4. Jahre später

Nun war es schon zehn Jahre her, seit ich mir gesagt hatte, ich würde jedes Jahr wieder hier auftauchen und jedes mal aufs neue hatte ich es getan. Jedes Jahr mit einem Strauß weißer Rosen. Auch diesmal wieder, nun schon ganze zwölf Jahr, nach ihrem Tod, schob ich das Tor zum Friedhof auf. Doch diesmal war ich nicht allein. Ein kleines Mädchen hielt meine Hand. Fröhlich sprang sie neben mir her, während wir an den verschiedenen Gräbern vorbei gingen. Ihr schien das alles gar nichts auszumachen. Sie achtete gar nicht darauf, dass überall um uns herum der Tod lauerte. Dieses kleine Mädchen an meiner Hand war meine Tochter.

Vieles hatte sich verändert. Mein Leben war weiter gegangen, ohne das ich es gemerkt hatte und irgendwann war ich tatsächlich wieder glücklich. Ich musste nicht mehr jeden Tag an meine beste Freundin denken. Ich gab mir nicht mehr jeden Tag die Schuld dafür, dass sie nicht mehr da war. Es war einfach so. Ich konnte schließlich auch nichts mehr daran ändern.

,,Mama, was machen wir hier?", fragte meine Tochter, immer noch aufgeregt. Sie war gerade einmal drei Jahre alt und doch kam es mir so vor, als wäre sie schon unglaublich erwachsen. Manchmal wirkte es so, wenn sie mit mir über Dinge sprach, die sie eigentlich noch nicht verstehen konnte. Deshalb hatte ich sie auch heute schon mit gebracht. ,,Wir besuchen meine beste Freundin." Sie sah mich mit großen Augen an. ,,Aber ich kann sie hier gar nicht sehen." Die kindliche Naivität, die ich so sehr an ihr liebte. ,,Das kannst du auch nicht. Sie ist da oben im Himmel und beobachtet uns, wie wir zu ihrem letzten Ort hier auf der Erde gehen." Meine Tochter sah hinauf. Dann sah sie wieder zu mir.

Wir hielten vor dem Grab an. Meine Tochter sah staunend auf die Blumen. Ich legte meine dazu. Wie jedes Jahr weiße Rosen. ,,Ich habe dich nach ihr benannt, Mia.", meinte ich, an meine Tochter gerichtet. Dann sah ich in den Himmel, dort hin, wo ich meine beste Freundin vermutete. ,,Sie war ein unglaubliches Mädchen und eine wirklich gute Freundin und ich bin mir sicher, dass du einmal genau so sein wirst." Sanft legte ich die arme um meine Tochter. Noch vor einigen Jahren hätte ich niemals gedacht, dass ich mal hier sitzen würde, ohne zu weinen.

Doch hier war ich. So glücklich, wie schon lange nicht mehr.

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