elf

Nach ganzen acht Stunden Arbeit und damit auch acht Stunden in der Kälte streife ich mir endlich meine Schürze ab und begebe mich auf den Weg zu Vapiano, um mich mit Gabriel zu treffen. Den ganzen Tag habe ich an nichts anderes gedacht. Zum Glück bin ich aber nicht mehr ungesund aufgeregt, sondern freue mich stattdessen. Wobei ich noch immer nicht weiß, wie ich die Frage, ob wir zusammen sind, am besten verpacken soll.

Als ich vor dem Restaurant ankomme, sehe ich ihn schon vor der Tür auf mich warten. Nachdem wir uns mit einer Umarmung begrüßt haben, gehen wir hinein und werden zu einem freien Tisch gebracht, an dem wir uns niederlassen und anschließend die Karte gebracht bekommen.

Wir sitzen am Fenster an einem kleinen hölzernen Tisch mit zwei Hockern. Es sind nicht mehr allzu viele Menschen hier. An den Fenstern hängen Lampen in Form von Sternen, die gelbes Licht ausstrahlen. Da es den ganzen Tag geschneit hat, finden am Fensterrahmen noch viele Eiskristalle ihren Platz und wir haben einen wunderschönen Ausblick auf die Schneelandschaft draußen. Endlich werde ich von Wärme nur so umschlungen. Ein Wunder, dass meine Hände noch nicht blau angelaufen sind.

Ich erzähle gerade aufgeregt, was alles auf der Arbeit passiert ist, was mich genervt hat und was mich gefreut hat, als eine Kellnerin zu uns kommt, um unsere Bestellung aufzunehmen. Gabriel bestellt den Insalata Inverno und ich die Pasta Crema di Funghi. Mario wäre bestimmt neidisch. Wobei er immer der Meinung ist, er würde es besser kochen.

„Ich hab' jetzt schon die ganze Zeit gelabert; was hast du heute gemacht?"

„Ich saß den lieben langen Tag an meinem Schreibtisch und habe gelernt", erzählt er gequält. Kann es sein, dass wir irgendwie nie darüber geredet haben, was wir beruflich machen? Er scheint meine Frage an meinem Gesicht ablesen zu können, denn er schiebt noch „Ich studiere Bauingenieurwesen und schreibe morgen eine Klausur in Betrieb und Management", hinterher.

„Oh man, viel Glück. Ich fühle mit dir, ich schreibe nächste Woche auch eine Klausur. In Niederdeutsche Sprache und Literatur. Sehr interessant. Aber ey; ich weiß, wofür ich das mache; Grundschullehrer wird man nicht mal so nebenbei."

„Du wärst ein guter Lehrer. Ich hab' Dienstag gesehen, wie du mit den Kids umgegangen bist, das war echt toll."

Vermutlich laufe ich gerade rot an, doch ich habe keine Zeit mehr, mit darüber Gedanken zu machen, da unsere Getränke gebracht werden. Ich bekomme einen Eistee und Gabriel eine Cola.

„Prost."

„Auf uns."

„Auf uns?", frage ich nervös. Bedeutet das, dass...

„Das sagen doch immer alle, oder?", fragt er mindestens genauso nervös.

„Äh ja, ich glaub schon." Eigentlich habe ich keine Ahnung. Ich habe das noch nie gesagt.

Natürlich habe ich mich während des Essens nicht getraut, anzusprechen, was zwischen uns ist. Wir haben viel über unser Studium und unsere Zukunftspläne gesprochen, über seine Freunde, über Lotte und Valentin, auch etwas über Mario, da Vapiano sein liebstes Restaurant ist, über unsere aktuelle Lieblingsserie, über unsere Hobbies, aber nicht über uns. Deswegen schlage ich ihm vor, noch etwas spazieren zu gehen, als wir wieder in der unausstehlichen Kälte stehen. Und vielleicht will ich noch nicht nach Hause, nur um wieder ohne ihn zu sein.

Und so irren wir durch die Straßen bis wir an einer Bank an der Alster zum Stehen kommen und uns setzen. Von hier können wir die entspannende Beleuchtung sehen und haben einen perfekten Blick auf den leuchtenden Tannenbaum inmitten des Flusses.

„Deine Hände sind ja voll kalt", sage ich, als ich mutig genug bin, meine Hand auf seine zu legen, die er auf seinem Bein abgelegt hat. „Komm', ich wärme sie auf." Ehe meine Gedanken mich aufhalten können, habe ich seine Hand mit meiner umschlossen.

Und schon strömt eine wohlige Wärme durch meinen Körper. Keine Ahnung, ob ich dadurch seine Hände überhaupt wärme, da ich meine Handschuhe zu Hause vergessen habe und meine dementsprechend genauso kalt sein müssen. Aber es fühlt sich gut an. Und Gabriel sieht glücklich aus.

Wir schweigen uns an und schauen gedankenverloren auf das Wasser. Ab und zu geht mein Blick zu dem Braunhaarigen und ich merke, wie auch er mich manchmal anschaut und dann wieder schnell wegschaut. Es ist ein Hin und Her bis wir uns beide zur gleichen Zeit anschauen. Und diesmal nicht wegschauen.

„Deine Lippen sind total blau", fällt mir auf, doch Gabriel erwidert nur: „Dann musst du sie wohl auch wärmen", und schaut mich herausfordernd an.

„Ab-"

„Ich möchte dich so gerne küssen, Hannes."

Oh.

Mit einem Blick gebe ich ihm zu verstehen, dass ich ihn auch küssen will, und schon liegen unsere Lippen heute zum ersten Mal aufeinander. Erleichtert lasse ich mich in den Kuss fallen. Ich wusste gar nicht, dass es mir jetzt schon gefehlt hat, aber ich merke, wie eine Anspannung von mir abfällt, von der ich nicht wusste, dass sie überhaupt da ist.

Meine Hände lege ich an seine Wangen, um ihn noch dichter an mich zu ziehen, um ihn festzuhalten, aus Angst, er könnte gleich wieder gehen.

„Gabriel", unterbreche ich den Kuss, als seine Hand meinen Oberschenkel beängstigend hochfährt. „Eigentlich wollte ich noch mit dir reden."

„Oh. Okay", sagt er nur und setzt sich wieder ordentlich neben mich; sein Körper geradeaus, sein Gesicht aber zu mir gedreht.

„Ne, nichts Schlimmes. Nur... was ist das zwischen uns?"

Erstaunt, aber gleichzeitig auch ängstlich schaut er mich an. „Was willst du denn, was es ist?", fragt er mit kratziger Stimme.

Kann ich meinen Wunsch einfach so schonungslos aussprechen? Ohne, dass er sich eingeengt fühlt oder Panik bekommt? „Ich will mit dir zusammen sein."

„Okay", erwidert er, macht eine kurze Pause, in der ich mir schon alle möglichen abstoßenden Antworten ausmale, dreht sich dann aber mit seinem ganzen Körper zu mir. „Ich will auch mit dir zusammen sein."

Nachdem ich seine Worte sacken lassen habe und verstanden habe, was sie bedeuten, kann ich nicht anders, als zu grinsen und meine Lippen stürmisch auf seine zu pressen.

„Ich dachte, es wäre klar, dass wir zusammen sind", nuschelt er, als wir uns wieder lösen. „Ich hatte eben irgendwie Angst, du würdest es anders sehen."

„Nein! Nein, auf keinen Fall ich - ich bin nur immer so unsicher", erzähle ich ihm leise und senke den Blick in meinen Schoß. „Ich wurde einmal hardcore verarscht und hab immer Gefühle für Typen entwickelt, mit denen ich nur was Lockeres hatte, und seitdem... keine Ahnung, habe ich einfach Angst. Aber ich mag dich. Sehr."

„Ich mag dich auch", höre ich ihn zufrieden flüstern, ehe er seinen Kopf auf meiner Schulter ablegt und seine Hand mit meiner verschränkt. „Die Typen waren alle Arschlöcher. Dass die nicht gesehen haben, wie toll du bist."

Erleichtert atme ich aus und lasse mich ein Stück tiefer in die Bank sinken.

„Möchtest du morgen nach der Uni zu mir kommen?", breche ich die Stille, ohne darüber nachzudenken, dass ich sehr viele Stunden dort bin, danach todmüde sein werde und damit auch zu nichts mehr in der Lage sein werde. Aber das ist das Problem des morgigen Hannes. Der jetzige Hannes möchte morgen Zeit mit seinem Freund verbringen.

Wow, klingt das gut. Freund.

Und Mario schläft morgen bei seiner Freundin. Das möchte ich mir nicht entgehen lassen.

„Klar, gerne."

„Kann ich dich noch nach Hause bringen?", frage ich ihn schüchtern, als wir uns dazu entschieden haben, aus der Kälte zu verschwinden. Und ich will wissen, wo und wie er wohnt.

„Äh... das ist glaub keine gute Idee."

Enttäuscht sacke ich zusammen. „Okay."

„Aber ich kann dich bringen, wenn du möchtest", bietet er mir stattdessen an.

„Äh ja, gerne", antworte ich abwesend. Mit meinen Gedanken suche ich immer noch nach einem Grund, warum er nicht möchte, dass ich ihn nach Hause bringe. Als würde er nicht wollen, dass ich weiß, wo er wohnt. Und irgendwie verletzt mich das ein bisschen. Ich muss nicht zwingend mit rein, es würde mir schon reichen, ihn bis zur Tür zu bringen, einen Abschiedskuss auf seine Lippen zu hauchen und anschließend den ganzen Weg wieder zurückzugehen.

hoffe, ihr hattet alle einen schönen dritten Advent :)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top