Eclipse 2 | ☀️ Sonne ☀️
Justus Jonas war einer dieser Menschen, die sich immer mehr auf ihren Kopf als auf ihr Herz verließen. Nach dem frühen Tod seiner Eltern, war er in den liebevollen Armen seiner Tante Mathilda und seines Onkels Titus auf dem Gebrauchtwarencenter des kleinen Küstenstädchen Rocky Beach aufgewachsen. Sie hatten ihm die Liebe und Heimat gegeben, die er von seinen Eltern nicht mehr bekommen konnte.
Aus dieser Sicherheit heraus war aus dem cleveren Jungen ein hochintelligenter und ehrgeiziger junger Mann geworden, der sich mit seiner selbstbewussten und manchmal fast schon selbstverherrlichenden Art nicht nur Freunde gemacht hatte.
Man konnte Justus und seine hochtrabenden Reden schon manchmal als nervend oder arrogant bezeichnen. Doch seine besten Freunde Bob und Peter wussten es besser. Sie kannten den sensiblen und gutherzigen Justus, der immer dann zum Vorschein kam, wenn jemand seine Hilfe brauchte oder Kummer hatte. Niemals würde Justus, der Gerechte, seine Freunde und Familie mit ihren Problemen alleine lassen.
Wahrscheinlich waren sein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit und dem unnachgiebigen Drang zu helfen, zwei Gründe gewesen, mit seinen Freunden ein Detektiv-Büro zu gründen. Ein Dritter war auf jeden Fall sein guter Spürsinn, gepaart mit dem vierten: Seinem starken Drang zu zeigen, dass er allen anderen an Intelligenz und logischen Denken überlegen war.
So war an einem Abend kurz nach Beginn der Sommerferien - als er und seine Freunde eine Drogenübergabe gerade so vereitelt hatten - zwei Dinge zusammengekommen, die Justus in einen Zwiespalt gebracht hatten. Der Drogenkurier, der sich ausgerechnet einen der größten Mafia-Bosse der Gegend ausgesucht hatte, um einen Auftrag zu vermasseln, war für sie kein unbekannter. Ausgerechnet Skinny Norris, der Stadtbekannte Kleinkriminelle, war für das Chaos verantwortlich gewesen, das es den Detektiven erst ermöglicht hatte, die Banditen dingfest zu machen.
Als Justus noch vor seinem nervigsten Widersacher stand und die Blaulichter der Polizei schon in der Ferne zu sehen waren, musste er sich entscheiden. Sollte er den jungen Mann, der ihnen - wenn auch unwissentlich - geholfen hatte, ein paar Schwerverbrecher zu schnappen, hinter Schloss und Riegel bringen und ihm seine Zukunft versauen?
Oder sollte er Gnade vor Recht ergehen und ihn laufen lassen? Immerhin hatte jeder eine zweite Chance verdient. Und Skinny hatte es, das wusste Justus aus Erzählungen seiner Tante, nicht immer leicht gehabt.
Seine Mutter hatte die Familie früh verlassen; sein Vater ihn geschlagen; seine Armut ihn in die falschen Kreise getrieben. Eigentlich konnte er einem Leid tun.
Und so siegte der Drang zu helfen über den Stolz seiner Festnahme, und Justus ließ Skinny an diesem Abend ungeschoren davonkommen. Peter und Bob erzählte er später, dass Skinny ihm entkommen sei und sie glaubten es ihm, ohne einen Zweifel zu hegen.
Seit diesem Abend hatte sich etwas zwischen dem ersten Detektiv und dem Kleinkriminellen verändert. Vielleicht war es der verunsicherte Blick gewesen, den Skinny kurz vor seiner Flucht Justus zugeworfen hatte. Vielleicht war es auch das flüsternd gehauchte „Danke!", das dem Blick folgte. Mit Sicherheit aber war es der Umstand, dass es Justus seit dieser Nacht immer öfter in die Gegend um Little Rampert zog, in der Skinny Norris in einer winzigen und heruntergekommenen Wohnung hauste. Anfangs war es reine Neugier gewesen. Sein detektivischer Eifer hatte Justus in die Gegend geführt, die für ihre hohe Dichte an Verbrechen bekannt war und in die sich kein braver Bürger freiwillig wagen würde, außer, um ebenso einen Verbrecher aufzusuchen.
Und so ging es auch Justus, als er mal wieder von einem aufregenden Tag zu der Wohnung von Skinny ging und durch das Fenster spähte, dessen schmutzige Vorgänge nie ganz geschlossen waren. Manchmal lag Skinny noch im Bett. Und manchmal war er schon zu einem nächtlichen Streifzug aufgebrochen. Doch heute stand er plötzlich vor der Scheibe und starrte Justus interessiert an. Und während der erste Detektiv sich unangenehm ertappt fühlte, huschte ein Lächeln über Skinnys Lippen. Und Justus lächelte zurück.
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