Kapitel 10

Ice Cube liebte Partys. Dementsprechend gut gelaunt machte er sich Donnerstagabend auf den Weg runter zum Eingang, wo er Little Rock und Black Tooth antraf. Beide hatten für heute Abend schon eine Art Date, auch wenn es da eher weniger um Romantik ging, aber immerhin hatten sie gute Laune.

Beim Thema Mädchen hielt Ice sich bedeckt, nicht das er Mädchen und all ihre Vorzüge nicht mögen würde, nein. Darum ging es ihm nicht. Es war nur so, dass die meisten Mädchen, mit denen er sich bis jetzt getroffen hatte, immer zu ... Anstrengend gewesen waren. Es waren immer welche aus der Schule gewesen, nie aus Folster, doch während die in Folster einfach nur ein Scheißleben hatten, waren die aus der Schule allesamt eingebildet und arrogant gewesen. Alle wollten ihn nur als eine Art Trophäe, was ironisch war, da das nämlich genau das war, was seine Kumpel wollten, doch nicht Ice.

Er hatte festgestellt, dass er lieber jemanden wollte, der ihn mochte.

Er hatte zwar schon mehrere Mädchen aus der Schule im Bett gehabt, aber es hatte nie wirklich Spaß gemacht, auch ein Grund, warum er nichts von One Night Stands hielt, sie machten ihm einfach keinen Spaß.

Vielleicht musste er etwas für die Person empfinden, was sich seiner Meinung nach jedoch als schwierig herausstellen könnte, da er noch nie jemanden wirklich auf diese Art gemocht hatte.

Wie auch immer, er ließ vorerst die Finger von Mädchen, seine Kumpel verstanden ihn nicht. Little Rock sagte immer, dass wenn er so aussehen würde wie Ice, er nur noch rumvögeln würde, weil ihm so alle Mädchen zu Füßen liegen würden.

Das stimmte so nicht, Ice hatte nicht unbedingt das Gefühl, dass ihm auch nur eine einzige Person zu Füßen lag, doch er ließ ihm seine Illusion.

„Na? Wirst du heute eine aufreißen?" Fragte Black Tooth mit einem dreckigen Grinsen, das Ice sehr an Big P erinnerte, als er von Miranda geredet hatte, er schüttelte den Kopf.

„Ich bin nur wegen dem Alkohol da, weißt du doch, Alter."

„Ich werd' dich nie verstehen, wartest wohl noch auf die Richtige, was? Lass mich dir eins sagen: Die kommt nie. Irgendwann bist du alt und fett und dann wirst du dich ärgern, das du nichts erlebt hast."

Seine und Ice' Vorstellungen von etwas erleben waren ziemlich verschieden, doch Ice entschloss sich nichts dazu zu sagen.

„Gehen wir?" Fragte er stattdessen und die beiden nickten.

„Die anderen sind schon vorgefahren, sichern uns den Alk." Erklärte Little Rock verschwörerisch und jetzt musste auch Ice grinsen, seine Jungs wussten genau was sie tun mussten.

Mit dem Bus zu einer Party zu fahren war ein bisschen merkwürdig, doch auch praktisch, weil er sich dann keine Sorgen machen musste, dass er mit dem Motorrad einen Unfall baute. 

Er grinste grimmig, er hatte sich seit Ewigkeiten nicht mehr so richtig abgeschossen, das brauchte er dringend, momentan geisterten ihm viel zu viele Gedanken im Kopf herum, die einfach nicht verstummen wollten, Alkohol hatte da bisher immer geholfen.

Als sie etwas von Mirandas Haus entfernt aus dem Bus stiegen und mit einigen anderen Leuten aus Folster die dunklen Straßen entlang gingen, konnten sie die laute Musik schon von weitem hören. Es war irgendeine aufdringliche Technoscheiße, doch das würde reichen.

Die Haustür stand sperrangelweit offen und drinnen konnte man bereits einen Haufen Leute tanzen sehen. Der Großteil war aus der Schule, er erkannte nur ein paar Gesichter aus Folster, doch das kümmerte ihn nicht, er wollte eigentlich auch niemanden erkennen, denn so musste er mit niemandem reden.

Auf Partys führte das immer zu zwei Dingen: entweder es vermieste ihm den Abend oder er prügelte sich mit jemanden, was ihm schlussendlich auch den Abend vermieste.

Ice hatte schon immer eine wutgeladene Ader gehabt, die mit seinem Alter immer ausgeprägter wurde und wenn er betrunken war, wurde das meist nicht besser, da brauchte nur der falsche Typ mit dem falschen Spruch kommen und er verlor die Fassung.

Zugegebenermaßen war eine Party aus diesem Grund eigentlich nicht der beste Ort für ihn, denn Betrunkene neigten nun mal dazu dumme Sprüche abzulassen, doch das war Ice jetzt einfach mal egal.

Als er und seine Kumpel den Hauptraum betraten grüßten ihn ein paar Leute, an deren Namen er sich nicht erinnern konnte, weshalb er nur kurz die Hand hob und dann schnell weiterging, damit er nicht in ein geschrienes Gespräch verwickelt wurde.

In einer düsteren Ecke fand er den Rest seiner Gruppe vor, alle schon ordentlich angetrunken, sie begrüßten ihn voller überschwänglicher Begeisterung.

Er gesellte sich zu ihnen und trank ein paar Shots, sofort fühlte er sich besser.

Er spürte wie er lockerer wurde und lachte schon bald selbst über die sexistischsten Witze von Black Tooth, für die er ihm normalerweise eine runtergehauen hätte.

Irgendwann kam ein hübsches Mädchen rüber und sah ihn mit großen Augen an. Sie hatte dunkelblondes Haar, glaubte Ice zumindest, es war verdammt dunkel und eine provisorische Diskokugel tauchte alle in ein dunkles Lila.

„Hey ... Ich bin Miranda." Sie streckte ihm die Hand hin und Ice Cube runzelte die Stirn, so hatte er sie sich nicht vorgestellt, sie war zwar, wie gesagt, sehr hübsch, doch auf diese Art und Weise, dass man ihr Gesicht direkt wieder vergaß.

Er ergriff ihre Hand etwas widerwillig und musterte sie mit gerunzelter Stirn, während er den Rest seines Bieres exte.

„Hättest du gerne ein bisschen Gesellschaft?" Sie schlug die Augen nieder und spielte an ihrem welligen Haar, die Jungs um ihn herum grölten voller Begeisterung, doch Ice war alles andere als glücklich. Er deutete mit der leeren Flasche auf sie und lehnte sich zurück.

„Solltest du nicht bei Big P sein?"

Sie lachte verspielt, er könnte kotzen, sie war eine von diesen Mädchen. Aus einem ihm unerklärlichen Grund, dachten die es wäre scharf, wenn sie auf schüchtern und kindisch und unerfahren taten, doch Ice fand das widerlich. Und langweilig.

„Wenn ich stattdessen bei dir sein könnte, würde ich Big P sofort vergessen. Also? Hast du Lust? Oben ist keiner, nur wir beide und ..."

„Ich unterbreche dich mal an dieser Stelle. Ich habe kein Interesse, zieh Leine und such nach Big P, der steht voll auf dich." Sie sah ihn kurz entsetzt an, fuhr dann jedoch mit einem wütenden Schnauben herum und stolzierte in ihrem viel zu kurzem Kleid davon, er verdrehte die Augen, kein Wunder, dass Big P auf sie stand, sie war wirklich nicht die Schlauste.

Und nicht sehr loyal, kaum fand sie wen, der besser aussah wechselte sie den Typen, einfach nur abstoßend, er trank noch einen Shot.

„Alter, bist du blind? Die war voll geil!" Schrie Little Rock über die Musik direkt in sein Ohr, Ice zuckte nur gelangweilt mit den Schultern, alles langweilte ihn so fürchterlich.

„Die war ein Miststück, ihre Persönlichkeit hat sie wieder ungeil gemacht."

„Scheiß doch auf ihre Persönlichkeit, Hauptsache sie ist was fürs Auge! Alter, ich werd' dich nie verstehen!" Schrie jetzt auch noch Black Tooth, Ice verdrehte genervt die Augen, manchmal schämte er sich dafür, mit solchen oberflächlichen Vollidioten rumzuhängen und sie seine Freunde zu nennen. In diesen Momenten wünschte er sich fast, er hätte sich vor Jahren mit Cherry gut gestellt, dann könnte er jetzt bei Drum, Detroit und P sitzen.

Doch das sollte eindeutig nicht sein, also saß er jetzt hier, noch ein paar Shots und er würde das nicht mehr so schlimm finden.

Ein dunkelhäutiges Mädchen mit geflochtenen Haaren und Schuhen, für die man normalerweise einen Waffenschein gebraucht hätte, tanzte sehr aufreizend auf der Tanzfläche und winkte Black Tooth mit einem vielsagenden Lächeln zu sich, dieser wackelte mit den Augenbrauen und klopfte ihm auf die Schulter.

„Wenn du deine Chance vertust ist das deine Sache, aber ich werde mir heute Abend holen, was mir zusteht, bis dann." Und damit war er auch schon auf der Tanzfläche verschwunden.

Im Laufe der Zeit verschwanden immer mehr seiner Kumpel, um irgendein besoffenes Mädchen aufzureißen, bis Ice irgendwann allein in seiner Ecke saß und einen Shot nach dem anderen hinter kippte.

Ihm war so langweilig, das er fürchtete sich einfach zu Tode zu Saufen. Er bereute schon fast, dass er Miranda einen Korb gegeben hatte, dann hätte er wenigstens was zu tun gehabt, doch das hätte ihm Big P vermutlich niemals verziehen.

Er ließ seinen Blick über den Raum gleiten, da sah er grade wie besagte Personen Hand in Hand und anzüglichem Lächeln nach oben verschwanden, er seufzte und trank noch ein Bier.

Er sah sich weiter um und plötzlich blieb sein Blick an einer Person hängen, die ihm bekannt vorkam.

Er kniff die Augen zusammen, sein Blickfeld war bereits ziemlich verschwommen, doch er hätte sein gesamtes Geld darauf verwettet das er da grade Cherry auf wackeligen Beinen nach draußen wanken sah, eine ziemlich große Flasche in der Hand. Selbst aus der Entfernung konnte er sehen, dass es ihr nicht grade blendend ging, er sah sich nach Drum und Detroit um, doch die waren nirgends zu sehen, nur ein paar Typen, die ihr gierig hinterher sahen.

Ice stöhnte auf. Sie war stockbesoffen und vermutlich halb am Durchdrehen, weil sie Big P und Miranda nach oben hat gehen sehen und jetzt ging sie raus, wo sie niemand schreien hören würde, wenn die Typen ihr folgten.

Er fluchte leise und hievte sich ächzend aus seinem gemütlichen Sessel.

Die Welt geriet ins Wanken, doch er hielt sich mit Mühe auf den Beinen und stieß einige leere Flaschen um, er blinzelte und versuchte vergeblich wieder klar zu sehen, er hatte vergessen wie nervig es war, besoffen zu sein.

Naja, komplett dicht war er noch nicht, sonst hätte er Cherry vermutlich nicht mal gesehen, geschweige denn die Gefahr erkannt.

Der Gang über die Tanzfläche kam ihm vor wie ein endloser Marsch über Treibsand und immer wenn er mal das Gefühl hatte einigermaßen gut voran zu kommen, griffen die Hände von irgendwelchen Mädchen nach ihm, er riss sich jedes Mal mit Mühe los, die Haustür immer im Blick.

Die ekelhaften Typen waren Cherry mittlerweile gefolgt, verdammt.

Nach einer weiteren Ewigkeit und mehreren Anmachen hatte er es endlich zur Haustür geschafft und taumelte in den Garten.

Erst bekam er einen Schock, weil er sie nirgends sehen konnte, da hörte er Stimmen. Er folgte ihnen und konnte schon bald etwas weiter abseits mehrere Köpfe sehen, er atmete tief durch und machte sich so groß wie möglich, dann trat er hinter den Busch.

Es waren drei Typen, einer fasste Cherry grade unters Kleid, der andere hielt sie fest, der dritte hatte sein Handy gezückt, Ice' Magen zog sich zusammen und er fürchtete, dass er sich gleich übergeben musste.

Cherry starrte mit leerem Blick auf den Boden, sie versuchte nicht einmal sich zu wehren.

„HEY!" Brüllte Ice und schlug dem Typen, der ihm am nächsten war das Handy aus der Hand, die anderen beiden fluchten und ließen Cherry los, sie klappte zusammen und landete hart auf dem kalten Boden.

Sie wollten abhauen, doch Ice war trotz des Alkohols schneller er teilte drei Schläge aus, dann musste er den ersten einstecken, direkt in die Magengrube, er schnappte nach Luft, doch bevor die anderen sich vom Acker machen konnten, war er wieder bereit und schlug dem, der sie festgehalten hatte so fest ins Gesicht, das er es knacken hörte.

In seiner eigenen Hand explodierte sofort der Schmerz, doch er drehte sich einfach nur um und packte dem Arsch, der sie angefasst hatte am Arm.

„Wo willst du hin, hm?" Fragte er ihn, er war sich fast sicher, dass er lallte, doch das war ihm völlig egal.

Der Typ sah ihn geschockt an und begann dann beim Anblick seines Kumpels an zu betteln, doch Ice verdrehte nur die Augen und kugelte ihm den Arm aus, darauf folgte noch ein gezielter Tritt in die Magengrube.

Er wandte sich dem letzten zu, der schon vom ersten Schlag etwas benebelt war, doch das reichte Ice nicht.

Er war so wütend, dass er die drei auch hätte tot prügeln können, doch er riss sich zusammen und packte ihn am Kragen.

Als sie auf Augenhöhe waren starrte er ihm in die Augen. „Eure Namen, sofort."

Er stammelte drei Namen und Ice spuckte ihm ins Gesicht, dann ließ er ihn zu Boden fallen und trat ihm in die Rippen, solange bis er sich vor Schmerzen winselnd zusammenrollte.

Dann ging er in die Hocke und streckte Cherry eine Hand hin. Sie hatte ihn die ganze Zeit ausdruckslos angestarrt. Sie machte keinerlei Anstalten seine Hand zu nehmen, also ließ er sie sinken.

„Ist alles okay?"

Sie gab keine Antwort, starrte ihn einfach nur an, ihm lief ein Schauer über den Rücken.

„Cherry? Hörst du mich?"

Wieder keine Reaktion, doch er konnte sie nicht hier liegen lassen, also packte er so sanft wie möglich ihren Arm und zog sie hoch, als sie einigermaßen stand legte er ihr einen Arm um die Hüfte und schleifte sie zurück in den Vorgarten, dann nach drinnen und nachdem er ein knutschendes Paar aus dem Bad verjagt hatte, ließ er sie auf den kalten Boden plumpsen.

Sie hatte die ganze Zeit über nichts gesagt, starrte nur vor sich hin, er stellte das Wasser an und spritzte sich welches ins Gesicht, er musste wieder klarer werden, damit er jetzt keine Scheiße baute.

„Lass mich einfach in Ruhe." Kam es plötzlich von unten, er drehte sich um, sie sah ihn nicht an, doch das musste sie auch nicht, er sah auch so, dass es ihr einfach beschissen ging.

„Besser nicht." Brummte er nur und fuhr damit fort, sich kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen.

„Geh." Sagte sie, doch er ignorierte sie.

„Geh, Ice. Geh sofort weg und sag' niemandem irgendwas hiervon, sonst bringe ich dich um." Sie lallte fürchterlich, doch er nahm sie trotzdem ernst.

Er drehte sich wieder zu ihr und ließ sich vor sie auf den Boden sinken, sitzen tat gut.

„Ich werde nicht gehen." Erwiderte er nur und überschlug die Beine, sie zog die Knie an und vergrub ihr bleiches Gesicht darin.

„Dann guck' mich wenigstens nicht an."

Er seufzte schwer und fuhr sich durchs Gesicht, er war plötzlich tot müde und sein Magen tat schrecklich weh von dem Schlag.

„Wieso nicht?" Fragte er, in seiner Stimme schwang kein Mitleid mit, nichts. Eigentlich klang sie nur hart. Er schämte sich dafür, dass er nicht nett sein konnte, nicht einmal jetzt.

„Weil ich armselig bin, kannst du nicht einfach gehen? Es geht mir gut."

Jetzt lachte Ice und schüttelte den Kopf, es war ein freudloses Lachen, verbittert.

„Du siehst aber nicht aus, als ob es dir gut geht."

Sie heulte frustriert auf. „Dann guck halt nicht hin, du Vollidiot."

„Okay, du solltest jetzt nach Hause." Erwiderte er nur kühl, doch sie schüttelte den Kopf.

„Ich gehe nie wieder dahin."

„Ist es wegen Big P?" Fragte Ice, eigentlich hatte er nichts dazu sagen wollen, doch er musste es einfach wissen.

Sie hob den Kopf und er erschrak etwas, als er ihr in die Augen sah. Er hatte schon viele Emotionen bei ihr gesehen; Wut, Hass, Belustigung, doch nie zuvor hatte er sie so unglücklich gesehen. Wobei das vermutlich nicht mal das richtige Wort war. Sie war einfach gebrochen und das machte Ice fertig, er wusste selbst nicht wieso, doch er hatte sie immer für unverwüstlich gehalten. Ihr Dad war ein Serienkiller? Kein Problem! Ihre Mutter wurde brutal ermordet? Alles halb so wild! Und so ging es ihr ganzes Leben lang weiter, bis jetzt.

Sie so zu sehen machte ihn schon wieder wütend.

„Sag seinen Namen nicht." Fauchte sie nur und sah wieder weg.

„Gib doch einfach zu, dass du ihn magst!" Sagte er aufgebracht und sie seufzte schon wieder.

„Was interessiert dich das eigentlich? Ich dachte du hasst mich."

Ice sprang wütend auf und sie zuckte vor Schreck zusammen.

„Was mich das interessiert? Im ernst? Für den Fall das du es nicht mitbekommen haben solltest: Keiner deiner tollen Freunde hat heute bemerkt wie schlecht es dir geht und das du fast vergewaltigt worden bist! Keiner hat dich da rausgeholt, deshalb musste ich das tun, okay? Also was interessiert mich das? Vielleicht würde ich einfach gerne wissen, was dich so fertig macht, das du dich nicht mal gewehrt hast!"

Und wieder sah sie ihn nur wie tot an und sagte nichts mehr, die grünen Augen voller Schmerz.

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