8 | Strandspaziergang
„Irgendwie finde ich es gut, dass Skinny und Justus uns jetzt eingeweiht haben. Nicht, dass es mir nicht schon lange klar gewesen ist!" Bob grinste.
„Du bist ja richtig enthusiastisch. So spannend finde ich das nun auch wieder nicht!" Peter lenkte den Wagen auf die Küstenstraße.
„Natürlich freue ich mich für Justus! Er war lange genug allein und hat es verdient, nun jemanden zu haben!", erklärte Bob seinem Freund. Der schien das ein wenig anders zu sehen.
„Hast du ihn denn nicht gehört? Sie sind nicht zusammen! Sie haben nur irgendein Freundschaft-Plus-Ding. Und Skinny hat bestimmt noch mehr Eisen im Feuer", vermutete Peter.
Bob schüttelte ungläubig den Kopf. „Du lässt noch immer kein gutes Haar an ihm, oder? Hat er nicht bewiesen, dass er sich geändert hat?" Peter sagte nichts und war plötzlich sehr konzentriert auf die Straße. „Versuch doch wenigstens ihm eine Chance zu geben", bat Bob. „Tue es für Justus!"
Peter atmete schwer. Er konnte es nicht genau benennen, aber etwas an Skinny störte ihn noch immer. So sehr er sich bemühte, ihn zu mögen, er konnte seine Bedenken gegenüber ihrem ehemaligen Erzfeind einfach nicht abschütteln. Sein Instinkt warnte ihn: Skinny war nicht zu trauen. Und Bobs Bitte änderte daran nichts.
„Ich werde es versuchen." Die Worte kamen ihm leicht über die Lippen, aber sie fühlten sich leer an. Beide wussten, dass es nur ein Versuch war, Bob zu beruhigen. Doch für den Moment reichte es. Er würde Skinny einfach ignorieren. So wie immer.
„Danke!" Bob beugte sich vor und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Das bedeutet mir viel."
Als sie am Strand ankamen, sah Bob, wie Skinny Justus' Strandtasche, eine Decke und die sperrige Kühltasche mit den Getränken trug. Wie ein Packesel trottete er neben Justus her, der lediglich den Sonnenschirm geschultert hatte. Bob warf einen Blick zu Peter, der nun ihre zwei Handtücher und Badehosen aus dem Auto fischte und ihm wortlos seine Sachen in die Hand drückte. Der zweite Detektiv war nicht sehr gut darin, seinen Unmut darüber, dass Skinny heute dabei war, zu verstecken. „Dann mal los," murmelte er tonlos und marschierte vor den anderen die schmalen Stufen zum Strand hinunter.
Bob konnte sehen, wie Peter die Zähne zusammenbiss. In seiner Kurzsichtigkeit hatte er sogar die Wasserflasche für Buddy am Auto stehen lassen. Bob seufzte und klemmte sich die Flasche unter den Arm. Dann nahm er Buddys Leine. Als er Skinny aus dem Augenwinkel ansah, musste er grinsen. Er würde sicher auf halbem Weg mit all dem Gepäck auf dem schmalen Abstieg stecken bleiben, dachte Bob und ging auf den jungen Mann zu. „Ich helfe dir," bot er an, und nahm ihm, ohne auf eine Antwort zu warten, die sperrige Kühltasche ab. Gemeinsam folgten sie Justus zum Strand.
Die Sonne brannte noch immer heiß vom wolkenlosen Himmel, und überall tummelten sich Badegäste, die sich im warmen Wasser vergnügten oder auf ihren Handtüchern lagen. Peter schritt zügig voran, als wolle er dem Trubel entkommen, und suchte nach einem ruhigeren Platz, doch der Strand war überfüllt. Nach ein paar Minuten, in denen sie erfolglos am Wasser entlanggingen, seufzte Skinny: „Also, mir reicht der Spaziergang. Hier ist es genauso gut wie weiter hinten. Justus, bleiben wir hier?"
Peters Schritte stockten, als er seine Stimme hörte, und er drehte sich um. Da stand Skinny, genau zwischen Justus und Bob, als gehöre er einfach dazu. Ohne zu zögern, legte er die Decke ab und ließ die Strandtasche in den Sand sinken. Justus steckte den Schirm neben ihm in den Boden. „Mir ist heiß. Leg die Decke hin, ich stell den Schirm auf."
Auch Bob ließ die Kühltasche vom Arm gleiten und breitete sein Handtuch direkt neben Skinnys Decke aus. Peter grummelte leise vor sich hin. „Na schön!" Lustlos ließ er sein Handtuch in einigem Abstand fallen und begann, seine Hose auszuziehen. Er wollte nur noch ins Wasser und seine aufbrodelnden Gefühle im kalten Nass erstickten.
Er konnte nicht genau sagen, warum, aber es störte ihn ungemein, Skinny in der Nähe seiner Freunde zu sehen. Schon allein seine bloße Anwesenheit nervte ihn. Sie waren doch die drei Fragezeichen. Nicht einmal Jeffrey hatte er je zu ihren Ausflügen eingeladen – höchstens mal Kelly. Aber das war etwas anderes, sie war ein Mädchen, und Bob hatte ja auch Liz mitgenommen.
Naja, dachte Peter plötzlich, als Skinny sich neben Justus auf die Decke setzte und sein Shirt auszog. Skinny war für Justus nun das, was Kelly und Liz für ihn und Bob gewesen waren. Auch wenn es ihm schwerfiel, sich die beiden als Paar vorzustellen, waren sie jetzt Freunde. Sie hatten eine Beziehung. Und Peter hatte versprochen, das zu akzeptieren. Doch den Blick, den Bob auf Skinnys durchtrainierte Brust warf, musste er nicht einfach hinnehmen.
„Kommst du mit ins Wasser?" Die Frage war eindeutig an Bob gerichtet, doch Skinny war der Erste, der aufsah. „Klar, lass mich nur schnell die Badehose anziehen!" Ohne zu zögern, begann Skinny, sich umzuziehen. Bob, der eben noch unverhohlen zu ihm hinübergeschaut hatte, schien sich plötzlich bewusst zu werden, dass Peter ihn beobachtete. Er hatte immerhin den Anstand, Peter anzusehen, während Skinny sich untenrum entblößte und in seine Badehose schlüpfte. Peters Blick blieb einen Moment auf Bob hängen, doch er sagte nichts.
„Kommst du auch mit?", fragte Peter, wobei er versuchte, seine Stimme leicht und unbeschwert klingen zu lassen. Ein sanftes, liebevolles Lächeln lag auf seinen Lippen, in der Hoffnung, Bob damit zurück in ihre gemeinsame Realität zu ziehen.
„Ich kümmere mich noch schnell um Buddy, dann komme ich nach", erwiderte er und wandte sich ab, um die Wasserflasche zu öffnen. Der Hund schnüffelte neugierig daran, bevor er gierig zu trinken begann.
„Was ist los, Shaw? Machen wir ein kleines Wettschwimmen?", rief Skinny plötzlich mit einem breiten Grinsen, das Peter nur noch mehr anstachelte. „Hast ja eh keine Chance gegen mich!" Skinny strahlte so viel Selbstsicherheit aus, dass Peter den Drang verspürte, ihm zu zeigen, dass er keineswegs unbesiegbar war – und vielleicht, insgeheim, wollte er auch Bob beweisen, dass er noch immer der Stärkere war.
„Klar", antwortete Peter entschlossen. „Von hier bis zur Boje und wieder zurück."
„Deal", erwiderte Skinny, sein Grinsen wurde breiter, als er einen flüchtigen Blick zu Justus warf, der die Szene mit einem leichten Lächeln verfolgte. „Gibst du das Startsignal, Just?"
Justus richtete sich auf und schob seine Sonnenbrille in die Haare. „Meinetwegen, wenn's euch Freude macht", sagte er mit einem Anflug von Amüsiertheit in der Stimme. „Auf mein Zeichen..."
Peter trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Sein Blick wanderte kurz zu Bob, der noch immer mit Buddy beschäftigt war. Irgendetwas in ihm hoffte, dass Bob zusah, dass er bemerkte, wie ernst Peter diesen kleinen Wettstreit nahm. Doch Bob schien völlig abgelenkt zu sein.
Peters Magen zog sich zusammen. Er musste gewinnen! Es war nicht nur das Rennen gegen Skinny, das er aus Stolz nicht verlieren durfte, sondern dieses unausgesprochene Verlangen, Bobs Aufmerksamkeit zurückzugewinnen.
„Fertig... los!" Justus' Stimme riss Peter aus seinen Gedanken, und bevor er es wusste, schoss er ins Wasser, das kühl und erfrischend um ihn herum aufspritzte. Die Kälte klärte für einen Moment seine Gedanken. Er tauchte in kräftigen Zügen vorwärts, fühlte die Muskeln in seinen Armen und Beinen arbeiten. Doch Skinny war dicht hinter ihm, fast gleichauf. Der Gedanke an die Herausforderung, trieb ihn weiter. Er musste gewinnen! Für Bob!
Während Peter und Skinny um die Wette schwammen, lehnte sich der dritte Detektiv auf seinem Handtuch zurück, die Arme stützten den Oberkörper. Er ließ seinen Blick über das glitzernde Wasser schweifen und fast beiläufig meinte er: „Dass einige Menschen sich ständig miteinander messen müssen, kann ich nicht nachvollziehen."
Justus, der neben ihm saß und sich gerade in sein Buch vertiefen wollte, sah auf. „Sportlich vielleicht nicht", gab er zu und ließ den Wälzer sinken. „Aber intellektuell liebe ich die Herausforderung und den Wettkampf. Es liegt durchaus eine Art von Befriedigung darin, eine knifflige Frage schneller oder präziser zu lösen als jemand anders."
Bob lachte. „Das stimmt allerdings. Aber ist das nicht dasselbe? Ob physisch oder mental – der Wunsch, sich zu beweisen, treibt die Leute doch immer an."
Justus schüttelte leicht den Kopf. „Es gibt da Unterschiede, Kollege. Sportliche Wettkämpfe sind oft mehr ein Ausdruck körperlicher Überlegenheit, ein Spiel mit Instinkten. Intellektuelle Duelle hingegen... da geht es um Kontrolle, um das Spiel mit Ideen. Der Reiz dabei ist, Dinge zu verstehen, die andere vielleicht nicht durchschauen; Verbindungen zu sehen, die anderen verborgen bleiben." Justus schien in seinem Element, doch Bob schwieg; ließ die Worte auf sich wirken.
„Und was ist, wenn man gar kein Interesse daran hat, besser zu sein?", fragte er nach einer Weile. „Wenn man einfach... sein möchte, ohne sich ständig mit anderen zu vergleichen?"
Justus lächelte zufrieden. „Das ist wohl die Kunst des Lebens, nicht wahr? Zu erkennen, dass nicht jeder Wettkampf notwendig ist. Dass es okay ist, einfach zu sein. Dennoch verteidige ich den Standpunkt, dass wir von Natur aus zum Vergleichen neigen, ob wir wollen oder nicht. Es hilft uns, unseren Platz in der Welt zu finden."
Bob runzelte die Stirn und schaute zu den beiden Schwimmern im Wasser „Aber was ist, wenn das Vergleichen uns unglücklich macht? Was, wenn es genau das ist, was uns daran hindert, einfach zufrieden zu sein?" Er dachte daran, wie ehrgeizig Peter vor einem wichtigen Spiel wurde und wie verbissen er vorher dafür trainierte.
Justus legte den Kopf leicht schief. „Vielleicht macht es uns ja aber auch glücklich. Vielleicht braucht jemand wie Peter den Sport, um sich lebendig zu fühlen. Für manche Menschen ist der Wettkampf ein Weg, ihren Platz in der Welt zu bestätigen."
Bob sah erneut zu Peter, der mit kraftvollen Zügen die Boje erreichte und sich dann in einem eleganten Schwung auf den Rückweg machte. Trotz der Anstrengung strahlte Peter echte Freude aus. Jeder Muskel arbeitete, sein Gesicht war voller Konzentration – und dennoch war da ein Lächeln, das sich nicht verbergen ließ.
Bob atmete tief ein, als er begriff, was Justus gemeint hatte. „Wahrscheinlich hast du recht, Erster! Sport macht Peter glücklich. Für ihn ist das Messen keine Last, sondern etwas, das ihm Sinn gibt. Er fühlt sich frei, wenn er sich herausfordert."
Justus nickte zustimmend. „Ich denke, jeder findet auf seine eigene Weise Erfüllung, in dem was er tut. Für mich sind es kniffelige Rätsel, für dich das Recherchieren in alten Büchern, und für Peter... ist es der Wettkampf."
Bob lehnte sich zurück, die leichte Brandung des Wassers und das Rufen der Möwen wehten zu ihm hinüber. Peter war ein Sportler, durch und durch. Er liebte es und war gut darin. Ob er gut darin war, weil er es liebte, oder ob er es liebte, weil er gut darin war, spielte für ihn wahrscheinlich keine große Rolle. Wichtig war nur, dass beides, Können und Lieben, unzertrennbar miteinander verbunden waren. Und so gab ihm der Sport das Gefühl von Glück. Und um glücklich zu sein, musste er Sport machen, kombinierte Bob.
Als sein Freund als erster aus dem Wasser stieg, grinste er über das ganze Gesicht. Nasse dunkelrote Strähnen klebten an seiner Wange, und er kam zufrieden auf Bob zu. Der stand auf und breitete seine Arme aus. „Glückwunsch, Peter! Du bist und bleibst der schnellste!"
Peter umarmte Bob nur kurz. Zu kurz, wie Bob fand, doch er sagte nichts. Stattdessen verlor er sich in dem glücklichen Lächeln des Sportlers und versuchte sich damit zufrieden zu geben, dass Peter ihm ganz gehörte, wenn sie allein waren.
Die Vorstellung, dass dies genug wäre, wurde jedoch jäh zerstört, als er beim Weg zurück zu ihren Handtüchern, Skinny dabei zusah, wie er neben Justus saß und ihn intensiv küsste. Sogar sein Buch hatte der erste Detektiv beiseitegelegt.
Bob sah etwas wehmütig auf die sich ihm bietende Szene und wünschte sich insgeheim, dass er derjenige war, der in der Öffentlichkeit geküsst würde. Er war so in Gedanken versunken, dass er zu spät merkte, dass Skinny seine Lippen schließlich von Jutus' gelöst hatte und nun Bob anblickte. Ihre Blicke trafen sich. Und für einen Moment glaubte Bob ein Lächeln auf Skinnys Lippen zu erkennen, das diesmal nicht Justus galt...
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