Kapitel 1
Es begann damit, dass ich mit meinen Freunden an der Tankstelle war. Landon war gerade am Bezahlen, während Dawson am Steuer herumtrommelte. Collin war mit mir auf dem Rücksitz und zeigte mir den aktuellen Punktestand unseres Spiels auf seinem Smartphone.
Die Ergebnisse auf dem abfotografierten Whiteboard waren bunt festgehalten. Es gab so viele Farben, so viele Zahlen.
Dawson war der Vorletzte und hatte es vermasselt, weil seine Spielfigur, Melissen, vor kurzem keinen ungeschützten Sex mit ihm haben wollte. Er war einfach zu früh dran gewesen, aber das hatte auch gute Gründe. Die Zeit drängte, und sein letzten Zug musste gemacht werden. Nur war dieser fatal und brachte keine Punkte mehr ein.
Ich blickte vom Handy auf. Landon war immer noch an der Kasse und kaufte sich noch einige Kaugummis. Er war ziemlich lange dort, was auch daran lag, dass er in der Schlange warten musste.
Es fehlten nur noch wenige Monate, bis wir mit dem College fertig waren. Der Großteil unserer Arbeiten hatten wir bereits abgeschlossen. Und genau deswegen hatten wir beschlossen, unser Spiel zur Schlussrunde zu starten.
Meine Kumpels und ich kannten uns schon seit der Mittelschule und hatten seitdem, seit wir denken konnten, in derselben langweiligen Stadt gelebt. Aber das College sollte alles verändern. Wir wollten einfach nur Spaß haben. Und so fing alles mit dem Spiel an.
Das Prinzip war einfach. Man lernt ein Mädchen kennen und sammelt Punkte für verschiedene Aktivitäten. Die Punkte werden je nach Mitspieler berechnet. Jeder Spieler ist jeweils an der Reihe, bis seine Runde vorbei ist. Das Mädchen wird zufällig ausgewählt und kann nicht mehr geändert werden. Sobald die Runde vorbei ist, wird sie von allen ignoriert und wie ein alter Schuh behandelt, der in die Ecke geschleudert wird.
Ein abgenutztes Spielzeug, für das man zu alt geworden war.
Landon stieg endlich in den Wagen und knallte die Tür seines eigenen Jeeps fest zu. Meistens übernahm er die Tankkosten, weil es sein Auto war und er ordentlich Asche in der Familie hatte. Wir anderen mussten nebenbei noch etwas arbeiten. Dawson war beim Autohändler, Collin im Restaurant und ich im Tätowierstudio.
»Hey Reez, die Kleine mit dem blauen Rucksack wird deine letzte Herausforderung sein. Akzeptiere es, oder du bekommst Betty, die ein Kind und ein Haus in einem Vorort will«, legte Dawson nüchtern fest und warf mir einen Blick über den Rückspiegel zu.
Ich drehte mich um. Dank der getönten Autoscheiben konnte ich das Mädchen ungestört beobachten, ohne dabei wie ein Entführer zu wirken. Dawson hatte das wahrscheinlich schon länger gemacht, während ich durch Collin abgelenkt gewesen war.
Das fremde Mädchen hatte helles braunes Haar, das sie zu einem Zopf gebunden trug. Sie hatte ein weißes T-Shirt an, Jeans und einen hellblauen Rucksack auf dem Rücken. Unauffällig. Unscheinbar. Nichts an ihr schrie nach etwas Besonderem.
»Kennst du sie?«, fragte ich aus reiner Neugier. Ihr Gesicht war mir nicht bekannt, vor allem, wenn man schon immer in derselben Stadt lebte. »Nein, aber so wird es interessanter für das Finale. Deine letzte Runde und gleichzeitig das letzte Spiel«, murmelte Dawson, nachdem er sich einen Kaugummi in den Mund warf.
Einen Augenblick betrachtete ich meine Beute, bevor ich die Herausforderung annahm und die Autotür aufriss, um galant herauszuspringen.
»Wenn du schnell bist, kannst du ihr ihren Anhänger geben. Sie hat ihn dort verloren. Er ist von ihrer Tasche gefallen«, sagte Collin lässig und zeigte mit dem Finger auf die Straße, wo das mir unbekannte Mädchen gestanden hatte.
Es schien wie Schicksal, dass sich die Gelegenheit bot, sie anzusprechen. Es war, als wäre es vorherbestimmt, als hätte sie sich unwissentlich selbst als meine Spielfigur ausgesucht.
Bevor Collin weitersprechen konnte, knallte ich schnell die Autotür zu und sprintete los, um die Gelegenheit nicht zu verpassen.
Tatsächlich lag völlig allein ein Anhänger an der Straßenseite. Ein blauer Pompon, an dem ein lederner Buchstabe hing. Es war ein ›E‹.
Ich hatte früher schon Mädchen mit solchen Anhängern getroffen, aber die waren deutlich jünger und ich war damals ihr Nachhilfelehrer aus der Oberstufe.
In meiner Hosentasche vibrierte es, und ich wusste, dass das mein Zeichen war, meine Freunde in die Suche nach dem geheimnisvollen Mädchen einzubeziehen. Ich schob mein Handy zurück in die Hosentasche. Das Gespräch lief weiter. Sie konnten wahrscheinlich die Reibung an meiner Jeans hören.
Meine Spieluhr lief bereits, noch bevor ich ein Wort mit dem Mädchen gewechselt hatte. Das Finale, der allerletzte Zug, hatte begonnen. Mir war, als müsste ich sie nun quer durch die Stadt jagen.
Ich hatte insgesamt nur etwas mehr als drei Monate Zeit. Die Uhr tickte und rennen war schneller als spazieren. Schon bei dem Gedanken raste mein Blut. Mein Adrenalin stieg an. Es war immer wieder ein Rausch.
Etwa drei Häuser weiter erspähte ich den braunen Zopf des fremden Mädchens und lief auf sie zu. Kurz bevor ich bei ihr war, rief ich nach ihr.
»Entschuldigen Sie!«
Unsicher, was vor sich ging, zuckte die Fremde zusammen. Es erstaunte mich, wie schreckhaft sie war. Zögernd drehte sie sich um.
Ihr Kopf war klein, sie war zierlich, hatte jedoch breite Hüften und einen prallen Hintern. So viel stand fest, der würde Freude bereiten.
»Kann ich irgendwie helfen?«, fragte das Mädchen vor mir unsicher, was vor sich ging. Sie schien wie ein verängstigtes Kätzchen, das sich verirrt hatte.
»Sie haben vorhin etwas verloren«, wies ich sie hin und streckte ihr den Anhänger entgegen. Verwundert drehte sie ihre Tasche zu sich. Dann nahm sie den Pompon an sich und befestigte ihn an ihrer Tasche. Ihr fiel schnell auf, dass der Ring kaputt war, da der Anhänger erneut herunterfiel. Betrübt senkte sie die Mundwinkel.
Um länger mit ihr im Gespräch zu bleiben und ihren Namen herauszufinden, griff ich nach meinem Schlüsselbund und löste mühsam einen einzelnen Ring davon ab. Nun erfüllte er seinen Zweck, als wäre er genau für dieses entscheidende Spiel bestimmt gewesen.
Ich legte ihr den Ring in die Hand und die Unbekannte starrte mich ungläubig an. Sie schien total irritiert von meiner gespielten Freundlichkeit zu sein.
»Ich brauche ihn nicht«, gab ich lächelnd zurück. Ich musste netter erscheinen, als ich es eigentlich war, um einen halbwegs normalen Eindruck zu hinterlassen. Sie war an sich nicht unattraktiv, nicht überwältigend schön. Einfach nur...nett.
»Danke...«, wisperte sie neben der Spur. »Reez...ich heiße Reez.«
Für die letzte Runde wollte ich meinen richtigen Namen verwenden, um mehr Punkte zu erhalten.
Sie warf mir einen schiefen Blick zu. Einige Strähnen hingen ihr lose ins Gesicht und betonten ihre langweiligen braunen Augen. Ein durchschnittliches Gesicht, aber einen top Hintern.
»Danke Reez«, sagte sie und fummelte an dem Anhänger herum, um die Ringe auszutauschen. »Ich bin Elin.«
Den Namen hatte ich noch nie gehört. Sie war definitiv neu in der Stadt.
»Bist du neu hier?«, fragte ich sofort und wollte dabei nicht allzu aufdringlich wirken. Elin nickte und schaffte es, den Anhänger an ihre Tasche anzubringen. Mit einem zufriedenen Lächeln blickte sie auf.
»Ich bin hier, um zu studieren. Das ist mein erstes Semester.« In ihren leuchtenden Augen war erkennbar, dass sie eine Erstsemesterstudentin war. Diejenigen, die schon länger studierten, verloren jegliche Energie und waren einfach nur mit allem fertig. Das einzige, was sie glücklich machte, war der Gedanke, nach jahrelangem Qualen wegzusaufen.
»Der Campus ist groß und es gibt viele Kurse. Lass mich raten, du studierst Literatur?«, nahm ich an. Elin lachte und schüttelte den Kopf. »Nein, ich studiere Geografie und Kommunikationswissenschaften«, berichtigte sie mich. Ich gab ihr ein verständnisvolles Nicken.
»Ein spezieller Grund dafür? Vielleicht magst du es neues zu entdecken?«
Natürlich nickte Elin mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie kramte in ihrem Rucksack herum. Nun erkannte ich, dass sie wie jede x-beliebige Reisebloggerin war, die versuchte, auf Instagram berühmt zu werden. Wenn sie ihren Hintern zur Kamera richten würde, hätte sie bestimmt mehrere tausend Follower. Sex sells. Marketing vom Feinsten.
»Du scheinst dich auszukennen... Studierst du?«, richtete sie die Frage nun an mich. Nun stellte sich das Problem, wie viel ich ihr verraten konnte, um genug Punkte zu erzielen. Eigentlich war ich bei meiner letzten Runde, im Grunde schon fertig, also was konnte schon schiefgehen, wenn ich die Wahrheit sagte? Nichts, ich würde nur mehr Punkte erhalten. So nahm die Gefahr, erwischt zu werden, ab.
»Mein Abschlussjahr. Meine Arbeit ist soweit fertig. Ich habe viel Zeit für andere Dinge«, antwortete ich ihr schließlich und konnte schon die Punkte riechen, die ich bekommen würde.
»Dann kennst du dich wohl gut hier aus. Vielleicht können wir uns auf dem Campus treffen. Als Dankeschön könnte ich dir einen Kaffee spendieren«, schlug sie ein Date vor. Es schien mir, als hätte sie Interesse an mir entwickelt. Mir fehlte nur noch ihre Nummer.
»Ich bin nicht mehr so oft auf dem Campus, aber ich könnte etwas arrangieren, um dir vielleicht mehr zu helfen«, flirtete ich gekonnt zurück. Es war eine meiner leichtesten Übungen.
Elin schien meine Andeutung zu verstehen, und kurz darauf tauschten wir unsere Nummern aus. Dabei bekam ich noch einmal einen tollen Blick auf ihren Hintern.
Leicht verdiente Punkte.
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