend, ihren wilden Tanz.

Maddie grinste Catlen an. „Das ist doch bestimmt genauso schön wie fliegen, meinst du nicht?"

Catlen nickte zustimmend. Erschöpft fielen die beiden wieder in das Blumenmeer, legten sich auf den Rücken und starrten rauf in den Himmel. „Weißt du was, Maddie? Wir müssen einen Freundschaftsbund machen. Ich habe davon in einem Buch gelesen und ich finde unsere Freundschaft sollte mit einem feierlichen Akt besiegelt werden."

Madisons Oberkörper schnellte nach oben. „Wir sagen beide ein Gelöbnis und schreiben es noch auf und schenken es der Anderen." Ihr Gesichtsausdruck war ganz verträumt.

„Ein Schwur? Am Sonntag hat der Pastor noch gesagt, schwören sei Sünde."

Catis Freundin verdrehte die Augen. „Das ist doch kein Schwur, sondern ein Gelöbnis." Maddie betonte ungeduldig jede Silbe.

„Und wo ist da der Unterschied?"

„Weiß ich nicht, aber es gibt einen – glaube ich zumindest."

Catlen May setzte sich auf. „Ich will aber nicht schwören oder geloben. Wir versprechen uns einfach etwas. Jede denkt sich etwas aus, schreibt es dann auf und schenkt es der Anderen."

„Und wir ritzen unsere Anfangsbuchstaben in die Eiche da hinten."

Die Augen der beiden Mädchen funkelten begeistert und voller Tatendrang. „Morgen nach der Schule kommen wir wieder hier her und ich nehme Henrys Taschenmesser mit. Damit ritzen wir unsere Anfangsbuchstaben dann in die Eiche."

Zustimmend nickte Cati heftig.

Gesagt, getan. Am nächsten Tag nach der Schule standen zwei Mädchen unter einer Eiche, die am Rand der Blumenwiese stand und ritzten ihre Initialen, ineinander verschlungen, in die Rinde des Baumes.

Maddie besserte gerade eine Stelle aus, als ihr das Messer ausrutschte und sie sich in den Finger schnitt. „Au!" Sie verzog schmerzverzehrt das Gesicht und hielt sich den Finger. Aus der Wunde kam Blut.

„Tut es sehr weh?" Cati beugte sich über den Hand ihrer Freundin und blickte den Blutstropfen kritisch an.

„Geht schon." Madison biss sich auf die Unterlippe, doch dann lächelte sie, als hätte sie eine Idee. „Ich weiß was. Wir werden Blutsbrüder."

Catlen wich einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände. „Niemals! Ich schneide mir nicht freiwillig in den Finger."

Madison verdrehte stöhnend die Augen. „Das ist nur ein ganz kurzer Schmerz und der wird uns dann auf ewig verbinden. Komm schon... Ich hab mir eh schon in den Finger geschnitten. Das ist jetzt der perfekte Moment."

Cati seufzte. „Du hast mich überredet. Gib mir das Messer."

Madison lächelte triumphierend und streckte ihr besagtes Messer hin. Cati atmete tief durch und wollte beginnen, zögerte dann aber.

„Jetzt mach endlich", drängte Maddie.

Noch einmal atmete Cati tief durch und fuhr dann mit der Klinke über ihren Finger. Nichts.

„Mein Blut ist gleich schon eingetrocknet, wenn du dich nicht endlich sputest. Du bist ja langsamer, als eine Schnecke."

Cati packte das Messer fester und glitt nochmals damit über ihre Haut. Endlich quoll etwas Blut heraus. Madison schnappte sich Catlens Handgelenk und drückte ihre Wunde auf die Ihrige. Cati kicherte und Madison ließ sie wieder los. „So, jetzt ist unser Freundschafsbund besiegelt. War es schlimm sich zu schneiden?"

Cati schüttelte ihren Kopf und betrachtete die Schnitzerei in der Eiche. „Ich habe noch eine Idee. Wenn wir unsere Versprechen niederschreiben, dann müssen wir einen blutigen Fingerabdruck darauf hinterlassen, als Zeichen, dass wir Blutsbrüder sind." Ob ihre Freundschaft länger halten würde, wenn sie sich auf den unterschiedlichsten Wegen miteinander verbanden? Oder war es das, was Mutter immer mit "Aberglaube" bezeichnete?

„Igitt, Cati. Das ist ja widerlich. Sowas kommt in den schlimmsten Kriminalgeschichten vor, aber doch nicht in einem Freundschaftsbund."

Schalkhaft grinste Catlen May. Sie wusste, dass Maddie nachgeben würde, so wie sie nachgegeben hatte.

„Mutter inspiziert jeden Sonntagmorgen meine Hände, ob sie wirklich sauber sind, wenn ich zur Kirche gehe - das hat sie sich übrigens von deiner Mutter abgeguckt. Was meinst du wird sie sagen, wenn sie ganz zerschunden sind, als käme ich aus der gefährlichsten Schlacht?"

„Stell dich nicht an, Maddie. Du wirst nur zwei kleine Kratzer haben und die sind wirklich nicht schlimm. Außerdem ist es bis Sonntag noch lange hin."

Madison seufzte. „Ich hätte erst gar nicht mit dem schneiden anfangen sollen. Aber gut... Ich bin einverstanden."

Jetzt war es an Cati triumphierend zu lächeln.

Abends in ihrem Zimmer holte Cati Briefpapier, Feder und Tinte hervor und begann zu schreiben:

Ich verspreche meiner besten Freundin, Madison Stuart, auf ewig treu zu bleiben. Nichts soll unsere Freundschaft je zerstören oder zwischen uns stehen. Ich verspreche, sie zu ermutigen, zu trösten und immer für sie da zu sein. Ihre Geheimnisse sind meine Geheimnisse. Ich stehe zu ihr und sie zu mir. Wir halten zusammen und lieben uns wie Schwestern.

~ Catlen May Gillwater

Sie zog das Messer, dass sie aus der Küche geschmuggelt hatte, hervor und schnitt nochmals in die Wunde von heute Morgen. Sie badete ihren rechten Zeigefinger darin und presste ihn für wenige Sekunden neben ihren Namen. Als sie den Finger wieder abnahm, begutachtete sie lächelnd ihr gelungenes Werk.

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