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"Hallo Mr. Black." Begrüßt Jason unseren Chef. "Vielen Dank, für die reizende Begleitung." bedankt er sich lächelnd, was mich beklommen nach Luft schnappen lässt. Oh, bitte nicht. Sonst kann ich mir nachher noch eine Predigt anhören, von wegen... ach keine Ahnung... wahrscheinlich darf ich mir sowieso sein Gemaule anhören, ganz gleich was Jason sagt.

"Reizend also?" gibt Mr. Black verhalten wieder, dann lässt er seinen Blick abschätzend an mir hinunter wandern.

Unbehaglich trete ich von einem Bein aufs andere und weiß nicht, wie ich hier wieder herauskommen soll, denn bisher hat mich mein Boss nur im Business Kostüm gesehen und nie...wirklich niemals in Freizeitbekleidung. Und selbst das hat ihm nicht zugesagt, weshalb ich annehme, dass ihm auch nicht gefallen wird, was ich nun trage.

Unauffällig atme ich einmal tief durch, dann straffe ich die Schultern und schließe kurz die Augen, bevor ich ihm herausfordernd ins Gesicht schaue.

Soll er mich doch an maulen, mir sagen, wie scheiße ich aussehe und wie Fett ich bin, scheiß drauf! Ich kann ihm sowieso nichts recht machen, also warum sollte ich mich für ihn verbiegen? Und da Jason da ist, wird er sich ohnehin noch zurückhalten, bis er weg ist.
Doch was er dann sagt, damit habe ich wirklich nicht gerechnet!

"Wenn das so ist, dann kannst du von jetzt an jeden Tag kommen Jason. Mrs. Stone wird sicher gern zwei Mal die Woche mit dir trainieren. Und wir beide bleiben bei drei Mal."

WAS!!! Ist das sein verdammter Ernst?!

Erstaunt reiße ich die Augen weit auf und starre ihn fassungslos an.

Was soll denn der Scheiß! Ich will nicht! Zwei Mal die Woche Sport ist zu viel! Allein dieses EINE MAL, war mir schon zu viel!

Mit gerunzelter Stirn werfe ich meinem Boss einen finsteren Blick zu, den ich augenblicklich bereue, als ich seinen Augen begegne.

Scheiße!

Er lächelt!

Mr. Tyrann persönlich lächelt mich liebenswürdig an! Sein Ernst? Das kann nichts Gutes bedeuten!

"Klar, gerne, wenn Emely denn Lust hat?" fragend schaut Jason mich an, scheint auf meine Antwort zu warten, doch da mich mein Boss weiterhin fixiert und scheinbar auf Wiederspruch wartet, kann ich ihm nicht sagen, was ich wirklich von der Idee halte und lächele ihn so gut es geht und so zuversichtlich wie möglich an.

"Klar. Es hat mir echt Spaß gemacht heute." versichere ich Jason ehrlich, meinem Chef werde ich die Genugtuung mich zu beherrschen nicht geben und mache gute Miene zum bösen Spiel. Aber innerlich raufe ich mir verzweifelt die Haare und strecke Mr. "Sport ob sie wollen oder nicht" die Zunge raus.

Doch da Jason da ist, wage ich mich sogar noch etwas weiter aus dem Fenster.

"Warum sollte ich auch dagegen sein, wenn ich während der Arbeit etwas für meine Gesundheit tun kann." sage ich liebenswürdig und werfe meinem Chef einen herablassenden Blick zu, der ihn dazu veranlasst mich skeptisch zu mustern.

Au weia! Hoffentlich erlebe ich den morgigen Tag überhaupt noch.

"Sehr schön, dann bin ich morgen um vier wieder da." sagt Jason lächelnd und verabschiedet sich mit einer Umarmung von mir. "Und wir sehen uns dann wie gewohnt am Mittwoch Mr. Black? Oder wollen sie Morgen schon mitmachen?"

"Nein, Mittwoch ist gut." sagt das Monster und wirft mir einen abschätzenden Blick zu, doch bevor Jason mich mit ihm allein lässt, schaffe ich es mich zurückzuziehen und meine Sachen zu holen.

"Wartest du noch auf mich?" fragend schaue ich Jason an. "Ich hol nur meine Sachen. Ich hab ja jetzt Feierabend." sage ich so selbstsicher ich kann. Verdammt! Was ist nur in mich gefahren? Das gibt spätestens Morgen ein Donnerwetter, wenn nicht schon heute Abend, am Telefon.

Deshalb wende ich mich doch noch mal an meinen Haustyrann. "Oder gibt es noch was, dass ich heute noch unbedingt erledigen muss?" frage ich ein klein wenig herausfordernd.

Scheinbar überlegend streicht er sich mit der Hand übers Kinn, schaut mir in die Augen, mustert mein Haar und mein Gesicht. Dann wandert sein Blick über das enge, rote Top hinunter zu der schwarzen, kurzen Trainingshose und von dort weiter über meine... in Anbetracht meines Übergewichts, doch recht dürren Waden... hinunter zu meinen Sportschuhen.

"Nein, ich denke, sie können gehen." sagt er lächelnd, was mir eine Gänsehaut über den Rücken jagt.

Ich bin sowas von TOT! Spätestens Morgen ist Emely Stone Geschichte! Doch heute mache ich mich so schnell wie möglich aus dem Staub und atme erleichtert auf, als ich mit Jason im Fahrstuhl auf dem Weg nach unten bin.

"So einen Chef hätte ich auch gern." sagt Jason fröhlich lächelnd. Na, wenn der wüsste. "Sport während der Arbeitszeit und du brauchst nicht mal selbst dafür zu zahlen... ist doch super!"

"Wieso das denn?" frage ich irritiert.

"Er hat gesagt, er übernimmt die zusätzlichen Stunden."

"Wirklich!" mit großen Augen starre ich Jason an, doch bei dem Gedanken daran, dass mich mein Chef damit noch mehr in der Hand hat wird mir ganz anders.

Das darf ich nicht auf mir sitzen lassen!

Wie gut, dass ich mir mein Gehalt selbst überweise, da kann ich das Geld für Jason dann einfach abziehen. Soll er doch denken, er würde für mich bezahlen, falls er mich damit unter Druck setzten will, kann ich ihn so wenigstens in seine Schranken weisen.

Vor dem Bürogebäude verabschiede ich mich von Jason und schaue ihm, belustigt über ihn den Kopf schüttelnd, nach, wie er sich auf seinen Drahtesel schwingt und in raschem Tempo von dannen radelt.

Der muss eine Energie haben! Erst rennt und turnt er mit mir eine Stunde in der Weltgeschichte herum und jetzt fährt er auch noch mit dem Rad zum nächsten Kunden, wie er mir erzählt hat und irgendwie muss er ja auch schon hier her gekommen sein, also...wenn ich nur daran denke, würde ich mich am liebsten in der hintersten Ecke meines Bettes unter der Bettdecke verstecken!

Aber leider würde mir das auch nicht helfen, denn schon morgen, steht mir eine erneute Runde Qualen ins Haus, ab jetzt muss ich ja zwei Mal die Woche mit Jason los, ob ich will oder nicht. Und wenn ich nicht will, dass mein Chef denkt, es würde mich stören, dann darf ich keine Schwäche zeigen, sondern muss so tun, als würde ich mich freuen.

Yeahhh! Sarkasmus lässt grüßen!

Doch mein neues Sportprogramm ist nicht die einzige Überraschung an diesem Tag, denn als ich zu Hause meine Post aus dem Kasten nehme, finde ich darin eine Einladungskarte.

Mit einer Tasse Tee mache ich es mir auf dem Sofa bequem und öffne neugierig die Karte.

Von wem kann sie nur sein?

Kara und Marek hatten schon Geburtstag und Ben und Mila haben erst in ein paar Monaten und sonst wüsste ich niemanden, der mich offiziell zu einer Party einladen würde.

Hmm?

Doch kaum habe ich die Karte aufgeschlagen, verschlucke ich mich vor Schreck an meinem Tee.

Krampfhaft vor mich hin hustend stelle ich ihn beiseite, dann starre ich ungläubig auf das Teil in meiner Hand.

Das kann doch nicht sein Ernst sein!

Glaubt der wirklich, das ich zu seiner Geburtstagsparty komme, wenn dieser Hausdrache auch da ist!?

Aber es ist sein sechszigster Geburtstag und den möchte er groß feiern, was ich auch verstehen kann, aber trotzdem... da kriegen mich keine Zehn Pferde hin!

Wann soll der Scheiß überhaupt stattfinden?

Oh, am Wochenende. Trotzdem! Ich geh da nicht hin! Da kann er lange warten.

Aber ich werde ihn mal anrufen. Das hab ich schon viel zu lange nicht mehr getan.

Kurzerhand schnappe ich mir mein Handy.

"Stone am Apparat." meldet sich eine sanfte Stimme, die mich augenblicklich in meine Kindheit zurückversetzt.

"Hey Paps. Hier ist Emmy. Wie gehts dir denn?" sage ich erfreut und lächele glücklich ins Telefon.

"Emmy! Schatz! Warte kurz..." sagt er leise, dann bleibt es einen Moment still. Ich höre, wie eine Tür geschlossen wird, bevor er weiter spricht. "So, da bin ich wieder. Schön, das du mal anrufst. Wie geht es dir?" fragt er so erfreut, dass ich ein ganz schlechtes Gewissen bekomme.

Er tut mir wirklich leid, er kann ja nichts dafür, dass ich mich so selten Melde, aber naja...

"Ich hab zuerst gefragt. " umgehe ich seine Frage.

"Ach... immer das Gleiche meine Kleine. Ich bin halt keine Zwanzig mehr, aber sonst gehts mir blendend. Hast du meine Karte bekommen?"

"Ähm, ja, hab ich Paps, deshalb ruf ich an..." beginne ich verlegen. Er tut mir so leid, ich hasse es ihm absagen zu müssen, aber...

"Du kommst doch? Oder Schatz? Es ist mein Sechszigster, da darfst du nicht fehlen." sagt er eindringlich, was meinen Entschluss doch sehr ins Wanken bringt.

"Also, um ehrlich zu sein...ich...ich kann...ich muss..." stottere ich beschämt.

"Nichts da! Du musst doch am Wochenende nicht arbeiten! Ich hab die Feier extra für dich auf den Samstag verlegt, damit du kommen kannst. Du arbeitest am Wochenende doch nicht, das hast du mir doch erzählt." unterbricht er mich energisch. Ich kann ihn beinahe vor mir sehen, wie er mich dabei ansehen würde, wenn er jetzt vor mir stünde. Mit prüfendem Blick, die Hände eindringlich auf meine Schultern gelegt, nur um mich der Lüge zu überführen.

Das konnte er schon immer gut! Mich beim Lügen erwischen. Und vormachen konnte ich ihm auch noch nie etwas.

"Also normalerweise nicht, aber in letzter Zeit kommt das schon mal vor. Wie dieses Wochenende." versuche ich ihm glaubhaft zu versichern.

"Dein Chef versteht das schon, wenn du ihm erklärst, das dein alter Daddy Geburtstag hat, da gibt er dir bestimmt frei." Na, wenn der wüsste! "Oder soll ich mal bei ihm anrufen?"

WAS!!!

"Äh, ne Paps, lass mal, ich red schon mit ihm." sage ich schnell, mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen.

"Dann kommst du also?" freut er sich.

"Ja, sieht so aus." seufzend stoße ich die Luft aus.

"Ach Schatz, du wirst sehen, dass wird toll! Ich freu mich so, dass du kommst." sagt er begeistert.

"Mhm, ja toll... bestimmt." stimme ich ihm mehr als zweifelnd zu. "Und was sagt Olivia dazu?" Kurz bleibt es still, doch dann hat sich mein Dad scheinbar wieder im Griff, denn er klingt nachwievor zuversichtlich.

"Sie freut sich schon, genau wie ich."

Ja, kann ich mir denken. Aber was soll's. Für meinen alten Herrn tue ich doch alles! Und wenn ich einen Tag mit meiner Stiefmutter verbringen muss, um mit ihm Geburtstag zu feiern, dann werde ich wohl in den Sauren Apfel beißen müssen. Ich kann nur hoffen, dass er nicht zurück beißt!

"Ich hab dich lieb, Paps!" verabschiede ich mich von ihm, nachdem alles Weitere geklärt ist. Jetzt muss ich nur noch meinen Drachen auf der Arbeit dazu bekommen, dass er mich diesen Samstag in Ruhe lässt.

*

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