Kapitel 16 - Luis
Luis war so kurz davor, seinen Kopf gegen den Tisch zu schlagen. Wirklich so kurz davor. James starrte ihn die ganze Zeit an. Kontinuierlich. Luis konnte ihn förmlich lachen hören, als er sich innerlich über jeden seiner Fehlversuche lustig machte.
"Was?", fauchte er schließlich, als sein Versuch erneut scheiterte. James - Arsch, der er war - kicherte daraufhin. Kicherte, als wäre Luis' Scheitern das Unterhaltsamste, was er seit langem gesehen hatte.
"Es ist nur", erneut entwich ihm ein Lachen, während er sich über die Lippen leckte, "so bekommst du das in tausend Jahren nicht hin."
Sie war irgendwie süß - seine gute Laune - auf eine verkorkste Art und Weise. Luis verstand nicht, woher der Gedanke kam. Er wusste nur, dass James ihm so mehr gefiel. So sehr er ihn mit seinem stillen Urteil auch auf die Palme brachte. Luis war diese Version lieber. Die weniger verkrampfte Version. Er hätte den früheren James vermutlich wirklich leiden können, den, der seine Seele noch nicht verscherbelt hatte. Den nicht streitsüchtigen, kalt kalkulierenden James.
"Du bist zu verklemmt", sagte er. Und oh, das kam ja genau aus dem richtigen Mund.
"Ich?", wiederholte Luis. "Verklemmt? Schau mal in den Spiegel. Du bist derjenige, der-" andauernd einen auf Möchtegern Kontrolle macht und versucht anderen herumzukommandieren.
Ja, zum Glück hatte es sich den Teil noch verkneifen können. Luis glaubte nicht, dass seine Worte sonderlich gut ankommen würden. So wahr sie auch seien mögen. Monroe hätte ihm vermutlich sofort eine verpasst. So weit es ihn auch zurückgesetzt hätte, irgendwie wäre es schon interessant gewesen. Ein Kampf mit ihm hätte sicher Spaß gemacht.
Mit oder ohne Magie Luis hätte ihn bestimmt geschlagen. Immerhin, Monroe war nur ein Student, ein niemand, mit so kümmerliche Magie, dass er seine Seele für mehr Macht verscherbeln musste.
Luis musste sich ein seichtes Kichern verkneifen. Wer hätte es gedacht? Sie hatten doch etwas gemein. Beide stammten sie aus Familien mit magischen Potential und beide hatten sie keinen Funken davon geerbt.
Ach, Kaia. Luis vermisste sie. Sie war - bei den Göttern sie war genial. An seiner Stelle hätte sie Monroe schon längst um ihren Finger gewickelt. Sie wäre hier hineinspaziert und hätte sie genommen, was sie brauchte.
James räusperte sich. "Alles...in Ordnung? Du siehst irgendwie aus, als - nun ja. Oder bin ich schon wieder grün?" Eine kurze Pause. "Nein. Nein, noch immer normale Hautfarbe."
"Du hast gesagt, dass ich es so nie in tausend Jahren schaffe?", wiederholte Luis und lenkte das Gespräch somit zugleich in eine andere Richtung.
"Ja, ich kann dir helfen, wenn du willst. Sag mir, woher du kommst und in einer halben Stunde fliegst du schon durch den Raum. Na ja, vielleicht nicht so extrem. Einen Zauber kriegst dann aber definitiv gebacken."
"Atlantis", entgegnete Luis trocken. "Schau doch mal vorbei. Der Ort bewirkt wahre Wunder für die Atemwege." Er seufzte. Benimm dich, wiederholte er die Worte seiner Instruktorin in Gedanken. Er muss dich mögen. Benimm dich.
Luis rechnete mit Wut. Zumindest mit einer spitzen Bemerkung. Mit dem jedoch nicht. Meine Güte, Morgensex schien bei ihm wirkliche Wunder zu vollbringen.
"Eh", James zuckte mit den Schultern, "bin schon dort gewesen, nichts Besonderes, wenn du mich fragst. Deine Heimat interessiert mich viel mehr. Ich gebe mich auch mit dem Land zufrieden, die Stadt kannst du für dich behalten."
"Warum ist das überhaupt so verdammt wichtig?", fragte Luis. "Dir kann es doch scheiß egal sein, wo ich aufgewachsen bin."
"Mir ist deine kleine Sekte egal, falls du darauf anspielst. Die Standorte erfahre ich auch ohne dich in unter fünf Minuten. Ich bin auf der Suche nach den Halbgöttern. Nach ein paar von ihnen zumindest. Insbesondere Desire. Sie sind... - sagen wir einfach, sie sind mir noch was schuldig."
"Etwas schuldig?", entgegnete er ungläubig. Was hätte Monroe schon machen können, dass die Halbgötter in seiner Schuld standen? Er war was? Neunzehn? Zwanzig? Höchstens zweiundzwanzig.
"Ja", meinte James. "Ist ja heutzutage nicht ungewöhnlich, eine Rechnung mit ihnen offen zu haben. Siehst ja eh, was sie sich alles herausnehmen."
Luis hätte lachen können. Wie standen die Chancen? Da kam er hierher, um sich eben von James ein paar Pointers gegen Valerie zu holen und dann hatte er selbst ein Problem mit ihr. Also, das war mal Karma und Ironie.
Dennoch: "Da musst du dich hinten anstellen."
James ließ ihn nicht einmal weitersprechen. Er wartete nicht auf eine Erklärung. "Du weißt also, wo sie ist", sagte er.
"Ja", entgegnete Luis.
"Was hast du gegen sie?"
Erneut: Es verwunderte Luis, dass James nichts Näheres wissen wollte. Er war einfach zur nächsten Frage gesprungen. Wenn er wissen wollte, wo sie war, warum fragte er nicht einfach? Nicht das Luis es ihm verraten würde, nein, aber dennoch, es kam ihm ein wenig komisch vor.
"Wir sind alte Liebhaber", winkte er ab. Das glaubten sowieso die meisten. Sobald jemand auch nur eine Spur von ihrer Magie auf ihm mitbekam, kamen die dummen Sprüche schon. "Wir hatten jede Menge Sex, sie hat Schluss gemacht und ich hänge ihr noch immer hinterher."
James brach in Gelächter aus, laut genug, dass die Professorin ihm einen tadelnden Blick zuwarf. Sie ermahnte ihn jedoch nicht. Der Rest der Klasse war ohnehin genauso laut.
"Bullshit." James schnaubte. "Desire ist ace. Wenn du was mit ihr hattest, dann hatte ich auch was mit ihr."
"Aber sie ist-", begann Luis. Die Halbgöttin der Lust, wollte er sagen, doch die Klingel unterbrach ihn.
James stand auf und machte sich daran zu gehen. Für ihn war das Thema wohl geklärt.
Luis stoppte ihn. "Warte. Willst du nicht wissen, wo sie ist?" Erneut: Er würde es ihm nicht sagen. Natürlich nicht. Aber das James ihn die ganze Zeit danach gefragt hatte und nun auf einmal Ruhe gab, kam ihm mehr als merkwürdig vor. Er musste doch zumindest neugierig sein.
"Oh." James zuckte mit den Schultern. "Ich bin ein Traumwandler. Eigentlich wollte ich ihre Schritte mit dir als Startpunkt weiterverfolgen, aber jetzt, da ich weiß, dass du weißt, wo sie ist..." Er schüttelte den Kopf. "Ich finde es so oder so heraus."
Luis machte diese Nacht kein Auge zu.
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James jedoch hatte nicht vor ihm nachzuspionieren. Zumindest heute nicht. Die restlichen Stunden schwänzte er getrost. Philip wartete immerhin auf ihn. Hoffentlich mit guten Nachrichten. Sie hatten schon die letzte Nacht mit nutzlosen Prophezeiungen verschwendet.
Er wollte wissen, was Kontrolle mit Luis vorhatte, was Theo von ihm wollte und warum diese beiden Probleme zur selben Zeit aufgetaucht waren.
Rhyllis kam ihm auf halbem Weg zu Philip entgegen. Der Vorfall reizte sie weiterhin sehr. Ein Wochenende dazwischen und sie kochte noch immer vor Wut. Egal wie oft er ihr versuchte zu erklären, dass Theo im Vorteil gewesen war, - immerhin hatte sein Vater versucht, ihn zu Kontrolle 2.0 auszubilden - Rhyllis wollte nicht auf ihn hören. Sie ärgerte sich grün und blau.
Theo hatte definitiv einen Fehler mit ihr begangen. Sollten sich die beiden noch einmal über den Weg rennen, würde sie nicht zögern, sich zu rächen. Immerhin hatte James fast zwei Stunden gebraucht, um sie von den Fesseln der Halbgöttin zu befreien. Definitiv ein neuer Tiefpunkt für die Inkubin.
"Ich verstehe noch immer nicht, warum du dich in den Unterricht gesetzt hast. Siebzehn weiß vermutlich noch weniger als wir", sagte sie. Siebzehn, so nannte sie Luis seit dem Vorfall letzter Woche. Der siebzehnte Spion, ergo Siebzehn.
Seit der Katastrophe bei der Zeremonie war Luis für sie nur noch ein Dorn im Auge. James konnte sie gut verstehen. Klar, Luis hatte kick, er sah heiß aus und nahm sich kein Blatt vor dem Mund - zumindest nur selten. Unter anderen Umständen hätte James ihn gewiss in sein Bett eingeladen. Aber mit Theos Anwesenheit und dem Durcheinander mit Kontrolles Magie war er nichts als ein weiteres Ärgernis. Eine Ablenkung. Vielleicht sogar eine Vollkatastrophe im Anfangsstadium.
James zuckte mit den Schultern. "Meine Magie war neugierig gewesen", rechtfertigte er sich.
"Neugierig?", wiederholte Rhyllis. "Ist es nicht deine neugierige Magie, die uns dieses Problem erst eingebrockt hat?"
"Na ja, eigentlich ist es Angelinas Schuld."
"Ach, tatsächlich?", sagte Rhyllis.
"Jap, denk drüber nach. Ohne sie hätte ich Theos Vater nie kennengelernt und somit auch nie Theo. Problem Numero uno zack aus der Welt. Ohne Theo würde ich nicht an dieser Uni feststecken und wenn ich nicht an dieser Uni feststecken würde, wäre Luis nie hier hergekommen. Also ja - ihre Schuld."
Rhyllis verdrehte die Augen, entgegnete jedoch nichts. Stillschweigend gingen sie nebeneinander, bis sie vor Philips Quartier zum Stillstand kamen. Rhyllis klopfte. Einmal. Zweimal. Als er die Tür erneut nicht öffnete, ein drittes Mal, diesmal deutlich fester.
Schließlich öffnete Philip ihnen die Tür. Er sah erledigt aus. Sein schwarzes Haar war so zerzaust, das man die lila Strähnen darin kaum ausmachen konnte. Statt seiner üblichen Lederkluft trug er ein schwarzes Leiberl und eine graue Jogginghose. Der fast Allnighter hatte ihm wohl mehr zu schaffen gemacht als James. Keine Ahnung wieso, dachte sich James, drei Stunden Schlaf sind nun wirklich nicht so wenig.
Er würde sich ja für die Ringe unter seinen Augen schuldigfühlen, doch da er Philip wortwörtlich bezahlte, indem er sein Gewicht in Gold aufwog, konnte er sich das getrost ersparen. Der Betrag war im übrigen nicht wenig. Philip war zwar nicht gerade muskulös, aber dafür glatt zwei Köpfe größer als James.
"Irgendetwas Neues?", fragte er ihn.
Philip schloss die Tür hinter ihnen. Sein Zimmer war genauso spärlich eingerichtet wie jedes andere auch. Sauber war es nur nicht. Überall standen Takeout-Kartons herum und Bücher, Papiere und Stifte nahmen den Rest der freien Fläche ein.
"Nicht viel", sagte Philip. "Du weißt ja, wie es ist, wenn die Halbgötter nicht mit einem kooperieren. Foresight steht hier so was von nicht auf unserer Seite, aber umsonst hab ich mir das Schwarz meiner Uniform ja nicht verdient. Kommt, ich zeig euch, was ich herausgefunden hab."
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Hi! Ein weiteres Kapitel unter Dach und Fach.
Ab heute glaube ich, werde ich wieder nur noch Freitags posten. Ich wurde nämlich zu einen kleinen Schreibwettbewerb eingeladen. Das macht drei Schreibprojekte an denen ich gerade arbeite.
Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen! Bis zum nächsten Update. ^^
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