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"Emely!" Höre ich schon das aufgeregte Quietschen meiner Freundin, kaum dass ich, mit meinem Koffer bepackt, vom Gepäckband in die Wartehalle komme.
"Du hast mir so gefehlt! Und ich muss dir so viel erzählen!" sprudelt es aus ihr heraus, während sie mich stürmisch umarmt.
"Wie war dein Flug und was macht Alexander? Schade das er nicht mitkommen konnte. Ich hätte ihn so gerne kennen gelernt."
"Ich freu mich auch dich zu sehen Kara!" versichere ich ihr, wobei meine leicht bedrückte Stimmung endlich ein wenig in den Hintergrund rückt. Ich sollte die Zeit mit meinen Freunden genießen und die nächsten drei Tage nicht ununterbrochen Trübsal blasen. Denn im Anschluss werden Alexander und ich wieder unzertrennlich sein.
Vielleicht ist es auch mal ganz gut ein wenig Abstand zu haben. Immerhin hocken wir ja fast ständig aufeinander. Trotzdem fehlt er mir irgendwie schon jetzt, dabei habe ich ihn erst vor eineinhalb Stunden am Flughafen zurück gelassen.
"Komm ich nehm deinen Koffer." bietet Kara mir an und greift schon nach meiner Tasche, während ich mein Handgepäck schultere und mit ihr auf den Ausgang zusteuere.
Ununterbrochen plappert sie auf mich ein und kaum das wir im Taxi sitzen muss ich ihr ein Bild von Alexander zeigen, dass sie mit großem Interesse mustert. Dann wirft sie mir einen verliebten Blick zu und stößt ein begeistertes "Wow, also den hätte ich auch genommen." aus.
"Das glaub ich dir gern." lache ich verlegen auf, bevor ich das Bild ebenfalls anhimmle, auf dem Alexander mit großen Augen verträumt in die Kamera lächelt, wobei seine blauen Augen verführerisch strahlen.
Seufzend atme ich auf, was mir von Kara einen belustigten Blick einbringt, bevor wir in ein kindisches Kichern ausbrechen.
"Du hast ihn wirklich gern was?" fragt sie neckend, worauf ich ihr nur bestätigend zunicken kann.
"Sehr." füge ich noch hinzu und spüre, wie mir das Blut zu Kopf steigt, was Kara zum Schmunzeln bringt.
"Gott!" quietscht sie plötzlich los, was mich erschreckt zusammen zucken lässt. "Dich hatts ja richtig erwischt!" sagt sie begeistert, was mich ganz verlegen macht. Zumal ihre Einschätzung gar nicht mal so falsch ist.
"Ein bisschen." sage ich abwehrend, schaue ihr dabei aber nicht in die Augen, sondern aus dem Fenster. Doch wie es beste Freundinnen, die man schon ewig kennt, so an sich haben durchschaut sie mich sofort.
"Ach Süße." sagt sie kopfschüttelnd "Wenn du Brian auch nur halb so verliebt angesehen hättest, wie ihn da, wärst du schon seit vier Jahren verheiratet und hättest mindestens Zwei Kinder." prophezeit sie, bevor sie fortfährt. "Ich hab mir sowas nach unserem Telefonat ja schon gedacht, aber ganz sicher war ich mir dann doch nicht, aber jetzt..." liebevoll sieht sie mich an, drückt mich aufmunternd und fügt dann grinsend hinzu. "Zur Hochzeit lädst du mich aber ein! Und ich will deine Trauzeugin sein!"
Doch dann scheint ihr plötzlich etwas einzufallen, denn neugierig mustert sie mich. "Was ist eigentlich da raus gekommen?" fragt sie mich mit neugierigem Blick und deutet auf meinen Bauch.
"Oh, das...also..."erleichtert stoße ich die Luft aus. "...da kann ich Entwarnung geben. Ich bin doch nicht schwanger. Und was die Hochzeit anbelangt... vergiss es. Ich will nicht heiraten."
"Wie du willst nicht heiraten?!" fragt Kara entsetzt "Ist das dein ernst?!" ungläubig sieht sie mich an, bevor sie missbilligend den Kopf schüttelt.
"Heirat, Liebe, das ist nichts für mich Kara." zucke ich entschuldigend mit den Achseln. "Für mich ist die Sache mit dem zusammen Wohnen schon echt ungewohnt, wobei ich ihn schon sehr vermisse, jetzt wo er nicht da ist. Aber deswegen gleich Heiraten? Ne, lass mal."
"Emely Stone! Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!" schimpft Kara aufgebracht. "Du kannst mir doch eine Traumhochzeit nicht vorenthalten! Das ist gemein!"
Lachend winke ich ab. "Wir können ja deine Hochzeit zu einer Traumhochzeit machen. Wann ist es denn bei dir soweit?" necke ich sie, worauf sie doch tatsächlich rot anläuft.
"Stop...stop...stop...erzähl!" frage ich begeistert, denn alles was ich in letzter Zeit von Karas Liebesleben mitbekommen habe, war, das sie jemanden kennengelernt hat. Mehr aber auch nicht.
"Also..." setzt sie schmunzelnd an, bevor sie nun ihrerseits ihr Handy zückt und mir ein Bild zeigt, von...
"Marek?!" frage ich erstaunt und sehe sie ungläubig an. "Seit wann?!" will ich aufgeregt wissen. Unser Freund Marek, mit dem wir schon seit Jahren um die Häuser ziehen, naja,... oder es früher getan haben, denn seit dem ich weggezogen bin sind wir nur noch zwei Mal zusammen aus gewesen und da ist zwischen den beiden definitiv noch nichts gewesen.
Schüchtern beginnt sie zu erzählen, wird dann aber immer aufgeregter, bis sie zu dem Punkt mit dem Heiratsantrag kommt, den er ihr vor noch gar nicht allzu langer Zeit gemacht hat.
"Gott! Ich freu mich so für euch!" strahle ich sie an, während wir vor meinem Hotel in Hannover aus dem Taxi steigen.
Überschwänglich nehme ich sie in den Arm und freue mich riesig auch Marek morgen zu treffen, dazu Ben und Mila, mit denen wir seit einigen Jahren gemeinsam Weihnachten feiern.
Worauf ich mich hingegen weniger freue ist der Besuch bei meinem Vater, was allerdings nur an meiner Stiefmutter der alten Hexe liegt.
Und auch nur wegen ihr habe ich es vorgezogen im Hotel zu schlafen, was Kara zwar nicht so recht war, doch da sie selbst nur eine kleine Wohnung hat und Marek inzwischen auch mehr dort als zu Hause ist, blieb ihr gar nichts anderes Übrig, als meine Entscheidung zu akzeptieren.
Und so stehe ich kurze Zeit später an der Rezeption des Hotels.
"Ich hatte ein Zimmer Reserviert." teile ich dem Herrn hinter dem Tresen mit, während Kara sich mit meinem Koffer auf die Couch in der Hotellobby setzt.
"Emely Stone." stelle ich mich vor, als der Mann mich bittend ansieht.
Doch als er meinen Namen vernimmt, strafft er seine Haltung, wird plötzlich oberfreundlich und drückt mir eine Schlüsselkarte in die Hand.
"Entschuldigen sie bitte, dass sie Warten mussten Mrs. Stone. Die Suite ist bereits für sie Vorbereitet und..."
"Moment..." unterbreche ich ihn verwirrt. "Ich hatte nur ein Einzelzimmer reserviert. Nicht die Suite. Das muss ein Missverständnis sein"
"Nein, Mam. Hier steht es Emely Stone. Das ist doch ihr Name." zur Verdeutlichung hält er mir einen Zettel vor die Nase, auf der Tatsächlich mein Name steht.
"Ja, das ist mein Name." seufze ich auf, dann frage ich, obwohl ich schon fast sicher bin, wer meine Reservierung geändert hat. "Und wer hat das Zimmer reserviert?"
"Ein gewisser Mr. Black." teilt er mir mit, nachdem er seine Buchungen durchgesehen hat.
Schmunzelnd schüttel ich den Kopf, während ich auf dem Zettel, den er mir hinhält unterschreibe.
"War ja klar du kleiner Gauner." murmel ich vor mich hin, was mir von dem Angestellten einen verwunderten Blick einbringt.
"Vielen Dank." bekommt dieser jedoch nur von mir zu hören, bevor ich mich grinsend zu Kara umdrehe und sie zum Fahrstuhl dirigiere.
"Du wohnst in der Suite?!" staunt sie, als ich die Türe zu dem großen Apartment öffne, das für mich alleine viel zu groß ist. "Wow, dein Job muss ja echt gut bezahlt sein." strahlt sie und dreht sich kindisch, mit ausgebreiteten Armen im Kreis.
"Also schlecht verdiene ich nicht, aber das Apartment habe nicht ich gebucht, sondern..." unbehaglich runzel ich die Stirn. Was soll ich Kara nur sagen? Ich kann ihr ja nicht erzählen, das Alexander das Hotel gehört, weil ich ja diese Verschwiegenheitsklausel unterschrieben habe. Und obwohl wir diesen Vertrag zwar gekündigt haben, möchte ich mich trotzdem daran halten. Aber ich kann ihr auch nicht von Mrs. Wellenstein erzählen und anlügen will ich sie auch nicht...puh...
"...also das habe ich wohl dem Chef von meinem Chef zu verdanken." sage ich ausweichend, wobei der Chef von meinem Chef mein Chef ist, also ist es ja nicht gelogen oder?
"So einen Chef hätte ich auch gerne!" schwärmt sie verträumt und lässt sich auf das Sofa fallen. Kichernd plumpse ich neben sie. "Ach, ich weiß nicht. Manchmal, würde ich den Chef von meinem Chef gern mal in den Hintern beißen. Der ist manchmal nämlich echt unausstehlich!" lache ich belustigt, woraufhin Kara ebenfalls mit einsteigt.
"Na deine Sorgen hätte ich gerne. Drei Tage in einer Suite wohnen und du beschwerst dich auch noch darüber!" grinst sie mich an.
"Ja schlimm oder?" lachend sehe ich sie an, kann meinem Wohltäter aber nicht wirklich böse sein. Denn dieses Zimmer hängt voll mit Erinnerungen an ihn. Nicht alle sind schön, aber hier haben wir das erste Wochenende verbracht, an dem ich ihn nicht dauerhaft erwürgen wollte. Auch wenn die Nacht alles andere als berauschend war.
Lange bleibt Kara an diesem Abend hier, bis sie von Marek abgeholt wird.
"Dann treffen wir uns Morgen direkt bei Mila." verabschiedet sie sich von mir und ich stimme ihr nickend zu.
"Um 11 Uhr, Ja?" frage ich sicherheitshalber noch mal nach bevor sie in den Fahrstuhl steigt und nach unten fährt, dann gehe ich in mein Zimmer zurück und zücke mit gemischten Gefühlen mein Handy.
Wie es Alexander wohl ergangen ist?
Hoffentlich ist er gut zuhause angekommen. Wobei der Flug mir keine Sorgen bereitet, eher das angespannte Verhältnis zu seinem Vater.
Lange lasse ich es klingeln, doch er geht nicht dran und so schicke ich ihm eine Nachricht, die er lesen kann, wenn er Zeit hat.
Wobei es mich schon etwas verwundert, dass er abends um elf keine Zeit für mich hat.
"Na, du?
Keine Zeit? Oder schläfst du schon?
Eigentlich müsste ich dir ja den Kopf abreißen, dass du meine Zimmerkategorie geändert hast, aber da es hier viele schöne Erinnerungen gibt, werde ich mal darüber hinweg sehen.
Du fehlst mir.
Schreibst du mir oder rufst du mich an, wenn du kannst?
Emely"
Lange Zeit liege ich, dass Handy in der Hand im Bett, doch als mich schließlich die Müdigkeit überkommt und ich ins Reich der Träume abdrifte, hat er mir noch immer nicht geschrieben.
Und auch, als ich am Morgen aufwache habe ich keine neuen Nachrichten.
Noch einmal schreibe ich ihm eine Mitteilung und versuche ihn Anzurufen, doch wieder antwortet er nicht und so wünsche ich ihm per SMS frohe Weihnachten, was mir gewaltig gegen den Strich geht.
Recht spät an diesem Morgen stehe ich auf und stelle mich unter die Dusche, doch als ich gerade fertig mit dem Anziehen bin, klopft es meiner Tür.
"Zimmerservice!" erklingt eine weibliche Stimme dumpf von draußen herein.
Verwirrt öffne ich die Tür.
"Guten Morgen Mrs. Stone. Wo darf ich ihnen ihr Frühstück servieren?" fragt mich die schwarz gekleidete Frau und sieht mich aufmerksam an.
"Das muss ein Irrtum sein." verwehre ich ihr den Zutritt, doch sie schüttelt lächelnd den Kopf. "Sie sind doch Emely Stone?" sagt sie eher feststellend als fragend bevor sie fortfährt. "Wir haben die Anweisung ihnen diese Aufmerksamkeit zukommen zu lassen." sagt sie höflich lächelnd und reicht mir eine Karte.
Allerdings kenne ich die Handschrift nicht. Trotzdem steht AB als Absender unten drauf.
"Von wem ist das?" will ich mich vergewissern.
"Ich weiß nicht Miss. Ich soll ihnen nur das Frühstück bringen." sagt sie entschuldigend. "Aber wenn sie möchten, werde ich mich erkundigen."
"Nein, ist schon gut." wehre ich ihn Angebot ab und lasse sie rein. Dann deute ich auf den Esstisch, wo sie das Frühstück serviert, während ich die Karte lese.
Sehr geehrte Mrs. Stone,
bitte verzeihen sie mein Schweigen. Dennoch möchte ich sie höflichst darum bitten, mich nicht noch einmal Anzurufen.
Ich wünsche ihnen guten Appetit und frohe Weihnachten.
Mit freundlichen Grüßen
AB
Keine Erklärungen, keine Entschuldigung, nicht einmal ein liebes Wort. Nur förmliche Höflichkeit liegt in seinen Worten, die mich regelrecht verwirrt.
Was das jetzt wohl schon wieder zu bedeuten hat? Und warum diktiert er das irgendeiner Hotelangestellten und schreibt mir nicht persönlich übers Telefon?
Oder ob er vielleicht eine E-Mail geschrieben hat?
Schnell schaue ich nach, doch außer einigen durchgerutschten Anfragen, die Arbeit betreffend ist mein E-Mail Fach leer.
Kurz schicke ich die Mails an sein zweites Büro weiter, bevor ich ihm eine Mail schreibe.
Er hat mich ja nur darum gebeten ihn nicht anzurufen, doch schreiben werde ich ihm ja noch dürfen. Oder?
Mit leichtem Unbehagen, beginne ich zu essen. Trinke meinen Kaffee und nehme nachdenklich die einzelne Rose zur Hand, die sich auf meinem Tisch befindet.
Ob sie wohl von ihm ist? Oder ohnehin zu meinem Einzeldinner gehört? Wer weiß. Aber ich möchte glauben, dass sie von ihm ist und somit stelle ich sie auf meinen Nachttisch, nachdem ich mit dem Essen fertig bin.
Doch zweifel nagen an mir. Warum weiß ich allerdings nicht.
Der anschließende Blick auf den Rechner prophezeit, was ich schon befürchtet habe. Gähnende Leere. Was aber auch daran liegen könnte, dass er meine Nachricht noch nicht gelesen hat.
Seufzend mache ich mich um viertel nach zehn auf den Weg zu Mila, die etwas außerhalb wohnt und nehme mit gemischten Gefühlen Alexanders Geschenk mit.
Was er mir wohl geschenkt hat? Und warum er mich wohl darum bittet ihn nicht mehr anzurufen?
Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass es etwas mit seinem Vater zu tun hat, nur was genau bleibt mir ein Rätsel...
Pünktlich um 11 Uhr stehe ich vor Milas kleinem, aber feinem Elternhaus, dass wie in jedem Jahr regelrecht unter einem Berg weihnachtlicher Dekoration kaum mehr zu erkennen ist und läute an der Tür.
"Ich mach schon auf!" höre ich jemanden hinter der Tür rufen, doch schon mischt sich eine zweite Stimme dazu. "Nein ich!"
"Hey! Lass das!"
"Selber! Ich lass Emely rein! Du durftest sie schon vom Flughafen abholen und außerdem ist das mein Haus, also aus dem Weg!"
Wie die Kinder scheinen sich Mila und Kara zu zanken, wer mir die Tür aufmacht und so steht mir dann ein grinsender Ben gegenüber als die Tür aufgeht.
"Hey Süße! Schön dich zu sehen."
"Hallo Ben." grinsend schaue ich an ihm vorbei, während ich meine Wange an seine lege. "Immer noch wie die Kinder die beiden was?" flüstere ich ihm erheitert ins Ohr, bevor ich mich von ihm löse und ihn auffällig mustere. "Gut siehst du aus." stelle ich fest und nehme seine neue Frisur und den Bartlosen Kiefer zur Kenntnis. "Hat dich der Rauschebart doch gestört?" necke ich ihn "Und wer spielt dann dieses Jahr den Weihnachtsmann?" will ich wissen.
"Na ich auf jeden Fall nicht. Was meinst du, warum ich ihn abrasiert habe." schmunzelt er und schließt die Tür hinter mir, während Mila sich schnaufend aus Karas Klammergriff windet und mir stürmisch um den Hals fällt.
"Emely!" kreischt sie aufgeregt. "Wow! Hast du dich verändert!" mit großen Augen sieht sie mich an, dabei sehe ich eigentlich aus wie immer. Na ja, zumindest fast, denn ein, zwei Kilo habe ich in der Zeit, seit dem ich mit Alexander zusammen bin schon abgenommen. Nur dass es so auffällig ist, hätte ich nicht gedacht.
Und so wehre ich ihre Bewunderung kurzerhand ab. "Ich? Du hast dich verändert. Bist du etwa Schwanger?" staune ich und bewundere ihren eindeutig runden Bauch.
"Ganz recht. Und du auch, wie ich höre!" sagt sie begeistert, bevor ich ihr wiedersprechen kann und mustert mich eingehend. "Aber weit kannst du noch nicht sein oder?"
"Ne. Nicht nur nicht weit...ich bin gar nicht schwanger. Das war ein Fehlalarm." kläre ich sie kurzerhand auf und werfe Kara einen tadelnden Blick zu. Diese Klatschtante!
"Oh, wie schade! Ich hatte mich schon so gefreut, dass unsere Kinder zusammen aufwachsen können." sagt Mila enttäuscht, doch schon im nächsten Moment strahlt sie wieder.
"Komm! Marek wartet im Wohnzimmer und auch meine Eltern werden sich freuen dich zu sehen!" zerrt sie mich an der Hand hinter sich her.
Als ich an Kara vorbeikomme knurre ich sie kurz verspielt an, bevor ich sie in den Arm nehme und sie mir die Zunge rausstreckt.
"Sorry!" flüstert sie ohne Reue "Aber ich war so aufgeregt, als du mir davon erzählt hast, da musste ich es Mila einfach sagen."
"Schon gut. Nicht so schlimm." versichere ich ihr und lasse mich dann von Mila weiterziehen.
Im Wohnzimmer geht die wilde Begrüßungsorgie weiter. Marek nimmt mich in den Arm, wirbelt mich einmal im Kreis und küsst mich auf die Wange, bevor er zu Kara geht und sie ebenfalls Küsst. Scheinbar als Entschuldigung, denn sie macht ein brummiges Gesicht. Ja, eifersüchtig war sie schon immer. Aber ich bin wohl eine Ausnahme, denn inzwischen strahlt sie schon wieder begeistert in die Runde.
Milas Eltern grüßen mich zwar nicht so stürmisch, aber auch bei ihnen vermisse ich die Herzlichkeit nicht. Immerhin kennen sie mich ja schon von klein auf, denn ich bin mit Mila zusammen in die Grundschule gegangen. Auch wenn sich anschließend unsere Wege für eine Weile getrennt haben.
Und auch Milas Freund Leon und ihr Bruder Fabian schließen sich der freudigen Begrüßung an.
Der Tag wird richtig Toll, so dass ich gar nicht viel dazu komme an Alexander zu denken und erst, als wir am Abend mit einem heißen Punsch vor dem Weihnachtsbaum sitzen und die Geschenke verteilen, schleicht er sich wieder in den Vordergrund.
Gespannt öffne ich sein Geschenk, was ich dann vielleicht lieber doch erst hätte tun sollen, wwenn ich allein gewesen wäre.
"Und? Zeig doch mal!" fordert Marek gespannt und deutet auf die Zettel in meiner Hand. "Was ist das denn?"
Ungläubig starre ich die Papiere an, die ich aus dem Umschlag gezogen habe.
Das kann er doch nicht machen! Also er hat es getan, aber...! Spinnt er denn total? Ich dachte er hätte verstanden, dass ich das Haus nicht will?! Wie kann er es mir denn da zu Weihnachten schenken?! Der hat sie doch nicht mehr alle!
"Es...es ist... eine Besitzurkunde." bringe ich stockend heraus und reiche sie an Marek weiter, der sie eingehend mustert.
"Oh wie Romantisch!" schwärmt Mila "Er schenkt dir einen Stern?" tippt sie mal sowas von daneben.
"Nicht ganz." sagt Marek und reicht ihr, mit ungläubigem Blick, die Urkunde. "Er schenkt ihr ein Haus."
"Ein Haus?" staunt nun auch Mila und starrt auf die Papiere in ihrer Hand. Na, wenn sie wüsste, WAS für ein Haus es ist, dann würde sie aus allen Wolken fallen, doch genaues steht auf dem Wisch Gott sei Dank nicht drauf. Und ich werde mich hüten ihr etwas zu erzählen.
Doch das Haus ist längst nicht alles, was er mir schenkt, denn in dem Umschlag steckt zu dem noch eine Kreditkarte und eine Schmale blaue Schachtel und ein Brief.
Die Kreditkarte lasse ich unauffällig wieder im Umschlag verschwinden, zumal ich ohnehin nicht weiß, wozu die sein soll. Ich hab doch ein Konto.
Doch den Brief und das flache Plastikkästchen nehme ich heraus und falte die Zettel auf um sie zu lesen, allerdings fällt mir dabei ein USB Stick in den Schoß, den ich verwirrt mustere.
Hoffentlich erklärt sich dieses Fundstück mit dem Brief, weshalb ich diesem zu allererst mal meine Aufmerksamkeit schenke.
Hi meine Süße,
verzeih mir, dass ich nicht bei dir sein kann und auch, dass ich mich über deinen Wunsch hinweggesetzt habe.
Doch ich möchte noch immer, dass das Haus dir gehört.
Und zwar nicht, weil ich es nicht will, sondern weil es mich an dich erinnert.
Es ist ein Schmuckstück. Genau wie du.
Vielleicht ist es noch nicht perfekt, aber das wird es sein, wenn du mit ihm fertig bist.
Bitte schau nicht so grimmig...ich weiß, dass du glaubst es nicht zu schaffen, dass du Angst vor der Verantwortung hast, doch ich bin mir sicher, dass deine Phantasie diesen Stern zum strahlen bringen wird, so wie du mich zum Strahlen gebracht hast.
Und damit deinen Ideen nicht's im Wege steht habe ich dir ein kleines Kontingent zur Verfügung gestellt.
Okay. Jetzt erklärt sich mir auch das Konto, wobei ich nicht vorhabe das Geld zu behalten, ebenso wenig wie das Haus. Aber mal sehen, was er noch so schreibt.
Bitte nutze es, auch wenn du es nicht willst. Und lass dir deine Bescheidenheit, deine Selbstzweifel und deine Genügsamkeit nicht im Wege stehen.
Weißt du... denn ich bin wirklich froh, dass wir dieses Wochenende dort verbracht haben, denn seither weißt du wer ich wirklich bin. Und das macht mich mehr als Glücklich.
Ich weiß nicht, ob du das weißt, aber ich weiß es und dafür liebe ich dich.
Und weil ich auch weiß, dass ich dich bis zu unserem wiedersehen nicht anrufen, oder dir schreiben kann, weil ich dir nicht sagen kann, wie sehr du mir fehlst und wie gern ich bei dir wäre, habe ich dir noch ein kleines Souvenir beigelegt, damit die Zeit, bis wir uns wiedersehen für dich nicht allzu lang wird.
Hör dir die Dateien auf dem Stick in einer ruhigen Minute an, vielleicht heute Abend um Elf, denn dann werde ich in Gedanken bei dir sein. Wie ich eigentlich immer in Gedanken bei dir bin, doch zu dieser Stunde, wirst nur du und niemand sonst mein Herz erfüllen.
Sehnsüchtig sehe ich dem Tag entgegen, an dem du wieder bei mir bist und wünsche dir bis dahin viel Spaß mit deinen Freunden und deiner Familie.
Grüß alle ganz herzlich von mir.
Bis in zwei Tagen mein Herz.
Alexander
Neugierig wende ich den Stick hin und her und kann es kaum erwarten, mir die Dateien, von denen Alexander gesprochen hat anzuhören. Doch er hat mich gebeten, sie allein zu hören und das er heute Abend um elf an mich denken will, weshalb ich mich gedulden werde, um ihm so nah wie möglich zu sein.
"Was hat er denn Geschrieben?" reißt Kara mich aus meinen Gedanken und beugt sich neugierig zu mir.
"Ach, nichts wichtiges. Ich soll euch alle von ihm grüßen." sage ich ausweichend und klappe den Brief zu um ihn, samt Stick, wieder in seinen Umschlag zu stecken.
Von dem Haus dürfen sie gerne wissen, das kann ich jetzt eh nicht mehr verhindern, aber seine Worte möchte ich für mich behalten.
"Und was ist das?" will Mila wissen und deutet auf das blaue Kästchen, das ich mir in den Schoß gelegt habe.
"Ich weiß nicht." sage ich ratlos und nehme es in die Hand. Wende es hin und her und schaue es von allen Seiten an.
"Man!" drängt sie mich "Dann schau doch nach."
Neugierig rutschen die Mädchen dichter an mich heran und schauen mir gebannt auf die Finger, während ich langsam den Deckel hebe.
Doch wie ich schon vermutet habe, ist es ein Schmuckkästchen, in dem eine feine Silberne Kette mit einem Anhänger liegt.
"Oh, die ist aber Hübsch." sagt Kara bewundernd. "Komm ich mach sie dir um." bietet sie mir an.
Schmunzelnd schaue ich auf das Schmuckstück in meiner Hand und reiche es ihr. Es ist fast wie ein Déjà-vu, denn wie damals, als er mir das Haus zum ersten Mal schenken wollte, hat er mir auch diesmal einen Schlüssel geschenkt. Allerdings ist er deutlich zierlicher und mit kleinen, bläulich schimmernden Diamanten besetzt.
Ich bin zwar noch immer nicht damit einverstanden, dass er mir unbedingt dieses Haus geben will, aber die Kette trifft durchaus meinen Geschmack und der kleine Zettel, den er mit in die Schachtel gelegt hat, rühren mich zutiefst.
Du bist der Schlüssel zu meinem Glück
Steht in seiner kleinen, fein säuberlichen Handschrift darauf. Mehr nicht.
Bewegt räuspere ich mich, dann drehe ich Kara den Rücken zu und halte die Haare beiseite, damit sie den Verschluss schließen kann. Liebevoll nehme ich den kleinen Anhänger in die Hand und betrachte ihn eingehend.
Ich finde es wirklich bedauerlich, dass er mir die Kette nicht selbst umlegen konnte und ich ihm nicht sofort dafür danken kann, denn er ist nicht hier und er hat mich gebeten ihn nicht anzurufen...
Seufzend wende ich mich wieder Kara zu, die mich neidisch anschaut, Marek anschließend aber einen liebevollen Kuss gibt.
"Weißt du..." sagt sie gerührt, als sie meine sentimentale Stimmung bemerkt "den Mann, der dich so um den Finger gewickelt hat, musst du mir aber bald mal vorstellen. Warum kommt ihr nicht einfach an Sylvester vorbei?" schlägt sie vor.
"Ich würde ja wirklich gerne, aber Alexander und ich, wir wollen über Neujahr verreisen." sage ich bedauernd, aber auch Glücklich.
"Wo wollt ihr denn hin?" fragt sie interessiert nach und wirft Marek einen fragenden Blick zu, der mich kurz irritiert, doch dann antworte ich achselzuckend.
"Ich weiß gar nicht. Das wollten wir kurzfristig entscheiden. Nur irgendwohin, wo es warm ist. Dubai oder Indien oder so. Vielleicht auch Florida."
"Oh, achso. Das ist ja schade. Sonst wären wir vielleicht mitgekommen. Wir wollten auch einen Kurzurlaub machen. Aber so kurzfristig geht das bestimmt nicht mehr." sagt Kara bedauernd während Marek ihr den Arm um die Schulter legt und ihr einen Kuss auf die Schläfe gibt.
"Vielleicht klappt es ja ein ander mal Schatz." sagt er tröstend, dann flüstert er ihr irgendwas ins Ohr, was sie zum grinsen bringt.
Zustimmend scheint sie zu nicken, verrenkt sich den Hals und gibt ihm einen Kuss.
Schon seltsam den beiden zuzusehen, wo ich sie schon so lange kenne und bis jetzt noch nie etwas zwischen ihnen gelaufen ist.
"Wann ist denn eigentlich eure Hochzeit?" will ich neugierig wissen, als mir wieder einfällt, dass sie ja verlobt sind. "Vielleicht könnt ihr Alexander dann kennen lernen."
"Im April." sagt Kara begeistert und strahlt übers ganze Gesicht. Doch als sie mich bittet ihre Brautjungfer zu werden, lehne ich bedauernd ab, weil ich viel zu wenig Zeit habe und auch, weil ich viel zu weit weg wohne. Wie soll ich mich denn da um alles kümmern. Doch als sie mir anbietet mir die Aufgabe mit Mila zu teilen stimme ich freudig ein.
Und somit verbringen wir drei Mädels den Rest den Abends damit über die Hochzeit zu reden. Doch als die Zeiger langsam auf die Zehn zurücken, werde ich kribbelig.
"Wie du willst schon gehen?" empört sich Mila und versucht mich mit Hilfe von Kara dazu zu überreden noch zu bleiben, aber als ich ihnen erkläre, das ich um elf mit Alexander verabredet bin, geben sie schließlich auf.
"Aber wir telefonieren Morgen ja? Und auch die nächsten Monate. Wir müssen doch alles besprechen, weger der Hochzeit." sagt sie bestimmt, worauf hin ich sie herzlich in die Arme schließe und ihr versichere.
"Davon wirst du mich kaum abhalten können. Ich lass mir doch nicht die Hochzeit einer meiner besten Freundinnen entgehen!"
"Na dein Glück!" lacht sie erleichtert und verabschiedet sich von mir, während das Taxi vorfährt. Auch von Milas Eltern und ihrem Bruder habe ich mich schon verabschiedet und Kara, Marek und Ben stehen wartend um mich herum.
Mit vielen Tränen nehme ich sie nacheinander in die Arme und drücke allen ein Küsschen auf die Wangen, bevor ich lächelnd ins Auto steige.
"Frohe Weihnachten euch allen!" rufe ich ihnen noch durchs Fenster zu, während der Fahrer losfährt.
Winkend stehen sie an Straßenrand, bis das Taxi um eine Ecke biegt und sie meinen Blicken entschwinden.
Seufzend lasse ich mich in den Sitz sinken und schließe das Fenster, durch das eiskalte Luft hereinweht und mich zum frösteln bringt.
Der Tag war wirklich lustig. Wir haben so viel gelacht und uns eine Menge zu erzählen gehabt, doch jetzt freue ich mich riesig auf das, was auch immer mir Alexander auf den Stick gespeichert hat.
Ich bin mal gespannt, worum es sich dabei handelt.
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