einundzwanzig

Vielleicht habe ich die Vorlesung heute sausen lassen. Und ganz vielleicht habe ich Herrn Dahl geschrieben, dass ich nicht zur Arbeit kommen kann, weil ich krank bin. Aber vielleicht war das auch nur eine Lüge, damit ich auch diesen Tag bei Gabriel bleiben kann.

Nein, ich bin echt krank. Vor Liebe.

Warte. Liebe? Habe ich das gerade echt gedacht?

Es ist viel zu leicht, um Liebe zu sein. Aber auf der anderen Seite fühlt es sich zu schön an, um keine Liebe zu sein.

Vielleicht erlebe ich gerade zum ersten Mal, wie Liebe eigentlich sein soll.

Gabriel und ich sperren uns heute schon den zweiten Tag bei ihm ein. Auch er schwänzt seine Vorlesungen und das Lernen. Mario fragt schon, wo ich abgeblieben bin und ob er mein Zimmer weitervermieten soll.

Wer weiß; vielleicht ziehe ich im neuen Jahr ja mit dem Braunhaarigen zusammen. Das ist höchstwahrscheinlich mein einziger Wunsch für 2023. Beziehungsweise dass unsere Beziehung für immer hält. Zumindest bis nächstes Jahr. Bei ihm bin ich mir zum ersten Mal sicher, dass er mich so mag wie ich ihn.

Lotte und Valentin haben mir schon unzählige Nachrichten geschrieben, auf die ich alle noch nicht geantwortet habe. Gabriels Freunde haben ihn abwechselnd immer mal wieder angerufen, aber er hat alle weggedrückt.

Wir liegen in seinem Bett, um uns herum nichts als Stille und die Sonne, die durch das Fenster in unsere Gesichter scheint. Durch sie sehen seine braunen Augen noch gemütlicher aus.

„Wann wusstest du eigentlich, dass du mich... naja... magst?", frage ich schüchtern, während ich mit seinen Fingern in der Luft herumspiele.

„Nach einer Sekunde?", lacht er. „Du hast mich den einen Tag auf dem Weihnachtsmarkt, als ich mit Luca, Timo und Fabian dort war, so süß angelächelt, dass ich zu dir gehen musste. Ich konnte gar nicht anders, du hast mich so in deinen Bann gezogen. Ich weiß, ich war da noch relativ unfreundlich zu dir, aber ich wollte mir wohl einfach nicht eingestehen, dass mir irgendwas oder irgendwer zur Weihnachtszeit Freude bereiten kann. Du bist so freundlich und höflich geblieben und wolltest, dass ich dich verstehe, du hast nicht lockergelassen, sodass ich einfach immer wiederkommen musste."

„Naja, eigentlich habe ich nur meinen Job gemacht", veräpple ich ihn.

Gespielt geschockt schaut er mich an und lässt seine Hand rapide sinken. „Wie kannst du es wagen?" Und schon hat er mir ein Kissen ins Gesicht geworfen.

„Und das wagst du nicht!"

Darauf folgen eine kleine Kissenschlacht und eine Kitzelattacke, in der sich die Stimmung plötzlich ändert. Er liegt über mir und anstatt mich grob zu kitzeln, hält er mich auf einmal mit einer Hand sanft an der Taille fest und fährt mit der anderen über meine Wange.

Als sein Finger an meinen Lippen angekommen ist, stockt mir der Atem. Sacht streicht er über das Rosa und vereint es anschließend mit seinem Pink. Wir küssen uns vorsichtig, aber auch voller Leidenschaft und spätestens, als wir uns außer Atem lösen und uns noch sekundenlang in die Augen schauen, weiß ich: es muss Liebe sein.

„Also so richtig gewusst, dass ich dich mehr mag als meine Freunde und sonst irgendjemand auf der Welt, hab' ich's wohl an Nikolaus. Beziehungsweise ein Tag vorher, als ich stundenlang überlegt habe, ob ich wirklich in die Kirche kommen sollte und deswegen fast die ganze Nacht nicht geschlafen habe, obwohl eigentlich schon die ganze Zeit klar war, dass ich kommen werde. Nicht wegen der Kirche oder sonst was, sondern deinetwegen", gibt er mir nun eine ehrliche Antwort, als wir uns wieder beruhigt haben und nebeneinander liegen.

„Und was war das auf der Schlittschuhahn als du eifersüchtig auf Lotte warst?", frage ich lachend. „Das hat auch ziemliche Bände gesprochen." Neugierig drehe ich mich auf den Bauch und stütze meinen Kopf in meine Hände, damit ich ihn besser angucken kann.

„Es war zuerst komisch für mich, euch zusammen zu sehen, ja, aber da wusste ich noch nicht, was das bedeutet. Da wollte ich irgendwie vielmehr, dass du mich auf diese Weise magst. Ich war mir eigentlich relativ sicher, dass du auf Männer stehst, aber wie immer habe ich meinen Gaydar dann doch hinterfragt. Könnte sein, dass ich dachte, ihr wärt ein Paar."

„Ihh nein, niemals!"

„Jetzt ist sie ja eh mit Timo zusammen, also brauche ich mir keine Sorgen mehr zu machen", meint er verschmitzt.

„Hättest du das gedacht?", will ich ernsthaft von ihm wissen und ignoriere seinen flirtenden Blick.

„Ne, never. Lotte ist so laut, während Timo so still ist und bisher auch nur mit Menschen zusammen war, die genauso waren, weil er dann aus sich herauskommen kann. Dachte er zumindest, denn er hat mir erzählt, dass es mit Lotte viel einfacher ist als mit allen anderen davor."

„Gott, ist das süß", meine ich verträumt und lege mich wieder auf den Rücken.

„Hannes?", fragt er auf einmal aufgeregt.

„Mmh?", ich drehe meinen Kopf zu ihn, doch sein Blick ist starr zur Decke gerichtet. Wie konnte die Stimmung so schnell von verträumt und verknallt zu verängstig und verloren wechseln? Offensichtlich will er dringend über etwas sprechen, was ihn schon länger belastet, sonst hätte er nie so schnell das Thema gewechselt.

„Ich hatte noch nie einen Freund", platzt er aus ihm heraus. „U-und ich hab' verdammte Angst, etwas falsch zu machen. Also noch falscher als ich mich eh schon verhalten habe. So richtig richtig falsch. Weil ich dich echt nicht verlieren will." Und dann schaut er wieder zu mir und ich glaube, noch nie so viele Gefühle in seinen Augen gesehen zu haben.

„Gabriel du wirst mich nicht verlieren. Niemals, okay? Ich hab' genauso Angst, aber wenn man will, dass es funktioniert, muss man sich in sie stürzen. Und ich denke, wir machen das schon ziemlich gut."

„Ja, das denke ich auch."

„Wahrscheinlich werden wir uns noch oft falsch oder verletzend verhalten, aber das Wichtigste ist, dass wir dann zusammenhalten, statt uns vom anderen abzuschotten."

Mein Freund nickt bestätigend und kuschelt sich anschließend an mich. Wir haben durch die letzten Tage viel nachzuholen.

Am Abend bestellen wir uns eine Pizza, damit wir wirklich nicht mehr das Haus verlassen müssen. Mir tut nur der Bote leid, der bis in den achten Stock kommen muss. Es gibt zwar einen Fahrstuhl, aber trotzdem ist es aufhaltend. Nach einem Biss in die Margherita ist mir das aber schon egal.

Und dann schauen wir pizzaessend 2 Broke Girls, stellen uns vor, wie es wäre, wenn wir auch zu zweit ein Café eröffnen würden; einfach Studium abbrechen und dann geht's los. Ich erfahre, dass Gabriel angeblich ziemlich gute Brownies backen kann, sogar ohne die Spezialzutat, und ein Semester BWL studiert hat, weswegen er mit Sicherheit selbstständig werden könnte. Wir teilen noch viele Lacher und ernste Gespräche, bevor wir in den Armen des anderen einschlafen.

hoffe, es hat gemundet :)

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