25 | Besuch bei Hans

Dienstag
Route 101, Thousand Oaks, Ventura

Weil Skinny am Nachmittag einen Termin bei Dr Ferguson in Thousand Oaks hatte und Bob sich ohnehin bei Hans Lindström angekündigt hatte, fuhren sie gemeinsam mit Bobs Käfer die 101 Richtung Norden entlang.

„Ich bin gespannt, was Justus und Peter mit unseren Ergebnissen der letzten Nacht finden werden", meinte Bob aufgeregt. „Das Zeichen, in Verbindung mit der Karte und den Notizen war ja eindeutig."

„Das stimmt." Skinny nickte. „Die Frage ist nur, ob die Koordinaten, die wir mit Hilfe eines Rasters und Justus' unglaublichen Verstand entschlüsselt haben, wirklich stimmen. Die Falten auf der Karte und die Seitenzahlen mit den Symbolen könnten auch Zufall sein."

Bob schüttelte den Kopf. „Wenn Justus Jonas sich an ein Rätsel setzt, wird es meist auch gelöst. Und seine Koordinaten liegen tatsächlich in dem Gebiet, dass wir uns ohnehin ansehen wollten. Also bin ich guter Dinge, dass sie auch etwas finden werden."

„Da vorne ist schon die Praxis!" Skinny zeigte auf einen modernen Häuserkomplex mit weißer Fassade. „Hier kannst du mich rauslassen."
Bob nickte und lenkte den Käfer in eine Parkbucht. „Soll ich dich nachher wieder mitnehmen? Ich weiß nicht genau, wie lange mein Besuch dauert, aber vielleicht kannst du dir noch ein wenig die Zeit vertreiben."

„Ich komme schon klar, keine Sorge, Andrews. Ruf mich an, wenn du soweit bist!" Skinny stieg aus und ging auf den Eingang zu. Bob startete den Motor und bog erneut auf die 101 nach Ventura ab.

Diesmal fand der das Haus von Mr Lindström auch ohne Navigationsgerät. Er parkte in der Einfahrt und drückte den Klingelknopf. Nur wenig später saß er auf dem gemütlichen Sofa im Wohnzimmer des Journalisten und hielt eine heiße Tasse Tee in den Händen.

„Wie schön, dich wieder zu sehen, Junge! Habt ihr schon etwas herausgefunden über die Karte?"
Bob nickte. „Wir haben noch mehr auffällige Stellen gefunden und waren gestern Nacht auf dem Friedhof."
„Wie unheimlich", meinte Hans und faltete die Hände. „Habt ihr etwas entdeckt, was mit dem Schatz zu tun hat?"
„Indirekt, ja. Wir haben einen Grabstein entdeckt, auf dem das Zeichen aus dem Buch eingemeißelt war. Mit Hilfe einer Karte des alten Friedhofes und einer Rastersuche, konnte Justus ein Muster in der Anordnung der Steine erkennen und mit Hilfe der Seitenzahlen aus dem Notizbuch daraus Koordinaten ableiten."

„Wow, das klingt sehr kompliziert. Wie hat er das gemacht?" Bob lachte.
„Ich habe keine Ahnung. Justus' Gehirn ist eine Nummer zu groß für mich. Aber das Wichtigste ist, dass die Koordinaten mit einem Teil des Planes übereinstimmen, den wir heute untersuchen wollen."
„Und wo ist das genau?" Bob schlürfte an seinem Tee. Er schmeckte wirklich vorzüglich.

„Darf ich zuerst fragen, ob du auch etwas bei deinen Recherchen herausgefunden hast, Hans?"
Der Journalist grinste breit. „Gute Einstellung mein Junge, niemals zu viele Informationen preisgeben, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Ich denke, aus dir wird mal ein guter Investigativjournalist werden."
Bob errötete kurz. So ein Kompliment aus dem Mund eines Mannes wie Hans, tat ihm gut.

„Nun", begann der Däne, „ich habe mich bei meiner Suche auf verschiedene Aspekte konzentriert, aber dich interessieren sicherlich nur die Resultate." Er lachte laut auf, als hätte er einen guten Witz gemacht. Dann schenkte er Bob ein wenig Tee nach.

„Pass auf: Du weißt sicherlich, dass in Rocky Beach bald die 200-Jahr-Feier stattfindet." Bob nickte, darum hatte CJ ja auch die Artefakte aus dem Archiv gestohlen. „Als man anfing, für die Vorbereitungen die Geschichte der Stadt genauer zu untersuchen, fand man ein altes Tagebuch, eines der Nachfahren von einem gewissen Harold Keynes, der damals auf der Argyle  Queen angeheuert hatte. Das war ebenfalls ein Piratenschiff, das vor der Küste Kaliforniens gesunken ist." Bob grinste verschmitzt. „Ich habe davon gehört."
„Jedenfalls hatte dieser Harold die alten Worte seines Urgroßvaters aufgeschrieben, die da lauteten:
Hast du die Karte von der Hatz,
hast du nur den halben Schatz.
Nur mit dem Buch wird dir die Bergung gelingen
und deinen Beutel zum Klingen bringen."

„Das klingt schon wieder nach einem Rätsel. Aber die Botschaft ist klar: Nur wer beides besitzt, kann den Schatz bergen."

„Genau. Und nachdem diese Information durchgesickert war, verschwand die Karte kurz darauf aus dem Archiv. Einige Schatzsucher machten sich daraufhin auf die Suche nach einem alten Buch. Ich habe mit mehreren Antiquariaten in der Umgebung gesprochen, und alle berichteten dasselbe: In den letzten Monaten kamen viele Kunden, die gezielt nach alten Büchern gefragt haben. Ich vermute, dass einer von ihnen das Buch gefunden und zum Verkauf angeboten hat. Derjenige, der die Karte gestohlen hat, möchte nun ebenfalls in den Besitz des Buches kommen.
Ich denke, dass ihr es zufällig erstanden habt. Entweder aus purem Glück – oder, und das halte ich für wahrscheinlicher, durch eine Verwechslung."

Bob nickte. „Wir wissen inzwischen, dass ein Mann, der sich Mr. Smith nennt, auf der Suche nach dem Buch ist. Er war auf dem Schrottplatz und hat nach dem Buch gefragt. Zum Glück war es gut versteckt und er ist wieder abgezogen."

„Seid auf jeden Fall vorsichtig, wenn ihr den Schatz weiterhin sucht. Dieser Mr. Smith könnte gefährlich werden, wenn er glaubt, dass ein großer Schatz zu bergen ist."

„Wir passen schon auf. Wir haben schon ähnliche Fälle wie diesen gelöst."

„Verrätst du mir nun, wo der Schatz versteckt ist?" Hans' Augen fixierten Bob mit einer Intensität, die er nicht einordnen konnte. Er kannte Hans kaum. Abgesehen davon, dass er ein alter Kollege seines Vaters war, konnte Bob nicht wirklich sagen, ob er ihm vertrauen konnte. Also sagte er vorsichtig: „Wir vermuten, dass der Schatz in den Katakomben des alten Theaters versteckt ist. Es war vor langer Zeit ein Ratskeller und damals bereits ein Bestandteil der Kernstadt."

„Ja, das klingt plausibel. Erzähle mir unbedingt, ob ihr den Schatz gefunden habt. Ich hätte gerne die Exklusivrechte an dieser Story."

„Das muss ich mit meinem Vater abklären, aber ich denke, das geht in Ordnung. Wenn du mir dafür eine Empfehlung für meine Uni-Bewerbung schreiben würdest?"
Hans lachte und klopfte Bob auf die Schulter. „Nichts lieber als das!"

Auf dem Rückweg nach Thousand Oaks dachte Bob darüber nach, dass er Hans etwas vorgemacht hatte. Er schien wirklich in Ordnung zu sein, aber die Drei Detektive hatten in ihrer Vergangenheit zu oft Vertrauen in die falschen Leute gesetzt. Lieber revidierte er am Ende seine Vermutung, als die Ermittlungen zu gefährden.

Bob lenkte den Wagen in die Marin Street, wo Skinny schon auf ihn wartete.

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Thousand Oaks, Marin Street

„Skinny, wie geht es Ihnen heute?" Dr. Ferguson rückte ihre runde Brille zurecht und machte es sich im Sessel bequem.
„Gut, denke ich." Skinny griff nach seiner Limonade und trank einen Schluck.

„Das freut mich zu hören", lächelte die Psychotherapeutin. „Haben sie schon die Imaginary Rehearsal Therapie ausprobiert?"

Skinny nickte. „Ein Freund von mir, hat mir damit geholfen."
„Gut, gut." Dr Ferguson nickte zufrieden und notierte etwas auf dem Schreibblock. „Haben Sie schon eine Besserung festgestellt?"

Skinny zögerte. Seine Hände spielten mit dem Feuerzeug in seiner Jeans. „Nein, nicht wirklich", gab er schließlich zu und ergänzte: „Ich habe wieder mit dem Rauchen angefangen."

„Wie lange haben Sie Pause gemacht?"
Skinny überlegte kurz. „Ein paar Wochen. Es lief auch eigentlich ganz gut, bis..." Skinny stockte. Direkt neben dem Feuerzeug befand sich die Kaugummipackung, die Bob ihm mitgebracht hatte. Er zog blind einen Streifen heraus und steckte ihn sich in den Mund.

„Warum haben Sie aufgehört?", fragte Dr Ferguson sanft nach.
„Weil jemand gute Argumente dagegen hatte." Ein Schmunzeln schlich sich auf Skinnys Lippen. Er erinnerte sich noch gut an die Nachrichten, die er sich mit Bob geschrieben hatte. Und wie er am nächsten Morgen mit den Kaugummis vorbeigekommen war. Er meinte damals, dass Justus es bestimmt nicht gut fände, wenn er nach Rauch riechen würde. Doch Justus hatte sich von ihm entfernt. Auch wenn Skinny Bob gegenüber erwähnt hatte, dass er kämpfen wolle, wusste er doch, dass er kaum eine Chance haben würde, dass ihre Beziehung stabil blieb, wenn Justus erst einmal an einer Uni angenommen würde. Also warum sollte er noch auf ihn Rücksicht nehmen?

„Und das Argument ist nun nicht mehr gut?" Skinny legte den Kopf schief.
„Was genau meinen Sie?"
Dr Ferguson lächelte. „Wenn Ihnen etwas an dem Argument gefallen hat, ist es vielleicht immer noch wahr. Vielleicht hat sich nur etwas an den Umständen geändert. Aber das macht das Argument nicht zwangsläufig schlecht. Vielleicht sollten Sie die Umstände anpassen."

Skinny überlegte einen Moment, ließ die Worte wirken, versuchte sie auf sein Problem anzuwenden. „Vielleicht haben Sie recht", meinte er schließlich. Er dachte daran, wie Bob ihn angesehen hatte, als wolle er etwas sagen, als er vor ihm geraucht hatte. Und gestern hatte er ihm auch zu verstehen gegeben, dass er das Rauchen nicht gut fand. „Vielleicht habe ich gerade die Umstände geändert", scherzte er, doch ein Funken Wahrheit lag in seinen Worten. Wenn er schon nicht mehr für Justus das Rauchen sein ließ, dann vielleicht wenigstens für Bob.

„Na, wie lief es?" Bob hatte am Straßenrand gehalten und Skinny war zu ihm Auto gestiegen. „Ganz okay", antwortete Skinny, als Bob den Wagen wieder auf die Schnellstraße lenkte. „Und bei dir? Irgendwelche Neuigkeiten?"
Bob nickte. Und dann erzählte er Skinny von dem Gespräch mit Hans und was dieser herausgefunden hatte.

„Wir sollten morgen noch einmal mit Peter und Justus sprechen, um zu sehen, was sie herausgefunden haben und wie das alles zusammenpasst. Besonders mit diesem Mr Smith. Ob Charles ihn wirklich kannte?", überlegte Bob.

„Du denkst nicht ernsthaft darüber nach, ihn im Gefängnis zu besuchen!" Skinny sah erschrocken zu Bob hinüber.

„Nein, nicht ernsthaft. Aber der Gedanke liegt doch nahe."
Skinny schüttelte den Kopf. „Bevor du diesen Psycho noch einmal besuchst, gehe ich lieber statt deiner dorthin! Immerhin hat der Boss mit mir zusammengearbeitet und ich habe noch 'ne Rechnung mit ihm offen!"

„Nein, das möchte ich nicht. So wichtig ist dieser Schatz auch nicht. Wir lösen das Fall auch ohne die Hilfe von Charles." Bob nahm die nächste Ausfahrt und lenkte den Wagen auf die Straße zum Hafen. Am Parkplatz hielt er an und Skinny schnallte sich ab. „Kannst du mich morgen Abend hier abholen?", fragte er. „Wegen der Red Devils?"

„Willst du denn nicht mit uns weiter am Fall arbeiten?", wunderte sich Bob. Skinny schüttelte den Kopf. „Ich brauche mal 'ne Pause von Justus. Ich denke, es geht ihm genauso."

Bob nickte nachdenklich. „Okay, ich hole dich pünktlich ab. Wir treffen uns hier."
„Aye, Chef!" Skinny zwinkerte und schlug dann die Tür zu. Als er zu Steg ging, drehte er sich noch einmal um, und salutierte. Bob grinste. Dann wendete er den Wagen und trat den Rückweg nach Hause an.

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