32
"NEEEIIIINNNN!" werde ich von einem markerschütternden Schrei geweckt.
Ruckartig, mit heftigem Herzklopfen richte ich mich auf und sehe mich panisch im Raum um, doch hier ist niemand.
Ängstlich ziehe ich mir die Bettdecke bis zum Kinn und würde mich am liebsten darunter verstecken, aber ein erneuter Schrei, hindert mich daran.
"NEEINNN!" höre ich erneut Alexanders tiefe, gequälte Stimme, die mich dann doch dazu veranlasst dass Bett zu verlassen.
Ob wir Besuch bekommen haben? Hoffentlich ist niemand eingebrochen! Alexander hört sich so... ich weiß auch nicht, so hilflos und schmerzerfüllt an. Hoffentlich geht es ihm gut.
Zitternd sehe ich mich im Raum nach einer Waffe um, doch in diesem Raum gibt es nichts, dass mir weiterhelfen kann.
Wo sind nur die Baseballschläger, wenn man sie mal braucht?
Na, im Schrank auf jeden Fall nicht, wie mir der schnelle Blick zeigt, den ich hineinwerfe. Allerdings kann ich nicht viel sehen, weil es so dunkel ist.
Auf Zehenspitzen schleiche ich durch den Raum bis zur Tür und lege lauschend ein Ohr an das dunkle Holz.
Jetzt ist alles ruhig, aber ich bin mir sicher, da stimmt was nicht!
Mir schlägt das Herz bis zum Hals, als ich die Hand auf die Klinke lege und sie langsam herunterdrücke. Doch das leise "klick" als sich die Tür öffnet, bringt es beinahe zum Stehen.
"Shit!" entfährt es mir leise. Bewegungslos verharre ich mit der Hand auf dem Griff, doch als sich mein Herz ein wenig beruhigt und mich niemand überfallen hat, öffne ich vorsichtig die Tür.
Das Wohnzimmer ist zwar nicht hell erleuchtet, aber aus der Küche dringt genug Licht, um den ganzen Raum zu überblicken und was ich sehe, ist alles andere als angsteinflößend.
Alles ist wie vorher. Ich mein, nichts liegt auf dem Boden, keine Möbel sind verrückt und auch die Balkontür ist noch immer geöffnet. Und dass das Licht in der Küche brennt, könnte auch meine Schuld sein, weil ich den Schalter gestern beim Zubettgehen nicht gefunden habe.
Doch kaum habe ich die Hälfte der Strecke bis zum Balkon geschafft...wer weiß! Vielleicht versteckt sich der Eindringling ja auch dort... hält mich ein weiterer Schrei auf.
Erschreckt wirbele ich herum und starre auf Alexanders geschlossene Zimmertür, denn nur von dort kann der Schrei gekommen sein.
Und wieder war es ein herzzerreißendes NEIN! Was hat er nur? Sollte ich vielleicht gleich die Polizei anrufen? Ich könnte ja doch nichts ausrichten.
Ja, klar, als könntest du hier still rumstehen und abwarten, dass der Mörder sein Werk vollendet hat! Dumme Kuh! Du stehst doch schon jetzt vor seiner Tür! JA, ist ja schon gut. War ja nur so eine Idee mit der Polizei.
Mit zitternden Fingern...eigentlich zittert alles an mir, aber na ja... öffne ich seine Tür, wobei mich erneut dieses leise klicken an den Rand des Wahnsinns treibt.
Dagegen sollte man echt was tun! So weiß doch jeder Dieb, Mörder, Entführer oder was weiß ich gleich, dass er Besuch bekommt und er sich lieber schleunigst aus dem Staub machen sollte!
Langsam öffne ich die Tür. Stück für Stück fällt das sanfte Licht weiter in den Raum und zeigt mir, das auch hier alles so ist, wie es sein sollte.
Alles sieht aus wie immer. Die Schränke sind geschlossen und nichts liegt auf dem Boden. Alles ist ordentlich, so wie ich es kenne.
Nur das Bett ist zerwühlt und Alexander liegt schwer atmend darauf.
GOTT SEI DANK! ES GEHT IHM GUT.
Erleichtert atme ich auf und will das Zimmer schon wieder verlassen, als er leise murmelnd Wörter von sich gibt.
"Nicht allein lassen, Lass mich nicht allein." seufzend dreht er sich rum, vergräbt die Hände in den Kissen, dann schießt er plötzlich in die Höhe und schreit...wie schon die male davor laut...."NEEEIIIINNN!" Und sinkt in die Kissen zurück.
Mit drei großen Schritten bin ich bei ihm und knie mich neben das Bett auf den Boden.
"Alexander?" spreche ich ihn leise an. "Alexander. Wach auf!" Mit der Hand fahre ich ihm leicht streichelnd über die Schulter, doch er wird nicht wach. Stattdessen beginnt er wieder Worte vor sich hin zu murmeln. Anfangs kann ich nicht verstehen, was er sagt, aber umso länger er redet, desto deutlicher werden sie.
"Warum?" will er wissen, dann fleht er leise "Geh nicht."
"SOPHIE!" schreit er plötzlich los und schießt erneut in die Höhe, was mir einen solchen Schrecken einjagt, das ich vor dem Bett zurückzucke und auf dem Hintern lande.
Zitternd sehe ich zu ihm und richte mich langsam wieder auf.
Er hat die Hände vor sich ausgestreckt, als würde er etwas greifen wollen, was ihm im Traum zu entgleiten scheint. Sogar seine Augen sind geöffnet und blicken sich Panisch im Raum um.
Erst als er mich sieht, verharrt er mitten in der Bewegung.
"Sophie." haucht er leise und lässt die Arme sinken.
"N...nein, ich bins Emely." antworte ich ihm flüsternd, verwirrt, doch er scheint mich nicht zu hören oder wahrzunehmen.
"Lass mich nicht allein, Sophie." fleht er inständig und streckt eine Hand nach mir aus.
Okay, ich bin zwar nicht Sophie, aber wenn ich ihm helfen kann...
Langsam rappel ich mich auf und gehe auf ihn zu, dann nehme ich seine Hand sanft in meine.
Seine Augen weiten sich erstaunt, als könnte er nicht fassen, dass er mich berühren kann.
"Sophie." flüstert er mit belegter Stimme, dann beginnt er tatsächlich zu schluchzen.
Wie ein Kind. Haltlos, herzerweichend, verzweifelt, so dass ich nicht anders kann, als ihn in den Arm zu nehmen und zu trösten.
"Es ist alles gut, Alexander." flüstere ich ihm ins Ohr und streichele sanft seinen Rücken, der von Schweiß bedeckt ist.
Gott! Was hat er nur. Ist er wach? Ich glaube nicht. Was soll ich nur tun?
"Sophie, du bist da." bringt er schluchzend hervor und schaut mir in die Augen. "Lass mich nicht allein. Geh nicht weg."
"Ist gut. Ich bleib hier." versichere ich ihm. Mir bleibt eh nichts anderes übrig. Sein verhalten macht mir zwar ein klein wenig Angst, aber die inzwischen nur noch leisen Schluchzer, berühren mich so tief in meinem Inneren, dass ich ihn niemals allein lassen könnte. Selbst wenn ich wollte.
Ich bin Wachs in seinen Händen. Flüssig, weich und warm. Ich zerfließe in Mitgefühl für diesen Mann, der immer so stark und selbstbewusst wirkt und mich nun mit großen, flehenden Augen anschaut.
So weit ich kann löse ich mich von ihm und will mich etwas bequemer hinsetzten, doch als er merkt, dass ich ihn loslasse, krallt er sich schmerzhaft an meinen Armen fest. Das gibt sicher blaue Flecke.
"Sßß." schmerzhaft ziehe ich die Luft ein. "Alexander nicht so fest!" bitte ich ihn "Ich geh nicht weg, okay. Komm, leg dich hin." fordere ich ihn sanft auf, nachdem er sich mit einem Blick in meine Augen versichert hat, dass ich noch immer hier bin.
Wie ein Kind zieht er die Beine an den Bauch, legt den Kopf in meinen Schoß und einen Arm um meinen Rücken.
"Sch..." mache ich tröstend und streichel ihn einfach weiter. Seinen Kopf, seinen Rücken. Hilflos rollen mir die Tränen über die Wangen, doch das stört mich nicht, viel schlimmer sind die leisen Schluchzer, die noch immer aus Alexanders Kehle zu mir herauf dringen und das sanfte beben, dass seinen Körper durchfährt, wenn er verzweifelt aufseufzt.
Doch irgendwann lassen seine Schluchzer nach und auch sein Körper entspannt sich deutlich, aber er wird langsam auch ganz schön schwer.
Unbehaglich rutsche ich ein klein wenig hin und her um eine angenehmere Position zu finden, doch so wird das nichts.
"Alexander?" frage ich leise und streiche ihm erneut über den Kopf. Soweit ich sehe sind seine Augen geschlossen, doch ich weiß nicht, ob er schläft.
"Lass mich nicht allein." nuschelt er schläfrig an meinem Bauch.
"Hab ich nicht vor, aber ich würde mich gern anders hinsetzten." sage ich mehr zu mir selbst und fordere ihn mit sanftem Druck auf den Kopf von meinen Beinen zu nehmen, was er wieder erwarten sogar tut.
Allerdings nur um sich hinter mich zu legen. Einen Arm weiterhin um meinen Bauch geschlungen, als wäre ich ein übergroßes Stofftier.
Aber was solls, so kann ich mich wenigstens auch hinlegen. Kaum habe ich mich allerdings neben ihn gelegt, zieht er mich dicht an seine breite Brust, seufzt zufrieden auf und gibt dann keinen Laut mehr von sich. Nur gleichmäßige Atemzüge sind von ihm zu hören.
Und jetzt? Bleibt mir etwas anderes übrig, als hier zu schlafen? Scheinbar nicht, denn sobald ich mich bewege, verstärkt sich der Druck seines Arms um meine Brust.
Also schön. Bleib ich halt hier. Mir bleibt ja eh keine andere Wahl.
EMELY! Jetzt tu mal nicht so, als wäre dass das schlimmste, was dir passieren könnte! Ein gutaussehender Mann, ein warmer Körper, breite Schulter und ein Warmes Bett! Was willst du mehr?
Ja, ist ja schon gut, du Nervensäge! Du musst ja auch nicht Morgen in seinem Bett aufwachen oder mit ihm zur Arbeit gehen. Was wenn er sich an seinen Albtraum gar nicht mehr erinnert und sich einfach nur darüber wundert, dass ich da bin. Shit! Er wird glauben, dass ich mich einfach in sein Bett geschlichen habe und dann?
Könntest du ihm ja sagen, dass DU einen Albtraum hattest und unbedingt ...ähm...Trost...brauchtest.
Dumme KUH! Sei jetzt still! Und schlaf.
Genüsslich schmiege ich mich an ihn. Sie hat eigentlich recht, warum sollte ich die Situation nicht einfach ausnutzen und mein kuschelbedürfnis ein wenig befriedigen. Ich könnte mir durchaus eine schlimmere Gesellschaft vorstellen.
Nur diese Sache mit dem Aufwachen, bereitet mir doch ein klein wenig Kopfschmerzen. Und dann muss ich Morgen ja auch wieder mit ihm Arbeiten.
Warum ist das nur so kompliziert. Kann es zur Abwechslung nicht einfach mal einfach sein zwischen uns?
Vermutlich nicht, wär ja auch zu leicht. Außerdem wäre er dann nicht er selbst, wenn er nicht so launisch und wechselhaft wäre.
So ist er halt, mein Boss.
Facettenreich, wandelbar, launisch und verspielt.
Etwas ganz besonderes.
Langsam werden meine Augen schwer und ich drifte immer weiter in den Schlaf, als mir ein verwirrender Gedanke kommt.
Wer zum Teufel ist eigentlich Sophie?!
Und warum ruft er nach ihr, fleht sie an nicht zu gehen? Ob ich ihn danach fragen soll? Also, nicht heute, sondern Morgen?
Ich weiß nicht. Vielleicht ist es ihm ja unangenehm und außerdem hat er Morgen sicher auch genug anderes im Kopf.
Aber fragen werde ich ihn. Irgendwann...
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