Kapitel 39
29. Juli 1905
„Bist du sehr aufgeregt?" Madison drapierte den Schleier in Rachels Haar und trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zu begutachten.
„Sehr aufgeregt? Das ist gar kein Ausdruck! Ich falle noch in Ohnmacht, wenn sich mein Herzschlag gleich nicht beruhigt."
Madison lachte und zupfte etwas an dem Schleier herum. „Ob das aus medizinischer Sicht geht, weiß ich nicht, aber wenn es geschieht, dann werde ich dich wohl oder übel mit einem Eimer Wasser begießen müssen oder vielleicht auch mit Bowle oder mit-"
„Hör auf", lachte Rachel. „Ich warne dich", so hob drohend ihren rechten Zeigefinger, „wenn mein Kleid auch nur einen Tropfen abbekommt, dann wirst du die längste Zeit Brautjungfer gewesen sein."
Maddie zuckte mit einem schelmischen Funkeln in den Augen die Achseln. „Im Falle einer Ohnmacht wird das wohl unvermeidlich sein."
Cati verzog das Gesicht. „Dann hoffe und bete ich, dass dies nicht geschehen wird."
Maddie lächelte und reichte ihrer besten Freundin ihren Brautstrauß. Catis Mutter hatte diesen aus Astilben, Nelken und Lisianthus gebunden. In dem Moment ertönte von draußen Musik. „Oh weh, der Hochzeitmarsch! Ich falle gleich wirklich in Ohnmacht, Maddie. Meine Knie sind weicher, als die weichste Butter."
„Rede kein dummes Zeug und komm. Dein Vater - und vor allem Will – wartet schon."
Rachel holte tief Luft und warf noch einen prüfenden Blick in den Spiegel.
„Du siehst schöner aus, als die schönste Rose, Cati. Mach dir darum mal keine Sorgen." Madison stieß ihr spielerisch den Ellbogen in die Seite.
Cati war allerdings zu aufgeregt, um auf die Neckerei ihrer besten Freundin zu reagieren. Sie holte tief Luft und nickte. „Also gut, los geht's."
„Auf in den Kampf!" Madison ging ihr voran, öffnete die Haustür und die beiden stiegen die Treppenstufen der Veranda herunter. Unten wartete Vater schon. In seinen Augen glänzten Tränen, als er sagte: „Meine kleine Butterblume... unglaublich wie schnell du groß geworden bist. Gestern warst du doch noch ein Baby und heute heiratest du." Er umarmte sie. „Bist du bereit?"
„Ja, aber ich will dir noch etwas sagen."
Ihr Vater nickte und sah sie erwartungsvoll an. Madison war schon vorgegangen und betrat jetzt zusammen mit dem Trauzeuge den Gang zwischen den beiden Stuhlfronten.
Rachel Catlen May lächelte ihren Vater liebevoll an. „Von keinem anderen würde ich lieber zum Traualtar geführt werden, als von dir, Vater." Sie küsste ihn auf die Wange und lächelte.
Keely
Keely stand ganz nervös an ihrem Platz in der ersten Reihe. Der Garten der Gillwaters war ein wunderbarer Ort für eine Hochzeit. Alles blühte in seiner schönsten Pracht und die Vögel zwitscherten an diesem Morgen besonders schön.
Neben Keely stand Virginia Gillwater und hatte sich, wie alle anderen Gäste, erwartungsvoll zum Gang gedreht. Auf Keelys anderer Seite hatten Williams Eltern Platz genommen und hinter ihr saßen seine Geschwister und ihre lieben Kinder mit den Gillis und Ingels. Keely schloss kurz die Augen und sog lächelnd den Duft der Jasmin Hecke ein, die den Garten umrahmte. Heute gab es nur Gründe, um glücklich zu sein. In ihrem Herzen sollte kein Platz für Wehmut, Trauer oder Bedauern sein.
Sie öffnete ihre Augen wieder und drehte sich ebenfalls in Richtung des Ganges. Dort erschienen jetzt die Brautjungfer und der Trauzeuge. Hinter ihnen gingen die Blumenmädchen und dann folgten Rachel und ihr Vater. Rachels weißes Kleid, aus Atlasseide und einer Schicht, mit Blumen besticktem, Organza stand ihr perfekt, ihre Augen strahlten und ihre Wangen leuchteten rosig. Ihre Grübchen und die lockigen Strähnen, die ihr Gesicht umrahmten gaben ihr etwas Unbeschwertes und Kindliches und doch sah sie so erwachsen aus. Keely schniefte. Wenn sie jetzt schon den Tränen nah war, wie sollte es während der Trauung sein? Reiß dich zusammen, mahnte sie sich und lächelte tapfer. Als der Hochzeitsmarsch verklungen war, begann die Trauzeremonie.
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Keely schob sich nach vorne zum Brautpaar, um ihm zu gratulieren und ihre besten Wünsche für sie auszusprechen. Sie umarmte und küsste die beiden nacheinander.
Mein Sohn und meine Tochter, dachte sie dabei und wieder stahlen sich Freudentränen in ihre Augen.
Keely beglückwünschte die beiden ehe sie fragte: „Ihr werdet mich doch oft besuchen kommen, oder? Ihr wisst, wie einsam ich mich immer wieder fühle."
Rachel lächelte und umarmte Keely wieder. Dieser traten erneut Tränen in die Augen und sie drückte ihre Tochter fester an sich, als diese antwortete: „Das werden wir, Ma. Versprochen."
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