vierundzwanzig

An diesem Tag werde ich mit einem raugeflüsterten „fröhliche Weihnachten" an meinem Ohr geweckt.

Grinsend drehe ich mich zu meinem Freund. „Fröhliche Weihnachten." Und küsse ihn sanft auf den Mund.

Bis zum späten Nachmittag laufen wir durch das weihnachtlich geschmückte München. Da ich noch nie hier war, beschließt Gabriel, mir all die typischen Sehenswürdigkeiten zu zeigen, die jeden Tag von Touris abgeklappert werden sowie die Orte, die er mit seiner Kindheit und Jugend verbindet. Diese bekommen Touristen wahrscheinlich eher selten zu Gesicht. Wir laufen über den Odeonsplatz zur Residenz, vorbei an der Oper zur Peterskirche und zum Viktualienmarkt, von da zurück durch den Hofgarten und den Englischen Garten.

In einer kleinen Seitengasse erzählt er mir davon, wie ihn dort zum ersten Mal jemand geküsst hätte und an einem kleinen Modegeschäft erzählt er mir, dass dort früher ein Kiosk war, an dem er und seine Geschwister sich immer eine Süßigkeitentüte zusammenstellen durften, wenn sie mit ihren Eltern in der Stadt waren.

„Je älter ich werde, desto schneller vergeht die Zeit irgendwie. Ich stand doch erst gestern vor diesem Kiosk, an dem mich mein Vater noch hochheben musste, damit ich etwas sehen konnte. Dabei ist es schon fünf Jahre her, dass ich überhaupt hier war."

Wir gehen noch kurz zurück ins Hotel, um uns umzuziehen, ehe wir in die Tram Richtung Pasing steigen. Mittlerweile bin ich so aufgeregt, dass ich es nicht mehr verstecken kann. Es fühlt sich so an, als würde mein Herz gleich explodieren. Nicht dieses positive Explodieren, wenn ich Gabriel küsse, sondern das Negative, wenn man wirklich richtige Angst hat.

Der Braunhaarige scheint meine Nervosität zu bemerken, denn er legt einen Arm um mich, zieht mich näher an sich heran und flüstert: „Ich bin auch aufgeregt. Aber ich bin dankbar und glücklich, dass du mitgekommen bist. Ohne dich würde ich jetzt allein in meiner Wohnung sitzen. Die letzten Jahre war das Routine, dieses hätte ich mir das nicht vorstellen können."

Mein Herz schmerzt bei dem Gedanken an ihn allein in seiner verlassenen Wohnung, aber gleichzeitig wird mir auch warm, dass er froh darüber ist, nicht mehr allein sein zu müssen. Als wir uns kennengelernt haben, sah das noch anders aus. Hätte mir jemand Anfang des Monats erzählt, dass er mit mir Weihnachten feiert und sogar freiwillig zu seiner Familie fährt, hätte ich die Person ausgelacht. Wahrscheinlich hätte ich gar nicht mehr aufhören können.

„Nächste Station müssen wir aussteigen", erklärt mein Freund und steht schon einmal auf. Jetzt gibt es wohl wirklich kein Zurück mehr.

Mit zitternden Fingern drückt Gabriel auf die Klingel seines Elternhauses.

„Frohe Weihnachten!", begrüßt Gabriels Mutter uns und zieht ihren Sohn sofort in eine feste Umarmung. „So schön, dass du gekommen bist." Mit ihrer Handfläche wischt sie sich eine Träne weg.

„Frohe Weihnachten, Mama", flüstert der Braunhaarige krächzend.

Nachdem mein Freund ins Haus gegangen ist, bin ich an der Reihe.

„Fröhliche Weihnachten...." Scheiße, ich weiß gar nicht, wie sie heißt. Wir haben schon einmal mit ihr telefoniert und Gabriel hat mir auch so viel über sie erzählt, aber ihr Name ist nie gefallen.

„Klara", lacht sie. „Frohe Weihnachten, Hannes." Auch sie zieht mich in eine Umarmung. In das erste Fettnäpfchen wurde erfolgreich hineingetreten.

Nachdem wir unsere Jacken und Schuhe ausgezogen haben, folge ich Gabriel ins Wohnzimmer, wo schon sein Bruder, seine Schwester und ihr Freund auf uns warten. Sie stellen sich mir als Ben, Maria und Jakob vor. Maria weint vor Freude, als sie Gabriel nach all den Jahren wieder in ihre Arme schließen kann. Auch Bens Augen werden feucht, doch er würde wahrscheinlich nicht zugeben, dass er emotional geworden ist. Um das zu unterstreichen, wuschelt er meinem Freund einmal durch die Haare.

Ich werde von allen herzlich empfangen und ich fühle mich, als würde ich schon länger zu dieser Familie gehören. Menschen, die einem sofort das Gefühl von Geborgenheit geben, sind nichts als goldwert. Ich hoffe, Gabriel fühlt sich morgen bei meiner Familie genauso.

Klara schenkt uns allen ein Glas Sekt ein und wir stoßen an. Auf das Christkind.

Danach setzen wir uns um den runden Wohnzimmertisch und unterhalten uns. Bis es pünktlich um 18 Uhr an der Haustür klingelt, als hätten die Menschen schon vor der Tür gewartet, damit sie genau zur vollen Stunde klingeln können.

Gabriels Mutter geht schnellen Schritt zur Tür, gefolgt von Maria, Jakob und Ben, während Gabriel und ich nur langsam hinterher gehen. Dieser schaut mich unwissend an. Klara hat am Telefon gesagt, es würden nur wir sechs sein.

Über Bens Schulter hinweg erkenne ich, wie eine ältere Dame Maria und ein älterer Herr Klara umarmt. Der Mann hat das gleiche Grübchen auf der linken Seite wie Gabriel, also gehe ich davon aus, dass es seine Großeltern sind. Warum seine Mutter wohl nichts davon erzählt hat? Denn offensichtlich hat der Braunhaarige auch keine Ahnung gehabt. Seine Geschwister scheinen hingegen nicht sonderlich überrascht zu sein.

Als ich mir den Weg zu ihnen bahnen will, hält mein Freund mich am Arm zurück. „Schonmal als kleine Vorwarnung: meine Großeltern werden dich höchstwahrscheinlich nicht mögen. Ja, vielleicht auch hassen", flüstert er.

„Warum?", lache ich, flüstere hingegen aber nicht.

„Weil du mein Freund bist."

„Oh". Ich sacke etwas zusammen. Stimmt, das war ja noch etwas, was ich schon längst verdrängt hatte. „Wir äh – können auch so tun, als wären wir beste Freunde", schlage ich nun leise vor.

„Auf keinen Fall", erwidert er bestimmend und drückt mir einen leichten Kuss auf die Stirn. „Außerdem kauft uns das eh keiner ab."

Nachdem jeder jeden begrüßt hat, sind Gabriel und ich wohl oder übel dran.

„Oh wow. Deine Mutter hat zwar erzählt, dass du kommst, aber so recht geglaubt haben wir es nicht", erzählt seine Oma. „Fröhliche Weihnachten, mein Großer." Daraufhin wird er in seine Umarmung gezogen. Sollte das jetzt freundlich klingen oder hat sie ihm einen Vorwurf gemacht? Sein Opa und ich stehen nur unbeholfen daneben. Ich schaue halb auf den Boden und halb in sein Gesicht. Seinen Gesichtsausdruck kann ich nicht wirklich einordnen.

„Ich hab' es selbst nicht geglaubt", antwortet Gabriel wahrheitsgemäß, als sie sich lösen. „Aber dank Hannes sind wir nun hier." Als er meinen Namen erwähnt, legt er seinen Arm um meine Schulter.

Gequält lächle ich die beiden an. Wir wissen alle, dass diese Situation mehr als unangenehm ist, aber niemand tut etwas, um es zu ändern.

Klara scheint von mir nichts erwähnt zu haben, denn seine Oma mustert mich überrascht und kritisch, während ich ihr ängstlich dabei zuschaue. Bis ich mich traue, etwas zu sagen. „Fröhliche Weihnachten, ich bin Hannes. Freut mich, Sie kennenzulernen." Ich strecke ihr die Hand entgegen, die sie jedoch nicht annimmt.

„Frohe Weihnachten", ist alles, was sie zu mir sagt, ehe sie zu den anderen ins Wohnzimmer geht.

Ihr Mann schüttelt Gabriel die Hand, murmelt ein „frohe Weihnachten" und geht seiner Frau hinterher. Mich würdigt er keines Blicks.

„Tut mir leid", flüstert der Braunhaarige in mein Ohr. Da ihm das nicht zu reichen scheint, gibt er mir kaum zehn Sekunden später einen Kuss auf die Lippen.

„Und das alles nur, weil wir uns lieben?"

Bedrückt nickt er. Das kann heiter werden. Und anstrengend, sich zurückhalten zu müssen. Normalerweise weise ich solche Menschen immer in die Schranken, aber das kann ich bei Gabriels Familie nicht bringen. Schon gar nicht an Weihnachten.

Nach einiger Zeit lockert die Stimmung zum Glück wieder etwas auf. Da ist zwar noch etwas unausgesprochenes im Raum, aber ich bin für jede Sekunde dankbar, in der niemand laut ist und gegen niemanden hetzt. Während des Essens schweigen wir uns so gut es geht an. Es herrscht eine angespannte, unangenehme Stille, bis Ben diese bricht.

„Das schmeckt wirklich köstlich, hast du gut gekocht, Mama." Hat erstmal einer angefangen, kommt von jedem ein Kompliment für das Essen. Es gibt Kasseler im Blätterteig mit Familiengemüse und Herzoginnenkartoffeln.

„Danke, das freut mich", erwidert sie verlegen. „Eigentlich wollte ich ja wie jedes Jahr nur Kartoffelsalat mit Würstchen machen, aber für Gabriel dachte ich, mache ich mal was Besonderes." Sie lächelt ihren Sohn an.

„Oh, danke", antwortet er so verlegen wie seine Mutter und schaut nur auf seinen Teller, als könnte er dort noch mehr Wörter finden.

„Seid ihr euch sicher, dass ihr nicht mal ein Stück vom Kasseler probieren wollt?", hackt sie vorsichtig nach. Seine Mutter hat es erstaunlich gut aufgenommen, dass wir kein Fleisch essen und ihr Sohn sich sogar rein pflanzlich ernährt. Sie hat extra noch eine Portion Gemüse ohne Butter warm gemacht. Sein Opa hingegen hat nur einen missbilligen Laut von sich gegeben und seine Frau meinte, dass es sowas früher ja nicht gegeben hätte und wir verweichlicht geworden sind. Gleiche Prozedur wie bei allen Leuten, die sich noch nie damit beschäftigt haben.

„Ja, sehr sicher, trotzdem danke", erwidere ich.

Damit war die Stille erst einmal gebrochen und wir unterhalten uns ganz normal ohne Zwischenfälle. Gabriel und ich erzählen von unserem Studium und dem Leben in Hamburg, ich erzähle noch etwas von meiner Familie, Ben von seiner Ausbildung zum Krankenpfleger und seine Großeltern von ihren Nachbarn, alten Bekannten sowie Arztbesuchen. Das geht so lange gut, bis Maria und Jakob von ihren Neuigkeiten erzählen.

„Wir bekommen ein Baby!", freut sie sich und fängt an, zu weinen. Ihr Freund nimmt sie in den Arm und lächelt stolz mit einem Blick auf ihren Bauch.

Glücklich fällt Klara ihr um den Hals, Ben sieht aus, als hätte er es schon vorher gewusst, mein Freund weiß nicht, was er sagen soll, und seine Großeltern erheben sich langsam von ihren Plätzen, um die beiden ebenfalls zu umarmen.

„Herzlichem Glückwunsch", sage ich ehrlich.

Gabriel hat sich auch wieder gefangen, hat realisiert, dass er Onkel wird und umarmt seine Schwester und ihren Freund ebenfalls. Damit ist eine lange Zeit erstmal von dem gleichgeschlechtlichen Paar abgelenkt und wir können uns entspannen. Aber auch nur, bis die Aufregung um Maria, Jakob und das Baby abgeklungen ist.

„Na, da können wir bei euch ja lange warten", sagt sein Opa dann gehässig zu uns.

Ich merke, wie mein Freund neben mir einmal tief ein- und ausatmet, um nicht laut zu werden und keine unschönen Wörter in den Mund zu nehmen. Hätte er nichts gesagt, wäre ich wahrscheinlich ausgerastet. Wie kann es sein, dass man immer darauf herumhacken muss?

„Es gibt genug andere Möglichkeiten, Eltern zu werden. Außerdem kann es ja auch sein, dass ich gar keine Kinder haben möchte. Da wäre es wohl egal, ob ich mit einem Mann, einer Frau oder mit irgendeiner anderen Person zusammen wäre."

„Ist bei euch vielleicht auch besser, keine Kinder zu bekommen", meint sein Opa daraufhin.

„Und wie sieht es bei dir aus, Ben?", unterbricht seine Oma ihren Mann, um vom Thema abzulenken. Hätte anfangs nicht gedacht, dass ich das diesen Abend noch sagen werde, aber in diesem Moment war sie mir sympathisch. Dankend lächle ich sie an und ich meine, Reue und Unsicherheit in ihrem Blick zu erkennen.

„Ich bin erst 19!"

„Ja und? Das hat uns früher auch nicht gestört."

„Jetzt ist aber nicht mehr früher. Die Zeiten haben sich geändert", erwidert Gabriels Bruder selbstbewusst. Ermutigend lächle ich ihn an.

Daraufhin sagt seine Oma zum Glück nichts mehr und auch sein Opa ist zur Ruhe gekommen. Wir räumen gemeinsam den Tisch ab und entscheiden uns dazu, zurück ins Wohnzimmer zu gehen. Als wir mit der Bescherung beginnen wollen, klingelt es plötzlich unverhofft an der Tür.

Verwirrt schauen wir uns alle an.

„Wer kann das denn noch sein?", fragt Klara eher sich selbst, ehe sie zur Tür geht. Es ist kein gutes Zeichen, wenn sie es auch nicht weiß.

Wenig später kommt ein Mann mit durchsichtiger Brille, Drei-Tage-Bart und einer Frau an der Hand ins Wohnzimmer.

„Servus! Und frohe Weihnachten."

Alle schauen den Mann verwundert an.

„Wer ist das?", frage ich Gabriel leise, sodass es niemand mitbekommt.

„Mein Vater", antwortet er mindestens genauso leise. Wie versteinert sitzt er auf dem Sofa und starrt ihn und die Brünette an. Ich habe nie gefragt, ob sie im Guten oder Schlechten auseinander gegangen sind. Und er hat es mir auch nie erzählt. Genauso wenig weiß ich nicht, ob zwischen Klara und ihm böses Blut herrscht. In diesem Moment bereite ich mich mental auf alles vor.

Nach und nach begrüßt sein Vater alle in diesem Raum. Seine Freundin tut es ihm gleich, bekommt aber hauptsächlich Todesblicke zugeworfen.

„Gabriel?", kommt es erstaunt von dem dunkelhaarigen Mann, als er bei uns ankommt. „Ich wusste gar nicht, dass du kommst."

„Genauso wenig wie ich wusste, dass du kommst"; sagt seine Mutter wütend an ihren Ex-Mann gewandt.

Und damit artet erneut ein Streit aus. Gabriel und sein Vater haben nur kurz Zeit, sich zu begrüßen, ehe seine Freundin ihn zu sich zieht, um ihr Beistand zu leisten, da die anderen sich gegen sie stellen.

Mein Freund und verkriechen uns hingegen in der hintersten Ecke des Zimmers in einem Sessel. Da er nicht groß genug für uns beide ist, sitze ich halb auf seinem Schoß. Kurz fühle ich mich wie zu Hause.

„Es tut mir so leid", flüstert er und es hört sich an, als würde er gleich weinen. „Warum habe ich gedacht, es wird anders als früher sein? Es hat sich nichts geändert."

„Hey, nicht weinen." Sanft drehe ich sein Gesicht zu mir und fahre mit meinen Daumen über seine Wagen. Seine Augen triefen vor Schmerz. „Dir muss nichts leidtun. Du kannst da nichts für."

„Aber meine Familie ist so... du weißt, was ich meine", sagt er bedrückt.

„Aber das bist nicht du. Durch deine Familie mag ich dich nicht weniger. Ich bewundere dich nur doch mehr. Du bist so stark, dass du trotz der Vergangenheit zurückgekommen bist. Aus dir ist so ein toller Mensch geworden. Anscheinend müssen wir einsehen, dass nicht jeder wie Gerda und Gunnar werden wird."

Er schmunzelt. „Danke."

Daraufhin geht er auf die Toilette. Auf meine Frage, ob ich mitkommen soll, schüttelt er nur den Kopf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er nur auf Toilette muss. Wenn er überhaupt muss. Ich will für ihn da sein, aber wahrscheinlich braucht er kurz Zeit für sich und Ruhe.

„Und du bist Gabriels Freund?", fragt mich plötzlich sein Vater, der sich einen Hocker geschnappt hat und sich damit gegenüber vom Sessel gesetzt hat. Um uns herum reden noch alle lauthals und unfreundlich miteinander. Worum es geht, habe ich schon lange aus den Augen verloren. Ich hatte nur Augen für Gabriel.

Ich weiß nie, ob ich auf solche Fragen die Wahrheit sagen oder lügen soll, um mich oder uns zu schützen. „Äh, ja", antworte ich dann aber trotzdem unsicher. „Ich bin Hannes."

Darauf erwidert er nichts, sondern zieht mich etwas umständlich in seine Arme. Mit so einer Reaktion habe ich ehrlicherweise nicht gerechnet.

„Was denn?", lacht er, als wir uns wieder gegenübersitzen und ich ihn wahrscheinlich verstört anschaue. „Dachtest du, ich würde euch das jetzt irgendwie absprechen wollen?"

„Man kann nie wissen."

„Auf keinen Fall! Du machst ihn glücklich. Ihr macht euch glücklich. Das hat man eben sehr deutlich gesehen. Wer das nicht erkennt, ist definitiv blind. Es gibt nichts schöneres, als die eigenen Kinder glücklich zu sehen."

„Danke für Ihre Worte."

„Oh, sag' bitte du zu mir. Ich bin übrigens Jan, hab' ich glaub noch nicht gesagt."

Ich unterhalte mich überraschend gut mit Jan, doch als Gabriel nach einer Viertel Stunde immer noch nicht wieder gekommen ist, beschließe ich, nach ihm zu schauen.

Vorsichtig klopfe ich an die Badezimmertür. „Gabriel? Bist du da drin?" Daraufhin höre ich ein leises Schniefen und wie sich der Schlüssel langsam im Schloss umdreht. Ein Zeichen, dass er mich zu sich lässt.

Ich schließe die Tür wieder hinter mir. Gabriel sitzt auf der geschlossenen Toilette mit dem Kopf in seinen Händen. „Es kann doch nicht sein, dass sich rein gar nichts geändert hat."

Ich knie mich neben ihn und fahre beruhigend mit einer Hand über seinen Rücken. „Ich weiß, es ist nicht so, wie du dir es vorgestellt hast. Und das ist Scheiße. Wir können heute aber noch versuchen, das Beste draus zu machen und danach musst du sie nie wieder sehen, wenn du das nicht willst." Obwohl ich mir sicher bin, dass es größtenteils an seinen Großeltern liegt. Vor allem an seinem Opa. Ich kann aber auch verstehen, dass Klara sie nicht rausschmeißen will; immerhin sind es ihre Eltern.

Zum ersten Mal schaut er mich an. Sein Gesicht sieht zerstört aus. Aber trotzdem wunderschön. Ich kann nicht anders, als ihn zu küssen.

„Das hab' ich gebraucht", sagt er, als wir uns lösen.

Ich stelle mich gegenüber von ihm und halte ihm eine Hand hin. „Also?"

Und er ergreift sie.

Als wir zurück ins Wohnzimmer kommen, hat sich die Familie meines Freunds teilweise wieder beruhigt. Ben, Klara, Maria und ihr Freund haben sich zu Jan gesetzt, seine Freundin und Gabriels Großeltern reden jedoch immer noch lautstark und nicht freundlich miteinander. Wirklich raushören, um was es geht, kann ich nicht.

Sein Opa ist der erste, der uns bemerkt und natürlich geht sein Blick direkt auf unsere verschränkten Hände, die er mit einem abwertenden Blick kommentiert.

„Mir reicht's jetzt!", ruft Gabriel auf einmal. Er ist so laut, dass alle verstummen und ich zusammenzucke. „Das ist Hannes." Scheiße, was kommt jetzt? „Mein fester Freund. Wir sind zusammen. In einer Beziehung. Also wäre es toll, wenn ihr uns auch so behandeln würdet. Wie ein Paar. So wie Jakob und Maria auch. In unserer Liebe gibt es da keinen Unterschied. Und dass Papa jetzt eine neue Freundin hat, ist doch vollkommen in Ordnung, manchmal hält eine Ehe eben nicht für immer!"

Fuck, hat er Liebe gesagt?

Unsicher und ängstlich lächle ich in die Runde und mustere jeden Gesichtsausdruck genaustens. Entweder sie sehen ihren Fehler ein oder es erfolgt ein riesiger Knall, der uns aus dem Haus katapultiert.

Und so sitzen wir eine knappe Stunde später aufgewühlt in unserem Bett. Auf der Fahrt haben wir uns angeschwiegen und jetzt schaut Gabriel mich ängstlich an.

„Heiligabend im Hotelzimmer; was kann man sich Besseres vorstellen? Mann, Hannes, es tut mir so unglaublich leid, dass ich dir das Weihnachtsfest versaut habe. Und noch mehr versauen werde. Du hättest einfach zu deinen Eltern fahren sollen und ich allein hierher."

Ungläubig schaue ich ihn an. „Rede doch keinen Scheiß. Ich bin froh, dass ich mit dir hier bin. Mit niemand anderem würde ich Heiligabend lieber allein in einem Hotelzimmer verbringen als mit dir. Wir nehmen einfach morgen ganz früh den ICE nach Hamburg und dann haben wir noch eineinhalb Tage, um das Weihnachtsfest unvergesslich zu machen." Eigentlich war geplant, morgen noch mit seiner Mutter und Ben frühstücken zu gehen und erst mittags nach Hause zu fahren, sodass wir zum Abendessen dort sind. „Ich weiß auch schon, wie wir damit beginnen können", sage ich mutig und drücke meine Lippen fordernd auf seine, ehe ich ihn in die Matratze drücke.

ist etWaS länger geworden ups

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top