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Mit zitternden Knien schließe ich die Tür, kaum dass ich den Raum betreten habe und wage es nicht, mich zu ihm umzudrehen.
Sicher schmeißt er mich jetzt raus. Ihm wird gar nichts anderes Übrig bleiben, wenn er seine Verhandlungspartner davon überzeugen will, das ich meine Grenzen überschritten habe und er noch immer an einem Geschäft interessiert ist.
Wobei, vielleicht ist er das ja gar nicht?
Hat er nicht gesagt, dass er mir in allen Punkten zustimmt...?
"Mrs. Stone, würden sie mich bitte ansehen, wenn ich mit ihnen rede." vernehme ich die beherrschte Stimme meines Vorgesetzten und was bleibt mir anderes übrig, als ihm zu gehorchen.
"Natürlich Sir." sage ich den Tränen nahe, hohle einmal vorsichtig tief Luft, nur um sie dann langsam meinen Lungen entgleiten zu lassen und drehe mich mit brennenden Augen zu ihm um.
"Was haben sie sich nur dabei gedacht?" fragt er mit dunkler Stimme und reibt sich mit Daumen und Zeigefinger nachdenklich übers Kinn.
"Es tut mir leid, Sir. Ich...ich wollte nicht... ich hab nicht nachgedacht." antworte ich mit brüchiger Stimme und gesenktem Blick.
Scheiße...scheiße....scheiße!
Er ist viel zu beherrscht. Das kann nichts Gutes bedeuten!
"Das scheint mir auch so." beginnt er leise, dann räuspert er sich ein Mal und fährt heiser fort. "Wie so oft."
Kurz huscht mein Blick zu seinen Augen, die zu glühen scheinen. Und beinahe, hätte ich mich in ihnen verlieren können, doch bevor ich auch nur dazu komme, seinem Blick allzu lange stand zu halten, fährt er in ruhigem Ton fort. "Gehen sie nach Hause, Mrs. Stone. Ich werde sie nicht mehr brauchen."
Verletzt senke ich den Blick auf meine ineinander verschränkten Hände und habe redlich Mühe, meine Tränen zurück zu halten. Aber was habe ich denn erwartet? Dass er sich darüber freut, dass ich die Arbeit von Wochen...ach was... Monaten in nur einer halben Stunde zunichte gemacht habe. Sicher nicht. Er kann mich nicht brauchen. Wird auch langsam Zeit, dass er das merkt.
Fest beiße ich mir auf die Lippe und versuche mich zusammen zu reißen, dann schaue ich ihn entschuldigend an.
"Natürlich Sir. Ich verstehe." sage ich mit schmerzender Kehle. "Ich bitte vielmals um Entschuldigung."
Bei meinen Worten wird sein Blick noch ein wenig dunkler und auf seiner Stirn bilden sich kleine Fältchen, als würde ihn etwas verwirren, doch da gerade jemand an die Tür klopft, sagt er lediglich.
"Ich bin gleich da."
Langsam kommt er auf mich zu. Doch bevor er die Tür öffnet streicht er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schaut mich ungläubig an, dann legt er plötzlich seine Hand in meinen Nacken und zieht mich zu sich heran.
"Aus dir soll einer schlau werden!" flüstert er undeutlich, nur Millimeter von meinen Lippen entfernt, dann presst er sie fest auf meine.
Ungläubig reiße ich die Augen auf und kann nicht verstehen, was hier gerade geschieht, doch in Anbetracht dessen, das er mich gerade gekündigt hat, ist das wohl auch nicht weiter verwunderlich.
Und was den Kuss angeht, so kann das nur die Bezahlung dafür sein, dass ich ihm gerade das Geschäft vermasselt habe. Wie konnte ich auch nur so dumm sein und den Mund aufmachen.
Allerdings ist mir schleierhaft, was er davon hat. Dadurch werden meine Worte auch nicht ungeschehen und da er mich ansonsten ja auch nicht leiden kann, bedeutet mir dieser Kuss sicher mehr als ihm. Denn wieder einmal setzt mich die Berührung in Brand und lässt alles um mich herum unwichtig werden.
Leidenschaftlich vergrabe ich meine Hände in seinen Haaren und ziehe ihn noch dichter an mich heran. Presse meine Lippen noch fester auf seine und suche mit der Zunge Einlass.
Ich weiß nicht, warum er sich darauf einlässt und mich nicht einfach wegstößt, aber wenn das hier unser letzter gemeinsamer Arbeitstag ist, dann ist es auch egal, wenn ich ihn Küsse.
Hemmungslos, ungebremst. Leidenschaftlich. Verzweifelt.
Keine Ahnung, warum, aber genau in diesem Moment scheint es mir richtig zu sein.
Atemlos löst er sich von mir und starrt mir fassungslos ins Gesicht. Doch ehe er dazu kommt, etwas zu sagen, klopft es erneut an die Tür.
"Verdammt!" stößt er tonlos aus, streicht mir mit dem Daumen über die Lippen und lässt mich dann ohne ein weiteres Wort allein.
Doch kaum ist er weg, brechen bei mir alle Dämme und ich sinke von Schluchzern geschüttelt auf den Fussboden.
Wo hast du dich hier nur wieder reingebracht Emely! Du dumme Kuh! Du hattest einen super Job! Vielleicht keinen Super Chef, aber du konntest mit ihm leben, ganz gleich wie fies er manchmal auch war. Und jetzt?!
Nur weil du die Klappe nicht halten konntest, hast du alles verloren! Wie dumm kann man eigentlich sein!
Unaufhörlich laufen die Tränen über meine Wangen, doch da ich nicht riskieren möchte, dass er mich so verzweifelt sieht, reiße ich mich kurzerhand zusammen und schlucke die restlichen Tränen hinunter. Heulen kann ich auch zuhause noch.
Ich mach lieber das ich wegkomme, bevor er in sein Zimmer zurückkommt. Sicher ist ihm das auch lieber.
Als ich mit meinen wenigen Habseligkeiten das Büro verlasse, fange ich fast wieder an zu weinen.
Seinen Wohnungsschlüssel und den Schlüssel fürs Büro habe ich ihm auf den Schreibtisch gelegt und das Kostüm seiner Schwester werde ich ihm einfach von der Reinigung nach Hause bringen lassen. Sonst habe ich nichts mehr von ihm. Der Schlüssel für den Mercedes, kommt ja erst in ungefähr zwei Wochen und den wird dann seine neue Sekretärin sicher brauchen.
Ein letztes Mal schaue ich mich an meinem Arbeitsplatz um, doch da mir bereits erneut die Tränen kommen, mache ich schleunigst, dass ich wegkomme.
Auf der Fahrt nach unten steigt jemand zu mir in die Kabine und mustert mich aufmerksam.
Sein Gesicht kommt mir bekannt vor, aber ich weiß nicht mehr woher. Kann sein, dass ich ihn mal irgendwo getroffen habe, aber wer weiß.
"Alles in Ordnung?" fragt er einfühlsam, als er meine geröteten Augen bemerkt, doch da ich nicht weiß, ob meine Stimme hält nicke ich nur stumm vor mich hin.
Doch da er mich skeptisch mustert, als würde er mir kein Wort glauben, versuche ich mich an einem Lächeln und bringe eine Ausrede zu Stande.
"Allergie." sage ich heiser und räuspere mich vernehmlich.
"Oh, ja, dass kenn ich. Heuschnupfen ja? Nervige Sache. Haben sie es mal mit einer Desensibilisierung versucht?" plappert er munter drauf los und weil ich keine Lust habe mich mit ihm auseinander zusetzten nicke ich einfach oder schüttel den Kopf. Gelegentlich bringe ich auch ein "Ja" oder "Nein" zu Stande, bis wir endlich im Erdgeschoss ankommen.
Erleichtert steige ich aus.
"Gute Besserrung." wünscht er mir noch, bevor sich unsere Wege trennen, dann bin ich endlich wieder allein.
Mit dem Auto fahre ich nach Hause und schaffe es gerade noch bis in meine Wohnung, bevor ich wieder in Tränen ausbreche.
So ein Mist! Fristlose Kündigung! Und nicht mal unbegründet. Er hatte allen Grund zu diesem Schritt. Mein Verhalten war untragbar. Ich kann nur hoffen, dass er die Vertreter der Nordland Kompanie irgendwie besänftigt kriegt und es vielleicht doch noch zu einer Einigung kommt, auch wenn ich noch immer finde, dass über Zweihundert Millionen einfach viel zu viel sind. Die Einhundert siebzig Millionen waren ein Faires Angebot. Ich verstehe nicht, warum diese geldgierige Schlange nicht darauf eingegangen ist.
Sicher wird ihm jetzt gar nichts anderes mehr übrig bleiben, als sein Angebot zu erhöhen, nur um mein maßloses Verhalten zu entschuldigen.
Wie soll ich das nur wieder gut machen?
Die Differenz kann ich ihm leider nicht geben, denn dafür müsste ich den Rest meines Lebens rund um die Uhr arbeiten und würde vermutlich nicht mal die Hälfte dessen zusammen bekommen was ihn mein verhalten gekostet hat.
Und was ist, wenn ich einfach schon mal eine Stellenausschreibung ins Internet setzte. Er wird ja eine neue Sekretärin brauchen. Eine die nicht so vorlaut ist wie ich und ihre Sache versteht.
Das finde ich gar nicht mal so schlecht. Immerhin ist es mein verschulden, dass er nun allein ist.
Gesagt getan und schon steht die Anzeige, auch wenn mir beim Schreiben immer wieder die Tränen kamen.
Jetzt noch den Anzug in die Reinigung, damit er ihn so schnell wie möglich zurück bekommt. Ach so. der Laptop, das I-Phone und das Tablet gehören ja auch ihm.
Vorsichtig verstaue ich die Sachen in einem Karton und stelle sie neben die Tür, damit ich sie zur Post bringen kann.
Ich könnte sie ihm zwar auch persönlich vorbei bringen, aber ich denke, das er lieber auf meine Gesellschaft verzichten wird, nach der Pleite von heute Morgen.
Doch als ich alles soweit erledigt habe, weiß ich nichts mit mir anzufangen. Wie lange ist es jetzt her, dass ich so früh zu Hause war? Es ist noch nicht mal zwei. Und jetzt?
Ob ich Shoppen gehen soll? Aber irgendwie ist mir nicht danach. Einkaufen ist zwar ganz nett und in letzter Zeit kam das auch viel zu kurz, aber mit immer noch leicht geröteten Augen, möchte ich dann doch lieber nicht in der Öffentlichkeit herum geistern.
Vielleicht sollte ich einfach ins Bett gehen und den Rest des Tages verschlafen. Morgen sieht die Welt vielleicht schon wieder ein klein Wenig besser aus.
Außerdem muss ich mir einen neuen Job suchen und dafür brauche ich einen PC. Den von Mr. Black kann ich ja nicht mehr benutzen. Also muss ich morgen doch einkaufen gehen.
Bedrückt verkrieche ich mich in meinem Bett und ziehe mir die Decke über den Kopf.
Was für ein scheiß Tag!
Bitte lass ihn schnell enden. Vielleicht sollte ich mich aber auch einfach erhängen, so dämlich wie ich bin.
Wer wird mich denn schon einstellen, bei der Vorgeschichte? Vielleicht sollte ich einfach irgendwo Kellnern gehen oder Putzen. Da kann ich wenigstens nicht solche Fehler machen, wie heute.
Ach, scheiß drauf. Ganz gleich, was ich mache. Irgendwas werde ich schon finden. Ich kann nur hoffen, das Mr. Black mich nicht verklagt.
Erschöpft liege ich in meinem Bett und lasse die Gedanken kreisen und irgendwann schlafe ich tatsächlich ein.
Dabei hätte ich nicht gedacht, dass das meine aufgewühlten Gefühle überhaupt zulassen würden.
Doch so sehr ich mir auch gewünscht hätte, nie wieder aufzuwachen, bleibt mir dieser Wunsch dann doch verwehrt, denn schon am späten Abend werde ich wieder wach und egal, was ich auch versuche, ich kann nicht wieder einschlafen.
Na Super und jetzt?
Schlaflos wälze ich mich seit einer Stunde im Bett hin und her und weiß einfach nichts mit mir anzufangen.
Aber ich wäre nicht Emely Stone, wenn ich aufgeben würde, oder nicht einen Weg finden um mich abzulenken und so schnappe ich mir kurzerhand meine Tasche für den Club und mache mich auf den Weg dorthin.
Diesmal sogar in meinem Auto, denn von nun an muss ich sparsamer leben, zumindest solange bis ich einen neuen Job habe.
Der Parkplatz vor dem Club ist heute nicht besonders voll, was wohl daran liegen könnte, das Mittwoch ist. Bisher war ich ja immer nur am Wochenende hier und da war der Club recht ordentlich besucht.
Schauen wir mal, wie es heute ist.
An diesem Abend lerne ich dann auch Jessica kennen, denn die kleine recht korpulente Frau, die mir in Minirock und knielangen Ringelsöckchen die Tür öffnet, ist mir bisher noch nicht unter die Augen gekommen.
Leider ist sie weitaus zurückhaltender als Charlene, die mich bisher immer hier begrüßt hat.
"Hallo." sagt sie ein wenig gelangweilt und lächelt mich verkrampft an. Man kann förmlich fühlen, dass sie keine Lust auf ihren Job hat.
Dabei hat sie es hier doch gar nicht so schlecht getroffen.
Sicher ist es hier nicht so leicht, sich so in die Scheiße zu setzten, wie bei mir im Büro. Vielleicht sollte ich mich hier bewerben. Ich mein, alles ist besser als ohne Job zu sein.
Nachdenklich folge ich ihr zum Empfangstresen, wo sie mir einen Chip geben will.
"Kann ich wieder die dreizehn haben?" will ich ein wenig Lustlos wissen, als sie ziellos nach einer Marke greift.
"Oh, bist du etwa Kate?" fragt sie erstaunt und nimmt den Chip aus einem separaten Körbchen.
"Ähm...Ja." stimme ich verwundert zu. "Woher weißt du das?" mit gerunzelter Stirn, nehme ich ihr die Marke und das Handtuch ab und sehe in ihr neugieriges Gesicht.
Gleichgültig zuckt sie mit den Schultern und lächelt nun doch einigermaßen Aufrichtig.
"Manche Sachen sprechen sich halt rum." erklärt sie mir und schaut mich neugierig an.
"Was soll das denn heißen?" mit großen Augen schaue ich sie an und stelle erst mal meine Tasche auf den Boden.
"Ach, nichts besonderes. Aber Charlene hat erzählt, dass Jo wegen dir am Wochenende etwas... wie soll ich sagen... neben der Spur war." sagt sie und beginnt tatsächlich zu kichern.
Fuck! An Jo hab ich ja gar nicht mehr gedacht, bei all dem Stress mit meinem Chef.
"War er sehr böse?" frage ich verlegen und wickel mir die Spitze von meinem Zopf um den Finger.
"Ach wo. Überhaupt nicht. Er hat nur sofort den Club verlassen, kaum das Charlene ihn losgemacht hat.
"Wirklich?!" erstaunt hebe ich den Kopf und sehe sie an. "Das ist alles? Er hat sich nicht beschwert oder so?"
"Nicht das ich wüsste. Hat sich wohl nur nach dir erkundigt, meinte Charlene. Hat gefragt, ob wir wüssten, wer du bist und wo du herkommst. Son Zeugs halt." sagt sie belustigt.
Oh, Mist. Sicher wollte er mir die Polizei auf den Hals hetzten, wegen Freiheitsberaubung oder so...
"Und was hat sie ihm gesagt?" erkundige ich mich nervös.
"Nichts. Zum einen wusste sie nichts und zum anderen, unterliegen solche Auskünfte ja auch dem Datenschutz."
"Oh, gut." rutscht es mir heraus, was Jessica dann doch dazu veranlasst in ein echtes Kichern auszubrechen.
"Kommt es denn oft vor, dass er sich nach einer Frau erkundigt?" will ich wissen, wobei ich versuche nicht zu neugierig zu klingen.
"Nein. Bisher nicht. Aber ich glaube nicht, dass du dir Gedanken machen musst. Er ist kein Stalker oder so." versucht sie mir glaubhaft zu versichern und wuschelt sich mit der Hand durch ihre kurzen, blonden Locken. Dann schaut sie mich belustigt an.
"Aber falls es dich beruhigt. Er ist heute nicht da."
Erleichtert atme ich auf. Wenigstens was. Ich hab echt keine Lust mich jetzt auch noch mit ihm herumzuärgern.
Genau Emely! Wen versuchst du eigentlich hier zu belügen? Ich weiß genau, dass du gehofft hattest, er wäre da.
Ach, halt die Klappe!
"Danke Jessica." freundlich lächelnd nehme ich meine Tasche wieder auf und will in den Umkleideraum gehen, als sie mir erklärt, dass sie Megan heißt.
Ups! Na ja, die Chancen lagen immerhin bei fünfzig zu fünfzig, aber fürs nächste Mal, weiß ich ja jetzt Bescheid.
Wie peinlich.
"Sorry!" entschuldige ich mich bei ihr.
"Ach, halb so schlimm. Konntest du ja nicht wissen." sagt sie abwinkend und wünscht mir viel Spaß.
Na, wir werden sehen.
Eigentlich bin ich ja ganz froh, dass Jo nicht da ist, aber irgendwie finde ich es auch schade.
Ja, meine innere Stimme hat den Nagel doch ganz gut auf den Kopf getroffen, als sie meinte, dass ich gehofft hätte ihn zu sehen. Dabei war mir das selbst nicht so bewusst.
Bis jetzt.
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