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Doch dieses Mal presst er lediglich die Lippen aufeinander und gibt ein schnaubendes Geräusch von sich, dann reicht er mir die Autoschlüssel.

"Wehe sie machen einen Kratzer in den Lack!" warnt er mich, bevor er allein mit den Fahrstuhl nach oben fährt.

Erleichtert atme ich auf. Endlich habe ich einen Augenblick für mich allein, aber ich darf mir nicht zu viel Zeit lassen, sonst werde ich mir oben wieder seine Predigt übers Zeitverschwenden anhören dürfen.

Zügig gehe ich zu dem weißen Mercedes zurück und öffne die Beifahrertür, dann suche ich den Fußraum nach meinem Telefon ab. Ich werde es doch nicht verloren haben! Schießt es mir durch den Kopf, als ich es nicht finden kann. Ich schaue unter dem Sitz nach, doch auch dort ist es nicht. Unruhig beschließe ich auch hinter dem Sitz noch mal nachzusehen, man weiß ja nie, wie selbstständig sich so ein Telefon machen kann.

Ich schließe die Beifahrertür und öffne die Hintere. Im Fußraum liegt tatsächlich mein Handy, doch auch eine ziemlich zweideutige Broschüre von einem Swinger Club.

Vollkommen perplex starre ich auf das Stück Papier, das ich zusammen mit meinem Handy aufgehoben habe und nun in der Hand halte.

Das Cover ist ziemlich bunt und zeigt eine Menge abenteuerlicher Sexspielzeuge, verschieden eingerichtete Räume, in schummriges Licht getaucht, dazu eine Bar, an der sich nur leicht bekleidete Menschen den feuchten Freuden des Lebens hingeben.

Fasziniert betrachte ich die Bilder und spüre ein leichtes Prickeln unter der Haut.

Verdammt ich hatte wirklich schon viel zu lange keinen Sex mehr, das mich so ein Fetzen Papier auf komische Gedanken bringen kann.

Doch was mich etwas verwundert, ist die Tatsache, dass diese Broschüre im Wagen meines Boss liegt. Was hat es da zu suchen?

Ob er mal in diesem Club war? Oder befindet sich das Papier nur rein zufällig im Auto, ganz nach dem Motto... aus der Zeitschrift gerutscht und liegen gelassen?

Wer weiß. Auf jeden Fall geht es mich nichts an. Trotzdem bin ich neugierig wo sich der Swingerclub befindet, um den es in diesem Prospekt geht.

Forschend betrachte ich die Adresse und stelle erstaunt fest, dass der Club gar nicht mal so weit von hier ist. Gerade mal eine halbe Stunde mit dem Auto, also durchaus in erreichbarer Nähe, wenn man denn an so etwas Interesse hat.

Aber mal ganz ehrlich, wer hat an so etwas denn kein Interesse? Ich habe mir durchaus schon mal vorgestellt, wie es sein würde jemand anderem beim Sex zuzusehen oder vielleicht sogar mal mit einzusteigen, doch bisher ist es immer nur Fantasie geblieben.

Auch die Vorstellung, dass mich ein fremder Mann berühren könnte, den ich noch überhaupt nicht kenne hat seine Reize.

Nachdenklich betrachte ich das Papier in meiner Hand, bis mich das Klingeln meines Handys aus meinen erotischen Träumen reißt.

Ich nehme das Gespräch an, ohne darauf zu achten, wer der Anrufer ist.

"Emely Stone." melde ich mich unkonzentriert, noch immer sind meine Gedanken bei dem Prospekt in meiner Hand.

"Miss Stone! Wo treiben sie sich so lange rum? Wenn sie um vier gehen wollen, müssen sie jetzt an die Arbeit gehen. Und wie ich sehe, haben sie ihr Handy jetzt ja wieder!"

Verdammt! Wie konnte ich nur so die Zeit vergessen?

" Ich komme sofort Mr. Black, bin schon auf dem Weg." Beeile ich mich zu sagen. Ich werfe den Prospekt in den Wagen zurück, dann schließe ich schwungvoll die Tür und verriegle sie.

Ich stecke mein Handy in die Tasche und laufe zum Fahrstuhl, dann fahre ich in den fünfundzwanzigsten Stock des Gebäudes und mache mich an die Arbeit.

Zuerst rufe ich in Bielefeld an, damit das Zimmer wieder freigegeben wird, anschließend tippe ich noch vier Briefe ab und mache sie versandt fertig.

Der Zeiger nähert sich unauffällig der vier Uhr Marke, als Jason plötzlich vor mir steht.

"Hallo Em. Wie gehts denn so?" grüßt mich der Personaltrainer meines Boss gut gelaunt.

"Oh hallo Jason! Du bist aber früh dran." grüße ich ihn verwirrt.

"Wieso früh?" will er wissen. "Es ist schon vier." sagt er lächelnd. Dann fügt er leiser hinzu."Hat dich dein Boss wieder so mit Arbeit überhäuft, das du die Zeit vergessen hast?"

"Könnte man so sagen." stöhnend strecke ich meine verspannten Muskeln und nehme einen Schluck des Kaffees, der auf meinem Tisch steht. Pfui, der ist sowas von kalt, das er meinem Chef Konkurrenz machen könnte.

"Kann ich rein gehen, oder soll ich noch warten?" will Jason wissen.

"Warte ich schau nach." Unsicher nähere ich mich der Tür zu Mr. Blacks Büro und klopfe an.

"Mr. Black? Jason Monroe ist da, wenn sie dann Zeit hätten." kündige ich seinen persönlichen Quälgeist an.

"Wie spät ist es denn?" will er wissen.

"Gleich vier." sage ich lächelnd, als mir klar wird, das ich jetzt Feierabend habe.

"Ach so?" Mr. Black klingt erstaunt. "Sagen sie ihm, dass ich gleich komme. Und Miss Stone?"

"Ja, Sir." frage ich unsicher. Was kommt denn jetzt noch? Seiner Stimme nach zu urteilen hat er noch einen Auftrag für mich.

"Ich möchte, dass sie noch diesen Papierkram hier erledigen, bevor sie nach Hause gehen. Das hier muss in die Ordner für die Rechtsanwälte, das in die für die Buchhaltung und das sind Rechnungen, die sie noch begleichen müssen." zählt er auf und deutet nacheinander auf drei unterschiedlich dicke Haufen, die auf seinem Schreibtisch liegen.

"Aber sie haben doch gesagt..." beginne ich enttäuscht.

"Jahh?" sagt er drohend.

"Ach nichts, Sir." Resigniert sacke ich in mich zusammen, dann nehme ich die Stapel vom Tisch und verlasse das Zimmer. Das bedeutet mindestens noch eineinhalb Stunden zusätzliche Arbeit, bevor ich gehen kann. Das war wohl nichts mit dem Feierabend um vier.

Mit enttäuschtem Gesicht kehre ich zu Jason zurück.

"Er kommt gleich." teile ich ihm mit und beginne den ersten Stapel nach Datum und Korrespondenz zu sortieren.

"Alles klar bei dir Em?" fragt Jason forschend.

"Was? Ach so, ja. Ich hatte nur gedacht ich könnte heute früher Feierabend machen." erkläre ich wahrheitsgemäß.

"Und jetzt wird nichts draus?" will er mitfühlend wissen.

"So siehts aus." stimme ich ihm zu.

"Das tut mir leid."

"Ach, naja, das bin ich ja gewohnt." seufze ich geschafft. "Ich werd mich mal an die Arbeit machen."

Unwillig lege ich ein Blatt nach dem Anderen auf den dazugehörigen Haufen. Nach dem dritten kommt Mr. Überstunde persönlich in Sportklamotten aus seinem Zimmer.

"So kann los gehen, Jason." sagt er lächelnd.

"Hallo Mr. Black. Dann werden wir heute fürs erste Mal eine Runde Joggen gehen." erklärt ihm dieser, wofür ich ihm unendlich dankbar bin, denn so habe ich meine Ruhe.

Jason lässt unserem Boss den Vortritt, dann zwinkert er mir noch einmal zu, bevor er die Tür hinter sich schließt.

Als ich das nächste Mal auf die Uhr schaue ist es bereits fünf vor fünf und ich bin immer noch nicht fertig, dafür geht die Tür auf und die beiden Sportler kommen schnaufend ins Büro gestürmt.

"Das nächstemal nehmen wir aber wieder den Fahrstuhl!" ächzt mein Boss atemlos. "Ich renn doch nicht in den fünfundzwanzigsten Stock, wenn das Teil funktioniert!"

"Na, na, wer wird denn da die Flinte ins Korn werfen Mr. Black. Sie wollten Sport machen, wo kämen wir denn da hin, wenn wir mit dem Fahrstuhl fahren würden?" lächelt Jason und schaut an meinem Chef vorbei zu mir.

Der blauäugige, schnaufende und vor allem schwitzende Mr. Black folgt seinem Blick und macht große Augen, als er mich noch immer am Schreibtisch sitzen sieht.

"Was machen sie noch hier!" fragt er kalt.

"Nur das, was sie mir gesagt haben." erkläre ich verwirrt.

"Und das Wäre?"

"Akten wegsortieren."

"Aber ich habe ihnen gesagt, das sie um vier Schluss machen sollen!" sagt er kalt.

"Aber um vier sagten sie mir, ich soll die Akten noch fertig machen." wiederspreche ich ihm.

"Sagen sie mir nicht, was ich angeblich gesagt habe Miss Stone. Verlassen sie jetzt mein Büro. Die Akten können warten."

Vollkommen sprachlos tue ich was er sagt. Ich nehme meinen Mantel und mache das ich wegkomme.

"Bis Montag!" verabschiede ich mich noch von meinem Boss, auch wenn ich befürchte, dass er nicht so lange ohne mich auskommen wird, wie eigentlich jedes Wochenende.

Mindestens ein Mal ruft er an oder schreibt eine E-Mail oder Whats-App Nachricht, je nach dem wonach ihm gerade ist, also habe ich wenig Hoffnung, dass mein Gruß auch wirklich bestand hat.

Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zu letzt.

Für heute habe ich jetzt auf jeden Fall Feierabend und den werde ich genießen, solange ich kann, denn endlich kann ich mich in meine kleine Wohnung zurückziehen und meinen Geburtstag genießen.

Zumindest das, was davon noch übrig ist.

Jason winke ich schnell noch zu, dann eile ich dem Fahrstuhl entgegen und gleite Glücklich dem Erdgeschoss entgegen.
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